Vergleichende pyrometrische Messung von Effektivwerten

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Vergleichende pyrometrische Messung von Effektivwerten 
01.Apr.13 18:11
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Kurt Schmid (D)
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Kurt Schmid

 

Vergleichende pyrometrische Messung von Effektivwerten.
Am Beispiel der Bestimmung der effektiven PWM-Heizspannung
des Röhrenkurvenschreibers µ-Tracer v.3
 
Die Messung des Effektivwerts von Signalen komplexer Signalformen ist keine triviale Angelegenheit1. Kürzlich wurde diese Problematik im Zusammenhang mit der Heizspannungsversorgung des Röhrenkurvenschreibers µTracer2 von Ronald Dekker3 evident.
 
In diesem Gerät wird die für eine bestimmte Röhre benötigte effektive Heizspannung durch Pulsweitenmodulation (PWM) aus einer 20 V Gleichspannung gewonnen. Es hat sich nun gezeigt, dass bei niedrigen Spannungen und relativ hohen Strömen der erzeugte Effektivwert offensichtlich deutlich niedriger ist, als der eingestellte und rechnerisch von einem PWM-Rechtecksignal zu erwartende Wert. Die qualitative Analyse des Oszillogramms  des PWM-Signals zeigte stark deformierte Signalformen3. Dafür sind induktive Effekte von Leitungen und die gegen Schwingneigung der Prüfröhren in jede Elektrodenzuführung eingebaute Ferritperlen verantwortlich.    
 
Zur Messung der Effektivwerte wurde ein Agilent 34401A und ein U803 benutzt. Letzteres hat einen Modus für ‘AC+DC True RMS‘ und wird in [1] besonders positiv bewertet. Leider ergaben sich sowohl mit dem 34401A als auch mit dem U803 keine reproduzierbaren Ergebnisse. Mögliche Ursache könnte die relativ hohe Signalfrequenz von 19,5 kHz sein. Damit war der erste Versuch einer quantitativen Erfassung des Effektivwerts der Heizspannung gescheitert.
 
Es wurde nun eine indirekte Methode zur Bestimmung des Effektivwerts der PWM-Heizspannung benutzt. In einem Glühfaden (Röhre oder Lampe) wird die zugeführte elektrische Leistung (Watt) in eine thermische Leistung (Temperatur) konvertiert. Durch Messung der Temperatur kann somit auf die zugrundliegende effektive elektrische Leistung rückgeschlossen werden. Die zu messende Oberflächentemperatur eines glühenden Körpers (geheizte Röhre, Glühbirne) kann berührungslos mit einem sogenannten Pyrometer ermittelt werden. Dafür eignen sich handelsübliche Infrarot-Thermometer.
 
Zur Vermeidung vielfältiger Probleme bei der Bestimmung der absoluten thermischen Leistung werden jeweils paarweise pyrometrische Messungen durchgeführt, wobei bei einer der Messungen der Effektivwert bekannt ist. Die Ergebnisse beider Messungen werden dann miteinander verglichen und daraus die Abweichung des unbekannten Effektivwerts vom bekannten Effektivwert bestimmt.  
 
Messaufbau und Messprotokoll
 
Als elektro-thermischer Wandler wurde nun keine Röhre, sondern eine von ihren elektrischen Daten vergleichbare Glühbirne benutzt. Gewählt wurde eine #81 Lampe (6,5V, 1,02A). Die Daten entsprechen z.B. der direkt geheizte Kleinleistungstriode 6A3 / 6BG4 (Uf = 6,3V, If = 1A).
 
 
Abbildung 1 Messaufbau
 
Eine Hemisphäre der Glühbirne (Durchmesser Lampenbulbus = 19mm) war zur besseren optischen Strahlungsankopplung an das Pyrometer mit einem mattschwarzen Lack beschichtet und im Abstand von ca. 130mm vor das Infrarot-Thermometer (Voltcraft IR 900-30S mit Linse 30:1) in x-y Richtung justierbar montiert. Ein in das IR-Thermometer eingebauter Ziellaser erleichtert die genaue Positionierung der Lampe im Strahlengang.
 
In der ersten von zwei Messreihen erfolgte die Spannungsversorgung der Lampe durch ein regelbares Labor-Gleichspannungsnetzgerät (0-30V, 0-5A). Mit schrittweiser Erhöhung der Versorgungsspannung um jeweils 0,5 Volt wurden, beginnend mit 1,0 Volt, bis 6,5 Volt  Temperaturmessungen durchgeführt. Bei jedem dieser Schritte wurde abgewartet, bis die am IR-Thermometer angezeigte Temperatur einen konstanten Wert erreichte hatte. In der zweiten Messreihe erfolgte die Spannungsversorgung der Lampe durch den PWM- geregelten Heizspannungsausgang des µTracer. Bei sonst unverändertem Messaufbau und Messprotokoll wurde die Sollwertspannung über das ‚Graphical User Interface‘ (GUI) des µTracer ebenfalls schrittweise um jeweils 0,5 Volt erhöht und die zugehörigen Temperaturen protokolliert.
 
Messergebnisse
 
 
Abbildung 2 Lampentemperaturen in Abhängigkeit von der Versorgungsspannung
 
Die schwarz gefüllten Kreise zeigen das Ergebnis der Temperaturmessung bei Versorgung der Lampe durch das Gleichspannungsnetzteil (Messreihe 1). Die rote Kurve zeigt, rein informativ, den zugehörigen Verlauf des Lampenstroms. Die ungefüllten Kreise sind das Ergebnis aus der zweiten Messreihe wobei die Spannungsversorgung der Lampe durch den µTracer (Sollwerteinstellung) erfolgte. Während zwischen 5,0 Volt und 6,5 Volt die Messergebnisse beider Messreihen nahezu identisch sind, differieren die Messergebnisse in Richtung niedriger Spannungen zunehmend. 
 
So stellt sich beispielsweise bei einer Versorgungsspannung von 2,5 Volt bei Gleichspannungsspeisung eine Temperatur von ca. 67 °C,  bei Speisung mit dem µTracer bei der gleichen Spannungseinstellung aber nur von ca. 37 °C ein. Zur Berechnung der Abweichung zwischen dem effektiven Istwert und dem am µTracer eingestellten Sollwert der Versorgungsspannung muss man die Gleichspannung (Istwert) mit der eingestellten PWM-Spannung (Sollwert) auf gleichem Temperaturniveau (=Isotherme) vergleichen. Die horizontale grüne Linie (auf der 54 °C Isotherme) zeigt dies exemplarisch. Hier ist der Istwert um gerade 1,0 Volt kleiner als der Sollwert.
 
In Abbildung 3 ist nach obiger Berechnung die absolute und relative Abweichung vom am µTracer eingestellten Sollwert vom Istwert als Kurve dargestellt.
 
 
Abbildung 3 Heizspannungsabweichungen beim µTracer v.3
 
Deutlich ist die ab ca. 5,0 Volt beginnende Abweichung von der am µTracer eingestellten Sollwert der Heizspannung vom Effektivwert erkennbar.
 
 

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