Transistorradios reparieren, Tipps und Tricks

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Transistorradios reparieren, Tipps und Tricks 
04.Nov.11 16:24
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Hans-Jürgen Neuhaus (D)
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Hans-Jürgen Neuhaus

Transistorradios reparieren, Tipps und Tricks für Einsteiger und Fortgeschrittene

(Teil 1)

Allgemeines
Seit 1957 gibt es in Deutschland Radio-Geräte mit reiner Transistorbestückung und seit dieser Zeit gibt es die Notwendigkeit der Reparatur dieser Geräte. Im Prinzip  unterscheidet sich die Reparatur von Transistorgeräten nicht von der Reparatur von Röhrengeräten. Daher ist eine Durchsicht des Kapitels „Keine Angst vor dem Innenleben“ [1] des Buches „Radios von gestern“ von Ernst Erb sehr hilfreich.
Es gibt aber auch Dinge, bei denen sich die Reparatur von Transistor-Geräten wesentlich von der Reparatur von Röhren-Geräten unterscheidet. Daher soll hier ein kleiner Reparatur-Leitfaden für Transistorgeräte Einstieg und Hilfe für Anfänger und Fortgeschrittene bieten. Wegen des relativ großen Umfangs dieses Themas wird die Darstellung in mehreren Teilen erfolgen.

Alle Schutzmaßnahmen gegen einen Stromschlag, die bei aus dem 230V-Netz gespeisten Geräten unabdingbar sind, sind bei Geräten, die mit einer Kleinspannung (<24V) betrieben werden, überflüssig. Bei Geräten mit eingebautem Netzteil ist die Verwendung eines Trenntransformators aber unerlässlich, sofern das Gerät am Netz repariert wird.

Es soll eine ganzheitliche Vorgehensweise verfolgt werden; das heißt, es soll von den oberflächlichen Phänomenen (Fehlverhalten) auf eine innere Ursache geschlossen werden.

Vorbemerkung:
Die Vorgehensweise bei der Reparatur eines Radios ist immer auch eine Geschmacksfrage. Daher ist geplant, im 2.Teil auch alternative Vorgehensweisen und Schliche, Kniffe, Tipps und Tricks anderer Autoren des RMorg vorzustellen. Neben der unterschiedlichen Herangehensweise sind aber auch insbesondere die unterschiedlichen Ansprüche an die Ausstattung eines Reparaturplatzes sowie die verwendeten Messgeräte interessant.
Weiterhin sollen neben den allgemeinen Erläuterungen zu Reparaturen auch Fehlereigenheiten spezieller Geräte zur Sprache kommen. Zusätzlich soll auch die Reparatur spezieller Bauteile, wie Spulen, Filter, Lautsprecher, … behandelt werden.

Übersicht über prinzipielle Mess-Methoden
Es werden hier drei prinzipielle Messmethoden beschrieben, die bei Standardfehlern in den meisten Fällen zum Erfolg führen:

  1. Passiv-Methode:
    Diese Methode wird ohne Anlegen der Betriebs-Spannung angewendet.
    Am Anfang steht eine optische Prüfung. Im 2. Schritt  steht die Verfolgung der Schaltungswege mit einem Durchgangsprüfer oder Ohm-Meter (Widerstandsmessgerät).
  2. Aktiv-Methode:
    Diese Methode wird mit angelegter Betriebs-Spannung angewendet.
    Die Verfolgung der Spannungs- und/oder der Signalwege erfolgt mit dem Spannungsmesser beziehungsweise Strommesser.
  3. Dynamik-Methode:
    Auch diese Methode wird mit angelegter Betriebs-Spannung angewendet.
    Hier erfolgt die Fehlereinkreisung durch Signalverfolgung im NF(Niederfrequenz)-Teil und/oder im HF(Hochfrequenz)-Teil. Zum einen kann diese  ganzheitliche Methode sehr effektiv sein, erfordert aber etwas Erfahrung.
    Zum andern liegt der Schwerpunkt der Fehlereinkreisung im Anlegen eines Prüfsignals. Dieses Signal kann je nach Problem ein NF-Signal aber auch eine HF-Signal sein. Auch hier ist Erfahrung erforderlich.

Hinweis:
Äußerst hilfreich ist bei oben genannten Prüfungen das Vorliegen eines Schaltbildes, möglichst mit Bestückungsplan. Dies schafft Überblick und der Bestückungsplan verkürzt auch die Suche nach der Lage bestimmter Bauteile erheblich. Im RMorg findet das Mitglied einen ungeheuren Fundus an Schaltplänen und Bestückungsplänen!
Die Fehlersuche ohne Schaltbild ist nicht nur für den Anfänger ein Blindflug!!!
Dann hilft bei komplexeren Fehlern oft nur das mühselige Anfertigen eines Schaltbildes oder Schaltbildauszugs aus dem Gerät selbst.

Messgeräte und Werkzeug

Digitales Multi Meter (DMM)
Für die Passiv-Methode ist ein Ohm-Meter erforderlich.
Für die Aktiv-Methode ist zumindest ein Spannungsmesser erforderlich.
Beide Methoden lassen sich einfach und kostengünstig mit einem DMM realisieren. Für den Anfang genügt hier auch ein DMM von  CONRAD, Reichelt, …  oder aus dem Baumarkt für weniger als 10  EURO.
Für Fortgeschrittene empfiehlt sich ein höherwertiges DMM, das zusätzlich zu den Grundfunktionen (Spannung, Strom, Widerstand) Kapazitäten, Induktivitäten, und Frequenzen messen kann. Transistorprüffunktionen (Stromverstärkung) sind heute oft schon in den einfacheren DMM vorhanden.

Tipp:
Die Messungen mit dem Ohm-Meter beziehungsweise die Spannungsmessungen sollten mit einem DMM durchgeführt werden. Ein Drehspul-Vielfachmesser (mit Zeiger) ist wegen des relativ geringen Innenwiderstandes des Messgerätes nicht empfehlenswert, da das zu unnötigen Messfehlern führt. Hier gilt verschärft:
Wer misst, misst Mist!

Weiterhin ist bei vielen Drehspul-Vielfachmessgeräten bei der Widerstands-Messung die Polung der Messspannung vertauscht (Plus-Eingang = Minuspotential; Minus-Eingang = Pluspotential). Dies führt bei Nichtberücksichtigung zu Fehlmessungen bei der statischen Prüfung von Halbleitern (Transistoren, Dioden).

Außerdem sollte ein DMM – nicht unbedingt nur für Fortgeschrittene - einen sogenannten Dioden-Messbereich aufweisen. Hierbei erfolgt die Messung mit einer erhöhten Messspannung, so dass die Schleusen-Spannung (Spannung in Durchlassrichtung) von Halbleiterdioden sicher überschritten wird. Im Display des DMM erscheint dann bei Polung der Messklemmen in Durchlassrichtung die gemessene Schleusen-Spannung des geprüften Halbleiters.

Signalverfolger
Für die Dynamik-Methode sind aufwendigere Messgeräte erforderlich.
Die Anwendung eines Messgerätes – des sogenannten Signalverfolgers - ist eine sehr effektive Methode zur  Fehlereinkreisung durch Abtasten von NF- und/oder HF-Stufen im laufenden Gerät. Weiter unten wird vorgeschlagen, wie man sich mit einfachen Mitteln einen Signalverfolger selbst bauen kann.
Präziser ist die Signalverfolgung mit einem Oszillografen. Insbesondere auch zur Identifizierung schwingender Stufen. Auch bei Reparaturen von Radios gilt manchmal die alte Entwicklerweisheit:
Alle Stufen schwingen – nur der Oszillator nicht!

Hochfrequenz-Generator
Fehlersuche durch Einspeisen eines Wechselspannungs-Prüfsignals ist die aufwendigste Methode, die aber bei hartnäckigen Fehlern manchmal unabdingbar ist.
Dazu benötigt man einen modulierbaren HF-Generator, der im Idealfall auch den UKW-Bereich abdeckt. Diese gibt es in vielen Ausführungen - auch gebraucht.
Modulierbare HF-Generatoren haben in der Regel einen eingebauten, auch von außen zugänglichen NF-Generator (≈1kHz), der zur Prüfung von NF-Stufen völlig ausreicht. Von der Verwendung eines eigenen NF-Generators wird hier daher abgesehen.

Generell reicht für eine oberflächliche Funktions-Analyse auch ein sogenannter Signalinjektor. Hierbei wird meist ein batteriegespeistes Gerät in Form einer Prüfspitze eingesetzt, das ein Rechtecksignal ausgibt. Die Oberwellen dieses Signals reichen oft bis in den MHz-Bereich, so dass auch HF-Stufen geprüft werden können.

Frequenzzähler
Wird ein einfacher Hochfrequenzgenerator ohne genaue Frequenzanzeige benutzt, kann mittels eines Frequenzzählers die Ausgangsfrequenz präzise bestimmt werden. Manche DMM unterstützen die Frequenzzählung.

Werkzeug
Wichtig für die Durchführung einer Reparatur ist neben Messgeräten auch ein Grundstock an Werkzeugen und Hilfsmitteln:
Unabdingbar sind:

  • Ein Satz Schraubendreher, ein kleiner Saitenschneider, eine Spitzzange sowie Pinzette und eine (Uhrmacher-) Lupe.
  • Ein Lötkolbenset, bestehend aus Lötkolben (ca.30Watt), Lötzinn (verbleit) und Entlötpumpe. Wenn Gefahr zum Beschädigen von Leiterplatten beim Auslöten von Bauteilen gegeben ist, empfiehlt es sich Entlötlitze zu benutzen.
  • Glasfaserpinsel, kleine Eisenfeile (Kontaktfeile)
  • Empfehlenswert ist auch eine Geräteunterlage auf dem Reparaturtisch. Hier gibt es professionelle Gitterunterlagen aus Gummi; aber es reicht auch eine Gummifußmatte aus dem Autozubehör – oder im einfachsten Fall ein Handtuch.
  • Für die Beleuchtung sollte eine flexibel einstellbare Lampe (Arbeitsleuchte) verwendet werden – gibt es z.B. kostengünstig bei Ikea, …. In keinem Fall ist als Leuchtmittel eine Energiesparlampe oder Leuchtstoffröhre zu empfehlen, da die Elektronik dieser Lampen eine hohe Störstrahlung insbesondere im AM-Bereich aufweist.Als Ersatz für gesetzlich verbotene Glühlampen können Hochvolt-Halogen-Lampen verwendet werden, die bei gleicher Lichtleistung auch eine geringere Temperatur entwickeln.
  • Für Schrauben oder Kleinteile, die bei der Demontage anfallen, sollten immer ein oder mehrere Behälter bereit stehen.

Hinweis:
Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV):

Störungen vor allem im AM-Bereich können von verschiedenartigen Geräten ausgehen – auch wenn sie CE-zertifiziert sind:
Schaltnetzteile (auch geschaltete Steckernetzteile), Dimmer, Motorregler, …
Aber auch von durch Mikroprozessoren gesteuerte (getaktete) Geräten geht Störstrahlung aus:
PC, Laptop, WLAN-Router, Mobiltelefon, DECT-Telefon, ISDN-Telefon, PLL-Weltempfänger; aber auch  Messgeräte (nicht nur neue) stören oft.
Und Funkschnittstellen, wie GSM, DECT, WLAN, Bluetooth, …, stören oft breitbandig.
Von einigen Geräten, z.B. vom PC oder Laptop, kann Störstrahlung aller oben genannten Kategorien ausgehen.
Hier hilft nur, diese Geräte in einem angemessenen Abstand, den man durch Probieren mit einem funktionierenden AM-Radio ermitteln sollte, vom Arbeitsplatz aufzustellen. Störende Messgeräte am Arbeitsplatz sollten bei AM-Empfangs-Prüfungen abgeschaltet werden.

Weitere Hilfsmittel für Fortgeschrittene oder Vielreparierer

  • Sehr hilfreich – insbesondere, wenn man öfter mal ein Transistor-Gerät reparieren will – ist ein kurzschlussfestes, regelbares Niedervoltnetzteil (mindestens bis 12V) mit Strom- und Spannungsanzeige. Durch die Stromanzeige ist das Netzteil nicht nur Stromversorgung, sondern gleichzeitig auch eine Hilfe bei der Analyse von Fehlern.

Hinweis:
Unser RMorg-Mitglied Pius Steiner beabsichtigt, ein regelbares Netzteil 0-18V,  max. 1,5A mit Strombegrenzung als Bauanleitung demnächst ins RMorg zu stellen.

  • Notwendige Verbindungen – z.B. zwischen Niedervoltnetzteil und Reparaturobjekt oder Verlängerungen zwischen (ausgebautem) Radiochassis und Lautsprecher – müssen belastbar sein, insbesondere bei langwierigen Reparaturen. Hier sind flexible Leitungen und Lötverbindungen zu empfehlen.Denn:
    Nervig sind bei einer Reparatur immer wieder abspringende Klemmen, beispielsweise die legendären Klemmen der Fa. Hirschmann.


Tipp:
Alle Messgeräte sollten immer auf volle Funktionsfähigkeit gehalten oder – zumindest vor Beginn einer Reparatur –  auf Funktionsfähigkeit geprüft werden. Nichts nervt mehr, als wenn man mitten in der Reparatur eines Gerätes erst noch das benötigte Messgerät reparieren muss, auch wenn nur die passenden Batterien fehlen, oder die Sicherung für die Strommessung im DMM durchgebrannt ist.

Hinweis:
Elektrostatische Entladung

Ein oft unterschätztes Problem ist die elektrostatische Entladung, meist Elektro Static Discharge – kurz ESD – genannt. Hierbei entlädt sich der Reparateur eines Radios, der sich vorher durch Reiben an oder mit Kunststoffen z.B. Teppichboden, Bürostuhl aber auch Kleidung (z.B. Fleece Jacke) statisch auf eine Spannung von mehreren tausend Volt aufgeladen hat, unkontrolliert in die Schaltung eines Transistor-Radios.
Während Transistoren kurze Überstrombelastungen meist locker „wegstecken“, kann auch eine kurze Überspannung zur sofortigen Zerstörung eines bipolaren Transistors  führen. Feldeffekt-Transistoren sind hier noch empfindlicher!
Insbesondere bei niedriger Luftfeuchtigkeit (Heizungsluft im Winter) sollte man sich vor Start einer Reparatur und auch zwischendurch regelmäßig an einem geerdeten Leiter (Schutzkontakt, Heizung, Wasserhahn, ...) entladen.

Allgemeine Vorgehensweise

Zu Beginn die allgemeine prinzipielle Vorgehensweise:Im ersten Schritt steht immer die optische Prüfung der vermuteten fehlerhaften Stufe oder Funktionseinheit.
Tipp:

  • Wird optisch festgestellt, dass Lötstellen schlecht aussehen, sollte vor dem Nachlöten das Gerät auf abgerissene Kabel und Drähte (insbesondere von der Ferritantenne) genau geprüft werden, da es nach dem Nachlöten schwierig sein wird, eine abgerissene Verbindung anhand der Lötstelle zu identifizieren.
  • Ist so kein Fehler ermittelbar, können Messungen mit dem Ohm-Meter – meist Prüfungen auf Durchgang, also im Niedrigohmbereich – weiterführen. Der Fortgeschrittene kann diesen Schritt meist überspringen.
  • Messungen der Gleichspannungswerte der vermuteten fehlerhaften Stufe ist eine sehr effektive Methode der Fehlereinkreisung. Oft sind die Gleichspannungswerte zentraler Punkte der Schaltung im Schaltplan vermerkt.Verdächtige Bauteile – insbesondere Widerstände - können dann auch wieder mit dem Ohmmeter überprüft werden.Prüfungen mit dem Signalverfolger sind zur Einkreisung der defekten Stufe sehr effektiv, erfordern aber einen Grundstock an Erfahrungen. Ist die fehlerhafte Stufe identifiziert, wird der Fehler in der Regel wieder durch Spannungsmessungen weiter eingekreist.Ein Signalverfolger lässt sich übrigens kostengünstig mit einfachen Mitteln aus einem CONRAD KW-Radio-Bausatz herstellen:
    CONRAD Signalverfolger
  • Im Prinzip funktionieren auch aktive PC-Lautsprecher als Basis für einen Signalverfolger. Hiervon ist aber wegen der zu geringen Verstärkung dieser Geräte abzuraten. Denn mit diesen Lautsprechern werden dann bei der Fehlersuche oft mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet!
  • Prüfungen mit dem HF-Messgenerator und dem Oszillografen sind eher für den fortgeschrittenen Reparateur gedacht.


Schaltungsanordnung von Stromversorgung und Lautsprecher-Verstärker
Diese Schaltung dient als Hilfe und Veranschaulichung der im weiteren beschriebenen Vorgehensweisen.

Dies ist eine typische Schaltung einer transformatorgekoppelter Gegentakt-Transistor-Endstufe – als Teil eines Transistorradios der ersten Generation. Die Anordnung der Bauelemente sowie die Dimensionierungen sind nur beispielhaft. Die reale Dimensionierung hängt wesentlich auch von der Höhe der Betriebsspannung ab.

Zur Erläuterung:

  • In der Stromversorgung ist eine Schaltbuchse für ein externes Niedervolt-Netzteil vorgesehen.
  • Im Lautsprecherpfad ist eine Schaltbuchse für einen Kopfhörer oder einen externen Lautsprecher vorgesehen.
  • Die Brücke „A“ kann zur Einstellung des Ruhestroms aufgetrennt werden. Die Ruhestromeinstellung erfolgt mit dem Trimmpoti P2.
  • Die Vorstufen- und Treiber-Transistoren T3 und T4 sind in der Regel folgende Typen:OC71, OC75, OC602, AC122, AC125, TF 65
    Bei einfacheren NF-Verstärkern entfällt oft die Vorstufe mit Transistor T3.
  • Die Enstufen-Transistoren T1 und T2 sind in der Regel folgende Typen:
    OC72, OC74, OC 602spez, AC117, AC 128

Start der Reparatur
Am Anfang steht die Grobanalyse der Funktion eines Gerätes. Vielfältiges Fallbeispiel:
Das Gerät bleibt nach Einlegen der Batterien oder Anlegen der Stromversorgung stumm.
Dies muss kein Nachteil sein; oft verbergen sich hier die einfachsten Fehler. Hier sagt eine alte Entwicklerweisheit:
Wenn was sofort spielt, liegt der Fehler tiefer!

Wenn das Gerät stumm bleibt
Stumm heißt hier, dass das Gerät überhaupt keinen Ton – auch kein leises Rauschen und keinen Einschaltknacks – von sich gibt und auch keinen Strom aufnimmt. Der Fehler wird im 1. Schritt in der Stromversorgung vermutet, die man erst mal optisch prüfen sollte.
Voraussetzung sind natürlich intakte Batterien. Diese kann man einfach durch Spannungsmessung mit dem DMM prüfen, sollte sie aber während der Messung durch Parallelschaltung eines Widerstandes  belasten:

  • 1,5V-Zellen mit 15 Ohm (Laststrom ≈ 100mA), Spannung > 1,4V
  • 9V-Block mit 470 Ohm (Laststrom ≈19mA), Spannung > 8,5V

Optische Prüfung
Eine sorgfältige optische Prüfung ist eine sehr gute Basis, in einem Gerät Fehler ohne weitere mechanische Eingriffe in das Gerät zu entdecken und zu beseitigen.
Schwerpunkt ist das Batteriefach einschließlich der Zuleitungen zur Basisplatine oder zum Ein-/Ausschalter.
Die Batteriekontakte sind stark durch möglicherweise ausgelaufene Batterien gefährdet. Daher müssen geschädigte oder oxydierte Kontakte gründlich gereinigt oder ausgewechselt werden. Die Reinigung erfolgt mechanisch - am besten mit einem Glasfaserpinsel oder einer kleinen Eisenfeile (Kontaktfeile).

Tipp:
Defekte, nicht mehr zu rettende Batteriekontakte oder Kontaktfedern können oft durch aus neuen Batteriehaltern ausgebaute Kontakte oder Kontaktfedern ersetzt werden. Batteriehalter in allen Größen gibt es bei CONRADReichelt, ….

Erste Messungen:
Sind die Batteriekontakte und -zuleitungen optisch einwandfrei, wird das Batteriefach mit intakten Batterien bestückt und erneut eine Funktionsprüfung vorgenommen.
Das Gerät bleibt weiterhin stumm (kein Einschaltknacks, kein leises Rauschen):
Die Batterien müssen wieder raus!
Jetzt werden die Zuleitungen vom Batteriefach zur Hauptplatine beziehungsweise zum Ein/Aus-Schalter mit dem DMM auf Durchgang geprüft. Dazu wird das DMM in den Widerstandsmessbereich (Ohm-Meter) für kleine Widerstände (<2kOhm) geschaltet oder - falls vorhanden - in den „Klingelbereich“; bei diesem Bereich gibt das DMM einen Piepton bei Durchgang aus.
Bei dieser Prüfung  gibt es bei einigen Transistorradios einen möglichen Schwachpunkt. Die Leitungen werden über eine Schaltbuchse für ein externes Netzteil geführt. Diese Buchse kann nicht optisch geprüft werden, sie – insbesondere der Schaltkontakt - muss mit dem Ohm-Meter auf Durchgang geprüft werden.
Ergebnis:
Bei eingeschaltetem Ein/Aus-Schalter muss es Durchgang vom Batteriefach zur Hauptplatine für die Plus-Leitung und die Minus-Leitung geben.

Hinweis:
Im Gegensatz zu Röhrenradios – hier liegt fast immer der Minuspol auf Masse - können in Transistor-Geräten das Chassis oder die großen Masseflächen auf der Platine mit dem Pluspol oder dem Minuspol der Batterie verbunden sein! In einigen Fällen liegt das Chassis auch auf einem Zwischen-Potential - zwischen Plus und Minus der Batterie.

Der Fortgeschrittene bestückt das Gerät mit Batterien oder schließt gleich sein regelbares Niedervoltnetzteil an. Er misst zuerst die Spannung am Batteriefach, dann – gegebenenfalls hinter der Schaltbuchse – auf der Platine, vor und hinter dem eingeschalteten Ein-/Ausschalter.
Etwaige Unterbrechungen sind zu beseitigen.
Der Fortgeschrittene misst den Strom aus den Batterien. Bei hohem Strom > 500mA sind meist defekte Endstufen-Transistoren die Übeltäter oder ein defekter Elko (seltener) in der Stromversorgung.

Das Gerät ist trotz vorliegender Betriebsspannung auf der Hauptplatine immer noch stumm (kein Einschaltknacks, kein leises Rauschen):
Hier trennen sich die Wege:

Fehlerquelle Lautsprecherweg
Bevor weiter im Stromversorgungs- oder NF-Endstufenbereich nach dem Fehler gesucht wird, sollte der Lautsprecherweg untersucht werden. Dies erfolgt mit dem Ohm-Meter; daher muss zuerst das Radio wieder von der Stromversorgung getrennt werden.
Die Leitungen vom Ausgang des NF-Verstärkers – meist die Sekundärwicklung des Ausgangstrafos – zum Lautsprecher werden auf Durchgang geprüft.
Achtung; Auch in diesen Leitungen gibt es oft eine Schaltbuchse für einen externen Kopfhörer oder Lautsprecher. Der Schalter in dieser Buchse ist wieder ein Schwachpunkt.

Der Fortgeschrittene misst mit dem Ohm-Meter parallel zu den Lautsprecher-Klemmen. Das Messergebnis muss wesentlich kleiner sein als der Widerstand der Lautsprecherspule, da bei ordnungsmäßiger Funktion die niederohmige Sekundärwicklung des Ausgangstrafos parallel geschaltet ist.

Hinweis:
Dies gilt bei trafogekoppelter Endstufe wie sie oben im Schaltbild dargestellt ist. Es gilt nicht bei eisenlosen Endstufen, da hier die Kopplung zum Lautsprecher in der Regel über einen relativ großen Koppel-Elko erfolgt. In diesem Fall sollten die Wege von der Endstufe zum Lautsprecher mit dem Ohm-Meter auf Durchgang geprüft werden.
Der Gleichstrom-Widerstand der Lautsprecherspule beträgt ca. 0,7 x Impedanz-Wert.
Beim Messen des Gleichstromwiderstandes des Lautsprechers muss ein leises Knacken hörbar sein. Die Messung erfolgt am besten nach Ablöten einer der beiden Zuleitungen, da sonst die parallel geschaltete, niederohmige Sekundärwicklung des Ausgangsübertragers den größten Teil des Messstroms erhält; hierdurch wird das Knackgeräusch stark reduziert.

Eine Schnellprüfung des Fortgeschrittenen erfolgt durch Abtastung der Wege zum Lautsprecher bei eingeschaltetem Gerät mit dem Signalverfolger. Weiterhin weisen viele Signalverfolger Klemmen zum  internen Prüf-Lautsprecher auf. Schaltet man diesen Lautsprecher parallel zum Radiolautsprecher, kann letzterer leicht auf Funktion geprüft werden.

Sind Stromversorgung und Lautsprecher-Wege – einschließlich Lautsprecher – okay, sollte nun wenigstens ein leises Rauschen im Lautsprecher hörbar sein. Wenn nicht, dann:

Fehler in Niederfrequenz (NF) –Endverstärker
Ist immer noch kein leises Rauschen im Lautsprecher zu hören, sollte man die NF-Endstufe untersuchen.
Optische Kontrolle:
Am Anfang steht erneut die optische Kontrolle:

  • Sind alle Anschlussdrähte oder Lötpunkte des Ausgangs-Übertragers okay?
  • Gibt es kalte Lötstellen oder sichtbare Unterbrechungen von Leiterzügen auf der Platine, ...?

Anmerkung: Es werden zuerst lediglich Endstufen der ersten Generation betrachtet. Endstufen, die der im Schaltbild oben gezeigten Endstufe nahe kommen.

Widerstands-Messungen
Jetzt ist wieder zuerst die „Ohm“-Messung an der Reihe (Batterien noch raus!):

  • Gibt es eine niederohmige (< 10Ohm) Verbindung vom Minuspol des Batteriefachs zum jeweiligen Kollektor der beiden Endtransistoren (T1, T2, siehe oben) ?
  • Gibt es eine niederohmige (< 10Ohm) Verbindung vom Pluspol des Batteriefachs zum jeweiligen Emitter der Endtransistoren?

Sind diese Verbindungen okay, wird der Widerstand zwischen Emitter und Kollektor der Endstufen-Transistoren gemessen. Ist dieser Widerstand < 5 Ohm sind vermutlich der oder die beiden Endtransistoren defekt und müssen gewechselt werden. Dies ist übrigens ein sehr häufiger Fehler, wenn das Gerät trotz funktionierender Stromversorgung völlig stumm bleibt.

Wechsel der Endstufen-Transistoren:
Diese Transistoren sollten möglichst als Pärchen – also als Typen mit ähnlichen Eigenschaften zur Reduzierung von Verzerrungen (Klirrfaktor) – gewechselt werden. Nach dem Wechsel muss (falls möglich) der Ruhestrom der Endstufe entsprechend den Angaben im Schaltbild mit dem dafür vorgesehenen Trimmpoti eingestellt werden. Der Ruhestrom wird durch Auftrennen der Minus-Leitung zum Mittelanzapf-Punkt der Primärwicklung des Ausgangsübertragers gemessen und sollte (falls kein Schaltbild vorliegt)  auf 5mA -10mA eingestellt werden. In den meisten Geräten ist eine auftrennbare  Brücke für diese Messung vorgesehen.

Tipp:
Hat man einen Fundus von mehreren Endstufen-Transistoren sowie ein DMM mit Transistorprüffunktion zur Verfügung, so kann man praktisch durch Selektion von  2 Transistoren mit ähnlich hohen Werten der Stromverstärkung ein Pärchen zusammenstellen.

Weisen die Endstufen-Transistoren keinen Kurzschluss auf, so sollten im nächsten Schritt auch die Endstufen-Transistoren statisch geprüft werden.

Statische Messung von PNP-Ge(Germanium)-Transistoren und Ge-Dioden:
Dazu muss das DMM auf den sogenannten Diodentest eingestellt werden.
Hintergrund des Tests ist der Umstand, dass ein Transistor statisch auch als zwei gegeneinander geschaltete Dioden wirkt.
Es werden die Minusklemme des DMM mit der Basis des zu prüfenden Transistors und die Plusklemme mit dem Kollektor (oft mit rotem Punkt) verbunden. Die Kollektor-Basis-Diode wird so in Durchlassrichtung betrieben. Das DMM zeigt die Schleusen-Spannung der Diode in Durchlassrichtung an.
Das Ergebnis:
Der Wert liegt je nach Typ zwischen 0,1V – 0,35V. Bei Umpolung der Messklemmen muss das DMM auf einen Messbereich > 2MOhm gestellt werden. Der Messwert muss > 2MOhm  ergeben.

Der gleiche Vorgang wird nun mit der Basis-Emitter-Diode durchgeführt: Minuspol an Basis, Pluspol an Emitter.
Auch die Messergebnisse sollten ähnlich sein:
0,1V – 0,35V in Durchlassrichtung sowie > 2MOhm in Sperrrichtung.

Ge(Germanium)-Dioden werden genauso auf ihre statischen Eigenschaften geprüft:
In Durchlassrichtung werden die Plusklemme mit der Anode der Diode und die Minusklemme mit der Katode und in Sperrrichtung umgekehrt verbunden.
Das Ergebnis:
0,1V – 0,35V in Durchlassrichtung sowie > 2MOhm in Sperrichtung.

Die beschriebene statische Messmethode gilt für alle Germanium-Transistor-Typen, also HF- und NF-Typen.
Hilfreich bei der statischen Messmethode ist auch, Erfahrungen durch Vergleichs-Messungen an intakten Bauelementen zu sammeln.

Hinweis:
Si(Silizium)-Dioden oder Si-Transistoren lassen sich statisch genauso durchmessen. Sie haben nur eine höhere Schleusen-Spannung. Das Messergebnis:
0,55V – 0,75V in Durchlassrichtung sowie > 2MOhm in Sperrrichtung.
Allerdings sind neben den PNP-Typen bei den Si-Transistoren die NPN-Typen weiter verbreitet. Bei letzteren erfolgt eine identische Messung nur bei umgekehrter Polarität der Messklemmen.

Zurück zum Reparaturobjekt:
Mit der oben beschriebenen Methode können viele Transistoren mit Einschränkungen auch im eingebauten Zustand getestet werden. Probleme entstehen meist bei der Messung in Sperrrichtung. Hier kann es zu unstabilen (meist aufsteigenden) Messwerten kommen. Dies weist oft auf einen sich durch die angelegte Messspannung aufladenden Elko hin. Dieses Messergebnis ist in der Regel nicht aussagekräftig!
Weitere Ohm-Messungen werden daher schnell unübersichtlich, da meist eine Parallelschaltung von Spannungsteilern (Widerständen), Diodenstrecken von Transistoren sowie Kapazitäten gemessen werden.

Tipp:
Da man beim Auslöten eines Transistors oft Beschädigungen an den Lötpunkten  auf der Leiterplatte produziert, sollten Transistoren immer zuerst im eingebauten Zustand überprüft werden -  und nur gewechselt werden, wenn man wirklich sicher ist, dass sie defekt sind.
Dazu ist eine präzise Spannungsmessung die beste Voraussetzung, wenn die oben beschriebene statische Messmethode nicht zum Erfolg führt.
Ist der Ausbau eines Transistors unumgänglich, sollten vorab die Lötpunkte der Transistorbeine mit einer Lötsaugpumpe oder auch einfach nur mit Entlötlitze „freigelegt“ werden.


Spannungsmessungen:
Weitere Untersuchungen führt man daher mit Hilfe von Spannungsmessungen durch.

Wie wollen uns hier auf PNP-Germanium-Transistoren – die Transistoren der ersten Transistor-Radio-Generation bis Anfang der 70er-Jahre – beschränken. Ausnahme ist der Komplementär NPN-Kleinleistungs-Transistor (OC140, AC127, AC176, AC187, …)  einer eisenlosen (trafolosen)  Endstufe, die ab Mitte der 60er-Jahre aufkam. Dies wird später abgehandelt.


Spannungsmessungen an Transistoren
Spannungsmessungen sind generell aussagekräftiger als Widerstandsmessungen. Zur Erinnerung:
Im Gegensatz zu Röhrenradios – hier liegt fast immer der Minuspol auf Masse - können in Transistor-Geräten das Chassis oder die großen Masseflächen auf der Platine mit dem Pluspol oder dem Minuspol der Batterie verbunden sein! In einigen Fällen liegt das Chassis auch auf einem Zwischen-Potential - zwischen Plus und Minus der Batterie.
Im Prinzip ist es gleichgültig, gegen welches Potential man misst. Bei Vorlage eines Schaltbildes ist meist angegeben, gegen welches Potential beispielsweise die angegebenen Spannungen gemessen wurden. Daran sollte man sich halten.
In jedem Fall sollten in einer Transistorstufe  mindestens folgende 4 Spannungswerte gemessen werden:

  • Emitterspannung
  • Basisspannung
  • Kollektorspannung
  • Spannung über dem Emitterwiderstand – falls vorhanden

Die Spannung über dem Emitterwiderstand macht eine Aussage, wie groß der durch den Transistor fließende Strom ist. In Vorstufen (HF oder NF) ist der Strom meist 1mA – 2mA. In Endstufen ist der Ruhe(!)-Strom ca. 5mA – 20mA (vgl. Schaltbildangabe!).
Fehlt der Spannungsabfall über dem Emitterwiderstand ist dies ein vorzüglicher Indikator, dass in dieser Stufe ein Fehler vorliegt.

Die Basisspannung ist nur in Bezug auf die Emitterspannung aussgefähig.
Die Basisspannung in Verstärkerstufen mit PNP-Germanium-Transistoren eines Radios muss immer 0,1V – 0,35V negativer sein als die Emitterspannung. Hat man Zweifel, sollte man die Spannung sicherheitshalber direkt an den Anschlusspunkten von Basis und Emitter messen und auf die Polung der Spannung achten!.
Ausnahmen sind in Oszillatorstufen möglich oder wenn eine Stufe schwingt.
Der Kollektor muss ein noch negativeres Potential – meist mehrere Volt – als das Basis-Potential aufweisen.

Sind diese Spannungen in der Endstufe okay, müsste eigentlich zumindest ein leises Rauschen und ein Einschaltknacken im Lautsprecher zu hören sein.
Sollte dies nicht der Fall sein, sollte man diese Reparaturanleitung noch einmal durchspielen. Vielleicht hat man ja etwas übersehen!?

Ende 1. Teil - wird fortgesetzt!

Ausblick:
Neben der Vorgehensweise bei der Fehlereinkreisung in der NF-Vorstufe, den HF- und ZF-Stufen (einschließlich UKW), sollen in den folgenden Teilen auch Fehlereigenheiten spezieller Geräte zur Sprache kommen. Weiterhin soll auch die Reparatur spezieller Bauteile, wie Spulen, Filter, Lautsprecher, … behandelt werden.

Dieser 1. Teil entstand unter Mithilfe von Günther Stabe und Pius Steiner!
Beide werden voraussichtlich im 2. Teil alternative allgemeine Vorgehensweisen vorstellen - denn die Vorgehensweise einer Reparatur eines Radios ist auch immer eine Geschmacksfrage.


Linkliste:

Keine Angst vor dem Innenleben

CONRAD Signalverfolger

CONRAD
Reichelt

Literaturliste:

[1] Radios von gestern, Ernst Erb

 

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