Kondensatoren: Tauschen oder nicht tauschen?
Kondensatoren: Tauschen oder nicht tauschen?

Verschiedene Beiträge zum Thema "Ersatz von Folienkondensatoren" haben mich veranlasst, einen bereits an anderer Stelle (auch im Internet) veröffentlichten Beitrag nochmals zu zeigen. Es handelt sich um eine Empfehlung für den noch unerfahrenen Restaurateur, die speziell für die Radios der 50er und frühen 60er Jahre verfasst wurde.
Ergänzend sei erwähnt, dass zu den oben genannten Zeiten für manche Bauformen der Kondensatoren eine Toleranz von +/- 30% zulässig war, man muss also nicht übertreiben, wenn der Sollwert nicht punktgenau nachweisbar ist.
Nun zum Thema:
Kondensatoren: Tauschen oder nicht tauschen?
Die Ersatz- und Reparaturmöglichkeiten von Elektrolytkondensatoren wurden im Abschnitt xxx behandelt. Hier geht es um die vielen anderen Kondensatoren unterschiedlichster Bauart in unterschiedlichen Funktionen.
Im HF- Bereich bei Schwingkreisen werden hochwertige Kondensatoren auf Keramikmaterial oder auch Styroflexkondensatoren eingesetzt. Die Kapazitätswerte liegen im pF- Bereich. Sie sind meistens durch die parallel liegenden Spulen gleichspannungsmäßig kurzgeschlossen, werden also nicht belastet. Ein Ersatz ist im allgemeinen nicht erforderlich. Geringfügige Kapazitätsveränderungen können durch Nachgleich kompensiert werden. Koppel- und Verkürzungskondensatoren im Hf- Bereich (ebenfalls im pF- Bereich) liegen in manchen Fällen an hohen Gleichspannungen, weshalb diese überprüft werden sollten. Keramische Röhrchenkondensatoren und keramische Scheibentrimmer sollten äußerlich (mechanisch) begutachtet werden. Unbeabsichtigte Gewalteinwirkung bei technischen Inspektionen können zu Bruch oder Kurzschluss führen. Nicht selten offenbaren die keramischen Scheibentrimmer mit kleiner Bauform (also im UKW-Bereich) verborgene Fertigungsfehler. Für alle im Hf- Bereich eingesetzten Kondensatoren mit niedrigen Kapazitätswerten (pF- Bereich) ist aber die äußere Reinigung mit dem Wattestäbchen und Reinigungsflüssigkeit unerlässlich. Kondensatoren zur Abblockung von Gleichspannungen (s. Abschnitt xxx) werden im Hf- Bereich meistens keramisch ausgeführt (einige nF), in den übrigen Schaltungsteilen auch als Folien- (Wickel-) Kondensatoren. Sie sollten überprüft (gemessen!) werden, vor allem dann, wenn die Anoden- oder Schirmgitterspannung der entsprechenden Röhre zu niedrig ist. Auf die Problematik der gewickelten Folienkondensatoren wird hier nochmals hingewiesen.
Im Tonteil sind die sogenannten Koppelkondensatoren zwischen Anode und Steuergitter der nachfolgenden Röhre besonders gefährdet, sie halten meistens keiner Überprüfung stand und müssen ersetzt werden (s. Abschnitt xxx). Dabei spielt eine Abweichung des Kapazitätswertes vom Sollwert eine geringe Rolle, aber ein messbarer ohmscher Widerstand (meistens im MOhm- Bereich) kann nicht toleriert werden, weil ein überhöhter Anodenstrom die Folge ist. Diese Kondensatoren sind nicht nur der hohen Leerlaufspannung ausgesetzt, der Betriebs(gleich-)spannung ist auch eine Signalwechselspannung überlagert. Zum Messen müssen die Kondensatoren einseitig abgelötet werden. Als Koppelkondensatoren im Tonverstärker werden im Normalfall Wickelkondensatoren eingesetzt, selten findet man an dieser Stelle auch einen keramischen Röhrchenkondensator. Zeigt dieser auch einen ohmschen Übergangswiderstand, so kann sich eine Reinigung vom Schmutz als ausreichend erweisen. Wer Kondensatoren nicht hinreichend genau messen kann, prüft die Gitter(gleich-)spannung mit einem hochohmigen Instrument oder mit dem Oszilloskop. Das Steuergitter liegt meistens über einen Widerstand an Masse, es müssen also 0 Volt angezeigt werden. Einige Schaltungen spannen das Steuergitter negativ vor, dieser Wert muss dem Schaltplan entnommen werden. Aber auch ein Röhrendefekt oder eine verschmutzte Röhrenfassung können als Ursache für eine zu hohe Gittervorspannung in Frage kommen.
Im Bereich der Endröhre finden wir meistens noch einen Kondensator an der Anode (ca. 1 bis 5nF), der ebenso wie ein eventuell vorhandener Koppelkondensator zu einem elektrostatischen Lautsprecher, unbedingt überprüft werden muss, weil hohe Spannungen anliegen.
So weit wäre das noch überschaubar. Wenn da nicht die manchmal unzähligen Wickelkondensatoren im Klangregelnetzwerk des Tonverstärkers wären. Der Einsatz von hochwertigen Styroflexkondensatoren ist in diesen Bereichen leider selten.
Die Folienkondensatoren sind selten richtig defekt, weshalb der unerfahrene Restaurateur eventuell keinen Handlungsbedarf feststellt. Im Normalfall zeigen diese Kondensatoren bei einer Messung aber ungefähr den doppelten Kapazitätswert. Das muss im Einzelfall nichts bedeuten, weil die herstellungsbedingten zulässigen Abweichungen bis 30% betragen können (durften) aber bei komplexen Klangregelnetzwerken führt das wegen der Vielzahl von Kondensatoren zu unbefriedigenden Ergebnissen. Man stellt dies fest, wenn die Höhen- und Tiefenstellknöpfe nicht mehr deutlich reagieren und der Klang keine Brillanz zeigt oder der Lautstärkesteller nicht so reagiert, wie erwartet. Ein fehlerhaftes Dielektrikum, das einen nachweisbaren ohmschen Widerstand im Mohm- Bereich zur Folge hat, wäre eventuell zu tolerieren, weil fast alle Kondensatoren im Klangregelnetzwerk in R-C Netzwerke eingebunden sind. Relativ oft liegt einem Kondensator ein Widerstand im KOhm- Bereich parallel.
Bild 1 zeigt einen Teil des Nf- Verstärkers einer CAPELLA. Alle markierten Bauteile wurden ersetzt. Bis auf einen Leistungswiderstand an der Kathode einer Endröhre handelt es sich um Kondensatoren. Hier wurde versucht, vorwiegend mit neuen Kondensatoren aus dem Lagerbestand einer Altfertigung auszukommen. Dabei wurden auch Styroflexkondensatoren (s. am oberen Bildrand) verwendet. Bei diesem Gerät wurden im Bereich des Tonverstärkers ca. 12 Kondensatoren ersetzt. Selbstverständlich ausschließlich in axialer Bauform (d.h.: Drahtanschlüsse wie bei den Widerständen, seitlich).
In den Klangregelnetzwerken können manchmal Ersatzkondensatoren mit niedrigeren Spannungswerten als aufgedruckt, eingesetzt werden. Dazu ist aber eine genaue Analyse der Schaltung unter Berücksichtigung der möglichen Leerlaufspannungen unerlässlich.
Bild 2 zeigt ein Beispiel: Parallel zu einem Widerstand von 2,2Kohm (drei rote Ringe) sitzt ein Kondensator mit 1500 pF und einer Spannungsfestigkeit von 500 Volt. Wenn man bezüglich der Interpretation des Schaltplanes noch unsicher ist, kann man die maximal auftretende Spannung mit Hilfe der im Abschnitt xxx gezeigten Formeln rechnerisch ermitteln.
(hier:Text gekürzt)
Eine Standardisierung der verwendeten Typen bezüglich der Spannungsfestigkeit könnte ökonomische Gründe gehabt haben. Bis zu einem Wert von 22nF/400Volt= sind Kondensatoren kaum teurer als solche für 250Volt (Bürklin Katalog 2004), so dass auch der Restaurateur standardisieren kann, also überwiegend die spannungsfesteren Kondensatoren bevorratet. Wer mehrere Radios überholt, wird allein bei den Folienkondensatoren schnell einen Vorrat von einigen hundert Stück angelegt haben, um die gängigen Werte abdecken zu können. Folgende Werte sind handelsüblich: 10nF; 15nF; 22nF; 33nF; 47nF; 68nF; 0,1uF; 0,15uF; 0,22uF; 0,33uF; 0,47uF; 0,68uF; 1uF. Kleinere Werte werden in keramischer Bauform ausgeführt, größere Werte als Elektrolytkondensatoren, von denen man ebenfalls einige Exemplare auf Lager haben sollte (s. Abschnitt xxx). Diese Angaben beziehen sich ebenfalls auf den BÜRKLIN- Katalog, andere Lieferanten bieten auch Folienkondensatoren <10nF an. Folienkondensatoren >1uF sind ebenfalls llieferbar, es wird nur etwas teurer.
Beim Kathodenelko der Endröhre (der auch einem Widerstand parallel geschaltet ist) wird man jedoch immer eine angepasste Spannungsfestigkeit finden, weil hier jede Spannungsstufe richtig Geld kostet, bzw. gekostet hat. Daher haben auch die mächtigen Siebelkos gerade mal die Spannungsfestigkeit (385Volt), die sie die Leerlaufspannung aushalten lässt (BÜRKLIN hat übrigens auch Elkos bis 450 Volt=, wenn man ganz sicher gehen möchte).
Vergessen wir nicht die sicherheitsrelevanten Folienkondensatoren im Bereich der Netzspannung (s. S. xxx) und der Wechselspannung vor Röhrengleichrichtern (s. Abschnitt xxx). Hier ist sogar ein vorbeugender Austausch zu empfehlen, besonders bei Verbindung mit der Netzspannung.
Bild 3 zeigt einen Ersatz in keramischer Scheibenform, die auch in den 50er und 60er Jahren verwendet wurde. Er verbindet die Netzspannung mit dem Chassis. Steht kein geeigneter Kondensator mit hoher Wechselspannungsfestigkeit zur Verfügung, so ist es besser, auf diesen zu verzichten. Damit sind keine funktionalen Einschränkungen verbunden, in den AM- Bereichen kann es aber zu Störungen des Empfangs kommen.
Netzantenne: Bei einigen Geräten besteht eine Verbindung vom Netz zum Antenneneingang über einen Kondensator mit einer Kapazität im pF- Bereich. Ist kein Schaltplan vorhanden, so erkennt man dies an der Beschriftung des Antennenwahlschalters auf der Geräterückseite. Dieser Kondensator muss ebenfalls aus Sicherheitsgründen gemessen, bei Schadhaftigkeit ersetzt oder notfalls ersatzlos entfernt werden.
Bild 4a zeigt einige Styroflexkondensatoren aus der Altfertigung SIEMENS & HALSKE. Das Beste, was dem Restaurateur unter die Finger kommen kann.
Stehen keine einsetzbaren Folienkondensatoren aus einer Altfertigung zur Verfügung, so verwendet der Verfasser solche vom Typ Roederstein MKT 1813 bzw. MKP 1842 mit axialen Anschlüssen die bei BÜRKLIN erhältlich sind: Bild 4
Der beim Auswechseln der Kondensatoren anzulegende Maßstab kann wie folgt, unterschiedlich angelegt werden:
Ein Radio, das die Sammlung im Regal vervollständigt, muss natürlich funktionieren und elektrisch sicher sein. Denn man möchte es doch hin und wieder mal vorführen. Man geht, wie beschrieben, vor.
Bei einem Radio, dass für den täglichen Betrieb vorgesehen ist, muss auch vorbeugend repariert werden. Hier legt man den Maßstab etwas strenger an, misst alle Folien- und Elektrolytkondensatoren durch und tauscht großzügig aus. Wer sich in der Beurteilung der Notwendigkeit nicht sicher ist, macht keinen Fehler, wenn er alle Folienkondensatoren austauscht. Dies kann auch gleich nach Abschluss der Reinigungsarbeiten gemacht werden, um so einfacher werden die Arbeiten bei eingeschaltetem Gerät, weil sich dann einige Probleme bereits erledigt haben. Aber Vorsicht: Wer nicht Lage und Anschlüsse eines Kondensators vorher sorgfältig skizziert, kann sehr schnell Probleme bekommen. Denn diese Totaloperation erfordert viele Stunden und - nicht nur der Anfänger - kann sehr schnell die Übersicht verlieren. Ersetzte Originalbauteile werden aufgehoben, falls möglich, im Gerät.
Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.
Kondensatoren tauschen?

Hallo,
vielen Dank Herr Grund, daß Sie sich diese Mühe gemacht haben und diesen Artikel verfassten. Eine kleine Anmerkung möchte ich mir - nicht zuletzt um etwaige Mißverständnisse zu vermeiden - doch noch machen:
.....Dies kann auch gleich...um so einfacher werden die Arbeiten bei eingeschaltetem Gerät...
hier möchte ich einhaken: Nicht bei eingeschaltetem Gerät Kondensatoren entfernen und neue hinein löten versuchen! Vermutlich haben Sie, Herr Grund, dies auch nicht so gemeint, doch da dieser Artikel offensichtlich auch für Anfänger gedacht ist, sollte dies klargestellt sein. In unter Spannung stehenden Schaltungen herumlöten, dies kommt absolut nicht in Frage! Auch keine Eingriffe unter Spannung, abgesehen davon, was dies allein schon für das Gerät, aber erst recht für den "Operateur" für Folgen haben könnte....! Messungen unter Spannung erfordern schon höchste Aufmerksamkeit, Kurzschlußgefahr und Fehlmessungen sollten vorher bedacht sein!
Als Tip für das korrekte Ersetzen: Stück für Stück; und die Polarität vor dem Ausbau genau wie die korrekten Verbindungspunkte notieren.
Solche Total-OP's schützen vor ständig wiederkehrenden, durch defekte Kondensatoren ausgelöste Probleme mit den Geräten, eine wirklich nur zu empfehlende Methode, wie ich finde. Außerdem erleichtert und sichert sie die - wenn überhaupt - erforderlichen Abgleichveränderungen.
Viel Erfolg bei all diesen Arbeiten wünscht Ihnen
R. Latzel
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Kondensatoren tauschen

Hallo Herr Latzel,
ich kann Sie beruhigen, selbstverständlich bei ausgeschaltetem Gerät. "gleich nach Abschluss der Reinigungsarbeiten ... ..um so einfacher werden die Arbeiten bei eingeschaltetem Gerät, weil sich dann einige Probleme bereits erledigt haben."
"werden" bezieht sich auf den nächsten Arbeitsschritte, also auf die, die dem Kondensatorentausch folgen (werden).
Zu Ihrem weiteren Tip:
"Aber Vorsicht: Wer nicht Lage und Anschlüsse eines Kondensators vorher sorgfältig skizziert ..."
Das meinen Sie doch?
Ich bemühe mich, Forumsbeiträge "kurz und bündig" zu verfassen, dieser ist schon ziemlich lang geworden. Die ausführlichen Beschreibungen der Arbeitsschritte, Hinweise und Erläuterungen sind an anderer Stelle dokumentiert worden.
Viele Grüße, Eike Grund
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Kondensatorentausch

Hallo,
zu letzterem Tip von mir: Vielleicht hilft es dem noch etwas unerfahrenen Reparateur solcher Schaltungen, wenn er diese Auswechslungen stückweise und nicht unter dem Motto: "Erst alle alten Kondensatoren heraus, dann alle Neuen hinein" vornimmt.
Dabei könnte man nämlich sonst - trotz aller Vorsicht - etwas den Überblick verlieren, noch dazu, wen man Drähte (versehentlich) verbiegt...
Vielen Dank für Ihren Beitrag, er dürfte gerade für manchen Newcomer eine echte Entscheidungshilfe sein, denn er beantwortet klar und fachlich eindeutig / korrekt die meist gestellte Frage "Wo fange ich wie an, und wo darf / soll ich aufhören, gerade beim Kondensatorentausch?". Er stellt auch klar, weshalb so viele Geräte - gerade nach langer Nichtbenutzungsdauer - nicht mehr (richtig) spielen, bzw. zu echten "Dampfradios" (dies im wohl wahrsten Sinne des Wortes) werden.
Vielen Dank nochmals für Ihren Beitrag!
MfG
R. Latzel
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