Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen

ID: 5212
Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen 
19.Aug.03 09:57
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Eilert Menke (D)
Redakteur
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Da offensichtlich unterschiedliche bzw. widersprüchliche Interpretationen vorherrschen und Legendenbildung einer professionellen Durchdringung der Problematik nicht dienlich sind, hier das Original aus dem RGBl. Nr. 169, Seite 1683, veröffentlicht am 7. September 1939:

Beachte die Vormulierung im zweiten Absatz der Präambel: Der Ministerrat...verordnet...mit Gesetzeskraft! Dies war zwischen 1933 bis 1945 die übliche Regierungsart! In Demokratien hingegen werden Gesetze durch parlamentarischen Mehrheitsbeschluß verabschiedet, nicht durch die "Verordnung" Einzelner - soweit der feine Unterschied.

Diese Verordnung lag - wie andere auch - "schubladenfertig" zum Kriegsbeginn bereit, um der deutschen Bevölkerung die Möglichkeit zu nehmen, sich legal einer objektiven, unzensierten Berichterstattung zu bedienen. Die hohen Strafandrohungen dienten der Abschreckung und wurden regelmäßig auch durch Sondergerichte vollstreckt.

Gleichwohl war es aber vor dem 1. September 1939 nicht strafbar - wie desöfteren behauptet - ausländische Sender abzuhören!

Damit jeder Radiohörer das Abhörverbot auch vergegenwärtigte, mußte am Gerät dieses Anhängekärtchen befestigt werden. Das Bild des Anhängers sowie den nachfolgenden Text habe ich der sehr fundierten und daher uneingeschränkt empfehlenswerten CD-ROM "Rundfunk-Nostalgie" von Gerd Krause, DK3JQ entnommen. Siehe auch: www.rundfunk-nostalgie.de

Ab September 1939, mit Beginn des Zweiten Weltkrieges, hieß es dann auf einem an jedem Rundfunkgerät anzubringenden Kärtchen (Anhänger): "Denke daran. Das Abhören ausländischer Sender ist ein Verbrechen gegen die nationale Sicherheit unseres Volkes. Es wird auf Befehl des Führers mit schweren Zuchthausstrafen geahndet." Zu dem "Denke - daran - Kärtchen" gab es ein nur für den Dienstgebrauch des politischen Leiters vorgesehenes Merkblatt mit bildlichen Hinweisen für die Befestigung des Anhängers am Beispiel des DKE38. Der Inhalt des Merkblatts enthält Verhaltensregeln:

"Bei der Anbringung der Anhänger an den Rundfunkempfänger ist folgendes zu beachten:

1. Die Aktion ist weder eine politische Massnahme, noch eine persönliche Anprangerung des einzelnen Volksgenossen. Der politische Leiter muss sich bewusst sein, dass er als Vertreter der NSDAP zu den Volksgenossen kommt, und höflich und korrekt, taktvoll aber bestimmt auftreten. Er muss dem Rundfunkteilnehmer klarmachen, dass es sich nicht um eine persönliche Verdächtigung handelt, sondern dass von dieser Massnahme sämtliche Rundfunkteilnehmer unterschiedslos betroffen werden. Er muss das Verständnis dafür erwecken, dass, wer ausländische Sender abhört, seelische Selbstverstümmelung betreibt, dem Feind, der das deutsche Volk vernichten will, in die Hände arbeitet und Landesverrat begeht, wofür er rücksichtslos härteste Bestrafung zu erwarten hat. Er muss auch den politisch zuverlässigen Volksgenossen davon überzeugen, dass diese Massnahme in seinem eigenen Interesse liegt, denn durch den Anhänger wird jeder, der sich an seinem Rundfunkgerät zu schaffen macht, davor gewarnt, ausländische Sender einzustellen oder abzuhören.

2. Jedes Rundfunkgrät im Bereich der Ortsgruppe ist mit einem Anhänger zu versehen. ausgenommen sind Dienststellen der Wehrmacht. 3. Auch Geräte, die zurzeit bei der Post abgemeldet sind, müssen den Anhänger tragen. 4. Bei Geräten, die keinen eingebauten Lautsprecher haben, ist der Anhänger an dem eigentlichen Empfänger, nicht an dem Lautsprecher anzubringen. 5. Die Anbringung soll, soweit irgend möglich, an den Einstellknöpfen erfolgen, oder zwischen Lautsprecherverkleidung und Gehäuse, keinesfalls an der Rückwand des Gerätes. 6. Der politische Leiter hat den Anhänger entweder persönlich anzubringen oder sich persönlich von der ordnungsgemässen Anbringung zu überzeugen. 7. Ist die Wohnumg beim ersten Besuch des politischen Leiters verschlossen, so muss bei den Flurnachbarn ermittelt werden, wann der Wohnungsnachbar am besten anzutreffen ist. Im Falle längerer Reisen ist die mutmassliche Rückkehr festzustellen und alsdann wieder vorzusprechen. Auf keinen Fall darf durch kürzere oder längere Abwesenheit des Rundfunkteilnehmers sein Gerät unberücksichtigt bleiben."

E.M.

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Original? oder Fälschung? 
05.Feb.04 00:04

Hilmer Grunert (D)
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Hilmer Grunert

Hallo Radiofreunde,

ich habe mal aus Jux 10 dieser Anhänger geordert. Sie sehen nicht schlecht aus - sind auch staubig - sind druckfrisch aufeinandergestapelt worden (Rückseite leichter Abdruck (Spiegelschrift)). Sehr schwer zu sagen ob es original ist!

Auf jeden Fall hat der Verkäufer ( ich habe bei Ihm schon mal echte alte Zeitschriften gekauft )den folgenden Zettel beigefügt:

Gruß

Hilmer Grunert

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Schon wieder "Denke daran"-Schilder 
13.Dec.05 12:44

Martin Steyer (D)
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Martin Steyer

Jetzt tauchen schon wieder aus derselben Quelle bei ebay jede Menge Schilder auf. Was mich stutzig macht:

Diese Schilder habe ich nie vorher gesehen, weder auf GFGF-Börsen noch bei ebay. Erst ab dem Januar 2004 sind diese offensichtlich im Umlauf und wurden immer wieder mit oranger Farbe und auch beige mit einem "NSdAP"-Stempel versehen angeboten.

Ich gehe mal von Fälschungen aus.

Herzlichen Gruß,
Martin Steyer

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Denke daran - Merkblatt - Urteil 
25.Jan.09 16:05

Günther Stabe † 19.8.20 (D)
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Günther Stabe † 19.8.20

Einige Punkte wurden bereits früher in Ergänzung einer Suche genannt (das erklärt eventuell den Karton in der Truhe); zur Post 1 habe ich gerade ergänzende Informationen aus einer Druckschrift "Elektrotechnisches Museum der Hastra" , heute Avacon (Hannover), gefunden (lt. Angabe dort ein Nachdruck aus "Der Stromkreis 4/84"):

o eines der Gerichtsurteile mit Todesstrafe - Wiederholungsfall- (im Nachgang des zitierten Urteils mit Vollstreckungs-Bekanntmachung vom 15. August 1942),

o  Merkblatt (Vorder- und Rückseite)  mit dem bereits zitierten Text, incl. der Abbildungen hierzu.

Es wird damit zweifelsfrei dokumentiert, dass man es ernst meinte... Auch mit der Anweisung an Rundfunk-Reparaturbetriebe, die KW-Empfangsteile ausser Kraft zu setzen.

G.S.

Anlagen:

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Anhänger zu Rundfunkmaßnahmen, Hinweis von Herrn Stummer 
21.Mar.15 09:19
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Eilert Menke (D)
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Unser Mitglied Heinrich Stummer weist auf folgenden interessanten Beitrag zum Thema hin:

 

"(...) Bezüglich des Anhängers (Denke Daran) habe ich ein Audiodokument eines Österreichischen Zeitzeugen gefunden, welches ich den geneigten Lesern des Radiomuseums nicht vorenthalten möchte.

hier klicken

Österreichische Mediathek  - Günter Schifter - Der Radiomoderator - Gesamte Sendungen

Dort den Reiter Nr. 2 oder Alle Anzeigen auswählen. In der Gruppe 1995 - 96 die Sendung

G. Schifter Schellacks Folge 1352 v. 26.7.1996 starten.

In der Zwischenmoderation der Folge 1352 bei Minute 3:30 bis 4:45 spricht Günther Schifter über diesen Kartonanhänger. Mit dem Schieberegler kann man die gewünschten Passagen leicht anfahren.  Die gesamte Sendung dauert 56min.

G. Schifter war ein bekannter Radiomoderator der Nachkriegszeit in Österreich. Seine wirklich umfangreiche Plattensammlung hat er der Mediathek vermacht. Da Hr. Schifter davon spricht, dürfte es die Schilder damals gegeben haben. Das hat aber nichts mit dem zu tun, was im Auktionshaus nun auftaucht.

Mit freundlichen Grüßen

Heinrich Stummer"

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