stassfurt: 5 (5W); Imperial; Bandfilter

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stassfurt: 5 (5W); Imperial; Bandfilter 
08.Oct.14 22:29
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Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
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Dietmar Rudolph † 6.1.22

Alte Radios sind ungemein "erfinderisch", wenn es darum geht, Fehler zu entwickeln. Gerade fertig restauriert und gespielt, macht es keinen Muks mehr, nachdem es in der Stube aufgestellt wurde. Nichts zu erkennen, einfach nur still. (Transport-Schaden ??!)

Also noch einmal von vorne? Überprüfen des Wellenschalters (weil die Kontakte noch nicht ganz "frei" sind) brachte keine Lösung. Der Mischer schwingt im ganzen Frequenzbereich. Alle Röhren haben Anodenspannung. Was also ist defekt?

Nun fiel auf, daß die ZF Röhre RENS1264 eine niedrigere Anodenspannung hat als es die Versorgungsspannung +UB ist. Wie kann das sein, wo die doch über die Primärspule des 2. Bandfilters an +UB liegt?

Also Widerstandsmessung der Spulen der beiden Bandfilter. Das erste Bandfilter hat ca. 32 Ω primär und sekundär. Das zweite Bandfilter hat primär > 20 MΩ, aber sekundär ebenfalls ca. 32 Ω.

Oh je, ausgerechnet ein Fehler in einem der Bandfilter. Diese sind ja ein Patent von Staßfurt. Fest abgeglichen und keine weitere Abgleichmöglichkeit, daher auch keine Einstellmöglichkeit - und vor allem ist kein Öffnen des Filtertopfes vorgesehen. Bleibt jetzt nur noch, das Gerät auszuschlachten?

Also, Filtertopf ausbauen und unten aufbördeln - und rein schauen, ob sich noch etwas reparieren läßt. Das muß mit aller Vorsicht erfolgen, damit innen nichts beschädigt oder abgerissen wird.

Hier sieht man das zerlegte Bandfilter, wobei der Zuführungsdraht zur Anode der RENS1264 bereits abgelötet ist. Er war an dem vorderen Pin mit dem Lötzinn-Batzen. Die Primärspule ist oben, die Sekundärspule unten.

In seiner Rede vor Händlern bzw. der Presse (15.8. bzw. 16.8.1932) führte Herr Ing. Schulte von der Fa. Staßfurt folgendes zu den Bandfiltern aus (Quelle: Conrad H. von Sengbusch: Stassfurt Imperial, Eine Chronik in Wort und Bild, Schriftenreihe zur Funkgeschichte, Bd. 2, GFGF, Verlag R.Walz, 1990):

"Schon im nächsten Baujahr (Mikrohet W) konnten wir einen Zwischenfrequenztransformator vorlegen, der in seiner Ausführung in den Fachkreisen allergrößtes Aufsehen erregte. Der gesamte Transformator bestand lediglich aus einem Paraffin-Klumpen, in dem die verschiedenen Wicklungen eingebettet waren. Es gelang uns schon damals, derartige Spulen mit einer Präzision herzustellen, die auch heute noch kaum zu übertreffen ist. Die Spule selbst einschließlich Kondensator wird im heißen Zustand gewickelt und gemessen und gibt nach Erkalten des Paraffins die absolute Gewähr für ihre Stabilität. Dieses durch D.R.P. geschützte Herstellungsverfahren wurde weiter vervollkommnet, so daß der Erzeugung dieser Spule in großem Umfang nichts mehr im Wege stand. Wir können mit Recht behaupten, daß wir die stabilsten und genauesten Zwischenfrequenztransformatoren besitzen. Der Aufbau der Zwischenfrequenztransformatoren bei dem Imperial jun. und Imperial 6, sowie auch bei dem Imperial 5 ist so vorgenommen, daß der ganze Transformator vollständig geschirmt und äußeren elektrischen Einflüssen entzogen wird. Es kann also an diesem Transformator nichts verstellt werden. Er wird in das Gerät eingesetzt und stimmt. Die exakte und stabile Ausführung dieser Zwischenfrequenzspulen schafft die besten und alleinigen Vorbedingungen für das genaue Einhalten der Bandfilterkurven. Auch die Ausführung der übrigen Spulen wird mit der gleichen Präzision vorgenommen, so daß die höchstmöglichen Abweichungen in den einzelnen Schwingungskreisen 0,1 bis 0,2 % betragen."

Die beiden "Paraffin-Klumpen" lassen die Spulen noch halbwegs erahnen, auch wenn die genaue Leitungsführung zu den Pins nur schwer erkennbar ist.

Hier noch ein weiteres Bild. Man erkennt daß an der oberen Spule ganz oben 2 Drahtenden "heraushängen". Etwas entsprechendes findet sich allerdings auch bei der unteren Spule - und die hat ja "Durchgang" mit ca. 32 Ω, ist also i.O. Demzufolge müssen die Drahtenden wohl etwas mit dem in Schultes Rede erwähnten Kondensator zu tun haben.

Ein Blick von oben auf den Wickel zeigt, daß die Sulen keine Kerne haben, sondern daß es sich um "Luftspulen" handelt.

Es sind 2 (dünne) Drähte am oberen Rand (kaum) erkennbar, die innerhalb des Spulenkörpers nach unten geführt sind. Werden die etwas abisoliert, läßt sich dazwischen ebenfalls ca. 32 Ω messen. Nun kommt Hoffnung auf! Und tatsächlich kommt noch ein ca 2 mm langer Drahtstummel auch unten heraus, in der Nut oberhalb des Lötbatzens im 1. Bild.

Mit etwas Geduld konnte hier ein frischer Draht (der rechte im 1. Bild) angelötet werden.

Das Fehlerszenario stellt sich demnach wie folgt dar. Der in Bild 1 deutlich zu sehende Isolierschlauch (für die Anodenleitung der RENS1264) ist im Laufe der Jahre hart geworden. Da er im Schirmbecher bis herunter zu dem Pin geführt ist, wurde das dünne Drähtchen abgerissen, als der Isolierschlauch beim Entnehmen und Wiedereinsetzen der Röhre ungeschickt bewegt wurde.

MfG DR


Einen Vergleich der Technik der kondensatorlosen Bandfilter von Imperial 5W/WL und Mikrohet findet man hier.

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Patent: Kondensatorlose Bandfilter 
28.Aug.18 12:58
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Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
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Dietmar Rudolph † 6.1.22

Herr Gauert hat die DRP Patentschrift "551313", Klasse 21a4, Gruppe 69 in der Datenbank DEPATISnet gefunden und  mir geschickt. Vielen Dank!

Bei Patenten ist es meist so: "Man muß erst einmal darauf kommen" - dann ist ist es eigentlich recht einfach zu verstehen - und das Fabrikations-Geheimnis ist gelüftet.

Der Patentschrift sind 2 Abbildungen beigegeben.

Zunächst soll Fig. 1 besprochen werden.

Der "Kondensatorlose" ZF-Schwingkreis (ZF-Frequenz 128 kHz) besteht aus 2 Teilen:

  1. (eindrähtige) Wicklung, die die Induktivität L des Schwingkreises bildet.
    Diese kann, wie in Fig. 1 gezeichnet, unterhalb, aber auch oberhalb bzw. neben dem 2. Teil angeordnet sein.
    (Eine genaue Betrachtung der Bilder in Post #1 zeigt, daß bei den Bandfiltern der "Imperial" Typen die beiden Wickel neben einander angeordnet sind.)
  2. (zweidrähtige) Wicklung, die die Kapazität C des Schwingkreises bildet.

Fig. 1 zeigt links eine mögliche Anordnung der beiden Wickelkörper des Schwingkreises. Rechts ist das zugehörige Schaltbild dargestellt.

Aufgrund der Anordnung ist es möglich,

  • am Ende "N" die Induktivität (durch Abwickeln) abzugleichen und
  • am Ende "M" die Kapzität (durch Kürzen beider Drähte) abzugleichen.

Wegen der bifilaren Ausführung der "Kapazitäts-Wicklungen" tragen diese nichts mehr zur Induktivität des Schwingkreises bei.

Nun zu Figur 2

Drähte für HF-Anwendungen (HF-Spulen für LW , MW & ZF) sind meist Seiden-umsponnen, ggf. auch Baumwolle-umsponnen.  Man findet (bei älteren Spulen) hier kaum Lackdrähte - außer bei Litzen. Alle diese Isolierungen haben unzulässig hohe dielektrische Verluste.
Die Verluste wirken sich insbesondere bei der zweidrähtigen Wicklung für die Schwingkreis-Kapazität aus.

Die Wicklungen der Staßfurt Bandfilter sind mit dünnen Einzeldrähten ausgeführt. Die großen dielektrischen Verluste von Seidenumspinnung (bzw. Baumwollumspinnung oder Lack) wurden dadurch umgangen, daß der Spulendraht "wurmartig" mit einem Seidenfaden umschlungen wird, Fig. 2. Die Zwischenräume werden durch die verlustarme Vergußmasse aufgefüllt, so daß der Verlustwinkel trotzdem gering bleibt. So ließ sich ein "aus Drähten gewickeltes" Schwingkreis-C hoher Güte realisieren.

Staßfurt hat "Spulen-Vergußmassen" gefunden, deren Verlustwinkel tanδ um den Faktor 1000 geringer ist als bei Seide und um den Faktor 3750 geringer als bei Baumwoll-Umspinnung. (Damalige Lacke waren offenbar noch schlechter.)

MfG DR

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