Restaurieren von Drehkondensatoren der 30er Jahre

ID: 28208
Restaurieren von Drehkondensatoren der 30er Jahre 
17.Jul.04 13:57
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Markus Nüdling (D)
Beiträge: 8
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Schaub Weltsuper W35 (1935)

Ich habe mir neulich einen Schaub-Weltsuper Baujahr 1935  günstig zugelegt.

Das Gerät war in einem relativ gutem Originalzustand. Der Gehäuselack ist nicht mehr der beste, aber am Innenleben wurde noch nichts herumgebastelt.

Nach einer ersten Inbetriebnahme am Regeltrenntrafo war außer einem lauten Brummen nicht viel zu hören. Nach dem Austausch von einem Koppelkondensator zur Endröhre und zweier Siebelkos war das Brummen deutlich reduziert, aber ein Empfang immer noch nicht möglich. Teilweise war ein Kratzen bei der Senderwahl zu Hören, das schnell als Drehkondensator-Plattenschluss identifiziert werden konnte.

Plattenschluss

Der Plattenschluss kommt durch ein Wachsen des Zinkdruckgusses, in dem die Platten gefasst sind, zustande. Leider ist dieses Wachsen nicht rückgängig zu machen! Ich lass daraufhin noch einmal den Artikel über "Drehkondensatoren aus Zink" im Abschnitt "Reparieren von Bauteilen" im Buch "Radios von Gestern" auf Seite 377. Hier berichtet Ernst Erb über das Restaurieren von Drehkondensatoren, indem man die Plattenstärke durch Abätzen verringern kann.

 

   

Abb. 1:

Vor dem Ätzen

Alle Platten sind gleich dick, Kurzschluss!

 

 

Abb. 2:

Nach dem Ätzen:

Platten sind schwarz verfärbt und deutlich dünner!

Die äußeren Lamellen aus Aluminium werden beim Ätzen nicht so stark angegriffen.

Ätzen

Ich besorgte mir das nötige Natriumhydrooxid in der Apotheke und mischte die 30%ige Lösung an. Achtung! Beim Verrühren der Lösung entsteht eine starke Wärmeentwicklung! Schutzkleidung tragen! Nachdem ich die Rotorpakete ausgebaut hatte, hängte ich diese nacheinander an einem isoliertem Kupferkabel in die Lösung. Sogleich setzte eine sehr heftige Reaktion ein; es kochte und blubberte sehr stark. Ebenso setzte eine starke Dampfentwicklung ein, die so heiß ist, dass man seine Hand nicht sehr lange über der Lösung halten kann.  Ich habe den Rotor öfters mal herausgenommen, mit Wasser neutralisiert und mit der Schieblehre nachgemessen.

Ätzvideo mit Ton (10 Sek., 1,37 MB): 

http://mkn.swapfile.de/hp/r-index/restaurierung/AEtzvorgang.mpg

 Nach ca. 2 Minuten netto-Eintauchzeit waren von den ursprünglichen 0,6 mm bereits 0,2 mm abgetragen. Ebenso verfuhr ich mit dem zweiten Rotor. Nach dem Zusammenbau des Drehkos und einem Radiotestbetrieb, funktionierte dieser schon besser: es waren einige Sender hörbar, bis ab einer gewissen Stelle wieder ein Plattenschluss auftrat. Dieser bezog sich aber nach Messungen mit einem Ohmmeter auf nur eine Kammer des Drehkos. Von dieser Kammer musste ich nun den Stator ausbauen, da ich nicht noch mehr vom Rotor abätzen wollte. Es empfiehlt sich übrigens, vor dem Ätzbad die Träger, die die Platten halten, mit Zweikomponentenkleber zu fixieren (Schutz vor dem Ätzen), da sich diese bei meinen Ätzvorgängen gelockert haben und abgefallen sind. Ich habe sie dann nachträglich mit Zweikomponentenkleber wieder aufgeklebt (ein erneutes Verpressen, wie ursprünglich üblich erschien mir unmöglich).

Außerdem würde ich noch empfehlen, vor dem Ätzbad eventuell vorhandene Gewinde für Madenschrauben, die das Rotorpaket auf der Achse fixieren, abzukleben, damit das  Gewinde durch den Ätzvorgang keinen Schaden nimmt. Ich musste die Erfahrung machen, dass ein Gewinde nicht mehr zu gebrauchen war, da es die Madenschraube nicht mehr hielt. Ich habe dieses Gewinde mit Flüssigmetall (spezieller Zweikomponentenkleber) ausgefüllt und nach Härtung ein neues Gewinde eingeschnitten. Da Reste des Flüssigmetalls in das Achsloch gelangt sind, hielt die Achse den Rotor schon ganz gut beim Zusammenbau des Drehkos. Verstärk wurde der Halt durch die eine Madenschrauben mit gutem Gewinde und eben der mit dem nachgeschnittenen Gewinde aus Flüssigmetall.

Nach dem vollständigen Zusammensetzen des Drehkos funktionierte dieser wieder einwandfrei!

Es bleibt nun nur noch aus, die Rotorpakete noch einmal mit einem Kapazitätsmessgerät gegeneinander abzugleichen, da ich nicht ausschließen kann, dass sich die ein oder andere äußere Lamelle verbogen hat.

Viel Erfolg beim Drehko-Restaurieren wünscht

Markus Nüdling, Juli 2004

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Sehr informativ 
18.Jul.04 09:54

Hans Kamann (D)
Beiträge: 438
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Hans Kamann

Sehr anschaulich erläutert, die Idee mit dem Video ist toll - ein Bild sagt mehr als tausend Worte !

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welches Material? 
18.Jul.04 11:40

Georg Schön (D)
Beiträge: 268
Anzahl Danke: 10

Hallo Hr. Nüdling,
in der Legende zu der Abbildung 2 schreiben Sie :

"Die äußeren Lamellen aus Aluminium werden beim Ätzen nicht so stark angegriffen."

Gehen Sie davon aus, daß die die inneren Platten nicht aus Al bestehen?

Noch ein Sicherheitshinweis:

Heiße NaOH ist übel gefährlich! Die Zeit, bis sich ein Spritzer/Tropfen durch
die Hornhaut (Auch des Auges!) gefressen hat, sind nur Zehntelsekunden!
Deswegen darf der Hinweis auf eine Schutzbrille, besser Gesichtsschutzschirm
nicht fehlen.
Aber auch kalte Lauge ist aus demselben Grund wesentlich agressiver
als z. B. Schwefelsäure.

Grüße,
Georg Schön

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20.Jul.04 23:01

Markus Nüdling (D)
Beiträge: 8
Anzahl Danke: 9

Sie haben Recht Herr Schön, ich gehe davon aus, dass bei meinem Drehko die inneren Platten aus einem anderem Material beschaffen sind, als die äußeren Aluminiumplatten. Sie haben sich wohl auch deswegen schwarz verfärbt.
Ich schrieb "Schutzkleidung tragen!", und meinte damit selbstverständlich auch eine Schutzbrille, säurefeste Handschuhe und alte Kleidung. Selbstverständlich sollte der Ätzvorgang im Freien erfolgen, da eine starke Gasentwicklung einsetzt.
Grüße,
Markus Nüdling

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21.Jul.04 09:39

Georg Schön (D)
Beiträge: 268
Anzahl Danke: 12

Hallo Hr. Nüdling,
die inneren Bleche dürften aus Duraluminium
bestehen, die äußeren aus Reinaluminium.
Das ist konstruktiv logisch, da die inneren Bleche
möglichst biegeresistent sein sollen, während die
äußeren Bleche beim justieren nicht abbrechen
dürfen.
Es harmoniert auch mit Ihren Beobachtungen bezügl.  Abtragsgeschwindigkeit bzw.  Verfärbung.
Auf den Bildern kann ich keine Teile aus Zink erkennen.
Handelt es sich um die Verbindung der Bleche mit der Achse?
Gruß
Georg Schön

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 6
 
27.Jul.04 23:32

Markus Nüdling (D)
Beiträge: 8
Anzahl Danke: 10

Herr Schön,
danke für Ihren Beitrag. Wie Sie selber richtig sagen, handelt es sich bei den Zink Teilen um die Verbindung der Lamellen mit der Achse. Da diese Zinkteile "wachsen" gibt es den Plattenschluss.



Herr Siegmund, Unterföhring hat mir am 22.7.2004 geschrieben und kann den Beitrag nicht einstellen (keine Rechte?):

Hallo Herr Nüdling,
> >
...
> >
> >Ich würde die Lamellen nicht mit einem Kapazitätsmessgerät justieren!
> >Die Lamellen stellen , zusammen mit dem Verkürzungkondensator,
> >den nötigen unterschiedlichen Kapazitätsgang zwischen
> >Eingangs- und Oszillatorkreis sicher und müssen, wenn schon, im Gerät
> >abgeglichen werden.
> >
> >Beste Grüße
> >Wolfgang Siegmund

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