Tonrad - was ist das?

ID: 96056
Tonrad - was ist das? 
19.Feb.06 23:24
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Wolfgang Eckardt (D)
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Wolfgang Eckardt

 Was ist das, ein Tonrad?

Sucht man nach diesem Begriff, so findet man verschiedene Anwendungen, denen aber allen gemeinsam ein rotierendes Eisenrad mit vielen Zähnen bzw. Einfräsungen  ist, das sich im Bereich eines Magneten bzw. einer Spule befindet.

In "Radios von gestern" S.336 wird es Goldschmidt zugeschrieben, der es nutzte für die Hörbarmachung ungedämpfter Schwingungen (Empfangsmodulation) bei den Anfängen der Funktelegrafie.

La Cour, ein dänischer Physiker, erfand 1878 eine Möglichkeit, mit einem solchen "La Courschem Rad" die Drehzahl des Rades von der Frequenz zu beeinflussen, also eine Art Synchronmotor. (Lexikon der Funktechnik, 1945)

Dieser synchrone Lauf zwischen Frequenz und "Tonrad" wurde später auch für den Lauf der Nipkow-Scheibe und des Spiegelrades aus der Anfangszeit des Fernsehens genutzt.
In der Hammond-Orgel werden auch "Tonräder" eingesetzt.

All das meine ich nicht. Aus der Frühzeit des Rundfunks - und dem entsprechend auch aus der Reparaturtätigkeit - gab es das Tonrad als Hilfsmittel zur Erzeugung eines niederfrequenten Signals. Oder anders gesagt - ein einfacher Tonfrequenz-Generator ohne Stromversorgung, ohne Röhren etc. für die Werkstatt.

Ich habe auch einmal in einem Buch aus der 30er Jahren etwas dazu gelesen, wo oft noch mit einfachen Hilfsmitteln die Prüfung von Empfängern vorgeschlagen wird.
(Leider habe ich versäumt, diese Quelle zu notieren - eine sich jetzt oft rächende "Sünde" aus der Anfangszeit meines Hobbys!!)

Nun habe ich ein solches Exemplar in die Hände bekommen. Genau so war es in dem Buch abgebildet und wurde empfohlen für die einfache NF-Überprüfung von Verstärkern bzw. dem NF-Teil eines Radios.

Man bringt dieses Eisenrad (100 mm Durchmesser, 20 mm stark) mit der Hand in Schwung und für einige Sekunden hört man einen Ton aus dem Lautsprecher - vorausgesetzt der NF-Signalweg ist i.O.

Also ging es ans Ausprobieren und Messtechnik angeschlossen:
Reichlich 120 mV und eine Frequenz um 450 Hz waren das Ergebnis, allerdings nach einigen Sekunden nahm beides rasch gegen Null ab. Aber eine grobe Prüfung eines NF-Teiles wäre möglich. Ein Kopfhörer und ein Freischwinger brachten ein deutliches Signal.

Man bedenke, mit welch einfachen Hilfsmitteln unsere "Radioten -Vorfahren" die Empfangstechnik wieder in Gang setzten. Heute ist es ein NF-Generator mit Sinus-, Rechteck- etc. - Signal und Fehlerquoten von weniger als 1%.

Abschließend muss ich allerdings noch erwähnen, dass das abgebildete Modell nichts anderes ist als ein Synchronmotor für 220 V Wechselspannung, der von Hand angeworfen wird und mit der Netzfrequenz 50 Hz synchron läuft. Er trieb mit dem Gummirad einen 6-teiligen Drehspiegel an, in dem z.B. die wechselnden Glimmentladungen in einer Stab-Glimmlampe als Kurvenform des Wechselstroms sichtbar wurden - also eine Art Oszilloskop.
Mörz ist der Produzent des Motors, Phylatex der Produzent des gesamten Lehrmittels.

Wer kennt so eine Apparatur aus der eigenen Praxis, eventuell sogar aus der Werkstatt als Prüf-Hilfsmittel?

Wolfgang Eckardt



 

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frequenzgenaue Tonerzeugung  
20.Feb.06 11:03

Wolfgang Holtmann (NL)
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Wolfgang Holtmann

Hallo Herr Eckardt

Aus eigener Erfahrung kann ich von einem Messgerät berichten, welches zum Einregeln von Flugnavigationsgeräten diente. Es ist schon etwa 36 Jahre her, da gebrauchten wir einen "ILS-Modulator" der Fa. Boonton, USA. 
ILS = Instrument Landing System. Wird auch heute noch standard bei Landeanflügen bei schlechter Sicht benutzt. Mehr dazu hier:
http://en.wikipedia.org/wiki/Instrument_Landing_System

Mit Hilfe von Tonrädern -angetrieben von einem Synchronmotor- wurden 90 Hz und 150 Hz frequenz- und amplitudenstabil erzeugt. Es wurde davon ausgegangen, dass die Netzfrequenz (= Referenz) eine ausreichende Lang- und Kurzzeitstabilität hat.
In den 50er Jahren (geschätzter Entwicklungszeitpunkt) hatte man keine besseren Möglichkeiten, sowas robust und kostengünstig herzustellen.
 
MfG

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Literatur zu Tonrad 
22.Apr.06 16:56

Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
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Dietmar Rudolph † 6.1.22

Im "Handbuch der Funk-Technik und ihrer Grenzgebiete", Bd 3, Frankh'sche Verlagshandlung Stuttgart, 1936 ist auf S. 284 im Bild 497 ein "Tonrad zur Prüfung des NF-Teils eines Empfängers" abgebildet.
Es hat genau das Aussehen wie das Exemplar von Herrn Eckardt mit dem Unterschied, daß das Rad mit einer kleinen Kurbel gedreht werden kann.

Der Text dazu lautet:
Ein ebenso einfaches wie praktisches Prüfgerät, das jedoch nur in NF.-Kreisen verwendet werden kann, ist ein als Generator benutzter Synchronmotor (Tonrad). Mit Kurbel von Hand oder auch durch einen kleinen Motor angetrieben, gibt das Gerät hinter einem Spannungsteiler oder NF-Transformator unmittelbar die verwendbare niederfrequente Spannungen (Abb. 497).

Mit freundlichen Grüßen

Dietmar Rudolph

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Quellenangaben 
22.Apr.06 17:28

Wolfgang Eckardt (D)
Ratsmitglied
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Wolfgang Eckardt

Lieber Herr Rudolph,

vielen Dank für die Quellenangabe. Als ich den Beitrag 1 schrieb, wusste ich, dass ich "irgend wo......" ein Bild mit Text davon gesehen hatte. Aber wie das so ist, man macht sich zur Quelle nicht immer gleich Notizen - "Das merke ich mir ja schon, wo es steht.....")
Nun habe ich diese Angabe wieder.

Ich finde übrigens, dass die 22 Seiten des Beitrages "Die Reparatur von Rundfunk-Empfängern" in besagtem Buch recht interessant für uns "Radioten" sind.

Mit besten Hobbygrüßen
Wolfgang Eckardt 

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Tonrad - haben wir das nicht alle schonmal gehört ? 
22.Apr.06 17:24

Michael Krämer (D)
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Michael Krämer

Hallo Sammlerkollegen,

bei uns im Radio und Telefonmuseum in Rheda - Wiedenbrück haben wir ein Gerät liegen, das sieht aus wie ein Motor. 
Ein Telekom-Mitarbeiter sagte mir dazu:

"Das ist der Tongenerator für die alte analoge Vermittlung, der machte einmal den Grundton und über Schalter dann auch den Ruf bzw. Besetztton. Auf meine Frage hin wie denn der Grundton hergestellt wird meinte er, da sei ein Stahlrad drin mit Einfräsungen, und durch die Umdrehung wird der Ton erzeugt, Tonrad nennt man sowas."

Also Fazit: Haben wir früher alle gehört, ein Tonrad. Nur wussten wir es wohl nicht....Interessant.


Gruss,M.Kraemer

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Ruf- und Signalmaschine 
22.Apr.06 18:07

Karl-Heinz Kornath (D)
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Hallo Herr Krämer,

ich hatte diverse Jahre in der Fernmeldetechnik meine Brötchen verdient. Die richtige Bezeichnung des von ihnen genannten Teiles ist:

Ruf- und Signalmaschine ( so die Bezeichnung in den Unterlagen )

Angetrieben wurde die Maschine wie ein normaler Motor mit 60 bzw. 24 Volt und in der Drehzahl geregelt. Über zusätzliche Wicklungen wurden die Signale ( NF-Signale ) über Schleifer zur Verfügung gestellt. Das Timing ( Freizeichen, Besetztzeichen ) wurden mechanisch mit Nocken und Kontakten auf der Maschine erzeugt. Die Rufwechselspannung erfolgte durch eine getennte Wicklung, in der Regel mit 50Hz bzw. 25Hz.
Bei Durchwahlanlagen wurden zusätzliche Signale zur Kommunikation mit der Gegenstelle bereitgestellt.
Das Ganze ist also wesentlich komplexer gewesen.

Die Verwandschaft zum Tonrad liegt sehr nahe. Ich kannte diese Bezeichnung vorher auch nicht. Aus den Beiträgen ersehe ich aber, dass das Tonrad nur ein Frequenzgenerator ( in der Regel NF-Generator ) ist.

Karl-Heinz Kornath

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Tonrad 
23.Apr.06 08:54

Michael Krämer (D)
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Michael Krämer

Hallo Herr Kornath,

natürlich ist diese Ruf und Signalmaschine wesentlich komplizierter als ein reines Tonrad.
Was ich eigentlich sagen wollte ist, daß in dieser Maschine ein "Tonrad" (Stahlscheibe mit Einfräsungen) den eigentlichen Ton erzeugt, so hat es mein Kollege beschrieben.

Gruss, M.Kraemer

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23.Apr.06 11:08

Daniel Consales (D)
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Daniel Consales

Herr Kornrath hat vermutlich die "moderneren" RSM (RSM55?) im Gedächtnis - es gab davor aber auch RSMs, vor allem für mittlere und grosse Nebenstellenanlagen, die mit einem echten "Tonrad" arbeiteten. Man muss also immer erst klären, über _welche_ RSM man redet.

(Info eines Fernmeldetechnikers, der 22 Jahre in der Vermittlungstechnik gearbeitet hat)

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23.Apr.06 11:32

Daniel Consales (D)
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Daniel Consales

Aus "Handbuch der Fernmeldetechnik, Band C6 (Wählvermittlungstechnik):



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Tonrad 
23.Apr.06 16:46

Michael Krämer (D)
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Michael Krämer

Hallo,

danke für die Aufklärung. Ich wusste nicht daß es verschiedene Versionen dieser Maschine gab bzw. gibt.

Gruss,M.Kraemer

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Tonrad in der RSM 
23.Apr.06 18:27

Karl-Heinz Kornath (D)
Redakteur
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Hallo Herr Krämer, Hallo Herr Consales,

aus den ersten Ausführungen von Herr Krämer war nicht sofort ersichtlich, dass er ein Teil einer RSM beschrieb. Daher meine Ausführungen zur RSM.
Die RSM`s, Herr Consales, mit denen ich Kontakt hatte, waren größer als die auf Ihrem Scan abgebildete.
Schön finde ich es hier im RM das derartige Probleme schnell gelöst werden. Vielen Dank noch einmal für Ihre Ausführungen Herr Consales.

Karl-Heinz Kornath

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 12
 
23.Apr.06 18:57

Daniel Consales (D)
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Daniel Consales

Abgesehen von den Hörtönen der RSM glaube ich auch, dass die meisten den Klang von Tonrädern kennen - die alten Hammond-Orgeln beruhten auf diesem Generatortyp ;-)

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Tonfrequenzmaschine 
24.Apr.06 21:56

Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
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Dietmar Rudolph † 6.1.22

In Fritz Vilbig: Hochfrequenzmeßtechnik, Carl Hanser 1953,  S. 3 ist unter dem Titel "Tonfrequenzmaschine" eine Anordnung beschrieben (mit Prinzipschaltbild), das dem Tonrad entspricht. Gleichzeitig wird auch auf die Verwendung "in großem Maße" bei der Hammond-Orgel hingewiesen. S. Anlage (53KB)



Anlagen:

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Tonrad bei Hammond 
25.Apr.06 13:00

Berthold Grenz (D)
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Berthold Grenz

Oh, eine Schnittstelle zwischen Musikelektronik und Radiotechnik. Welch Freude meinerseits.
In der Anlage habe ich einen Print aus dem Internet abgelegt, der an dieser Stelle sicher interessant ist.

MfG B. Grenz Anlagen:

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Tonräder Anwendung in 2006 
25.Apr.06 21:40

Christian ADAM (F)
Redakteur
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Christian ADAM

Guten Abend Rmorg,

Tonräder gibt es Heute noch häufig, in dem LKW Bereich. Das ABS Signal wird von einem Tonrad das sich vor der Spule (mit Magnet ausgerüstet) bewegt, erzeugt. So zu sagen 100% der neuen LKW haben das. Man nennt das ein passiven ABS Sensor. Im PKW Bereich ist man schon lange auf activen Sensoren eingeschaltet: gibt mehr info (Nullgeschwindichkeit, Drehrichtung und sogar Temperatur) mit digitalem Ausgang und ... ist sogar billiger!

Aber das hat nichts mit alte radios zu tun :-)

Grüsse aus Colmar, Frankreich,

Christian ADAM

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