Die erste Audiokassette - von Poulsen

ID: 140011
Die erste Audiokassette - von Poulsen 
03.May.07 22:15
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Georg Richter (D)
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Georg Richter

Das "Jahrbuch der Technik - Technik und Industrie", 15. Jahrgang 1928/1929, berichtet:

"Schon vor drei Jahren wurde von der Erfindung der elektromagnetischen Diktiermaschine gesprochen, aber gut Ding will scheint's Weile haben. Jetzt endlich rückt das neue Bürogerät der kaufmännischen Realisierung näher, die für den Gebrauch das Wesentliche ist. Der dänische Ing. Poulsen ersetzte die mechanische Tonschrift des Diktaphons auf der Wachsplatte durch das Aufmagnetisieren der Tonwellen auf Stahldrähte. Die Schwingungen der Geräusche, Gespräche, Klänge prägen sich dem ablaufenden Draht als Magnetisierung auf und lassen sich auch umgekehrt auch wieder von diesem auf einen Elektromagnetsprecher übertragen. Einfaches Durchziehen des Drahtes durch einen Löschmagneten macht den Draht wieder neu aufnahmebereit. Auch Korrekturen kann man auf diese Art an dem besprochenen Drahtteil vornehmen. Hoffentlich lässt der Verkaufsbeginn nicht mehr zu lange auf sich warten"

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Drahttongerät 
03.May.07 22:51

Ernst Erb (CH)
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Ernst Erb

Auszug aus "Radios von gestern", Seite 192:

"1898 baut Valdemar Poulsen, dänischer Elektrotechniker (Kopenhagen 1869-1942 Gentofte), das "Telegraphon" oder den "sprechenden Draht".

Er magnetisiert einen an einem Tonkopf vorbeigeführten Eisendraht im Rhythmus der Schallwellen. Beim Abspielen erzeugt die unterschiedliche Magnetisierung wieder eine Wechselspannung der Aufsprechfrequenz. Poulsen erhält am 10.12.1898 das deutsche Patent Nr. 109569. Ein paar Jahre später erfindet Poulsen den Lichtbogensender.

Auf der Weltausstellung von 1900 kann er ein Gerät vorstellen, das statt einer Drahtgeschwindigkeit von 20 m/s eine von 2 m/s aufweist und erhält dafür den Grand Prix. 1908 nimmt man beim Internationalen Technikerkongress in Kopenhagen sämtliche Reden auf Draht auf. Eine breite Anwendung kommt nicht zustande, da noch keine Verstärker existieren. Ausserdem muss man gerissene Drähte schweissen.

1916 gibt es bereits ein Patent für die Aufzeichnung von Bild und Ton für den "sprechenden Film". 1918/19 patentiert Curt Stille (1873-1957) die Ausnutzung des Rücklaufs durch unabhängige Aufzeichnung zweier Signale. 1922 leisten die Italiener Mario Marchetti und Ansonio Padiglione einen weiteren Entwicklungsbeitrag. Durch die Verbesserung der Verstärkertechnik lebt der Magnetton in den 20er Jahren wieder auf; die Dicke der Drähte sinkt von 1 auf 0,1-0,2 mm, so dass für das Reparieren von gerissenen Drähten ein "Weberknoten" genügt. Tiefe Frequenzen induzieren in der Hörspule geringere Ströme als hohe; korrekter Frequenzgang benötigt elektronischen Ausgleich.

Stille gründet das Telegraphone Patent Syndikat und bringt über die Echophon-Maschinen-GmbH die ersten serienmässigen Geräte unter dem Namen Daylygraph und Diktiergeräte unter dem Namen Textophon heraus. Sie besitzen Röhrenverstärker.

Die Firma Max Kohl baut 1921 in Chemnitz ein "lautsprechendes Telegraphon" mit einer Stahlscheibe von 130 mm Durchmesser, das wie die Schallplatte (aber ohne Nadelgeräusche!) spiralförmig abtastet.
In England versucht Blattner das Verfahren beim Tonfilm einzuführen und entwickelt das Blattnerphone. 1932 kommt die historische Weihnachtsansprache König Georgs V. mit dem Gerät zur Aufnahme und BBC sendet sie später.

Auch in Deutschland finden die "Stahltonmaschinen" einige Anwendungen für Reportagen. Man kann den Frequenzumfang nicht über 4 kHz entwickeln; das Grundrauschen und die magnetische Sättigung des Stahls verhindern eine grössere Dynamik als 20-30 dB (Decibel). Poulsen erreichte 15-18 dB. Stille und S. Begun entwickeln bei der Firma Lorenz ein Stahldrahttongerät, das einige europäische Rundfunkanstalten für Reportagezwecke verwenden.

Geräte mit Stahldraht als Tonträger spielen bei der US-Armee während des Zweiten Welkrieges eine grosse Rolle für die Berichterstattung. Die von der US-Luftwaffe benutzten Apparate haben ein Gewicht von nur ca. 4 kg. Der etwa 3650 m lange Stahldraht gestattet die Aufnahme eines Diktats von 60 Minuten".

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