Wirtschaftsrundspruch + Rundspruchempfänger nach Eildienst

ID: 284018
Wirtschaftsrundspruch + Rundspruchempfänger nach Eildienst 
03.Apr.12 16:43
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Ernst Erb (CH)
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Ernst Erb

Der Rundspruchempfänger
Das ist der Titel eines Beitrages von Alex Kofink in der Funkgeschichte Nr. 75 (1990). Er hatte eine solche Empfangsanlage für Gerhard Neef zumindest äusserlich etwas restauriert und die Geräte vorgestellt. Netterweise hatte er mir seine Originalfilme zwecks Veröffentlichung geliehen. Da ersieht man noch die Originalbestückung, allerdings mit einem fremden Hörer.

Dieser Beitrag dient dazu, die Anlage vorzustellen, wobei ich mich nicht an den Text in der FG halte, doch einige technische Angaben daraus zitiere.

Sicher hat dieser Wirtschafts-Rundspruch-Dienst am 1. September 1922 begonnen.
Dazu gab es aber Vorgeschichten sowie parallele und ablösende Dienste.

Geschichtliches
Der Wirtschaftsrundspruch wurde über den Langwellensender in Königswusterhausen gesendet. Königswusterhausen war vor und während des Ersten Weltkrieges eine militärische Funkstelle. Nach dem Krieg wurden die Sendeanlagen in Königswusterhausen von der Reichspost übernommen.

Vor dem Wirtschaftsrundspruch gibt es zumindest den "Eildienst" des Auswärtigen Amtes ab Mai 1919: Gesammelte Meldungen werden im Abonnement telegraphisch und durch Eilbriefe an zahlreiche Unternehmen geschickt. Am 13. Juli 1920 entstand durch den Abteilungsleiter Ernst Ludwig Voss daraus die "Eildienst für amtliche und Private Handelsnachrichten GmbH" und der Dienst hiess "Funkwirtschaftsdienst" [Lerg 1965, S. 110]. Nachrichten wurden über einen zentralen Postsender an 29 Telegrafenämter gesendet. Die Verbreitung erfolgte dann per Bote oder Telefon. In der Sitzung vom 4. März 1921 wurde eine Ausweitung des Dienstes auf weitere Orte und auch im Umfang angekündigt. Bernd Sösemann in "Kommunikation und Medien in Preussen vom 16. bis zum 19. Jahrhundert": "Die Aussenhandelsstelle des Auswärtigen Amtes, dem späteren "Eildienst für amtliche und private Handelsnachrichten" war die treibende Kraft."

Siehe auch Ulrich Heitger, "Vom Zeitzeichen zum politischen Führungsmittel" ... mit zahlreichen Quellenangaben. Z.B. Seite 31: "Ab 1925 brachte der "Presserundfunk" einen starken Rückgang der bis dahin vorherrschenden angemeldeten Pressetelefonate." Man muss wissen, dass die Hyperinflation von 1919 bis 1923 dauerte und deswegen solche Schnelldienste äusserst wichtig waren. Der Anfang wurde vor dem Ersten Weltkrieg als Schuldenaufnahme und Vermehrung der Geldmenge mit Aufhebung des Goldankers gelegt und bei Einführung 1914 von einer "nationalen Begeisterung" getragen, diese Geldvermehrung durch Kriegsanleihen wieder abzuschöpfen.

Peter Dahl umschreibt den Eildienst in "Arbeitersender und Volksempfänger" so: "Ab 1920 etabliert sich mit dem Eildienst für amtliche und private Handelsnachrichten GmbH und dem 1922 folgenden Wirtschaftsrundspruch ein von Staat und Wirtschaft gemeinsam getragener Funkdienst für Börsen- und Warennotierungen."

Grossbritanien:
In England gibt es ab 23. Februar 1920 einen Nachrichtendienst für die Presse, Wetternachrichten und Zeitsignale bzw. dann hat man den Sender in Chelmsford auf 15 kW verstärkt. Wellenlänge 2800 m. Dazu baute British Thomson-Houston in Rugby ab Frühling 1920 auch einen tragbaren 2-Röhren-Empfänger mit Batteriefach und drehbarer Rahmenantenne - für Kopfhörerempfang, den "Portable Wireless Receiver". Gemäss Jonathan Hill "Radio! Radio!", Seite 30, war R. C. Clinker der Entwickler. Der Empfänger soll schon am 29. Januar 1920 an der "Wireless Exhibition" gezeigt worden sein. Nebst Nachrichten gab es auch Musik.

Der Wirtschaftrundspruch

Wesentliche Quellen, wie das "Deutsches Rundfunk-Museum e.V. Berlin" und seriöse Bücher nennen den Termin 1. September 1922 für den Start des Wirtschaftsrundspruchs als ein Börsen- und Wirtschaftsnachrichtendienst für Abonnenten. Ab 15. August begannen Versuchssendungen. Es wurde im Klartext gesprochen, keine Morse-Telegraphie verwendet. Zumindest ab Oktober 1924 wurde ein 10-kW-Sender eingesetzt.

Wie gewohnt, setzen andere aus mir unerklärlichen Gründen frühere Daten:
W. B. Lerg, "Rundfunkpolitik": "Nachdem am 1. April 1922 der "Wirtschaftsrundspruch auf Welle 4000" seinen Dienst aufgenommen hatte ... Eberhard Köppe verlegt das in seiner Liste "Daten zur Funkgeschichte bis 1923" gar auf 1919: "1919 beginnt in Deutschland der drahtlose „Wirtschaftsrundspruch". Es wird in Telegraphie (Morsezeichen) gesendet. Die Empfangsgeräte sind verplombt und dürfen nur von zahlender Kundschaft benutzt werden. Dabei meint er wohl den "Eildienst" des Auswärtigen Amtes ab Mai 1919.

1924 löst der "Innerdeutsche Presserundspruch" - auch über den Langwellensender Königswusterhausen - mit einem festen Tagesprogramm den Wirtschaftsrundspruch ab.

Die Ausstrahlung erfolgt gemäss Alex Kofink auf den Wellen 2500, 3150 und 4000 m. Die Reichweite betrug bei Audion-Empfang ohne Verstärker 1450 km, mit ZweiRöhren NF-Verstärker 3000 km. Interessenten für diese Nachrichten waren die Industrie, die Presse, Banken etc. 1922 sollen ca. 1000 Abonnenten diesen gebührenpflichtigen Dienst in Anspruch genommen haben, 1924 2000.

Die Empfangsanlage

Alle drei Apparate, Netzteil, Empfänger und NF-Verstäerker (fakultativ), hatte man an eine Wand montiert und gemäss dem Schaltplan miteinander verbunden. Sie wurden dann von einem Beamten der R.T.V. eingestellt, plombiert und für den Betrieb freigegeben. Die Anlagen bauten Telefunken, Lorenz und Huth in praktisch gleicher Weise.

Der Rundspruchempfänger (nicht Rundfunkempfänger) war ein Empfangssystem bestehend aus drei Apparaten inkl. Kopfhörer: Dem Netzgerät, dem Sekundär-Audionempfänger mit Rückkopplung und dem Zweiröhrenniederfrequenzverstärker. Alex Kofink beschreibt in der Funkgeschichte Nr. 75 die Anlage, die bei ihm aus dem von Huth gefertigten Netzgerät besteht und den beiden anderen Geräten von Telefunken. In der Literatur findet man als Entwickler/Hersteller zumindest Telefunken und Lorenz. Die Geräte sind nicht zu verwechseln mit dem Presse-Empfänger E271 oder dem Sekundär-Audion-Empfänger E225. Bei Lorenz finden sich die gleichen Geräte Lorenz-Wirtschaftsrundfunkempfänger und NF-Verstärker für Wirtschafts-Rundspruch.

Der Empfänger

Die Entwicklung fand 1921 statt. Der Sekundär-Audionempfänger mit Rückkopplung kann einen Wellenbereich von 3000 bis 4500 empfangen. Sichtbar sind ein Drehknopf und hinter zwei vergitterten Löchern befindet sich die Röhre RE11, unten rechts die Gabel für den Kopfhörer. Erst im aufgeklappten Gerät findet sich ein Drehknopf zur Umschaltung Telegraphie/Telefonie und Einstellung der Rückkopplung (oben links). Zudem ist die Kopplung einstellbar. Nur bei Empfangsstellen der R.T.V. waren diese Möglichkeiten von aussen bedienbar. Der Privatkunde konnte lediglich die Kurzschlussvariometerspulen (KS 3 und KS 4) mit dem Zentralknopf bedienen. Zwei Kurvenscheiben bewegen über gefederte Schleifer die Variometerspulen. Die Stellung der Kurzschlussspulen zu den Schleifern ist durch Rutschkupplungen einstellbar (Knöpfe links und rechts vom Zentralknopf).

Das Schaltbild zeigt mit S4 die Primärspule, S5 die Sekundärspule, S6 die feste Rückkopplungspule, S7 die drehbare Rückkopplungsspule, S8 die Drehspule für die Korrektur der Primär-Sekundärkopplung, T1 den Telefontransformator, C1 den Primärkondensator, C2 den Sekundärkondensator, C3 den Gitterkondensator, C4 den Parallelkondensator für die im Anodenkreis der Audionröhre liegende Transformatorwicklung, W1 den Silitstab, R1 die Röhre.

Durch das Belegen der Gabel durch den Hörer erdet man lediglich die Antenne.

Der 2-Röhren NF-Verstärker

Dem Betrachter zeigen sich beim Öffnen drei Röhren, doch die mittlere ist eine unangeschlossene Reserve-Ersatzröhre.
Auf der gleichzeigit als Montagewand dienenden Rückwand des Holzkastens befinden sich zwei Transformatoren, zwei kleine Widerstandsspulen zur Herstellung der Gittervorspannung und die Anschlussklemmen. Möglicherweise gab es noch einen Einröhren-Verstärker, um die Anlage um eine Stufe zu erweitern.

 

 

Das Netzgerät

Das Netzgerät ist nicht aus Holz gefertigt wie die beiden anderen Geräte, sondern zeigt ein geschlossenes Eisengehäuse. Nur der Netzschalter (S11) und die beiden Sicherungen (S12 und S13) sind bedienbar. Die beiden Röhren hinter Gitter sind Eisenwiderstände, die eine Netzspannung von 65 bis 220 Volt Gleichstrom ausgleichen können. W4 und W5 sind in Serie geschaltete Vorschaltwiderstände für den Heizstrom, der mittels einer auf den Widerständen verschiebbaren Klammer K5 abgenommen wird. Mit der Klammer K6 greift man die Anodenspannung ab. Die Blockkondensatoren C5, C6, C7 und C8 dienen zur Beseitigung der Netzgeräusche. Dazu dient auch eine HF-Drossel D1 in der Anodenleitung und eine Eisendrossel D2 in der gemeinsamen Minus-Leitung.

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