Detektorempfänger - lohnt die Beschäftigung noch?

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Detektorempfänger - lohnt die Beschäftigung noch? 
08.May.15 20:32
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Joachim Glüder (D)
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Joachim Glüder

Mit dem Abschalten der MW-Sender in vielen Ländern verliert auch der Detektorempfang scheinbar an Attraktivität. Die Suche nach Alternativen bringt z.B. die Diskussion über das "Heimsenderlein" hervor. Ich bin einen anderen Weg gegangen und habe zur Zeit viel Freude daran, denn es gibt tatsächlich noch eine große Zahl von AM-Sendern auf Mittel- und Langwelle in Europa. Nur: Wie mache ich sie mit einfachen Empfängern hörbar?

Am Anfang steht die Frage nach der Antenne, die ja nach einer alten Weisheit immer noch der beste Hochfrequenzverstärker ist. Doch kaum jemand hat die Möglichkeit, eine Antenne in seiner Wohnumgebung unterzubringen, die ausreichend starke und störungsarme Signale an den Eingang liefert. In der Anfangszeit waren 30m frei aufgehängter Draht keine Seltenheit - und zwar in einer Umgebung, in der es meistens kaum nennenswerte elektrische Störungen gab - im Gegensatz zu heute. Also: Warum könnte nicht gleich ein HF-Verstärker die Antenne bilden? So landete ich bei der Mini-Whip von PA0RDT. Es handelt sich dabei um ein aktives Konzept mit einem sehr kleinen Antennenelement, das durch geringen Aufwand und einfache Realisierbarkeit bei kleinstem Raumbedarf besticht. Mir ging es zunächst um den Empfang von SAQ, der mir mit Drahtantennen nie gelungen war. Um es gleich zu sagen: Mit der Mini-Whip funktioniert es – jedenfalls bei mir. Alle wichtigen Unterlagen zu diesem Konzept findet man hier. Wer sich vorab ein Bild über die Leistung der Antenne machen will, kann einmal einen Blick (und ein Ohr) auf den SDR-Server der Universität Enschede werfen, wo die Mini-Whip seit Jahren im Einsatz ist.

Die ersten Versuche (mit einem FT 890) haben mich tatsächlich begeistert. Mit keiner Antenne hatte ich bisher so überzeugende Ergebnisse, und zwar vom Längstwellenbereich (mit SO42-Konverter) über Lang- und Mittelwelle bis in die Kuzwellenbänder, wo die Leistung oberhalb von 15MHz allmählich nachlässt. So war es nur logisch, die Antenne auch an anderen Empfängern auszuprobieren, auch wenn sie (mit Koaxkabel niederohmig gespeist) an den meisten Röhrenradios nicht optimal angepasst ist. Auch hier: jede Menge Sender auf Mittelwelle (machmal sogar tagsüber aus F und GB), die bekannten Langwellensender in nie gehörter Lautstärke – und zwar mit weit weniger Störungen als bei meiner Drahtantenne unter dem Dach.

Und dann die Frage: Wie benimmt sich ein Detektorempfänger an so einer Antenne? Zunächst interessierte mich die Langwelle. Mein (für die Radioaustellung in Osnabrück gebauter) Demonstrationsempfänger war schnell abgeändert und sieht jetzt so aus:



Wichtig (um die kapazitive Belastung des Kreises gering zu halten, aber auch wegen einer Erhöhung der Trennschärfe) ist eine induktive Antennenkopplung, hier mit einer alten 100µH-Spule (Kennzeichnung 35), während die Schwingkreisspule (auch alt) 1100µH aufweist und mit 150 gekennzeichnet ist. Die beiden Drehko-Pakete werden zusammengeschaltet und haben jetzt 1000pF Endkapazität, wodurch sich ein Frequenzbereich von ca. 140 – 600 KHz ergibt. Mit dieser Anordnung lassen sich folgende Sender (teils in großer Lautstärke) im Kopfhörer aufnehmen:

DLF Nordkirchen 549 / RTL 234 / Monte Carlo 216 / BBC 198 / Europe 1 183 / France Inter 162

Um 400 KHz sind (mit spitzen Ohren) NDBs (Luftfahrtbaken) zu hören.

Am unteren Ende wird auch der Rundsteuer-Sender DCF39 auf 139KHz hörbar. Durch Erhöhung der Kreiskapazität (Parallelschaltung von Kondensatoren) werden auch das Loran-C Signal auf 100KHz und der Zeitzeichensender DCF77 empfangen. Mit größeren Induktivitäten und Kapazitäten lassen sich unter Zuhilfenahme eines Überlagerers auch U-Boot-Funkstellen im Bereich unter 30 KHz aufnehmen.

Für die Mittelwelle werden die Spulen ausgetauscht (180µH / 20µH) und die Drehko-Kapazität wieder halbiert. Während die Langwellensender auch tagsüber sehr gut zu hören sind, ist die Situation im Mittelwellenbereich wie zu erwarten sehr stark anhängig von der Tageszeit. Tagsüber sind hier DLF auf 549 (sehr laut) und Radio 5 Nostalgie aus NL auf 747 immer zu hören, manchmal auch (leise) auf 1008 ein religiöser Sender am selben Standort wie Nostalgie. Nach Sonnenuntergang belebt sich das Band, und man kann lautstark ca. 20 Sender aus D, GB, F, E, HR, RO und weitere hören. Die Grenze wird nur durch die Trennschärfe gesetzt.

Dieser kurze Überblick soll zeigen, dass die Beschäftigung mit dem Detektor bei Einsatz einer entsprechend leistungsstarken Antenne immer noch lohnend ist, solange irgendwo in Europa noch auf den Bändern in AM gesendet wird. Ich wäre interessiert daran, ob jemand mit entsprechend großer passiver Antenne ähnliches berichten kann.

Noch einige Anmerkungen zur praktischen Ausführung: Im Detektor wird eine Schottky-Diode BAT 85  eingesetzt, die in Versuchen verschiedenen Germanium-Dioden überlegen war. Der Kopfhörer wird mit 3300pf überbrückt, was den Empfang schwacher Sender hörbar verbessert. In der Mini-Whip wird im Original ein J-FET J310 als Eingangsstufe verwendet. Dieser überlebte bei mir jedoch das erste Frühlingsgewitter nicht. (Die prasselnden Entladungen und die plötzliche Stille konnte ich live am Kopfhörer miterleben.) Er wurde deshalb durch einen BF981 ersetzt (Gate 2 auf ca. 5V hochlegen), der durch Dioden geschützt ist. Das Empfangsergebnis unterscheidet sich nicht wesentlich. Die Antenne befindet sich am oberen Ende eines 1,5m langen PVC-Rohres mit 40mm Durchmesser, welches oberhalb des Dachfirstes mit Textilband am Standrohr der Satellitenschüssel befestigt ist. Die Mini-Whip soll metallischen Teilen nicht zu nahe sein. Gespeist (auch die Betriebsspannung über eine Weiche) wird sie mit 20m RG174.

Hier noch ein Blick auf meine Mini-Whip. Wer den Eingangstransistor nicht erkennt – dies ist eine Version mit einem J309 als SMD-Type. Die Platine befindet sich jetzt ganz oben in dem PVC-Rohr auf dem Dach.

Viel Spaß beim Experimentieren! Es lohnt.

J.G.

 

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Frage der Selektivität 
09.May.15 10:14
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Rudolf Drabek (A)
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Rudolf Drabek

Welchen Kopfhörer benutzen Sie?

Übrigens ohne Glättungskondensator sollte bei niederohmigen Typen, z.B. 4000 Ohm, die Selektivität etwas besser sein.

LG Rudi

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Kopfhörer 
09.May.15 10:35
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Joachim Glüder (D)
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Joachim Glüder

Der Kopfhörer ist der hier unter ID = 238993 zu findende Typ von DeTeWe.

J.G.

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Kopfhörerimpedanz 
09.May.15 13:30
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Rudolf Drabek (A)
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Rudolf Drabek

Da lag ich nicht weit daneben.

Hier Beitrag #17 ist ein ziemlich selektiver Detektor beschrieben, mit Hilfsenergie, wie bei ihrer Antenne,  für den JFETdetektor samt Ausgleich für die sehr teuren SoundPoweredPhones,. In Summe ist das dann fast schon ein empfindlicher Geradeaus-Radioempfänger... wäre an eventuellen Empfangsresultaten interessiert.

LG Rudi

 

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Nachtrag: Kurzwelle 
12.May.15 10:56
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Joachim Glüder (D)
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Joachim Glüder

Nach den überraschend guten Ergebnissen wollte ich nun auch noch die Kurzwelle erkunden. Eine Spule mit 10Wdg. auf 50mm PVC-Rohr hat knapp 10µH Induktivität, für die Antennenkopplung wurden weitere 2 Wdg. aufgebracht. Der abgedeckte Frequenzbereich enthält die Bänder 49m, 41m und 31m. Der erste Eindruck (tagsüber) war enttäuschend. Ein Vergleich mit einem anderen Empfänger zeigte jedoch tatsächlich keine Aktivität auf diesen Bändern. Am Abend erschienen dann in allen drei Bereichen einige starke Signale, wahrscheinlich alle vom chinesischen Auslandsdienst (Sender in Europa), der ja sowieso inzwischen die Kurzwellenbänder dominiert.

Immerhin: Auch auf KW ist die Kombination eines Detektorempfängers mit der Mini-Whip zu gebrauchen.

J.G.

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Spulenguete und PVC 
12.May.15 18:37
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Rudolf Drabek (A)
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Rudolf Drabek

In der Radioentwicklung war PVC generell verpönt wegen höherer Verluste im Vergleich zu Styrol und Polyaethylen. Haben sie die Möglichkeit das Q zu messen. Siehe auch den Link zum selektiven Detektor im Beitrag oberhalb. Selbst PVC isolierte Draehte waren tabu in HF Kreisen.

Eine andere Frage ist die optimale Ankopplung an die Mini Whip. 

LG Rudi

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Neues von langen Wellen 
29.Jun.15 11:39
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Joachim Glüder (D)
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Joachim Glüder

Eigentlich wollte ich hier über den Empfang von SAQ (Alexanderson-Day 28.6.2015) mit dem Detektorempfänger berichten. Dass es dazu nicht kam, lag daran, dass die erste Sendung wegen einer technischen Störung ausgefallen ist und ich zur zweiten Sendung verhindert war. Zwar habe ich in der Abstimmphase etwas gehört, das reicht jedoch nicht um sicher sagen zu können, ich hätte SAQ empfangen. Ich bin aber ziemlich sicher, dass es bei der nächsten Gelegenheit klappt.

Es gibt aber trotzdem weitere Erfolgsmeldungen vom Empfang langer und längster Wellen mit der oben beschriebenen Konfiguration. Den Empfang der U-Boot-Kommunikation hatte ich schon erwähnt, was ja bei den verwendeten Sendeleistungen nicht erstaunt. Hinzugekommen sind jetzt zwei Zeitzeichensender. Die russische Station RBU auf 66,6 Khz ist mit ihrem komplexen Signal auch ohne Überlagerung aufzunehmen, während MSF aus England auf 60 Khz mit fast reinem CW-Signal eine Überlagerung braucht, dann aber sehr schön klar im Kopfhörer erscheint.

Das Highlight für mich (leichte Gänsehaut....) ist aber der Empfang der Signale des russischen Alpha-Navigationssystems auf Frequenzen um 15 und 12 Khz. Die Signale sind leise, wenn man ihr charakteristisches "düü - dü dü" aber einmal gehört hat, erkennt man sie schnell wieder. Entscheidend für den Erfolg ist die Verwendung einer passenden Induktivität, hier in Form einer handelsüblichen Spule von 100g Kupferlackdraht mit 0,5mm Durchmesser. Durch Einbringen eines Ferritstabes entsteht ein Variometer von ca. 5 - 15 mH:

Die Gesamtkapazität (Drehko, Parallel-C, Kabel- und Parasitärkapazität) beträgt ca. 8nF. Natürlich entsteht hier kein Kreis von hoher Güte, trotzdem kann man mit dem Verschieben des Ferritstabes ein erstaunlich deutliches Maximum erzielen. Als Überlagerer verwende ich einen Signalgenerator HP 200CD, der über ein Kabelstück kontaktlos an den Detektor angekoppelt wird.

J.G.

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Experimente mit der MiniWhip 
12.Jul.15 11:06
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Joachim Glüder (D)
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Joachim Glüder

Der dankenswerte Beitrag von J. Bauer zu Wirkungsweise und Problematik von (Unterdach-) Antennen geht auch auf die Mini-Whip ein und hat mich zu einigen Experimenten damit angeregt. Dabei geht es natürlich vor allem um die Bedeutung der koaxialen Speiseleitung als wirksamer Bestandteil der Antenne. Also musste ich diese Leitung so kurz wie möglich halten und sehen, was passiert.

Um alle weiteren Einflüsse auszuschließen, wurde die MiniWhip aus einer 9V-Batterie gespeist und mit ca. 70cm RG58 mit dem Detektorempfänger (MW-Spule zum Empfang des DLF) verbunden. Mit dieser Anordnung bin ich auf den Dachboden gestiegen. An der offenen Dachluke hatte ich zunächst keinen Empfang, auch nicht mit Massenverbindung über das geerdete Antennenstandrohr. Als ich jedoch die MiniWhip diesem Rohr annäherte, wurde der DLF auf 549Khz hörbar, und zwar ohne leitende Masseverbindung!

In einem zweiten Versuch brachte ich dieselbe Anordnung in den Garten und verwendete eine eingeschlagene Bodenhülse (Zaun) als Erde. Auch hier: zunächst kein Empfang. In ca. 1m Höhe über dem Boden zwischen die Blätter der Weinrebe gebracht, wurde aber auch hier wieder der DLF hörbar, auch ohne die Erdleitung, die allenfalls einen geringen Zuwachs an Lautstärke brachte. So sah das ganze aus:



Auf  Youtube gibt Experimente eines australischen Funkamateurs mit der MiniWhip am relativ kurzen Kabel zu sehen, der sich ebenfalls bodennah und zwischen Pflanzen mit ihr bewegt.

Zur Theorie der MiniWhip wollte und will ich mich hier nicht äußern, mein Ansatz war ja ein ganz anderer, nämlich die Frage, ob man mit ihrer Hilfe den Detektorempfänger wieder beleben kann. Ich bin nicht sicher, ob es eine vollständige und schlüssige Theorie zum erstaunlichen Funktionieren dieser Antenne gibt. Sicher ist, dass sie auf vielfältige Weise mit ihrer Umgebung interagiert. Wahrscheinlich ist sie weder eine reine E-Feld-Sonde noch stimmt es, wie kürzlich jemand in der Chatbox des SDR-Radios in Enschede behauptete, dass die Ableitung die eigentliche Antenne sei.
 

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