Reichssender Donau

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Reichssender Donau  
29.Apr.14 18:33
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Wolfgang Lill (D)
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Wolfgang Lill

Reichssender Donau

MÄHREN  Standort Dobrochov (Dobrochau)  

Teil 1, seine Geschichte bis Ende April 1945

 

Dem Bau des Hochleistungssenders bei Dobrochau ging in den Jahren von 1930 bis 1935 eine sorgfältige Auswahl unter mehreren möglichen Standorten voraus. An den ins Auge gefassten Orten wurde ein mobiler  Sender in Betrieb genommen und dann das von ihm erreichte Gebiet gemessen.

Im Jahr 1936 hat sich die Postverwaltung für den 310 Meter hohen Gipfel Předina entschieden, ein Hügel östlich der Gemeinde Dobrochau, mit einer Vielzahl kleiner Seen und einem Steinbruch in der Nähe.

Es ist auch rein geografisch gesehen der Mittelpunkt Mährens:

Der geografische Mittelpunkt ist exakt 313 m hoch und durch die Steinseele genauestens markiert

Schauen wir uns das Gelände nochmal etwas genauer an:

Nach dem Ankauf der Grundstücke wurde im Jahre 1937 an der Stelle des ehemaligen Steinbruches mit den Bauarbeiten am Stationsgebäude begonnen, an der Stelle eines der kleinen Seen mit den Bauarbeiten am Fußblock des Antennenmasten und in Dobrochau selbst mit dem Bau von zwei Wohnhäusern .

Zur Versorgung mit elektrischem Strom wurden zwei getrennte Hochspannungsleitungen errichtet, ein Kabel zur Modulationszuführung gelegt als Abzweigung vom Fernkabel zwischen Brünn und Olmütz. Eine Wasserleitung musste bis zu den Wohnhäusern in Dobrochau verlegt werden.

Hier die Überreste der ersten Stromversorgung

Die Bauarbeiten waren im Anfang 1939 abgeschlossen und so ist das fertig gestellte Objekt den Deutschen , die das Protektorat Böhmen und Mähren am 16.03.1939 installierten,  in die Hände gefallen.

Die  Montage der Senderanlagen wurde mit Hilfe der Firma Radioslavia Prag und örtlichen tschechischen Personal unter deutscher Aufsicht  fertiggestellt.

Hier kommt das Plan des Senders:

Schon im Mai 1940 begann der Sender fremdsprachige Propaganda in 7 verschiedenen Sprachen zu senden  - unter dem prahlerischen Namen Reichssender Donau auf der Frequenz 922 kHz mit einer Leistung von zuerst 100 und später 200 kW, das trotz Energieknappheit auf persönliche Anweisung von Goebbels, nachdem tschechische Mitarbeiter des Senders auf die Möglichkeit der Leistungserhöhung hingewiesen hatten.

Die Bauleute der  Senderanlagen waren aus tschechischen Fachleuten rekrutiert,

 

Senderaum im Jahre 1940

und noch ein Foto von den Betreibern des Senders

Ansicht aus dem Jahre 1939

Leider habe ich die kleinen Bilder nicht besser machen können, aber diese vermitteln doch einen kleinen Eindruck von den ersten Anlagen in Dobrochov

 

Nun noch einige technische Angaben zur ersten Senderanlage in DOBROCHOV

 

Für die Sendestation in Dobrochau wurde die damals stärkste  Sendeanlage mit einer Leistung von 200 kW bestellt (zu dieser Zeit existierte bereits in Böhmen der Sender Liblitz mit einer Leistung von 120 kW und in Mähren der Sender Brünn-Komorau mit einer Leistung von 32 kW). Um die Lieferung hat sich die tschechische Firma Radioslavia gekümmert, als exklusive Vertreterin der Firma Marconi, die die Sendeanlage hergestellt hat. Die Sendeanlage mit der Typenbezeichnung PB4 hatte eine Trägerleistung von 200 kW. Das Hochfrequenzsignal aus einer eigenen quarzgesteuerten Einheit wurde in einem zweistufigen Vorverstärker mit automatischer Vorspannung verstärkt. In einem nachfolgenden symmetrischen zweistufigen Verstärker der Klasse B erzeugte man die erforderliche Leistung der Trägerwelle. Die Ausgangsleistung wurde mit Hilfe einer Transformatorkopplung von einer symmetrischen in eine asymmetrische Belastung umgewandelt und mit einer Freiluftleitung zum Antennenhäuschen und zur Antenne geführt.

Das Modulationssignal wurde symmetrisch in einem vierstufigen Vorverstärker verstärkt, das dann über einen Trenntransformator die Endstufe des Modulators erregt hat. Man setzte die klassische Anodenmodulation ein. Die Röhren der letzten beiden Niederfrequenz- und auch Hochfrequenz-Stufen waren durch ein geschlossenes System wassergekühlt, die restlichen durch natürlichen Austausch luftgekühlt. Das Heizen der Röhren erfolgte mittels Gleichspannung, die zwei motorbetriebene Generatoren lieferten. Die Generatoren erzeugten auch die erforderlichen Vorspannungen der Röhren. Für die Anodenhilfsspannung von 5,5kV wurde ein Röhrengleichrichter eingesetzt, die Hauptanodenspannung von 10kV lieferten Quecksilberdampf-Eisengleichrichter der Firma Brown Boverie. Alle wichtigen Kreise wurden mit voller Reserve betrieben mit der Möglichkeit  des schnellen Umschaltens auf „Reserve“.  Der Antenennmast war ein Gittermast mit dreieckigem Grundriss, 135 Meter hoch, verankert in einer Ebene mit Pardunenseilen in sechs Richtungen. Die Anker waren isoliert mittels Trennung durch Isolatoren, der Mast selber stand auf zwei Isolatoren LAPP, verbunden mit einem flexiblen Gelenk. Die Ableitung der statischen elektrischen Aufladung sicherte eine Funkenstrecke.

 

Die Propagandasendungen waren ausgerichtet auf Hörer in Südosteuropa. Dobrochov taucht auch in diversen Senderverzeichnissen auf:

Oben rechts sehen Sie die Sender im Protektorat Böhmen und Mähren. Dobrochov ist hier mit Datum 28.04.1943 mit 100 KW Sendeleistung auf 922 KHz angegeben.

Die Tschechen erhöhen die Leistung des Senders Donau:

Als die Anordnung der totalen Mobilisierung kommt und ständig Rundschreiben über die Notwendigkeit, elektrischen Strom zu sparen, ausgegeben werden, werden die Deutschen unauffällig auf die Möglichkeit, mit 200 kW zu arbeiten, hingewiesen. Und wirklich, die Deutschen ordnen die Erhöhung der Leistung an und der Sender schluckt in der größten Stromknappheit monatlich 250 000 kWh, die er mehr oder weniger wirkungslos in die Luft strahlt.

Die Programme sollen hauptsächlich in Wien produziert worden sein, sogar mit eigenem Orchester und auch der bei den Nazis verpönte Jazz und Swing wurde gespielt.

Im Jahre 1947 ist in der vom Ministerium für Post in Prag herausgegebenen Broschüre auch etwas zu den Gegenmaßnahmen der Alliierten auf die Propagandasendungen zu lesen: Auszug

 

Damals sind Rundfunktechniker der Alliierten darauf gekommen, auf den Trägerwellen der deutschen Sender eigene Durchsagen aufzumodulieren.
Schlagfertige und leistungsstarke Sender standen für diesen neuen Dienst bereit und so haben sich plötzlich geheimnisvolle Stimmen auf den  Wellen des Deutschlandsenders, Bratislavas und auch des Reichssenders Donau gemeldet. Unter den Deutschen hat im ersten Augenblick Verwirrung geherrscht, als auf ihren eigenen Wellen die dem Reich treu ergebenen Hörern Neues über die Siege an allen Fronten erfahren haben und als diese Nachrichten aus der Goebbelschen Küche mit verschiedenen ironischen und auch sachlichen Bemerkungen und Prophezeiungen ergänzt wurden. Und als einmal die amtlichen Nachrichten mit kernigen Worten und gut vernehmbarer Stimme "Weitere Lügen folgen morgen" beendet wurden, wurde entschieden, dass etwas geschehen muss. Am Sender wurde eine geheimnisvolle techniche Einrichtung montiert, die durch periodische Änderungen der Trägerfrequenz (wobeln, wie die Deutschen sagten) die Propaganda der Alliierten unmöglich gemacht werden sollte. Gleichzeitig wurde ein schlagkräftiger Überwachungsdienst eingerichtet, der, sobald so ein "Phantom" auf einer Welle entdeckt wurde, Eingriff und die Einrichtung in Betrieb setzte. 

Aus meiner Sicht dürfte sich das auf Sendepausen beziehen, wo auf diese Frequenzen mit leistungsstarken Sendern moduliert wurde...oder Gleichwellenbetrieb oder man hat die Modulationsleitung vom Studio Wien zum Sender angezapft...aber das ist schon ein neues Thema...




Das Ende vom Reichssender DONAU

Die Kriegshandlungen des Jahres 1945 haben das Schicksal des Senders grausam getroffen. Die Front ist im April in den Vorbergen der Bömisch-Mährische Höhe zum Stillstand gekommen, wo sie sich bis zum Ende des Krieges aufgehalten hat.

Die Deutschen haben die Verteidigung des Senders sehr ernst genommen. Die Fenster des Sendesaales wurden vermauert und das ganze Objekt stark vermint. Als klar wurde, dass die Kapitulation nahe ist, haben sie beschlossen, die ganze Anlage zu zerstören. Am Morgen des 30. April hat der Sender zu arbeiten aufgehört, alle tschechischen Beschäftigten wurden nach Hause geschickt und am Nachmittag wurden auch zwei Familien verjagt, die im Wachhäuschen wohnten. Um 16 Uhr wurden an den Ankerblöcken der Halteseile des Antennenmasten und im Stationsgebäude Sprengladungen gezündet. Der Mast ist eingestürzt und auch das Gebäude wurde schwer beschädigt.

Die schweren Kämpfe waren am 8.Mai vorbei, am 10.Mai nachmittags sind die ersten Leute auf die Předina gekommen. Erst Ende Mai haben sich Vertreter der Postverwaltung aus Brünn sehen lassen. Nachdem die Mienen entfernt waren und nach einer Inaugenscheinnahme der Reste der Anlage war klar, das sich der Betrieb mit der bisherigen Sendeanlage von Radioslavia nicht mehr erneuern lässt.

Sowjetischer Panzer im Gelände

Hier sieht man das Ausmaß der Zerstörungen am Betriebsgebäude, an einen weiteren Sendebetrieb war nicht zu denken... das Ende vom Sender DONAU im Foto unten der zerstörte Sendemast.

Im zweiten Teil werde ich den Sender Dobrochov ab 1945 bis heute beschreiben, denn er sendet noch 24 Stunden täglich das Programm Praha Dvoika auf Mittelwelle 954 KHz

Hier ein aktuelles Foto vom 24.April 2014

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Reichssender Donau , weitere informationen 
30.Nov.14 18:23
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Wolfgang Lill (D)
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Wolfgang Lill

Zum Programm des Senders  Donau

ist in den Blättern für Technikgeschichte Band 64/2002 des Technischen Museums Wien, Autor Magister Peter Donhauser folgendes vermerkt:

 

Sendungen in Griechisch, Slowakisch, Bulgarisch, Ungarisch und Rumänisch.

Für das bulgarische Programm wird genauer informiert; insbesondere militärische und politische Themen, wie Judentum, Sozialismus und Bolschewismus sind Schwerpunkte in den Sendungen.

Im Laufe des fortschreitenden Kriegsgeschehens wurde immer mehr auf gute Laune gesetzt. Die Programme wurden hauptsächlich in Wien produziert  und über Kabel nach Dobrochau übertragen.

Die gegnerische Propaganda versuchte auch Dobrochau zu stören, so z.B.mit dem "Seitenbandeinsprechen" . Zunächst gab es dafür nur ein Gegenmittel; Der Sprecher durfte keine Pausen machen, um den Einsprecher keine Gelegenheit zum agieren zu geben.

Bald jedoch erkannte man, das bei geringfügiger Änderung der Trägerfrequenz die Synthese des eingesprochenen Wortes nicht mehr verständlich war.

Die Folge war ein ständiges Hin- und  Herschalten der Sendefrequenz ( der Gegner folgte nach kurzer Zeit), was für den Hörer dann auch lästig war, weil der Radioapparat nachgestellt werden musste.

Abhilfe konnte durch Wobbeln der Trägerfrequenz geschaffen werden ( diese wurde automatisch 2 x pro Sekunde um +/- 1 KHz verändert).

Dies erzeugte im Empfänger ein mehr oder weniger hörbares Rauschen. Der Einsprecher war nicht mehr zu verstehen.  

Solche "Seitenbandeinsprecher" wurden mit mehreren deutschen Rundfunksendern, auch dem Sender Alpen in Dobl bei Graz, praktiziert.

 

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