1931: Radiojournal Košice

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1931: Radiojournal Košice 
24.Oct.17 21:07
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Georg Richter (D)
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Georg Richter

In " Die Sendung - Das Rundfunkwesen" Heft 27/VIII vom 03.07.1931 schrieb Harald Medegen:auf Seite 540:


Radiojournal Košice

Wenn man von der Hohen Tatra in die Ebene herunterkommt und zur ungarischen Grenze fährt, sieht man in einem weiten Talkessel die Großstadt Kaschchau liegen, das Kássa der Ungarn, das Košice der Tschechen. Eine Großstadt, mit einem weiten Grüngürtel umgeben, mit interessanten Bauten der ungarischen Hochrenaissance, mit breiten Korsos, großzügig angelegten Parks und sauberen Arbeiterhäusern an der Peripherie. Ein Bild voller Leben, voll südlichen Temperaments, wenn in den Abendstunden im Park das Militärorchester spielt ... [verächtliche Beschreibung der Bevölkerung zensiert] ... — das ganze Völkergemisch des alten Österreichs scheint sich hier ein Stelldichein gegeben zu haben.

Den Rundfunkhörern ist Kaschau durch seine Rundfunkstation bekannt — die Ansage „Radiojournal Košice“ haben wir schon oft gehört, ohne uns etwas darunter vorzustellen. Nun — das Radiojournal Košice, eine Filiale des Prager Radiojournals, ist eine Einrichtung, der man in der Slowakei und Karpatho-Rußland große Bedeutung beimißt. Das geht schon daraus hervor, daß diese verhältnismäßig kleine Station nicht weniger als drei Ansager besitzt, die in — acht verschiedenen Sprachen ansagen müssen, um verstanden zu werden. Das Völkergemisch in jener Gegend, das sich aus Deutschen, Tschechen, Ungarn, Rumänen, Juden, Russen, Slowaken und Polen zusammensetzt, stellt — unter seinen Gebildeten natürlich — die Hörer des Kaschauer Senders. Deswegen werden die Darbietungen in deutscher, tschechischer, ungarischer, jiddischer, polnischer, rumänischer, weißrussischer, slowakischer und oft auch in englischer Sprache angekündigt — eine Art und Weise der Ansage, wie wir sie an keinem weiteren europäischen Rundfunksender finden. Die Zusammensetzung der Hörer bedingt auch eine Zusammenstellung der Programme, die auf alle diese Bevölkerungsteile Rücksicht nehmen muß. Da gibt es Sonderprogramme für Karpatho-Rußland, für die ungarische Bevölkerung, da wird den Polen unter den Hörern eine besondere Stunde gewidmet, ein spezieller rumänischer Rundfunk spricht zu der rumänischen Bevölkerung — kurz, der Sender Košice hat die Aufgaben zu erfüllen, zu denen sonst sechs bis sieben Sender herangezogen werden müßten. Durch einen zielbewußten Direktor, den feinsinnigen Musiker Bedřich Holeček, der sich mit allen Kräften bemüht, das Programm seiner Station so abwechslungsreich und so interessant wie möglich auszubauen, kann Radio-Kosice jetzt schon über 12000 Hörer zählen, eine große Zahl, wenn man bedenkt, daß die Gegend um Kaschau herum sehr gebirgig ist, daß die Karpathen wenig bevölkert sind, und daß ein großer Teil der Einwohner Karpatho-Rußlands derartig abergläubig ist, daß der Rundfunkempfang als Spuk betrachtet wird. Deswegen rekrutieren sich diese 12000 Hörer zur Hauptsache aus den gebildeten Ständen, an deren Spitze die Geistlichkeit steht, die in der Nähe von Kaschau herrliche Klöster (Jasny!) besitzt.

Kaschau sendet viele Vorträge. Wie in allen kleineren Sendestädten fällt es dort auch sehr schwer, maßgebende Persönlichkeiten zum Rundfunk heranzuziehen. Einerseits sind nicht viele zu finden — andererseits, und das ist ein sehr wichtiger Faktor, mit dem z. B. auch die Deutsche Sendung in Mährisch-Ostrau stark zu kämpfen hat — sind die Honorare, die in der Tschechoslowakei für die Mitwirkung am Rundfunkprogramm gezahlt werden, nicht hoch genug, um prominente Leute zu reizen. Trotzdem werden von den Hörern hohe Ansprüche an das Programm gestellt, und gerade in der letzten Zeit wurde der Vorschlag gemacht, die wichtigsten Vertreter der einzelnen Berufsgruppen vor das Mikrofon zu bringen, um so allen Hörergruppen gerecht werden zu können. Der Hauptteil der Kaschauer Programme wird aus Prag und Brünn bezogen, wobei die oberirdische Leitung Preßburg—Kaschau, die über eine Strecke von 250 Kilometern führt, benutzt wird. Die Leitung von Prag ist bereits bis Brünn pupinisiert, so daß Störungen eigentlich nur selten sind. Die Konzerte, die Kaschau selbst veranstaltet, werden von Direktor Holeček persönlich geleitet.

Interessant und ungewöhnlich ist, daß diese doch im Verhältnis kleine Station über ein eigenes, gut durchgebildetes Rundfunkorchester verfügt, das normalerweise aus neun Personen besteht, bei größeren Konzerten aber auf sechzehn Personen verstärkt wird.

Seit kurzem ist das Verwaltungsgebäude und das Studio aus dem langgestreckten, ruhigen Hause in der Rumanova verlegt worden. Ein neues Rundfunkhaus ist auch in Kaschau eingeweiht worden, dessen Studio in den Abmessungen 20x10x10m mit allen technischen und akustischen Neuerungen ausgerüstet ist. Der Raum ist ohne Keller direkt am Boden aus Ziegeln errichtet worden, um möglichst viele Schwingungen abzudämpfen. Durch eine raffinierte Anordnung von Vorhängen aller Art sind die störenden Echos vermieden worden, wobei durch verschiedenes Raffen der Vorhänge verschiedene Mikrofonwirkungen erreicht werden können. Auf dem flachen Dach des neuen Sendegebäudes will Radiojournal — ähnlich wie es auch in dem neuen Berliner Funkhaus der Fall sein wird — Konzerte veranstalten.

Radio - Kaschau wird im neuen Hause weiter dazu beitragen, den Rundfunk auch in den entferntesten Winkeln Europas populär zu machen. Es wird bald mit Prag direkt durch ein pupinisiertes Kabel verbunden sein and kann dann seinerseits auch zum mitteleuropäischen Programmaustausch beitragen.


Anmerkung:

Kauschau sendete auf 294m (1020kHz) mit 2,6kW. Um 19 Uhr wurde als "Pausenzeichen" Kirchturmglocken übertragen.

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1931: Radiojournal Košice 
25.Oct.17 20:39
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Wolfgang Lill (D)
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Wolfgang Lill

Kosice war der östlichste Sender der Tschechoslowakei. Er wurde in das Gemeinschaftsprogramm des Tschechoslowakischen Rundfunks bereits von Anfang an integriert, hier wurden vorrangig in tschechischer, wie auch anteilig in slowakischer Sprache und stundenweise in deutsch und in der Slowakei später auch in ungarisch Sendungen übertragen.

Das Funkhaus in Haniska bei Kosice . Hier wurden mit dem Start am 17.April 1927 bereits eigene Sendungen produziert und übertragen.

Sonntags war es von 11.00 bis 12,00 Uhr die Matinee (eine Art künstlerische Veranstaltung)

Von 19,30 bis 20,00 uhr folgte der Zemedelsky  rozhlas ( Sendung für die Landwirtschaft )

von 20.00 bis 21,00 Uhr  das Konzert

und von 21.30 bis 22,00 Uhr  die Reprododukovana hudba   (Übertragung vom Audiotonträger, heute würden wir sagen Musik von der Schallplatte) .

Das erste experimentelle Studio in Kosice im Jahre 1925

5 KW- Sender in Haniska bei Kosice. Ursprünglich war am 30. Januar 1926 ein 2,6 KW- Sender in Betrieb genommen worden, dieser wurde 1932 auf 5 KW aufgestockt.

Noch ein Blick auf die Antennenanlage der Sendeanlage in Kosice. Das Bild dürfte aus dem Jahre 1931 stammen.

Fotos aus dem Buch  die ersten 10 Jahre desTschechoslowakischen Rundfunks , Prag 1934

 

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

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1931: Radiojournal Košice 
27.Nov.17 21:45
351 from 1788

Wolfgang Lill (D)
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Wolfgang Lill

Frau Mgr. Anna Princíková vom Staatlichen Archiv Kosice schreibt mir: 

In dem Staatlichen Archiv Košice sind Fonds Rundfunk Košice (Kassai rádió) 1939-1944 und der Tschechoslowakische Rundfunk, Studium Košice 1964-1991 archiviert.

Der Fond von Rundfunk Košice (Kassai rádió) 1939-1944 beinhaltet nur die Texte der Vorlesungen aus dem Kulturbereich, insgesamt ein Kasten von Material. Es gibt keine schriftiche Berichte über den Sachen aus dem technischen Bereich der Sendung während der ungarischen Besatzung 1938-1945.

Der Fond von dem Tschechoslowakischen Rundfunk, Studium Košice 1964-1991 beinhaltet Jubiläumspublikation von Miloslav Disman: 50 rokov Československého rozhlasu na východnom Slovensku (50 Jahren des Tschecholsowakischen Rundufunks in der Ostslowakei) aus dem Jahr 1977. In dieser Publikation wird kurz erwähnt, dass der Sender von Košice während der ungarischen Besetzung, in Jahren 1938-1945, an Rundfunkkreis von Budapest angeschlossen wurde.

In der Studie von Vladimír Martinček: Kapitoly k dejinám Československého rozhlasu na východnom Slovensku (Die Kapitel aus der Geschichte des Tschechoslowakischen Rundfunks in der Ostslowakei) aus dem Jahr 1976 werden folgende Geschehnisse kurz erwähnt:

Am 2. November 1938 endet die Sendung Radiojournal von Rundfunk Košice und zu diesem Tag wurde der Rundfunk nach Prešov verlegt. Rundfunk Prešov fing mit der Sendung am 12. November 1938 an.

Nachdem Prešov im Dezember 1944 bombardiert wurde, wurde der slowakische Sender in Prešov im Januar 1945 durch deutsche Besatzung demontiert und nach Teplička bei Karlsbad hingebracht.

Am Ende werden noch die Neuanfänge des Tschechoslowakischen Rundfunks im Košice nach dem Krieg, seit Februar bis April 1945, kurz beschrieben. Wobei erst am 17. April 1945 die Sendung aus Košice offiziell angefangen hat. Es ist keine von Košice gesendete Reportage über die wichtigen Ereignisse im Jahr 1945 bei uns erhalten geblieben.

Während des Zweiten Weltkrieges wurde in London die Tschechoslowakische Exilregierung gegründet. Auf die Gebiete der Tschechien und der Slowakei wurde durch die Tschechoslowakische Abteilung des Rundfunks BBC in London gesendet, und zwar in der tschechischen und slowakischen Sprache.

Falls Sie an Ansprachen von Präsident Beneš in BBC interessiert sind, empfehlen wir Ihnen, sich an den Tschechischen Rundfunk in Prag zu wenden.

 

Wieder einige interessante Informationen, die für mich jedoch weitere Recherchen bedeuten.Vielen Dank für die Antwort .

Wichtig ist aus meiner Sicht an der Geschichte, das Kosice wohl der einzigste Slowakische Sender war, der am 17.April 1945 bereits wieder auf Sendung gewesen ist !

 

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

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1931: Radiojournal Košice 
09.Dec.17 14:44
514 from 1788

Wolfgang Lill (D)
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Wolfgang Lill