Zur Geschichte der MW Frequenz 810kHz

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Zur Geschichte der MW Frequenz 810kHz 
18.Aug.14 17:15
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Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
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Dietmar Rudolph † 6.1.22

Die MW Frequenz ist in D für Berlin koordiniert. Bis 1988 wurde sie vom BBC World Service verwendet. Der Sender stand in der Nähe des Olympiastadions.

Nach der Wende übernahm der Deutschlandfunk mit dem Programm DLF die Frequenz. Zuvor war der DLF aufgrund des Berlin Status nur über AM Sender aus dem alten Bundesgebiet zu empfangen (z.B. 756 kHz Cremlingen, 153 KHz Donebach). Der Sender 810kHz ergab damals einen Qualitätssprung für den Empfang des DLF Programms, besonders in den Abend- und Nachtstunden.
Als Deutschlandradio für das Programm DLF schließlich die UKW Frequenz 99,7MHz (ex. DDR 2) übernehmen konnte, wurde 1993 die MW Frequenz 810 kHz wieder frei und der Sender samt Mast abgebaut.

Ab 1995 wurde bei der Deutschen Telekom ein digitales System (Einträger-Verfahren) entwickelt. Dies hatte als Zielstellung:

  1. Verbesserung der Übertragungsqualität im AM-Bereich (LW, MW & KW)
  2. Erhaltung der Sender-Infrastruktur (AM Sender), die nach der Wende in das Eigentum der Dt. Telekom übergegangen waren.

Zum Testen dieses digitalen Systems (T2M: Telekom-Telefunken-Multicast) erhielt die Telekom 1997 eine Versuchslizenz für die Mittelwelle 810kHz.

Als Sender wurde ein (damals ganz neuer) TRAM-Modul von Telefunken verwendet. Das Bild zeigt die spätere Ausführung solcher Module. (von oben nach unten: MW, LW, kommerzielle LW)

Diese Module sind für AM Modulation vorgesehen.
Ganz links ist die Siebung der Versorgungsspannung (270V). Dann folgt eine PDM Stufe (Puls-Dauer-Modulation) mit 2 Kühlkörpern. Diese stellt (ganz entsprechend zu einem Schaltnetzteil) eine stabilisierte Versorgungsspannung bereit. Aber, anders als bei einem gewöhnlichen Schaltnetzteil, erhält die PDM Stufe zusätzlich noch das NF Modulations-Signal. Damit steht hinter dem Tiefpaß-Filter (bestehend aus den beiden Drosseln und Kondensatoren in Bildmitte) eine Versorgungsspannung mit überlagerter NF Spannung zur Verfügung. Diese speist eine FET Brücke (rechts mit 4 Kühlkörpern). Die Ansteuerung der FETs dieser Brücke erfolgt mit dem HF-Träger über die gut erkennbaren Ringkern-Trafos (zwischen den Kühlkörpern). Die mit der Trägerfrequenz "zerhackten" (genauer: umgepolten) Versorgungs- und NF-Spannung, welche die AM modulierte Schwingung darstellt, wird über Kondensatoren und eine Steckerleiste ausgekoppelt und auf einen (großen) Ringkern gegeben. Anschließend wird noch in einem Tiefpaß gefiltert, damit die Schaltflanken gegelättet werden und so eine sinusförmige Hochfrequenzschwingung entsteht. 

Die Schaltung eines TRAM-Moduls:

Während bei dem digitalen Versuchssender nur 1 Modul verwendet wurde, werden für AM-Sender pro 1KW Trägerleistung je 1 Modul über die Ringkerne (in Serie) zusammengeschaltet.

Zur Siebung der Schaltflanken sind Tiefpaß-Filter nachgeschaltet, wie an diesem Beispiel gezeigt.

Digitale Modulation erfordert eine kombinierte Amplituden-Phasen-Modulation. Die damals erprobte Modulation war "Amplitude-Phase-Shift-Keying" (APSK), die im Vektordiagramm (Phasenstern) so ausah wie im nächsten Bild. Die hellen Punkte stellen die Informationspunkte (Daten) dar, während die dünnen Linien die zwischenzeitlichen Übergänge sind.

Da der TRAM-Modul (wie jeder AM-Sender) nur amplitudenmoduliert werden kann, ist eine digitale Vorverarbeitung des Signals erforderlich.  Hierzu muß das Modulationssignal, das wie im Bild zu sehen ist, eine X- und eine Y-Richtung hat (kartesisch), in ein Amplituden- und ein Phasen-Signal gewandelt werden (polar). Hierfür war eine "Vorverarbeitung" der Daten in einem Digitalen Modulator erforderlich.

Die Daten werden in der "Digital Signal Processing" Einheit zu Symbolen zusammengefaßt, wobei jeweils 5 Bits ein Symbol bilden. (25 = 32) Der Datenstrom dieser Symbole stellt eine Zeitfunktion dar, deren Hüllkurve (Envelope) und deren Phase sich entsprechend der Daten ändern. Diese Zeitfunktion wird nach ihrer Hüllkurve (A-Signal) und ihrer Phase (P-Signal) aufgespalten (Umwandlung von kartesisch nach polar). Das A-Signal geht auf den NF-Signal-Eingang des TRAM-Moduls, während das P-Signal mit Hilfe eines Phasen-Modulators (Φ) das Träger-Signal (RF) in seiner Phase moduliert.

Der im Blockschaltbild dargestellte Referenz-Demodulator dient der Kontrolle und stellt Teil einer Rückkopplungs-Schleife dar, mit deren Hilfe nichtlineare Verzerrungen im AM-Sender minimiert werden können, was insbesondere Außerband-Strahlung betrifft.

Der damalige digitale TRAM-Sender hatte ca. 400W Antennenleistung. Das Berliner Versorgungsgebiet war etwa entsprechend zur gezeigten Skizze.

Der Sendemast 2 in Köpenick, der zwischenzeitlich gesprengt wurde, war imposant.

Die Reusen-Leitung links im Bild gehörte zu dem früheren AM-Sender Köpenick. Der Digitale Sender war direkt im Abstimmhäuschen unterhalb des Mastfußes untergebracht.

Der Testversuch dauerte etwa 1 1/2 Jahre.

Mittlerweile wird die Frequenz 810 kHz als "Welle 370m" von den Funkamateuren der Clubstation DLØKWH und vom Förderverein "SenderKW e.V." ehrenamtlich als eigener Rundfunksender betrieben.

MfG DR

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DLF AM-Frequenzen ca. 1990 
24.Aug.14 13:34
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Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
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Dietmar Rudolph † 6.1.22

Auf der Rückseite einer Parkscheibe, die der DLF auf der IFA 1990 verteilte, sind die Empfangsgebiete und die Frequenzen der (damaligen) AM-Sender des DLF verzeichnet.
"Dreh'n Sie sich den Sender rein! - Wir wünschen Ihnen gute Fahrt und einen störungsfreien Empfang, Ihr Deutschlandfunk."

Zu dieser Zeit war RIAS Berlin und das DDR2 Kulturprogramm noch nicht unter dem Namen Deutschlandradio mit dem DLF vereinigt.

In Berlin ist die Frequenz 810 kHz (ex. BBC) und zusätzlich die Frequenz 1359 kHz (ex. SFB 2) verzeichnet. Man findet auch noch die Frequenz 1575 kHz am Standort Burg, die zwischenzeitlich ebenfalls abgeschaltet ist. Die Frequenz 1539 kHz in Mainflingen wurde zu Gunsten der Frequenz 1422 kHz in Heusweiler (ex. SR) abgegeben. 1422 kHz kann abends in Berlin sehr gut empfangen werden.

Die sonstigen hier verzeichneten Frequenzen sind noch (!) aktiv. Voraussichtlich werden diese Sender jedoch zum Jahreswechsel 14/15 zu Gunsten von DAB+ außer Betrieb genommen.

MfG DR

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