Warum 2 Abstimm-C bei 1V1 Audion

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ID: 386866
? Warum 2 Abstimm-C bei 1V1 Audion 
26.Oct.15 13:25
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Andreas Winter (D)
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Liebe Radiofreunde,

angeregt durch den Artikel "Abgleich von Spulen" von Herrn Rudolph im Texte-Bereich ist mir wieder die Frage aufgekommen, die ich mir im Zusammenhang mit 1V1 Audions immer wieder gestellt habe: warum besitzen viele dieser Geradeausempfänger einen zweiten Drehkondensator für die Abstimmung?

Meine Vorstellung von der Funktionsweise solcher Audions ist folgende: entweder befindet sich im Antennenkreis der Abstimm-C vor der HF-Verstärkung, und die verstärkte HF wird dann dem Audion zugeführt, worauf die NF-Verstärkung folgt. Oder aber die HF-Röhre verstärkt einfach alles was von der Antenne kommt, und die Abstimmung erfolgt dann im Gitter-Schwingkreis vor dem Audion, es folgt dann die NF-Verstärkung.

Warum gibt es also Geradeausempfänger, die sowohl im HF als auch im Audion-Kreis über einen vom Hörer zu bedienenden DreKo verfügen (meist sind ja beide mechanisch gekoppelt)?

Ich habe da vielleicht etwas Grundlegendes nicht verstanden, und würde mich über eine Erklärung sehr freuen.

Herzlichen Gruß

Andreas Winter

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1V1, 0V1 etc. 
26.Oct.15 19:06
88 from 5481

Rudolf Drabek (A)
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Rudolf Drabek

Bitte um ein typisches Schaltbild.

Entsprechend Profil verstehe ich die Frage kaum. Kann es eine Verwechslung mit der Rückkopplung sein?

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Schaltplanbeispiel 
26.Oct.15 21:57
145 from 5481

Andreas Winter (D)
Beiträge: 12
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Wenn man den Beitrag von Herrn Rudolph liest, scheinen die Leser zu verstehen, was gemeint ist, sein Betrag ist hier zu finden: abgleich_von_spulen, er schreibt:

"Man hat jedoch sehr rasch festgestellt, daß "Einkreiser" nur bedingt für den Fernempfang geeignet sind und daher eine abgestimmte HF Verstärkerstufe davor geschaltet, wodurch ein "Zweikreiser" entstand. Frühe Empfänger in dieser Art hatten dann auch zwei (von einander unabhängige) Dreh-Kondensatoren, die nach einander - oder mit beiden Händen simultan - zu bedienen waren. Das Auffinden und das Einstellen eines Senders war entsprechend schwierig, zumal zusätzlich auch noch die Rückkopplung der Audion-Stufe zu bedienen war."

Mit dem zweiten DreKo ist also nicht die Rückkopplung gemeint. Zum Modell, das er als Beispiel aufführt (saba_oekonom_2300), gibt es im Radiomuseum leider keinen Schaltplan.

Ich habe mich nach einem Modell umgesehen, das vom Schaltungsprinzip vergleichbar ist. Ich bin mir etwas unsicher mit meiner Wahl, aber der Saba 332 WL könnte so ein Beispiel sein: saba_332wl

In diesem Modell befinden sich (laut Schaltplan) ebenfalls zwei Abstimm-Cs: einer im Antennenkreis, und ein weiterer vor dem Gitter vor der Audion-Röhre (wenn ich die Funktion der zweiten Röhre richtig verstanden habe).

Ich frage mich, wenn ich solche Schaltungen sehe: wozu man dies tut. Warum muß der Gitter-Kreis des Audions als Schwingkreis konstruiert sein? Man könnte doch einfach das Signal von der HF-Verstärkung nehmen und schlicht gleichrichten und dabei etwas verstärken.

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Abstimmung Audion 
26.Oct.15 22:36
160 from 5481

Walter Schmidt (D)
Beiträge: 179
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Hallo Herr Winter,

ich glaube, Sie haben da wirklich was Grundlegendes nicht verstanden.

Frequenzbestimmender Abstimmkreis beim Einkreiser ist immer der Kreis vor dem Demodulator, sei es mit Diode, Anodengleichrichter oder Audion. Hier wird die Frequenz  eingestellt.

Beim z.B. 0V1 wird die Antenne direkt an diesen Abstimmkreis angeschlossen mit allen Nachteilen (Dämpfung, Verstimmung, Abstrahlung durch Rückkopplung).

Deshalb kann man eine HF-Stufe vorsehen (z.B. 1V1). Vorteil: Höhere Verstärkung, größere Empfindlichkeit, kein Antenneneinfluß auf den Abstimmkreis, keine Abstrahlung durch die Antenne bei Rückkopplung.

Sinnvollerweise sieht man solch einer Schaltung einen Eingangs-Schwingkreis vor. Der kann mit einem Zweifach-Drehko oder separat mit einem Extra-Drehkopf abgestimmt werden. Frequenzbestimmend ist aber immer der Abstimmkreis vor dem Demodulator. Der Eingangskreis wird lediglich auf optimalen Empfang nachgeregelt. Somit kommen die Vorzüge einer HF-Vorstufe voll zur Geltung: Höhere Verstärkung, größere Trennschärfe.

Man kann natürlich auf den Eingangskreis verzichten und die Antenne direkt an das Gitter der HF-Vorstufe anschließen. Das geht. Hat aber nur Nachteile: Das gesamte Frequenzspektrum wird dem Gitter der HF-Röhre zugeführt: Übersteuerung, Kreuzmodulationen, Sender erscheinen auf der Skala, wo gar keine sind usw. Hier ist dringend ein zuschaltbarer Abschwächer erforderlich, was natürlich dann den  Sinn einer HF-Vorstufe in Frage stellt.

Solche Schaltungen gab es z.B. beim Bandfilter-Zweikreiser: Hier gelangte das HF-Signal von der Antenne auf das Gitter einer regelbaren Vorröhre, Im Anodenkreis befand sich ein abstimmbarer Bandfilter. Vorteil: Deutlich bessere Trennschärfe und bessere Durchlaßkurve bei richtig dimensionierter Kopplung der beiden Kreise.

Das mal kurz zu Ihrer Frage (doch etwas umfangreicher ausgefallen). Ich würde empfehlen, sich in der Fachliteratur kundig zu machen, da werden die Probleme genauer erörtert.

Gruß, W.S.

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Vielen Dank 
26.Oct.15 23:48
175 from 5481

Andreas Winter (D)
Beiträge: 12
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Vielen Dank Herr Schmidt,

Sie haben mit Ihrer Antwort wunderbar eine Lücke geschlossen. Mir war nicht klar, daß es bei Geradeausempfängern immer der Kreis vor dem Demodulator ist, der die Empfangsfrequenz bestimmt, das war genau das, was ich nicht wußte.

Nach meinem laienhaften Verständnis hätte auch der Antennenkreis vor der HF-Röhre frequenzbestimmend sein müssen, aber vermutlich ist der alleine nicht trennscharf genug, bzw. ist dessen Bandbreite vermutlich zu groß.

Was die Fachliteratur betrifft: ich würde mir gerne ein Buch beschaffen, das die gängigen Schaltungen erklärt (Neutrodyne, Reflex, Pendelrückkopplung usw). Hätten Sie da einen Tipp? Es gibt ja leider sehr viel Literatur, und eine Erklärung wie diese Schaltungen funktionieren, würde schon reichen - ich muß sie ja nicht gleich dimensionieren können.

Nur, auf solche Ideen wie ein Laie, der sich fragt, warum man auf den Schwingkreis vor dem Demodulator nicht einfach verzichtet, wenn es im Antennenkreis schon einen abstimmbaren Schwingkreis gibt - auf solche Ideen kommen die Autoren der Fachbücher doch bestimmt nicht.

Herzlichen Gruß

Andreas

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Selektivität eines Empfängers 
27.Oct.15 12:17
268 from 5481

Rudolf Drabek (A)
Beiträge: 273
Anzahl Danke: 6
Rudolf Drabek

Ein Einkreiser hat einen Selektionsverlauf, der in der Exceldatei im Anhang selbst untersucht werden kann. Ein Zweikreiser mit Trennstufe hat zwar ein bessere Weitabselektion, aber die Bandbreite ieidet darunter. EIn Zweikreiser mit getrennten Drehkondensatoren wäre mir persönlich zu schwierig zu bedienen. Da ist mir ein Bandfiltereingang und danach ein Audion mit einem Dreifachdreko lieber. Der hat sicher gute Trenneigenschaften, so wie sie der preisgekrönte Detektor von Prof. Bosch auch hat.

Ein einfacher Detektor mit einer Betriebsgüte von z.B. 7 ist für den Nahempfang ausreichend, aber für Fernempfang natürlich nicht.

Man kann nun durch Anziehen der Rückkopplung die Güte schon stark anheben und bis zum Exzess treiben. So ist der Empfang eines mit 1000 Hz modulierten Senders im Extremfall an drei Stellen möglich und praktisch nachgewiesen.

!. Empfang des Trägers und die 2 Seitenbänder stark abgeschwächt. Der Normalfall, klingt bei Empfang von Musik dumpf.

2. Unteres / oberes Seitenband als Träger abgestimmt: Der eigentliche Träger übernimmt die Funktion des Seitenbandes. Es ist aber sehr kitzlig das so hinzubekommen.

Um einen Überblick über die Selektionseigenschaften zu bekommen siehe Beitrag #14 und #16 des DDS-Heimsenderleins. Wenn Sie LTspice IV verwenden, können sie mit den Werten herumspielen und die Selektionswerte als Funktion der Güte und Kopplung studieren.

Aber auch in der Datei in der Anlage, was für das Bandfilter eine Algebraorgie war. Man kann die Eingaben variieren, muss aber auf die sinnvolle Skalierung achten.

 

Anlagen:

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HF-Vorstufe vor Audion 
27.Oct.15 13:32
292 from 5481

Walter Schmidt (D)
Beiträge: 179
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Hallo Herr Winter,

kurz noch mal zu Ihrer letzten Bemerkung: Es ist sicher theoretisch möglich, nach dem Empfangskreis eine HF-Stufe vorzusehen und das Audion ohne Zwischenkreis direkt an die Anode der Vorröhre zu schalten. Macht aber keinen Sinn. Der Schwingkreis kann nicht optimiert werden aufgrund unterschiedlicher Antennenverhältnisse. Durch den HF-Vorverstärker werden Störgeräusche direkt auf das Gitter des Audion gebracht und dort weiter verstärkt. Eine perfekte Siebung der Betriebsspannung der HF-Vorstufe ist mit viel Aufwand nötig. Durch die Breitbandigkeit des Verstärkers steigt der Rauschpegel. Also keine gute Idee.

Ich kenne ein Gerät, wo der Gleichrichter direkt ohne Zwischenkreis an die Vorröhre angekoppelt ist: AEG 29 W/GW. Das Gerät ist ein Zweikreiser mit 2 HF-Vorstufen. Hier hat man aus Kostengründen auf den Schwingkreis vor dem Demodulator verzichtet. Es handelt sich aber hier um einen Diodengleichrichter, der nicht verstärkt. Durch eine zweite Diodenstrecke konnte man sogar eine Verstärkungsregelung vorsehen.

Das Radio hat hervorragende Empfangseigenschaften, kommt schon einem 6-Kreiser nahe. Der materielle Aufwand ist ja fast gleich. Die Rückkopplung wird fest eingestellt.
Problem bei diesem Gerät: Durch die hohe Kreisgüte bei angezogener Rückkopplung wird der Empfang im langwelligen Bereich, insbesondere bei LW, dumpf. Herr Drabek schilderte die Situation. Bei Gelegenheit werde ich mal versuchen, mit einem Wobbelsender (siehe DDS-Heimsender) die Durchlaßkurve darzustellen. Vielleicht ist es möglich, durch L-Abgleich die Durchlaßkurve am langwelligen Bereichsende etwas zu optimieren.

Gruß, W.S.

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Beispiel für einen Einkreiser mit mehreren Drehkos 
27.Oct.15 14:59
314 from 5481
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Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
Beiträge: 2492
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Dietmar Rudolph † 6.1.22

Einkreiser haben i.w. folgende Schwierigkeiten beim Empfang.

  1. Selektivität ist gering
  2. Empfindlichkeit ist gering
  3. Selektivität und Empfindlichkeit sind abhängig von
    # der Empfangsfrequenz
    # den Eigenschaften der Antenne

Das 1. und das 2. Problem werden beim Einkreiser durch die Rückkopplung "bekämpft". Dabei entstehen aber folgende Nachteile:

  1. Je stärker die Rückkopplung "angezogen" wird, um so mehr wird die Empfangsbandbreite vermindert, wodurch das demodulierte Signal dumpf klingt.
  2. Vergrößern ("anziehen") der Rückkopplung macht wegen der geringeren Bandbreite eine exaktere Abstimmung erforderlich. Folglich muß i.a. die Abstimmung nachgestellt werden.
  3. Meist muß auch noch die Ankopplung der Antenne dann reduziert werden.
  4. Die Grenze zwischen "optimaler" Rückkopplung und Schwingen des Audions ist nur sehr schwer zu treffen. Geringe Änderungen der Netzspannung können dann dazu führen, daß das Audion schwingt, wodurch es  als "Rükkopplungs-Pfeifer" bei der Nachbarschaft früher unangenehm aufgefallen ist.

Um einen Audion-Empfänger trotzdem für das normale Publikum leichter bedienbar zu machen, haben sich die Ingenieure einiges einfallen lassen. Als Beispiel wird von AEG das Modell 2-16W von 1936 gezeigt, bei welchem einige "Rafinessen" zum Einsatz kommen.

Wie man sieht, hat dieser Einkreiser insgesamt 6 Drehkos, die man einstellen kann.

  • SM bzw. SL sind die Sperrkreise für MW bzw. LW. Hiermit werden die Ortssender abgeschwächt, damit diese (wegen der geringen Selektivität des Abstimmkreises a) nicht auf der ganzen Skala "durchschlagen" (im Hintergrund zu hören sind).
  • L ist ein Differential-Drehko zur Einstellung der Lautstärke über die Antennen-Kopplung. Ein Differential-Drehko hat die Eigenschaft, daß er den Abstimmkreis nicht verstimmt.
  • S ist die Abstimmung auf den Sender für den Abstimmkreis a (das ist der eigentliche empfangs-bestimmende Schwingkreis).
  • Die Abstimmung S hat (bei diesem Modell) 2 Drehkondensatoren, die auf einer gemeinsamen Achse sitzen. Der untere von beiden ist der "eigentliche" Schwingkreis-Kondensator, während der obere, horizontal gezeichnete, dafür dient, die frequenz-abhängige Impedanz der Antenne auszugleichen, wodurch die Abstimmung reproduzierbar wird, so daß auf der Skala Stations-Namen gedruckt werden können - und man die Stationen wirklich auch da finden konnte.
  • Der Kondensator R ist ein Differential-Drehko für die Rückkopplung. Auch hier wieder ein Differential-Drehko, damit die Veränderung der Rückkopplung die Abstimmung nicht verändert.

6 Drehkos, das sieht furchtbar kompliziert aus, aber einmal richtig eingestellt, braucht man nur noch die Abstimmung zu ändern, um einen anderen Sender zu empfangen. Ggf. war noch die Lautstärke nach zu stellen. Aber hier sind die Bedienelemente so geschaltet, daß sie sich - im Unterschied zu einem einfachen Audion - nicht gegenseitig beeinflussen. Man braucht hier dann also nicht zwei (oder mehrere) Knöfe gleichzeitig zu drehen, um einen Sender empfangen zu können.

Näheres zur Sender-Trennung mit Hilfe eines Schwingkreises findet man unter "Texte" im Beitrag "Warum kann ein Radio mit einem Schwingkreis Sender trennen?"

MfG DR

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Vielen Dank nochmal 
27.Oct.15 23:25
419 from 5481

Andreas Winter (D)
Beiträge: 12
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Vielen Dank nochmal für Ihre interessanten Beiträge zum Thema. Mit dem Excel Sheet von Herrn Drabek bekommt man ein gutes Bild von der Durchlaßkurve in Abhängigkeit von der Kreisgüte. Und Herrn Rudolphs Beitrag war wieder lehrreich und schön zu lesen.

Herzlichen Gruß

Andreas

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