military: BC-603 - Umgang mit radioaktiver Leuchtfarbe?

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ID: 361664
? military: BC-603 - Umgang mit radioaktiver Leuchtfarbe? 
10.Nov.14 23:31
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Michael Jacobsen (D)
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Michael Jacobsen

Liebe Sammlerfreunde,

bereits vor mehreren Jahren ist dieses Modell in meinen Besitz geraten. Auf der Suche nach Quellen zur Restauration bin ich zufällig auf den Hinweis gestoßen, dass einige der Bedienelemente sowie die Umrandung der Gehäuseausschnitte für diese einst mit radiumhaltiger (= radioaktiver) Leuchtfarbe versehen wurden - ähnlich wie die Zeiger alter Uhren, nur dass beim Gerät hier eine schützende Glasabdeckung fehlt. Es gibt bei Youtube sogar ein Video, in welchem der recht heftige Ausschlag eines Strahlungsmessgerätes beim Annähern an die Frontseite des Gerätes gezeigt wird.

Da ich auf dem Gebiet der ionisierenden Strahlung wenig bewandert bin und durchaus Respekt vor den potenziell damit verbundenen Gefahren habe, würde ich mich über Hinweise von Sammlern freuen, die sich evtl. bereits mit dieser Problematik auseinandergesetzt haben. Insbesondere würde mich interessieren, welche Sicherheitsmaßnahmen im Umgang mit dem Gerät angezeigt sind und ob es überhaupt zu verantworten ist, ein solches Gerät (dessen Farbauftrag im Bereich der Einfassung der Bedienelemente schon etwas "bröselig" daher kommt) überhaupt in der Sammlung zu belassen. Leider verfüge ich über kein geeignetes Messgerät (Geigerzähler o.ä.) bzw. hätte wohl auch Schwierigkeiten bei der Interpretation der angezeigten Werte.

Im Voraus herzlichen Dank für alle sachdienlichen Hinweise!

Freundliche Sammlergrüße

M. Jacobsen

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Ein Beitrag zur Problematik 
11.Nov.14 10:12
68 from 2524
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Hans M. Knoll (D)
Redakteur
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Hans M. Knoll

Hallo Herr Jakobsen.

Ein Freund und Hobby-Historiker, mit dem ich eng zusammenarbeite, hat mir diesen Text zugesand. Zu diesem Thema gibt es einiges was nicht unbedingt stimmt. Der Text den ich hier einstelle, erscheint mir  der Wahrheit sehr nahe zu kommen und für mich, der auch dieses Modell besitzt, nachvollziehbar.


Hallo Herr Jacobsen,

die früher beim Militär verwendeten Leuchtstoffe an Bedienungselementen, die wie Sie richtig schreiben bis Anfang der 50er Jahre auch bei Zeigern von Uhrenweckern verwendet wurden, haben
keine direkte starke Gamma- oder Beta-Strahlung, jedenfalls nicht, wenn man sich nicht stundenlang
in einem Umkreis von direkt davor bis ca. 2 – 3 m aufhält. Die Strahlungsintensität nimmt entsprechend der Entfernung immer im Quadrat ab, d.h. bei einer Entfernung von 2 m haben Sie schon die 4-fache Abnahme der Strahlungsintensität. Gefahr geht hier übrigens nur von der Gamma-Strahlung aus. Alpha-Strahlung durchdringt die menschliche Haut nicht, Beta-Strahlung wird bereits durch einen Pappkarton abgehalten und reicht in der normalen Atmosphäre max. ca. 1 Meter. Im Übrigen wussten die Gerätehersteller auch damals schon, dass die verwendeten radioaktiven Leuchtstoffe keine direkte gesundheitsbedrohliche Strahlung aussenden dürfen um nicht die Bedienmannschaften zu gefährden.
Das gefährliche an den verwendeten radioaktiven Stoffen ist, dass sie bei der Betätigung der Bedienelemente ständig winzigste Partikel an die Haut des Bedieners abgaben. Dadurch besteht
immer die Gefahr, dass die Partikel in den Körper des Bedieners gelangen. Ein wirksamer Schutz dagegen ist nur durch einen Vollschutzanzug zu erreichen, der aber nicht praktikabel war.
Wenn diese radioaktiven Partikel aber in den menschlichen Körper gelangen wird die sonst
relativ harmlose Alpha-Strahlung zur tickenden Zeitbombe. Radioaktive Elemente, die
Alpha-Strahlung  aussenden sind meistens langlebige Radioisotope (Halbwertszeiten bis zu 20 Tsd Jahren und noch mehr), dies ist ja auch gewollt wegen des Leuchtens bei Dunkelheit. Dies bedeutet aber, dass diese Stoffe, wenn sie in den Körper gelangt sind, auf Jahre ihre unheilvolle Wirkung haben. Innerhalb des menschlichen Körpers gibt es keine schützende Haut und Zellmembrane wie sie in Lunge, Darm, usw. vorhanden sind durchdringt die Alpha-Strahlung. Die Folge sind bekanntermaßen Zellveränderungen, die Krebs auslösen.
Dazu kommt, das die Partikel durch das Blut aufgenommen werden im ganzen Körper verbreitet werden können.
Dies sind natürlich keine positiven Nachrichten für einen Sammler, der ein Gerät mit solchen
Bedienelementen besitzt.
Empfehlung: wenn das Gerät betrieben werden soll die leuchtenden Bedienelemente entfernen
und durch andere ersetzen. Dies ist gezwungenermaßen ein Stilbruch.
Die radioaktiven Bedienelemente in einem stabilen und dichten Kunststoffbeutel aufbewahren. Der Kunststoffbeutel muss vor Tageslicht geschützt werden (Alterung des Kunststoffes durch UV-Licht).
Wenn das Gerät nicht betrieben werden soll, das ganze Gerät mit einer stabilen transparenten Kunststoff-Folie umwickeln und dicht verkleben. Das Gerät nicht unnötig bewegen und dunkel lagern. Nur so können Sie einigermaßen sicher sein, dass keine Partikel entweichen. Dazu bei Arbeiten immer einfache Einmalhandschuhe und ein Einmal-Partikel-Filter, das über Mund und Nase geht tragen. Gibt es beides im Baumarkt. Natürlich beim Arbeiten nichts Essen oder Trinken.
Oberster Grundsatz: So wenig wie möglich an den besagten Teilen arbeiten oder sie berühren.

Mit freundlichen Grüßen
E.Kull


Hans M. Knoll, 

Redakteur

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Radiumhaltige Leuchtelemente 
13.Nov.14 21:53
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Martin Bösch (CH)
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Martin Bösch

Sehr geehrter Herr Jacobsen

es geht hier um die Gefährlichkeit radiumhaltiger Leuchtfarben.

Mit Sicherheit lässt sich sagen, dass Radium bei seinem Zerfall vorwiegend Alpha-Strahlung (bestehend aus zwei Protonen und zwei Neutronen) und etwas Beta-Strahlung (Elektronen) aussendet, diese hat nur eine geringe Reichweite und wird von jedem Material zurückgehalten.

So wird die von den radiumhaltigen Farben ausgehende Alphastrahlung von Uhrzeigern und Zifferblättern und von Messinstrumenten vom Uhrglas resp. Instrumentengehäuse zurückgehalten, solange das Deckglas resp. das Glas des Messinstruments nicht defekt ist.

Anders verhält sich die Sache bzgl. mit Leuchtfarbe markierter Striche und Instrumenteneinfassungen.

In der Schweiz ist die IgUem daran, zu erfassen, an welchen Armeegeräten diese Farben im Einsatz waren (die Daten liegen noch nicht vollständig vor).

Auf jeden Fall sollte abbröckelnde Farbe oder das Gebrösel aus einem zersprungenen Uhrgehäuse nicht geschluckt werden, da die Farbe bei Direktkontakt im Magen-Darmtrakt bösartige Zellveränderungen bewirken kann. Die Menge aufgeleckter Radium-Leuchtfarbe wird wohl auch bei einer gewissenhaften Restauration niemals die Mengen erreichen, die die Uhr-Zifferblattmalerinnen beim Ablecken der Pinsel aufgenommen hatten.

Der Einsatz eines Geigerzählers (hatte unser Physiklehrer, gibt es manchmal auch aus militärischem Surplus) könnte helfen, zu klären, ob die Leuchtfarbe nicht möglicherweise bereits früher durch ungefährliche Leuchtfarbe ersetzt worden war. Nachdem die Gefährlichkeit der Radiumfarbe erkannt war, wurden offenbar teils die kritischen Farben entfernt und der Farbauftrag ersetzt.

Lieber Gruss Martin Bösch

 

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Vielen Dank! 
17.Nov.14 01:33
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Michael Jacobsen (D)
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Michael Jacobsen

Lieber Herr Knoll,

lieber Herr Bösch,

ich möchte Ihnen und auch Herrn Kull sehr herzlich danken für die hilfreichen Informationen, die mir helfen, die Situation einzuordnen und angemessen zu reagieren!

Ihre Ratschläge werde ich gewissenhaft umsetzen und das Gerät wie beschrieben "sichern", um die Freisetzung von Partikeln so gut wie möglich zu vermeiden. Eine Restauration ist mir im Moment buchstäblich zu heiß...

Sicher ist der ein oder andere Sammler durch diese Hinweise für die Thematik sensibilisiert worden - ist die von der Leuchtfarbe ausgehende Gefahr doch bei weitem nicht so offensichtlich wie die manch anderer "Altlasten" in historischer Funktechnik (z.B. die allfälligen Asbestpappen in Allstromempfängern). Noch dazu hat das oben beschriebene Gerät in früheren Jahren scheinbar weite Verbreitung gefunden als Amateurempfänger (mit Modifikationen) aus Surplus-Beständen und wird auch heute immer wieder in diversen Plattformen angeboten, so dass vermutlich zahlreiche Exemplare "strahlend" in den Sammlerregalen stehen...

Nochmals vielen Dank und herzliche Grüße

M. Jacobsen

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