Alterungsverhalten von Papierkondensatoren

ID: 167710
Alterungsverhalten von Papierkondensatoren 
21.Jul.08 20:16
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Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
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Dietmar Rudolph † 6.1.22

Die Frage, ob alte Kondensatoren ausgetauscht werden sollen oder müssen, wurde im RM.org schon verschiedentlich behandelt.
Um Anhaltspunkte zu geben, wie das Alterungsverhalten von Papier-Kondensatoren ist, werden einige Kurven dargestellt, die aus dem (mit Schreibmaschine geschriebenen) Buch "Gönningen, H.: Der Papier-Kondensator, 2. A., Verlag Gönningen, Schitz/Hessen, 1956" stammen. Diese Informationen sind also aus einem Zeitraum, der für Radiosammler interessant ist, weil die meisten alten Radios Papier-Kondensatoren enthalten.

Eine Maßzahl die hierbei eine Rolle spielt ist die Isolations-Güte des Kondensators. Die Isolations-Güte ist hierbei definiert als das Produkt aus Isolations-Widerstand * Kapazitäts-Wert, Rv * C: [MΩ * μF]. Wird z.B. die Fläche (des Kondensators) verdoppelt, verdoppelt sich die Kapazität, während sich der Isolations-Widerstand halbiert. Damit ist die Isolations-Güte ein Wert, der unabhängig vom Wert der Kapazität wird, gleiche Eigenschaften des Dielektrikums vorausgesetzt.
      
Die Isolations-Güte bestimmt die Höhe der Durchbruch-Spannung, die hier in % des Neuwertes aufgetragen ist. (links)
Einen wesentlichen Einfluß auf die Isolations-Güte (und damit auf die Durchbruch-Spannung) hat die Feuchte (Wasser), die mit zunehmender Zeit in das Papier-Dielektrikum eindringt. (rechts)

   
Wieviel Wasser pro Zeiteinheit eindringt, hängt von der relativen Luftfeuchtigkeit ab. Entsprechend verringert sich die Durchbruch-Spannung (links) bzw. die Isolations-Güte (rechts).
 
   
Durch das Eindringen von Wasser in das Dielektrikum (Papier) ergibt sich eine Vergrößerung des Wertes der Kapazität. (links) Da der (zur Kapazität parallel geschaltete) Verlustwiderstand (Isolations-Widerstand) hierbei abnimmt, erniedrigt sich die Isolations-Güte, wodurch der Kapazitätswert zunimmt. (rechts)

Aus diesen Kurven kann man (der Spur nach) abschätzen, ob und ggf. wann wann z.B. ein Abblock-Kondesator durchschlagen wird, wenn die Lagerungs-Bedingungen für ein "neu" erworbenes altes Radio bekannt sind oder aufgrund des Augenscheins angenommen werden können.

Man sollte jedoch beachten, daß für Koppel-Kondensatoren, speziell für den Gitter-Kondensator der Endröhre, weit schärfere Bedingungen gelten (Rv > 600 MΩ), damit diese nicht überlastet wird.

MfG DR

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Hier sieht man noch die Trümmer rauchen.... 
26.Jul.08 15:26

Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
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Dietmar Rudolph † 6.1.22

Als ob er es beweisen wollte: Gestern abend verabschiedete sich ein Bosch MP (Metall-Papier) Kondensator mit lautem Knall. Die Netzsicherung löste dabei auch aus.


Dieser MP war ca. 23 Jahre lang zur Unterdrückung von Störungen (auf Mittel- und Langwelle) bei einer Leuchtstoffröhre eingebaut. Die Trümmer rauchen mittlerweile zwar nicht mehr, aber sie riechen unangenehm angebrannt.
Streng genommen war die Betriebsspannung für den MP mit 630V= etwas knapp bemessen für 230V~. Dafür hat er eigentlich lange durchgehalten.
Wäre der MP in ein Radio eingebaut gewesen, hätte es ihn sicher so nicht zerrissen, da hier die dazu erforderliche Leistung nicht verfügbar gewesen wäre. Ein MP sollte eigentlich "selbstheilend" sein, indem die Metallbedampfung des Papiers an einer Durchschlagstelle wegverdampft.

Die mit 350V~ und höher belasteten Störschutzkondensatoren an der Sekundärseite der Netztrafos werden sicher nicht explodieren, sondern nur den Teer "ausschwitzen" und im weiteren Verlauf den Netztrafo mit in den Tod reißen ("gleich riecht er"), falls die Netzsicherung nicht auslöst.


MfG DR

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