Anmerkungen zu Ausstellungen

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ID: 523378
Anmerkungen zu Ausstellungen 
22.Apr.19 10:28
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Hans-Georg Schirmer (D)
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Hans-Georg Schirmer

In Ausstellungen – öffentlich oder privat – präsentieren wir die gesammelten Objekte unseres Metiers, die Radio- und Fernsehapparate, Grammophone, Tonbandgeräte usw.. Das geschieht in sehr unterschiedlicher Form. Aus Veröffentlichungen im RM oder auch der “Funkgeschichte” der GFGF erinnere ich mich an mehrere, eher kleine, aber durchaus ansprechend gestaltete Austellungen privater Iniatoren. Es gibt auch das Gegenstück. Ich habe vor Jahren ein Schlossmuseum hier in Norddeutschland besucht, in dem die sehr umfangreiche Sammlung P. aus U. ausgestellt war. Was man sah, waren Regale. In gesamter Höhe und Breite eng bestückt mit Radio an Radio, Plattenspieler an Plattenspieler. Die in Jahrzehnten beruflicher Tätigkeit fleißig zusammengetragenen Objekte endeten hier in einer Art Käfighaltung.  

Wie macht man es besser? 

Während meiner Mitarbeit an verschiedenen Museen in Norddeutschland habe ich selbst mehrfach aushilfsweise geholfen, Ausstellungen aufzubauen und konnte den professionellen Gestaltern dieser Veranstaltungen ein wenig über die Schulter schauen. Selbst wenig mit Kreativität gesegnet, habe ich aber bereitwillig Auskunft auf Fragen bekommen. Kursiv eingestreut sind einige Zitate aus e-mails und Gesprächen mit der Museumspädagogin und Archäologin Ulrike Mayer-Küster aus Wedel. 

Alle Alltagsdinge haben ein Erscheinungsdatum und bleiben unterschiedlich lange in Gebrauch. Auch Radios waren irgend wann nicht mehr aus dem Alltag fortzudenken. Selbst meine Großeltern – den unteren Einkommenschichten zuzurechnen – waren seit Mitte der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts stolze Besitzer eines Volksempfängers. Als sparsame, genügsame Menschen blieben sie über fast zwei Jahrzehnte auf diesen Empfänger fixiert, ohne die fortschreitende Entwicklung des Rundfunks und der Rundfunkempfänger zur Kenntnis zu nehmen. Ungeachtet der Technik der Volksempfänger, die man durchaus als Stagnation oder gar als Rückschritt ansehen kann, ist der Fortschritt aber auch auf dem Sektor der Funktechnik grundsätzlich ein evolutionärer Prozess. Auf den n-Kreiser folgte der (n+1)-Kreiser, dann kam der Superheterodyne-Empfänger, der Vorstufensuper, die Mehrfachmischung. Wer weiß das außer uns? Abgesehen von den Fachkundigen haben generell die wenigsten Leute ein Auge für typologische Entwicklungen. Darauf sind wir einfach nicht gepolt. Für jedweden Experten sind dagegen solche Reihen ganz logisch.

Zurück zur Ausstellung: Was können, was wollen wir also vermitteln?  

Je nach Interesse des Gastes mag es für den Einen die Entwicklung der Gehäuseformen sein, das unterschiedliche Design. Für einen Anderen das Innenleben, von der Röhre zum Transistor, für einen Dritten der Fortschritt der tragbaren Geräte, vom Koffer- bis zum Taschenradio. Wenn ein unbefangener Besucher am Ende seines Rundganges womöglich eine Ahnung davon vermittelt bekommen hat, welche Art von Radios es in welchen Zeiten gegeben hat, dann ist sicher viel erreicht.

(Vereinfacht stehen nachfolgend die Bezeichnungen Radio, Gerät, Rundfunkempfänger usw. stellvertretend für die große Zahl aller möglichen Sammelobjekte. Unter “Erweiterte Suche” im RM stehen allein 41 Kategorien)

Es stellt sich die Frage nach dem “Wie” der Vermittlung von Informationen. Sie ist zunächst nicht schwer zu beantworten. Ein probates Prinzip bei allen Lernprozessen in Lehre, Studium, Fortbildung lautet schlicht: Vom Bekannten zum Unbekannten. Wir spielen mit Assoziationen,wir stellen Verbindungen her. Ausstellungsbesucher kommen mit unterschiedlicher Allgemeinbildung. Darauf kann man eingehen. 

Ein Beispiel: Exponat sei eine Telefunken Arcolette 3 W (1927-1928). Beliebig aus dem Allgemeinwissen herausgegriffene, noch heute allgemein bekannte Ereignisse waren in der Zeit z.B. Charles Lindberghs Atlantiküberquerung oder der Film “Metropolis”. Beide Ereignisse, wie auch viele andere, eignen sich in Form von Plakaten, Buch- oder Zeitungsausschnitten (auch als bearbeitete Replikate) als Dekoration im Hintergrund des eigentlichen Ausstellungsstücks und schaffen damit die Verbindung des Radios mit der Zeit. Modebewussten Menschen hilft vielleicht eine Zeichnung der damals sehr speziell geprägten Damenmode, um eine Verbindung zum Ende der 1920er Jahre herzustellen. Ebenso tun es zeittypische Objekte aller Art, auch Haushaltsgegenstände, Familienbilder usw.. Per Heimsender kann man die Musik der Zeit – evtl. direkt über das Ausstellungsstück – einspielen. Es lassen sich Videoclips z.B. von politischen Ereignissen, etwa in Endlosschleife, abspielen. 

Manche Objekte sind weniger assoziativ geeignet. Beispiel 1950er Jahre: Ein kleiner Nierentisch oder eine der typischen, tütenförmigen Schwanenhals-Wandleuchten, die es nur in diesem begrenzten Zeitraum gab, könnten hervorragend eines der damals üblichen “Gebissradios” dekorieren. Ein anderer Typ Leuchte, ich denke an die verbreiteten Tiffany-Leuchten, wäre dagegen wenig aussagekräftig und scheidet aus. Denn diese Art Leuchtkörper gibt es seit etwa 1900, sie erlebten in den 1920/1930er Jahren einen Niedergang, in den 1950er Jahren eine Wiederauferstehung. Sie werden noch heute gefertigt und erlauben praktisch keine Zuordnung einer bestimmten Radioepoche.  

Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Der Realität allerdings schon – in Form mangelnden Raumes, fehlender Zeit und eines begrenzten Budgets. Aber ganz ohne eine Hilfestellung ist die Entwicklung[der Radios usw. für den nichtfachkundigen Besucher] kaum interessant oder gar spannend [zu gestalten]. Merke: Ein vor die Skala geklemmter Zettel mit der Notiz von Hersteller, Typ und Baujahr genügt nicht. 

Das bisher Gesagte gilt für öffentlich zugängliche Ausstellungen, in denen zumindest keine räumlichen Probleme existieren. Im privaten, häuslichen Bereich fehlt es selbst für bescheidene Präsentationen häufig am Platz, manchmal ist sogar simple Lagerfläche knapp. Wer wüsste das besser, als der Bewohner eines Reihenhauses, wie ich. Dennoch habe ich versucht, eine Ecke im Haus, hier für die Zeit (in etwas weiterem Sinne) um 1930zu gestalten. Zur Verdeutlichung alles vorstehend Geschriebenen habe ich ein Foto als Anlage beigefügt. Dem, der etwas mehr gestalterische Fähigkeiten als ich besitzt, gelingt es sicher besser, das Radio in zeitgemäße Umgebung “einzubetten”. Bei mir ist es leider nur eine Art Sammelsurium aus der Zeit geworden.

Hans-Georg Schirmer

Anlagen:

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01.May.19 01:03
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Jürgen Schliekau (D)
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Jürgen Schliekau

Lieber Herr Schirmer,

die von Ihnen beschriebene Sammlung im Schloss ist mittlerweile umgezogen. Sie befindet sich jetzt im Handwerksmuseum Suhlendorf, übrigens auch mit einer kleinen Werkstatt.

Für mich als Leiter eines Museums in der Nähe bzw. im gleichen Landkreis waren Ihre Ausführugen übrigens sehr interessant. Ich nehme Ihre Anregungen gern in meine Planungen auf, wobei ich die Möglichkeit der Wiedergabe alter Sendungen bereits ins Konzept einbezogen hatte. Drücken Sie mir die Daumen, dass ich das in den kommenden Jahren alles umsetzen kann.

Herzliche Grüße aus der Lüneburger Heide!

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