loewe-opta: 537GW (537 GW); Opta 'Schlittschuh'

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ID: 234733
Dieser Artikel betrifft das Modell: Opta "Schlittschuh" 537GW (Loewe-(Opta); Deutschland)

loewe-opta: 537GW (537 GW); Opta 'Schlittschuh' 
26.Oct.10 15:30
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Rüdiger Walz (D)
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Rüdiger Walz

Restauration Loewe 537 GW

Selten hat man die Gelegenheit zwei Geräte einer Serie unverbastelt vor sich zu haben. Dies ist für mich immer sehr interessant, da man dann die Veränderungen und Verbesserungen im Laufe der Produktionszeit sehen kann.
Hier handelt es sich um die Geräte Nr. 27084 und Nr. 34234. Leider tragen die Geräte im Innern kein Datum, so dass der Zeitraum zwischen der Produktion der beiden Geräten nicht bestimmbar ist. Der 537 GW kam zum Modelljahr 1936/37 heraus, das Schaltbild in den Serviceunterlagen von Loewe trägt das Datum 6.7.1936.
Er war eines der letzten Geräte von Loewe, das mit Mehrfachröhren bestückt war. Auf der Rückwand taucht erstmals der Markenname „Opta“ auf, so dass die korrekte Bezeichnung „Opta 537 GW“ ist. Die Wechselstromversion war mit Aussenkontaktröhren versehen.
Außergewöhnlich bei diesem Gerät ist weiterhin die indirekt geheizte Gleichrichterröhre 26 NG, die bei Spannungen von 110-150 V in Spannungsverdopplerschaltung arbeitet und daher für diesen Fall in einen zweiten unbelegten Sockel umgesteckt werden muss.
Die WG 36 enthält einen Pentodenteil als Mischröhre, eine Triode als Oszillatorröhre und eine weitere Pentode als Zf-Verstärkerteil. Die WG 35 enthält eine Diode zur Demodulation, eine Tetrode als Nf-Verstärker und eine Endpentode, deren Bremsgitter seltsamerweise mit dem Steuergitter zusammengeschaltet ist. Die Röhren sind in Serie zusammen mit einem Osram U 920/6 Urdox Widerstand, einem Skalenlämpchen 15 V 0,2 A und einem Lämpchen für das Orthometer 10 V, 0,2 A in Reihe geschaltet. Das Beschaffen der Skalenlämpchen bereitet dem Restaurator heutzutage immer wieder Freude….
Das Gerät enthält drei Becherelkos im Netzteil, wovon einer nur bei Spannungsverdopplung in Betrieb ist und einen separaten Becherelko auf einer Isolierplatte zwischen den Kreisen, der die Versorgungsspannung für den Oszillator nochmals glättet. Bei meinen Geräten waren sie alle noch betriebsfähig und das nach 74 Jahren! Das nenne ich ein Qualitätsprodukt! Ebenso war bei beiden Geräten der Blockkondensator noch in Ordnung, das heißt die Leckströme waren im tolerablen Bereich von einigen µA und sie waren nicht ausgelaufen oder aufgeplatzt. Im jüngeren Gerät (34234) steckte eine Ersatzschaltung für die WG 35 auf Basis einer UCL 11 und einer UBF 11. Den Bauteilen nach zu urteilen muss das Gerät noch weit in den 50er Jahren in Betrieb gewesen sein. Bild: 537GW-34234-Ch-oben2.
Das Schaltbild der Loewe Serviceunterlagen enthält einen Fehler. Die Anodenspannung der Endpentode wird mit 170 V bei 41 mA angegeben. Der Ausgangsübertrager hat lt. Schaltbild 600 Ohm und eine Eingangsspannung von 235 V. Nach dem Ohm‘schen Gesetz U = R x I sollten am Übertrager also 600 x 0,041 = 24 V abfallen und damit die Anodenspannung an der Endpentode in der WG 35 211 V betragen. Das ist auch etwa der Wert, den man misst, also keine Panik, 200 – 220 V an der Anode sind o.k.. Ich betone das hier, da es im RM.org etliche Beträge zu den Sollspannungen in einem Röhrengerät bei Wechsel des Selengleichrichters gegen Siliziumdioden gibt und die Puristen gerne an die Angaben in Schaltbildern auf die Kommastelle genau glauben.
Die Vorgänger des Opta 537 GW (Modelljahr 1936/37) waren der Botschafter (Modelljahr 1934/35), der in drei Schaltungsvarianten erschien und der Patrizier (Modelljahr 1935/36). Das Chassis des Botschafters ist dem Format des Gerätes entsprechend nahezu rechteckig. Das Gehäuse des Patriziers hat zwar schon das Querformat, aber das Chassis entspricht weitgehend dem Botschafter. Erst beim 537 GW ist es vollkommen neu konstruiert worden. Außerdem wurde als Abstimmhilfe ein Schattenzeiger (Orthometer) hinzugefügt. Ansonsten haben sich nur Details an den Bauteilen geändert, besonders in den Hf-Kreisen, aber dazu in einem anderen Beitrag mehr.
Fangen wir außen an: Das Gerät 27084 ist eine dunkle Variante, die auf den ersten Blick nahezu schwarz erscheint. Der 34234 ist eine braune Variante (siehe unter dem Gerät). Ob die dunkle Variante von vornherein so abgetönt war ist mir nicht klar. Man erkennt unter dem dunklen Decklack bei starker Beleuchtung deutlich den dunkel abgesetzten Sockel unten am Gehäuse (Pfeil am Bild hochgeladen unter dem Gerät). Die Lackierung ist offensichtlich original. Sie kann auch nicht nachgedunkelt sein, da man bei starkem Licht schwarze Ausbesserungen am Gehäuse unter der dunklen Deckmatine erkennt. Die dunkle Variante findet man auch auf Bildern von anderen Sammlern, sowohl beim 537 GW als auch beim 537 W. (Bild: 537GW-Vergleich)
Die Serviceunterlagen empfehlen beim Ausbau die Schauben des Pressrahmens mit der Deckscheibe für die Skala zu lösen und nach vorne herauszuklappen und zu entfernen, da sonst die Scheibe oder die Skala beim Herausziehen des Chassis zu Bruch gehen könnte (Bild: 537GW-34234-Rahmen). Da ich die Empfehlung bisher nicht kannte, habe ich bei meinen Geräten die Chassis bisher ohne Entfernen des Rahmens mehrmals aus- und eingebaut und bisher Glück gehabt.
Von hinten ist an den Chassis kein Unterschied zu erkennen (Bild: 537GW-34234-hinten). Auch nach dem Ausbau sind die Bauteile unter dem Chassis bei beiden Geräten gleich angeordnet (Siehe unter dem Gerät). Es zeigen sich allerdings kleine konstruktive Unterschiede. Beim Gerät 27084 sind die Kondensatoren alle mit „Radio AG DS Loewe“ bedruckt, beim Gerät 34234 nur neutral mit der Größenbezeichnung. Zuerst vermutete ich einen späteren Austausch, aber es betrifft alle Kondensatoren im Gerät, selbst im Zf-Kreis.  (Bild: 537GW-27084-Bauteile und Bild: 537GW-34234-Bauteile)
Gerät 27084 (links) und 34234 (rechts) Bauteile
Ein zweiter geringfügiger Unterschied, der für den Restaurator aber wichtig ist liegt in der Widerstandsplatte rechts unter dem Chassis. Beim Gerät 27084 sind die Widerstände und Kondensatoren an Lötösen angelötet, beim Gerät 34234 sind die Anschlüsse durch Löcher in der Pertinaxplatte hindurchgezogen und ohne Lötösen darunter verlötet. Das macht beim Demontieren zur Restauration keinen Spaß! Zum Glück musste auf dieser Platte kein Bauteil bearbeitet werden. (Bild: 537GW-27084-R-platte; Bild: 537GW-34234-R-platte)
Widerstandsplatte 27084 (links) und 34234 (rechts)
Nach Überprüfung der Becherelkos konnten die Geräte in Betrieb genommen werden und spielten auf Anhieb. Beim Gerät 27084 waren die Kathodenelektrolytkondensatoren der Zf-Stufe und der beiden Nf-Stufen ausgetrocknet und hatten ihre Kapazität verloren. Die Klangqualität verbesserte sich durch Parallelschalten von neuen Elkos wesentlich. Beim Gerät 34234 hatte der Vorbesitzer die Elkos bereits innen erneuert. Als weitere kritische Bauteile wurden beim Gerät 34234 der Koppel-kondensator zur Endpentode und der Kondensator von Kathode zu Anode der Endpentode erneuert. Leckströme im Koppelkondensator verursachen erhöhte Gitterspannung an der Endpentode und damit Überlastung. Der 2000 pF Kondensator von Kathode zu Anode dient zur Unterdrückung von Hf-Schwingungen der Endpentode. Später zeigte sich, dass die WG 35 ohne einen solchen Kondensator nicht prüfbar war, da sie sofort anfängt im 100 MHz Bereich zu Schwingen (siehe Artikel unter der Röhre WG 35).
Beim Gerät 27084 wurde der Koppelkondensator vorerst original belassen, da er nur einige µA Leckstrom aufwies und die Widerstände von 1,1 MOhm gegen Masse diesen Leckstrom hätten ableiten können. Bei längerem Betrieb des Gerätes wurde aber ein kontinuierlicher Anstieg des Anodenstromes der Endröhre von 40 mA Sollwert bis über 60 mA beobachtet und daher der Kondensator doch innen erneuert. Der Effekt blieb aber bestehen! Die WG 35 zeigte Gitteremission.
Letztendlich mussten zur Stabilisierung des Gerätes der Gitterableitwiderstand auf 0,5 MOhm verringert werden und der Kathodenwiderstand zur automatischen Gittervorspannungserzeugung auf 560 Ohm erhöht werden. (Zur Erklärung des Effektes und Lösung des Problems siehe auch Artikel unter der Röhre WG 35). Die zusätzlichen Bauteilesind auf dem nächsten Bild markiert (Bild: 537GW-27084-Ch-links)
Ein weiterer kritischer Kondensator ist im Zf-Kreis mit der Zuleitung zur Anodenkappe (drittes System) der WG 36 verborgen. Er liegt am ersten Zf-Kreis (Potential 200 V) zur Kathode (Potential 2V). Leckströme im mA Bereich können das Kathodenpotential nach oben verschieben und das Anodenpotential nach unten und damit die Verstärkung der WG 36 herabsetzen. Eine einfache Messung der Anoden- und Kathodenspannung zeigt ob dieser Kondensator defekt ist. (Bild: 537GW-27084-Zf-Kreis)
Die Regelspannung wirkt auf das Gitter der Mischröhre über 2 MOhm von der Basis des zweiten Zf-Kreises und über eine Anzapfung der Widerstandskette von der Basis des zweiten Zf-Kreises und 2 MOhm an das Gitter der Zf-Pentode. Da diese Schaltkreise sehr hochohmig sind, funktioniert das Orthometer und die Regelung meist aufgrund der Leckströme der alten Kondensatoren nicht 100 %ig. Es bleibt dem Restaurator überlassen, ob er alle betroffenen Kondensatoren auswechseln möchte. Da es sich nicht um ein Gebrauchsgerät handelt, wechsele ich nur Kondensatoren, die gravierende Fehler verursachen. Für mich geht Originalität vor. Spätere Besitzer haben dann die Gelegenheit ihre eigene Philosophie zu verwirklichen.
Bei der Montage des Zf-Filters Achtung ! Die Abschirmung der Anodenleitung der WG 36 ist vom Chassis isoliert herausgeführt. Das hat seine Gründe. Die Abschirmung ist aus mir unerfindlichen Gründen an die Kathode der Zf-Röhre angeschlossen und daher mit einem Gummiring gegen Zf-Filtergehäuse isoliert. Da beim Gerät 27084 die Leitungen zu den Anodenkappen vor etlichen Jahren erneuert werden mussten, passierte es mir, dass die Abschirmung für die WG 36 das Chassis berührte, da der Gummiring zerbröselt war und ich ihn nicht ersetzte (wozu auch ?) , wodurch das Gerät nicht mehr funktionierte. Es hat damals eine Weile gedauert, bis ich die Ursache herausfand. Beim Kurzschluss der Abschirmung zum Chassis wird die Kathode auf 0 V statt 2 V gelegt. Die Abschirmung des Gitteranschlusses der WG 35 hingegen ist am Chassis angeschlossen. (Bild: 537GW-27084-Zf-Kreis)
Nach einigen Tests mit verschiedenen WG 35 spielte das Gerät auf einmal sehr schwach und brummte laut. Zudem stimmte der Anodenstrom der Endpentode nicht mehr. Als Ursache stellte sich ein Bruch in der G1 Zuleitung der WG 35 heraus. Trotz Bruch gelangte noch genügend Nf-Spannung an die Röhre um das Gerät leise spielen zu lassen.
Ich habe zwar in meinem Kabelfundus ein optisch gleiches Kabel mit modernem Polyethylenisolator, aber das Original enthält einen bemerkenswerten sternförmigen Isolator als Abstandshalter für das Koaxkabel (Bild: WG35-Gitteran3). Diesen wollte ich erhalten. Er riecht beim Berühren mit dem Lötkolben typisch süßlich nach Styrol. Ich gehe davon aus, dass es sich um einen Styrol-Butadienkautschuk handelt, der allerdings im Laufe der Jahre spröde geworden ist. Die Kabelseele wurde verlängert und das Kabel wieder an der Gitterkappe angeschlossen (siehe Bild). Zur Kaschierung der Flickstelle wurde ein Stück Abschirmung von einem neuen Kabel übergezogen ( Bild: WG35-Gitteranschluss).
Ein weiterer Fehler war das Versagen der Lämpchenfassung des Orthometer beim 34234 durch die korrodierte Zentralniete. Ich hatte zwar eine optisch gleiche Fassung in meinem Fundus, aber die Anschlüsse gingen nach verschiedenen Seiten heraus, so dass sie nicht auf dem Orthometer passte ! Die alte Fassung musste neu zusammengenietet werden, das Ergebnis zeigt Bild: Fassung1 und Bild: Fassung2.
Eine Krankheit bei den Loewe 537 Geräten ist das Verblassen der Skala. Die Langwellen-Stationsnamen sollten rot gedruckt sein, die Kurzwelle grün. Die meisten Skalen dieser Geräteserie verblassen jedoch, was die Skalen des „Botschafter“ und „Patrizier“ nicht tun. Beim Gerät 27084 hat ein Vorbesitzer zur Lösung des Problems eine Skala des „Botschafter“ oder „Patrizier“ vor die von Schrift befreite 537 Skala gesetzt. Die Skalen sind leider nicht austauschbar, da beim 537 das Orthometer hinzukommt, das die Vorläufer nicht haben.
Zum Schluss noch einige Bilder, die man nur selten sieht. Beim Gerät mit der Seriennummer 34234 war noch die Tüte mit den Garantiekarten, Ersatzsicherungen und Ersatzlämpchen befestigt. (Bild: 537GW-34234-Rueckw) Es zeigte sich, dass die WG 36 noch zur Originalbestückung gehört. (Bild: 537GW-34234-Garantie).
 
Des Weiteren sind die Chassisschrauben aufwändig gegen Berührung geschützt. (Bild: 537GW-34234-unten und Bild: 537GW-34234-Schutz). Mit einem Metallring sind Filzscheiben über die Schrauben genagelt. Beim Gerät 27084 sehe ich keine Nagellöcher. Ist dieser Schutz die Arbeit eines fürsorglichen Servicetechnikers oder hat jemand diese Lösung für Loewe-Allstromgeräte schon einmal gesehen?
 
Der Loewe Opta 537 GW ist trotz fehlender Hf-Vorstufe und nur einer Zf-Stufe ein sehr leistungsfähiges Gerät. Die verwendeten Mehrfachröhren und sein Design machen ihn zum beliebten Sammlerstück.

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