Das Ende der Deutschen Welle als KW Broadcaster

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ID: 268317
Das Ende der Deutschen Welle als KW Broadcaster 
25.Oct.11 12:03
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Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
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Dietmar Rudolph † 6.1.22

Das Ende der Deutschen Welle als Broadcaster über Kurzwelle (das "lineare Programm") steht unmittelbar bevor, wie aus einer Mail zu entnehmen ist, die das Kundendienst-Team der DW an Hörer der DW verschickt hat.

Liebe Hörerinnen und Hörer der Deutschen Welle,

zur Umstellung von mitteleuropäischer Sommerzeit (MESZ), auf die mitteleuropäische Normalzeit (MEZ) am 30. Oktober 2011 wird das Deutsche Programm neue Wege gehen. So wird aus dem Deutschen Radioprogramm ein multimediales Angebot, das Informationen, Hintergrund und Analyse zu allen wichtigen Entscheidungen, Entwicklungen und Trends aus Deutschland bietet.

Gemäß der unternehmenspolitischen Strategie für die Jahre 2010 bis 2013 setzt die Deutsche Welle auf ein Online-Angebot, das alle inhaltlichen und technischen Möglichkeiten nutzen wird.
Die Ausstrahlung eines linearen Radioprogramms über Kurzwelle, Satellit oder Livestream werden wir zur Winterzeit 2011 dagegen beenden. Unsere Podcasts "Wirtschaft", "Kultur", "Studi-DW", "Wissenschaft", "Bücherwelt" und "Nachrichten" sowie Audio-on-Demand-Angebote bleiben erhalten.
Auf unserer Webseite finden Sie alle Programminformationen zum aktuellen Angebot der DW. Hier werden Sie viel Liebgewonnenes und Interessantes wiederfinden.

Gern möchten wir Ihnen – als interessierten und engagierten Hörern – den Umfang und die Gründe der Änderungen etwas genauer erklären: Sowohl inhaltliche als auch wirtschaftliche Gründe haben zu unseren Entscheidungen geführt. Zunächst einmal richten sich die Angebote der Deutschen Welle an eine Zielgruppe, die gesetzlich vorgegeben ist. Das sind in erster Linie Menschen im Ausland mit Interesse an Deutschland und der deutschen Sprache. Ihnen sollen wir ein umfassendes Bild des politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens im heutigen Deutschland vermitteln sowie die deutschen Auffassungen zu wichtigen internationalen Themen darstellen und erläutern. Für diese Zielgruppe ist ein multimediales Online-Angebot, das sich auch zeitlich versetzt und im eigenen Rhythmus nutzen lässt, nach Überzeugung der Deutschen Welle am besten geeignet. Alle Programmverantwortlichen müssen daher kontinuierlich entscheiden, wie sie die zur Verfügung stehenden Mittel bestmöglich zur Erreichung unserer Zielgruppe einsetzen In diesem permanenten Abwägungsprozess haben wir uns im Falle des deutschsprachigen Angebots für die dargestellten Veränderungen entschieden.

Wir möchten uns herzlich bei allen Hörerinnen und Hörern für die langjährige Treue bedanken. Wir hoffen, dass Sie die Gründe für unsere Entscheidungen nachvollziehen können und unsere neuen Angebote Sie auch begeistern können. Daher möchten wir gerne erfahren, wie wir weiterhin Ihre Adresse für Nachrichten und Hintergrund aus und über Deutschland sein können. Geben Sie uns Ihr Feedback damit wir Sie mit unserem multimedialen Angebot stets gut informieren zu können. Wir freuen uns auf Ihre Reaktionen.

Vielen Dank für Ihr Verständnis und Ihr Interesse!

Freundliche Grüße

Ihr Kundenservice-Team

Deutsche Welle | Kurt-Schumacher-Str. 3 | 53113 Bonn | T. +49-228-429-4000 |
info@dw-world.de| www dw-world.de

Interessant ist der Euphemismus mit dem eine solche Einsparung und Kürzung als Verbesserung und Fortschritt auch auf der Homepage der DW dargestellt wird.

Hoffentlich geben möglichst viele der DW ein passendes Feedback!

MfG DR

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Logische Entwicklung 
25.Oct.11 13:22
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Martin Steyer (D)
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Martin Steyer

Die Entwicklung paßt ins krude Konzept der Politik.Die DW wird ja wohl aus Steuermitteln finanziert, da ist Multimedia-Mischmasch angesagt und nicht Information auf Kurzwelle. Diese wird ja ohnehin verstärkt gestört (Inhouse-PLC, China-Schrott mit Störstrahlungen, etc.). Dafür interessiert sich auch kein Politiker. Auslandsempfang in deutscher Sprache war ja schon seit geraumer Zeit nicht mehr opportun.

Im Internet gibt es genug online-Angebote, man denke nur an die verstärkte Präsenz der öffentlich-Rechtlichen, da ist eine DW völlig überflüssig und eine Verschwendung von Steuergeld. Wenn man das Ansehen Deutschlands steigern will, sollte man die DW komplett dichtmachen und das gesparte Geld den Goethe-Instituten zugute kommen lassen.

Leider ist der letzte (und einzige?) Kurzwellensender mit vernünftigem Inhalt der DLF auf 6190 KHz im 49-m-Band. Bedauerlicherweise ist der Sender in Berlin mit 17 KW sehr schwach, er kam im Oktober 2011 auf Sardinien tagsüber selbst mit professioneller Empfangsausrüstung (7-m-Vertikalantenne mit Tuner, Amateurfunk-Transceiver Kenwood TS-480) nur schwach und gestört an. Nachmittags und am Abend wurde er von einem knüppeldicken Chinesen auf derselben Frequenz plattgemacht.

Ein Aufstocken der Strahlungsleistung wäre eine Alternative zur DW, der ich so wie sie sich zuletzt präsentiert hat, keine Träne nachweine.

Kopfschüttelnd,

Martin Steyer

 

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Chinese 
26.Oct.11 10:19
201 from 5950

Michael Watterson (IRL)
Redakteur
Beiträge: 1126
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[Kindly translated by Rudolph Dietmar]
Demnächst wird es wohl nur noch Chinesische Sendungen (in vielen Sprachen) auf Kurzwelle geben. Selbst auf KW Stationen in Großbritannien wurde von ihnen Sendezeit angemietet und der BBC Word Service muß jetzt privat finanziert werden statt wie bisher durch das Auswärtige Amt, was zu einer dramatischen Reduzierung der Sendungen auf Kurzwelle geführt hat.

Als Begründung dafür, daß die Kurzwelle nicht mehr gebraucht würde, wird die Aussendung über Internet, Satelliten und UKW-Relaisstationen angegeben. Das gleiche gilt für die Mittelwelle. (Irland beendete die MW Aussendungen nachdem der private Programmanbieter für die Langwelle, welcher daran beteiligt war, in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet und über MW und LW nur noch  das gleiche Programm sendete.)


[Mike: ist this correct translated? The commercial company had financial problems and finished MW because the programs on WM and LW then were identical?  

Rudolf: Ungefähr ja, ursprünglich Geld sparen, aber sie haben finanzielle Problem nun mit Kosten von DTT: Mike, Approximately yes, Originally to save money, but they have financial problem now with cost of DTT ]

Aber ein Programm über Satellit kann nicht portabel oder mobil empfangen werden, was ganz offensichtlich ist - und für stationären Empfang darf nicht jeder eine Schüssel montieren.

Wenn Rundfunkempfang (Radio und Fernsehen) über das Internet sich allgemein durchsetzt, wird das viel teurer als das bisherige Rundfunksystem, denn jeder Teilnehmer benötigt einen eigenen individuellen Datenstrom. Nicht jeder hat aber Zugang zum Internet und dieses kann zudem durch eine lokale Behörde leicht blockiert werden. "Portable" Internet Radios sind  teuer, große Batteriefresser und benötigen zudem einen lokalen WiFi Punkt.

UKW oder DAB haben nur ein begrenztes Versorgungsgebiet, weshalb die Versorgung einer größeren Fläche teurer werden kann. Selbst nach 60 Jahren ist die Versorgung über UKW noch geringer als mit MW oder LW. Die Versorgung mit DAB in Großbritannien ist noch schlechter. In Irland ist die DAB Versorgung selbst 5 Jahre nach ihrem Beginn noch geradezu lächerlich gering (Teile im Südwesten und eine weitere Stadt). Mit DRM+ (auf 40MHz - 50MHz) könnte eine nationale Versorgung mit 5 bis 8 Senderstandorten möglich sein. Jedoch würden im VHF Band III (175MHz - 275MHz) für eine auch für portablen Empfang ausreichende Versorgung mindestens 80 Senderstandorte erforderlich werden.

Nun hat man einige AM (LW, MW, KW) Senderstandorte geschlossen um dadurch etwas Geld zu sparen, jedoch gibt es bislang keine gute Alternative. Betrachtet man Gehälter, Programmgestehungskosten (oder was man ausgeben sollte um Programme zu machen) und die Kosten für terrestrische Digitale Übertragung, ist dann LW/MW/KW mit ihren einzigartigen Versorgungsflächen und den energiesparenden Empfängern wirklich teurer?

Gut, der Kalte Krieg zwischen Ost und West gehört der Vergangenheit an, aber es gibt trotzdem noch genügend ideologischen Konflikt. Es gibt immer mehr und vor allem repressive Regime, die die Übertragung über Satellit und Internet stören oder blockieren. (Iran nutzt lokale Störsender um den Satellitenempfang zu stören und Kuba verwendet Störsender um den Uplink von Satelliten zu blockieren.)

Ich glaube, daß wir deshalb nach wie vor LW/MW/KW Sender mit Amplitudenmodulation noch für mehr als 10 Jahre brauchen bis DRM und DRM+ sich auf den AM-Bändern und im unteren VHF Band etabliert haben.

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Selbstabschaffung der Deutschen Sprache 
20.Nov.11 17:38
594 from 5950
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Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
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Dietmar Rudolph † 6.1.22

In dem Beitrag im Talk "Deutsche Welle" wird auf einen Artikel in der ZEIT hingewiesen, in dem die Konsequenzen dieser Entscheidung der DW behandelt werden.

Der längerfristig wichtigste Aspekt dürfte "die Selbstabschaffung der Deutschen Sprache" sein, auch wenn kurzfristig die Trauer über das Verschwinden eines analogen Kurzwellenprogramms überwiegen mag.

GLAUBEN & ZWEIFELN

3. November 2011 DIE ZEIT No 45  S. 5 3

MEDIENSKANDAL

Den Zensor freut's

Die Deutsche Welle schaltet ihr Auslandsradio ab

Alles still im Äther. 6150 kHz. 12 045 kHz. 15 275 kHz. Man kann auf dem Weltempfänger herumdrehen, so viel man will, auf allen Frequenzen ist nur noch sphärisches Knistern zu hören. Keine Nachrichten. Keine politischen Analysen. Keine Kulturmagazine. Keine Musik. Kein Sport. Nichts mehr. Die Deutsche Welle beende »die Ausstrahlung eines linearen Radioprogramms zur Winterzeit 2011«, heißt es lapidar in einer Mitteilung des Funkhauses in Bonn. Devise: Merkt eh keiner da draußen, wenn das deutschsprachige Kurzwellenangebot verschwindet. Ist ja nur olles Radio, ein Medium von vorgestern.

Die Funkstille nach fast 60 Jahren Sendezeit dürfte die treuen Hörer rund um den Globus im wahrsten Sinne sprachlos hinterlassen. Es geht dabei nicht um ein paar ewig gestrige Deutsch-Südwester, die auf ihren Farmen in Namibia beim Wunschkonzert mit Heino schunkeln. Oder um die Missionsschwester in Papua-Neuguinea, die andächtig dem Sonntagsgottesdienst aus dem Dom zu Speyer lauscht. Oder um den ZEIT-Korrespondenten, der im kongolesischen Urwald begeistert einen Bundesliga Livekommentar von Sabine Töpperwien aus dem Stadion seiner Dortmunder Borussen hört. Es geht auch nicht um das Deutsch sprechende Publikum in aller Welt, um junge Afrikaner zum Beispiel, die die Texte von Grönemeyer auswendig kennen und die Deutsche Welle als unabhängige Nachrichtenquelle schätzen, weil in ihren Ländern die Zensoren herrschen. Es geht um die allmähliche Selbstabschaffung der deutschen Sprache.

Rund 6000 Sprachen werden heutzutage auf der Welt gesprochen. Wenn die Vorhersagen der Linguisten zutreffen, sind in hundert Jahren nur noch 200 bis 600 übrig. Deutsch werde zwar dazugehören, prophezeit der Sprachwissenschaftler Jürgen Trabant, aber nicht mehr als Kultur- und Hochsprache, sondern als Vernakularsprache. Als Eingeborenenidiom also, das noch von ein paar Millionen Leitkulturdeutschen praktiziert wird. Das liege nicht nur an der demografischen Schrumpfung, sondern an der »kulturellen Mutlosigkeit« der Sprecher, an der »verschwundenen Liebe« zu ihrer Sprache, an der verzagten Schul- und Bildungspolitik. Und an der nahezu unbemerkten, aber folgenschweren Entscheidung, die nun auch der öffentlich-rechtliche Sender Deutsche Welle getroffen hat: German is out.

Was bieten die DW-Programmdirektoren der verstörten Hörerschaft stattdessen an? Eine neue »unternehmenspolitische Strategie«, die auf ein multimediales Onlineangebot setzt. Podcasts, Apps, Audio, on-Demand: radiophone Infoschnellkost, serviert in kleinen, bekömmlichen Internerhäppchen. Noch rascher, noch oberflächlicher, noch banaler, und alles in Echtzeit. Man will im Rattenrennen in der schönen neuen digitalen Medienwelt schließlich nicht zurückfallen. Die deutsche Stimme ist in der wunderbaren Sprachenvielfalt des globalen Hörfunks verstummt. Ende der Durchsage. BARTHOLOMÄUS GRILL

Man kann sich auch kaputt sparen.

MfG DR

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