Frage zur Neulackierung eines Radiogehäuses

ID: 48791
Frage zur Neulackierung eines Radiogehäuses 
16.Apr.05 22:48
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Hans-Dieter Schmidt (D)
Beiträge: 7
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Hans-Dieter Schmidt

Hallo,

Herr Renz hat mich mit seiner sehr ausführlichen Beschreibung der Neulackierung eines Radios auf die Idee gebracht, das Gehäuse meines alten Telefunken Dacapo nach derselben Methode zu restaurieren. Den rissigen Lack hätte ich akzeptiert; leider war er an vielen Stellen ganz abgeblättert und helle, rötliche Stellen wurden sichtbar.

Das Ablösen des alten Lacks gelang mir so wie es im Beitrag beschrieben ist. Ein
Nitroverdünner-Spritus-Gemisch unter einem Tuch 30 Minuten einwirken lassen, danach kann der gelöste Lack weggewischt werden (Idealisiert: Vorgang muss einige Male wiederholt werden). Jetzt abe ich jedoch ein Problem: das Furnier ist hell. Das Gehäuse muss jedoch dunkelbraun werden, damit es zur Blende passt. Würde ich einfach Klarlack auftragen, bliebe es sicher hell.
Was muss ich jetzt tun um die richtige Farbe zu erhalten?

Mit freundlichen Sammlergrüßen,
H.-D.Schmidt Anlagen:

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16.Apr.05 22:56

Sebastian Holterhaus (D)
Beiträge: 18
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Moin Herr Schmidt!

Gegebenenfalls müssen Sie das Gehäuse im gewünschten Farbton nachbeizen, d.h. das Holz einfärben. Durch wiederholtes Beizen machen Sie den Ton dunkler. Die richtige Beize suchen Sie am einfachsten über Farbkarten, welche jeder Tischler haben sollte, aus.
Um zu beurteilen, welche Farbe das fertig lackierte Holz annimmt, feuchten Sie eine Stelle des Holzes mit dem Finger an. Die Farbe an der feuchten Stelle ist ziemlich genau die Farbe nach der Lackierung mit Klarlack.
Vielleicht passt es ja so schon.

Gruß

Sebastian

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17.Apr.05 09:45

Georg Schön (D)
Beiträge: 268
Anzahl Danke: 13

Hallo Hr Schmidt,

Sie sollten zunächst mal an einer unsichtbaren Stelle
Klarlack auftragen.
Das Holz wird sehr viel dunkler werden.
Ob es wieder wie vorher wird, hängt davon ab, wieviel
der färbenden Bestandteile Sie aus dem Holz gelöst haben,
nach meiner Erfahrung ist das nicht viel.
Der "Originalfarbton" ist bei Holz ohnehin eine recht
ungefähre Angelegenheit.

Von Nachbeizen rate ich dringend ab!
Durch Reste des Lackes ist das Saugverhalten des Funiers
völlig ungewiß und höchstwahrscheinlich sehr ungleichmäßig.
Beizen ist etwas für Erfahrene und nur auf unbehandeltem Holz.
Da der Holzuntergrund eine starken Einfluß hat, bringen "Farbkarten"
gar nichts.

Grüße
Georg Schön


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Beizen eines entlackten Gehäuses 
17.Apr.05 20:16

Martin Renz (D)
Ratsmitglied
Beiträge: 694
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Martin Renz

Hallo Herr Schmidt,
es freut mich, dass Sie mein Beitrag dazu animiert hat, dem Gehäuse einen neuen Lack zu verpassen. Ich will gerne helfen, die optimale Methode der Renovierung zu finden, wenngleich dies nur auf Grund von Fotos und Beschreibung nicht ganz einfach ist. Dem Foto des abgewaschenen Gehäuses nach zu urteilen, ist der Lack ziemlich komplett heruntergewaschen worden. Da die dunkle Farbe völlig verschwunden ist, war sie im Lack enthalten. Wäre das Gehäuse mit Beize gebeizt gewesen, wäre sie noch da.
Ich kann Herrn Schön zustimmen, dass ein Beizen des Holzes nicht ganz unproblematisch ist. Insbesondere in Wasser gelöste Farbstoffe, salopp "Wasserbeize" genannt, kann auch bei sorgfältigstem Abwaschen des alten Lackes zu Benetzungsschwierigkeiten führen und so zu einem fleckigen Ergebniss führen. Da keine Fläche zum Testen existiert - besser Finger weg davon. Ohne Färbung bekommen Sie aber den ursprünglichen Ton nicht mehr hin, das "anfeuern" der Holzfarbe durch den Lack ergibt zwar einen hübschen Holzton, aber ziemlich sicher nicht die ursprüngliche Farbe.

Bleiben 2 Möglichkeiten, die davon abhängen, wie Sie ausgestattet sind.

1.
Sie benutzen eine Beize auf Lösemittelbasis. Diese bekommen Sie am zuverlässigsten bei einem Tischler, der überwiegend im Möbelbau tätig ist. Besonders alteingesessene Tischler haben oft ein umfangreiches Sortiment an fertig gemischten Beiztönen, die von früheren Aufträgen übrig sind und aufbewahrt werden. Der Tischler weiss auch, welche Art von Beize Sie benötigen. Der gut sortierte Fachhandel hat eventuell auch etwas anzubieten (z. Beisp. von der Fa. Clou)
Lösemittelhaltige Beizen sind in der Regel sehr viel unproblematischer im Benetzen von kritischen Flächen. Mit einem breiten, metallfreien Pinsel satt auftragen, dann mit dem Pinsel gut "vertreiben", bis die Beize vollständig vom Holz aufgenommen wurde, eventuell mit einem trockenen Lappen nachwischen. Nach dem Trocknen 2-3 Gänge Lack, mit Zwischenschliff nach dem ersten Lackiergang.
Nachteil: Das Verfahren entspricht nicht dem Orginal und Sie haben nur einen Versuch. Die Beize kriegen Sie nicht wieder weg.
Vorteil: Die Holzstruktur kommt damit am schönsten zur Geltung, vorausgesetzt, die Beizung gelingt gleichmässig.

2.
Sie verwenden das gleiche Verfahren wie der Hersteller:
Zunächst wird das Gehäuse mit Grundierung lackiert, DD-Lack oder Nitrolack bez. Nitrokombilack, kein Acryllack. Dann mit 240er Schleifpapier trocken zwischenschleifen, bis sich die Oberfläche fatzenglatt anfühlt. Nun erfolgt ein Auftrag von dunkelbrauner Patina (Nussbraun, Graubraun, Olivbraun und ähnliche Bezeichnungen kommen in Frage, sollte aber auf einem ähnlichen Untergrund vorab getestet werden.) Patina ist eine mit minimalen Lackanteilen versehene reine, aber dünne Farblösung. Diese muss mit einer Spritzpistole aufgetragen werden. Dazu wird mit verhältnissmässig grossem Druck von etwa 5 bar und sehr wenig Materialfluss gearbeitet, sowie eine möglichst feine Düse verwendet (1,0 - 1,2 mm, notfalls 1,5mm) Die Patina trocknet praktisch im Moment des Auftrages durch den kräftigen Luftstrom. Damit kann in etlichen, zarten Schichten solange Farbe aufgetragen werden, bis der Farbton den Erwartungen entspricht. Achtung: besser kurz vorher aufhören, das Ergebniss fällt nach dem Lackieren noch einen Tick dunkler aus. Es ist so auch möglich, durch verschiedenfarbige Patina in verschiedenen Schichten einen Farbton noch zu beeinflussen, zum Beispiel in Richtung rötlicher oder grünlicher.
Anschliessend dünn lackieren, Trieler vermeiden, der Lack löst die Patina an und Flecken wären die Folge! Schliesslich die Deckschicht des Lackes, die so dick sein muss, dass der Lack glatt verläuft. aber nicht so dick, dass er herunterläuft.
In der Industrie wird teilweise auch der Lack direkt mit der Patina eingefärbt, dies setzt jedoch absolut gleichmässiges und definiertes Lackieren voraus, von Hand kaum zu leisten.

Nachteil: Man benötigt auf jeden Fall eine Spritzpistole (nebst Kompressor), wobei es auch preiswerte Modelle tun. Die Holzstruktur wird je nach der Stärke der Färbung zugedeckt und ist nur schwach sichtbar. Patina ist für den Privatmann wahrscheinlich nur über einen Tischler zu beziehen.
Vorteil: beste Orginalität, gut zu steuerndes Ergebniss, notfalls kann alles nochmals abgewaschen werden. Fehler im Holz und durchgeschliffene Stellen des Furnieres lassen sich so am besten verdecken.

Man kann die beiden Verfahren auch kombinieren, was ich häufig mache, wenn der Farbton auf eine bestehende Einrichtung angepasst werden muss: etwas heller beizen und dann mit Patina den letzten Schliff anpassen. 

Sollten Sie Schwierigkeiten mit dem Besorgen der Materialien haben, fragen Sie Ihren Tischler oder Schreiner oder wenden Sie sich an mich ;-)

Martin Renz

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Farben und Beizen 
18.Apr.05 13:05

Hans Kamann (D)
Beiträge: 438
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Hans Kamann

Auch ich habe mich durch Herrn Renz inspirieren lassen und ein Graetz Comedia auf die vorgeschlagene Weise behandelt. Ich stimme voll zu: die ursprüngliche Farbe wird man nicht hinbekommen, schaut man sich jedoch Geräte einer Serie an, wird man kaum absolute übereinstimmung finden ( igrendwo hier im Forum gibt es dazu auch einen Text ). Also ist die Farbgebung eine subjektive Angelegenheit mit der Möglichkeit, den eigenen Geschmack ins Spiel zu bringen.

Ich hatte bei der Restauration einige eMails mit Herrn Renz ausgetauscht, er war und er ist da eine große Hilfe. Derzeit habe ich jedoch aus Enttäuschung das Radiogehäuse an die Seite gelegt: Mir sind die Bronzelinien an einigen Ecken verlaufen. Herrr Renz hatte mich auf etwas ganz wichtiges hingwiesen, was ich leider nicht beachtet hatte: Die Linien sollten nicht mit dem Pinsel lackiert, sondern mit der Spühdose auf die Schablonenfolie aufgetragen werden. Problem: Die Farbe hat die Folie angelöst und ist unter die Kanten gelaufen. Ausserdem löste der Klarlack die Bronzefarbe an, deshalb vor dem Entfernen der Folie unbedingt einmal lackieren.

Jetzt muss ich erst mal meine "Wut" an meiner CX500 austoben, später krame ich das Gehäuse dann nochmal vor.

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Vielen Dank! 
18.Apr.05 19:15

Hans-Dieter Schmidt (D)
Beiträge: 7
Anzahl Danke: 23
Hans-Dieter Schmidt

Auweia, da habe ich jetzt was angefangen!
Die Beschreibungen geben mir auf jeden Fall schonmal einen guten Überblick. Wahrscheinlich war die Originallackierung kein Klarlack sondern ein eingefärbter (enthielt also die Patina). Die Struktur des Holzes kam damit nicht zur Geltung, es sah praktisch aus wie Kunststoff.
Vor Holzbeize habe ich seit jeher großen Respekt, deswegen hätte ich damit keinesfalls angefangen. Der Ansatz mit dem Auftragen von dunkler Patina mit anschließendem Klarlackauftrag scheint mir sehr plausibel.
Ich werde mich also in der nächsten Zeit nach Farbe umsehen. Eventuell lohnt wirklich eine Anfrage beim Tischler, denn ich habe weder Kompressor noch geeignete Räumlichkeiten zum Lackieren.
Nach Fertigstellung werde ich über das Ergebnis berichten.

Vielen Dank an alle Antwortgeber,
H.-D. Schmidt

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