philips: Anmerkungen zur eisenlosen Endstufe

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ID: 256439
Dieser Artikel betrifft das Modell: Capella 753/4E/3D BD753A (Philips Radios - Deutschland)

philips: Anmerkungen zur eisenlosen Endstufe 
11.Jun.11 20:20
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Eike Grund (D)
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Eike Grund

Eisenlose Endstufen sind anders.

Sorgfältig generalüberholt, zählen vor allem die zweikanaligen Modelle zu den Klangwundern. Aber die ungewohnte Technik veranlasst manchen Restaurateur zum Aufgeben. Am Anfang stehen Verständnisfragen, die hin und wieder gestellt werden oder man bringt gleich den noch nicht ganz gesundeten Patienten. Aktuell ein Capella 753/4E/3D - ein guter Anlass, die


Funktion der zweikanaligen Endstufe mit den gepaarten Röhren EL84 und UL84 mit einigen Bildern zu verdeutlichen.

Es gibt noch keinen rechten und linken Kanal, hier werden die tieferen und die höheren Frequenzen über jeweils einen Kanal übertragen. Das noch gemeinsame Signal wird nach der Röhre EC92 über einen Hochpass und einen Tiefpass je einer Endstufe zugeführt. Die verbauten RC-Glieder bewirken auch eine Phasenverschiebung, die beiden Endstufen werden daher gegenphasig angesteuert. Das hat aber nichts mit der gegenphasigen Ansteuerung von normalen Gegentaktendstufen zu tun, auch eine hörbare Klangbeeinflussung ist damit nicht verbunden. Unsere Ohren reagieren nicht auf Phasenlagen.

Das Bild oben rechts zeigt die beiden Endstufen mit den Ausgängen(A). Man erkennt unschwer, dass die Beschaltung der jeweils unteren Röhre EL84 sehr bekannt, bzw. ganz normal aussieht: Es gibt einen Kathodenwiderstand mit parallelem Elko zur Einstellung der Gittervorspannung, die Anode arbeitet auf einen Arbeitswiderstand und das Schirmgitter wird mit einer Gleichspannung versorgt. Hier ist diese Spannung für beide Röhren EL84 an den Widerständen R2 und R3 (zwischen den Siebelkos C2 und C3) einstellbar. Ein entsprechender Hinweis findet sich in manchen (nicht in allen) Schaltplänen. Als Arbeitswiderstand gibt es keinen Transformator, hier ist auch die Röhre UL84 in den Arbeitswiderstand einzubeziehen.

Die Signale an der EL84 sehen dann auch ganz normal aus, wie Bild 1 zeigt: Die Ansteuerung des Gitters verursacht eine wesentlich größere, um 180 Grad phasenverschobene Spannung an der Anode.

Damit endet die vertraute Umgebung.
Arbeiten wir uns weiter nach oben durch, führen 330 Ohm zur Kathode der UL84 und 1000 Ohm an das Gitter dieser Röhre. Der Weg zum Gitter ist leicht durchschaubar: Weil das Gitter leistungslos angesteuert wird, also kein Strom fließt, liegt am Gitter der UL die gleiche Spannung wie an der Anode der EL, siehe im Bild 2. Das Ohmsche Gesetz lässt keine andere Möglichkeit zu.
Das gleiche Gesetz zeigt aber auch, dass an dem Widerstand zwischen Anode und Kathode eine Spannung abfällt. Eine Gleichspannung, die wieder für eine gegenüber der Kathode negative Gittervorspannung sorgt und eine Wechselspannung. Rechts oben im Bild1 ist die an der Kathode der UL84 vorgefundene Wechselspannung (ohne Gleichspannungspotential) eingeblendet. Die Differenz beider Wechselspannungen liegt als Steuerspannung am Gitter der UL84.
Diese Steuerspannung ist  jedoch größer (ca. 1,5-fach) als die Spannung am Gitter der EL84, weil die durch den fehlenden Elko am Kathodenwiderstand verursachte Gegenkopplung kompensiert werden muss.

Zum besseren Verständnis der vorgefundenen Spannungen unterscheidet man nun zwischen
Gleich- und Wechselspannungs- (Prinzip-)Schaltbild :
Gleichstrommäßig liegen beide Röhren in Reihe, die Gleichspannungen an den Bauteilen können addiert werden, bis die zugeführte Anodengleichspannung von 290 Volt erreicht wird.
Wechselstrommäßig liegen beide Röhren parallel, sowohl die Anode der UL84 als auch die Kathode der EL84 liegen wechselstrommäßig auf Masse. Diese Parallelschaltung reduziert auch den Ausgangswiderstand.

Bild 3 zeigt die bereits beschriebene gegenphasige Ansteuerung der beiden Röhren. 

Bild 4 zeigt die Ausgangssignale beider Endstufen bei verschiedenen Frequenzen:
Bei ca. 800 Hz sind die Signale des Hochton- und Tieftonkanals gleich groß (Bild 4a), 4b und 4c zeigen die Ausgangssignale bei der halben und der doppelten Frequenz.

Bemerkenswert ist, dass die Summe der Ausgangsspannungen gleich bleibt.


Mit der Einführung der Röhre EL86 entstanden zahlreiche Detailvarianten der eisenlosen Endstufen. Im Capella 673 werden zum Beispiel die Gitterspannungen über eine Phasenumkehrstufe jedem Gitter 2er EL86 direkt zugeführt, der Kathodenwiderstand zwischen beiden Röhren entfällt.
Das Grundprinzip der Schaltung, die auch als Kaskodenschaltung bezeichnet wird, bleibt jedoch erhalten.

Literaturhinweis: Die “eisenlose“ Serien-Gegentaktendstufe
PHILIPS Service-Mitteilung, von Wolfgang Bauer hochgeladen.

 

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