Asbest in alten Geräten

ID: 36839
Asbest in alten Geräten 
16.Nov.04 22:03
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Christoph Butterer (D)
Beiträge: 4
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Hallo Radiosammler,

vor einigen Tagen entdeckte ich bei einem Trödler ein hübsches Plattenspielerschränkchen. Der Trödler machte mich darauf aufmerksam, daß der Motor nicht mehr dreht, eine "Spule" sei defekt. Nach Abnahme der Rückwand entpuppte sich die Spule als Leistungswiderstand zur Anpassung des Gerätes an verschiedene Netzspannungen. Der gerissene Widerstandsdraht hätte mich nicht beunruhigt, der Widerstand selbst ist jedoch über Abstandhalter auf die Rückwand geschraubt und dazwischen befindet sich eine ca. 15 x 25 cm große weiße, faserige Platte, ich denke es handelt sich hierbei um Asbest.

In verschiedenen Broschüren öffentlicher Anlaufstellen (Umweltämter etc.) werden solche Platten zu den "schwach gebundenen" Asbestprodukten (SG Asbest, z.B. auch Spritzasbest) gezählt (im Gegensatz zu festgebundenen Asbestprodukten z.B. Asbestzement), welche schon bei geringen Erschütterungen erhebliche Mengen lungengängiger Fasern freisetzen können sollen. In solchen Broschüren wird auch außschließlich zur kompletten Entsorgung von Elektrogeräten geraten, die SG Asbest enthalten.

Ich denke, es handelt sich nicht um einen Einzelfall, auch in verschiedenen Gleich- bzw. Allstromempfängern soll es ähnliche Asbestplatten geben (VE301G).

Vielleicht gibt es im Forum einen Spezialisten, der sich bereits mit dieser Thematik beschäftigt hat. Den ansonsten gut erhaltenen Plattenspieler (ca. 1925) als Sondermüll zu entsorgen käme mir doch etwas "hart" vor. Einige hundert Euro in die Sanierung des Gerätes durch eine Spezialfirma zu investieren würde für mich natürlich auch nicht in Frage kommen.

Gibt es eine Möglichkeit solche Platten ohne Freisetzung von Fasern zu entfernen (vorheriges befeuchten oder Überstreichen) ?
Muß man in einem solchen Falle nicht davon ausgehen, daß das Jahrzehnte alte Gerät im Innern inzwischen erheblich "kontaminiert" ist, und somit auch nach Entfernung der Platte ein Gesundheitsrisiko darstellt ?
Ich denke auch, daß man nicht versuchen sollte, solche Geräte mit einem handelsüblichen Haushaltsstaubsauger zu reinigen, da gerade die gefährlichen, lungengängigen Fasern (Länge 0,005 bis 0,3 mm) nicht in den Filtern zurückgehalten, und so in der Raumluft verteilt werden.

Wer hat bereits Erfahrungen auf diesem Gebiet gesammelt und möchte diese weitergeben ?

Vielen Dank
...und viele Grüße

Christoph

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Asbest in alten Radiogeräten 
18.Nov.04 08:12

Rüdiger Walz (D)
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Rüdiger Walz

Hallo Herr Butterer,

ein Zitat der einschlägigen Bestimmungen hilft bei solchen Kleinigkeiten sicher nicht weiter. Sie sind eher für große Asbestkontaminationen wie ganze Hochäuser gedacht ( prominentestes Beispiele "Haus des Volkes" in Berlin)
Vor einigen Jahrzehnten erkannte man, daß Asbestfasern lungengänig sind, so in den Körper galangen und Krebs erzeugen können. (Obwohl die Asbestrankheit bei Arbeitern im Asbestabbau schon lange bekannt war) Bis in die 70 er Jahre wurde im Baubereich Spritzasbest und Asbestplatten verwendet zur Isolierung von Kabel- und Lüftungsschächten oder zur Fugenabdichtung. Früher war die Verwendung von Asbestschnur in jedem Haus für die Abdichtung der Ofenrohre üblich (Habe ich selbst noch gemacht) . Auch wurden Millionen Quadratmeter Eternit verbaut, die heute für eine Hintergrundbelastung an Asbestfasern überall sorgen.
Einmal erkannt, daß das Produkt gefährlich ist, unterliegt es Vorschriften und Verhaltensmaßnahmen. Was jahrzehntelang sorglos gehandhabt wurde, ist plötzlich gefährlich. 
Man muß aber zwischen Gefahr und Risiko unterscheiden.  
Ein Löwe ist sicherlich gefährlich, jedoch hinter Gittern im Zoo besteht kein Risiko, gefressen zu werden.
Genauso ist es mit krebserregenden Substanzen. Schauen Sie mal beim nächsten Tanken auf Ihre Zapfsäule: Benzin enthält nicht wenig Benzol und das ist sehr krebserregend, daher der Totenkopf auf der Zapfsäule, aber das scheint niemanden zu stören. Weder Tankwarte noch Verbraucher tragen Gasmasken...... Man hat aber nach langen Diskussionen wenigstens Zapfpistolen mit Pendelluft eingeführt.
Genauso streiten Experten, ob die hektisch einsetzende Sanierungstätigkeit vor allem in öffentlichen Gebäuden nicht mehr Asbestfasern freisetzt, als wenn man das Gebäude in Ruhe lassen würde, oder den vorhandenen Asbest einfach mit Bindern behandelt.

Zurück zur Asbestpappe: Ich würde das Stück auf jeden Fall erst einmal mit einem Lack oder Epoxidharz tränken und so den weiteren Zerfall aufhalten. Je nach Nutzung (Daueranwendung oder nicht) und Hitzentwicklung des Gerätes würde ich das Asbeststück dann darinnen lassen oder gegen eine Fermacellplatte austauschen. Von diesen Platten gibt es sicher Abfallstücke bei Unternehmen, die sich mit Trockenausbau beschäftigen. Sie sind Feuerfest bis zu einem bestimmten Grade und erfüllen den Zweck. Das ausgebaute Asbeststück müssen Sie dann bei Ihrer Gemeinde beim Sondermüll entsorgen.
Bei der Reinigung des Gerätes können Sie im ersten Schritt feuchte Papiertücher verwenden, die sie wegwerfen können.

Grüße
Rüdiger Walz

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19.Nov.04 00:09

Christoph Butterer (D)
Beiträge: 4
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Hallo Herr Walz,

vielen Dank für Ihre Antwort !
Ich denke auch, daß man die Gefahr, die von Asbest ausgeht, durch vorsichtiges Überstreichen mit Lack oder Harz bändigen könnte. Durch eine anschließende gründliche und vorsichtige (kein Staub aufwirbeln) Reinigung mit feuchten Tüchern lassen sich auch noch evtl. im Innern vorhandene Fasern entfernen.

Trotzdem bleibt bei mir irgendwie ein ungutes Gefühl, vielleicht auch weil man die gefährlichen kleinen Fasern nicht sehen, riechen oder sonst irgendwie spüren kann. Da ich das Gerät auf jeden Fall auch zum Abspielen meiner Platten verwenden wollte, würde ich wohl ständig an irgendwelche "Fasern" denken, die mir bei der Reinigung entwischt sind, und mir nun aus dem Trichter entgegenschweben...

Ich werde den Plattenspieler nun wohl doch erstmal beim Trödler stehen lassen, in der Hoffnung daß mir mal wieder einer über den Weg läuft, einer mit Federmotor...

nochmals Danke und viele Grüße,

Christoph Butterer

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19.Nov.04 10:51

Harald Pohlmann (D)
Beiträge: 107
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Harald Pohlmann

Hallo,

auch mir sind schon öfter Asbestsücke in alten Geräten begegnet (nicht nur in Radios sondern auch in Projektoren, Mikroskopleuchten und Laborgeräten). Kleine Holzgeräte haben oft eine Platte über dem Heizkreis-Vorwiderstand (zB der EAK Zwergsuper model_id=14240). Die Widerstände selbst können manchmal auf einer Gewindestange sitzen; dann werden Asbest-Unterlegscheiben verwendet um Wärmeausdehnung aufzunehmen. Ein einfacher Test bringt Gewissheit ob es sich wirklich um Asbest handelt. Wenn eine kleine Probe in die Flamme vom Feuerzeug gehalten wird, würden Glasfasern abschmelzen und Pappe verkohlen. Die Asbestfasern werden weißglühend ohne sich zu verändern. Ein eventuelles Tränkmittel sollte genügend Fließfähigkeit haben um tief in das Material einzudringen. Allerdings erhöht sich dadurch die Wärmeleitfähigkeit und durch die Hitze können über lange Zeit Dämpfe entweichen. Chassis mit verdächtigem Staub reinige ich mit einem Benzin-Öl-Gemisch (1:1). Es fließt sehr schnell und benetzt den Staub gut. Nach dem Verdunsten des Benzins kann man alle Teile in Ruhe putzen.



Grüße, Harald Pohlmann

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Reinigungsarbeiten 
20.Nov.04 19:49

Rüdiger Walz (D)
Ratsmitglied
Beiträge: 743
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Rüdiger Walz

Hallo Herr Butterer,

ich wurde aufmerksam gemacht, das man die Reinigungsarbeiten am besten im Freien ausführen sollte. (Danke Herr Schön)

Ihre Angst ist meiner Meinung nach unbegründet. Das Gerät müßte innen schon Schchten von Asbeststaub zeigen, die auch noch durch Zugluft permanent in Ihrer Wohnung verteilt werden müßten, damit eine gefährliche Konzentration entsteht. So zerbröselt kann das Stück Asbestpappe gar nicht sein.
Wie gesagt, verbaute Asbestplatten in Iherer Umgebung geben sicher mehr Fasern ab.

Aber jeder muß das für sich beurteilen. Ich stimme Ihnen zu, ein Gerät, bei dem man ein schlechtes Gefühl hat macht keinen Spaß.

Grüße
Rüdiger Walz

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