Die Wunderlich Röhren

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ID: 89454
Die Wunderlich Röhren 
24.Jan.06 11:49
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Wolfgang Holtmann (NL)
Redakteur
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Wolfgang Holtmann


Der Amerikaner Norman E. Wunderlich hatte Anfang der 30er Jahre eine Schaltung zur Demodulation (AM) bei gleichzeitiger NF-Verstärkung erfunden. Die Fa. ARCTURUS TUBE CO. kaufte das Patent und fertigte diese unter der Bezeichnung „Wunderlich-A“ und „Wunderlich-B“. Röhren die den Zusatz „Auto“ trugen, hatten anstatt Uf =2,5V, eine Uf = 6,3V.
 

Eine außergewöhnliche Röhrenkonstruktion



Die Röhre hat eine Katode und einen Anodenkasten. Ineinandergreifend hat man zwei exakt gleiche Steuergitter eingebaut und haben daher auch einen gleich großen Einfluss auf den Anodenstrom. Mehr Bilder hier:

Hinweis:
Aber auch z.B. Sylvania und KenRad hatten „Wunderlich Tubes“ (unter anderen Bezeichnungen) in ihren Programmen. Der Systemaufbau und die Kenndaten waren allerdings etwas abweichend.


Funktionsbeschreibung:
Zum besseren Verständnis habe ich die Röhre „flach gelegt“. Zunächst betrachten wir nur den Rot markierten, hochfrequenten, Signalweg (ZF).  



Die sekundäre Wicklung des ZF-Trafos ist mit einer Mittelanzapfung versehen. Die an den Enden gegenphasige Wechselspannungen werden den beiden Gittern zugeführt. Es findet eine gewöhnliche Doppelweggleichrichtung statt, wobei C den Ladekondensator und R den Entladewiderstand darstellt. Man könnte g1 (= Grid A) und g2 (= Grid B) hierfür auch als a1 und a2 betrachten.

Da beide Gitter jedoch hochfrequenzmäßig gegenphasige Spannungen erhalten, bleibt der Elektronenstrom von der Katode zur Anode dadurch unbeeinflusst!! (heben sich in ihrer Steuerwirkung auf). Im gezeichneten Beispiel bedeutet das: wenn an g1 (a1) die max. positive Spannung steht, ist in diesem Augenblick die Spannung an g2 (a2) max. negativ gegenüber Katode. Es fließt weiterhin der Anodenruhestrom der von der neg. Richtspannung an Punkt B abhängig ist. Die mittlere Wert davon wird von der Empfangsstärke beeinflusst und kann zur Regelung (AGC-AVR) benutzt werden.

Die Richtspannung an Punkt B (Hellblau) ändert sich außerdem im Rhythmus der Amplituden-Modulation des ZF-Signals. Man erhält also hier schon die gewünschte NF. Das Besondere bei der „Wunderlich“ Schaltung ist, die weitere NF-Verstärkung wird in der gleichen Röhre vorgenommen. Man spart somit eine zusätzliche Röhre!  

Wir sehen, von Punkt B über die ZF-Trafowicklung, liegt die gewonnene NF (Hellblau) auch an beiden(!) Gittern an. Jetzt aber steuern beide Gitter den Anodenstrom niederfrequenzmäßig im Gleichtakt! An der Anode kann die verstärkte NF entnommen werden und zwar mit nur geringen Hochfrequenzanteilen.

Bleiben für mich noch ein paar Fragen offen:
Die neg. Gittervorspannung (= Richtspannung an Punkt B) ist nicht festgelegt, sondern variiert mit der Senderstärke. Muss das nicht störende Verzerrungen (besonders bei hohen Modulationsgraden) mit sich bringen, wenn der Arbeitspunkt im gekrümmten Teil der Kennlinie zu liegen kommt?
Wenn ich mal Zeit habe, will ich so eine „Wunderlich-Schaltung“ nachbauen mit Röhren wie: 6J6 (Anoden parallel), 1SH37B, ECC82 (Katoden u. Anoden parallel).  

Internet Link:

Hier ein Bild der Wunderlich-A in der 6-Stift Variante (von unserem Mitglied Hans-Thomas Schmidt).

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24.Jan.06 13:48

Felix Schaffhauser (CH)
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Felix Schaffhauser

Danke für den interessanten Beitrag! Solche "Abnormitäten" beleben unser Gedankenfeld und dienen ausserdem dazu bestehendes Wissen zu vertiefen.
Mich hat die Anwendung dieser Wunderlich-Röhre sehr angeregt. Der ganzen Erklärungsweg ist korrekt und gut nachvollziehbar.
Es ist tatsächlich so, dass wegen der Vollweggleichrichtung der HF eine (negative) Richtspannung entsteht. Dieser überlagert ist nun die NF. Die Richtspannungt legt so quasi den Arbeitspunkt auf der Ug-iA-Kennlinie fest:
Bei kleiner HF befindet sich dieser also bei kleiner Ug in einem normalerweise ziemlich linearen Gebiet und die NF Verstärkung dürfte unverzerrt sein. Lediglich bei sehr hohen HF Spannungen rutscht der Arbeitspunkt nach negativen Gittervorspannungswerten und die gleichzeitig grossen NF- Schwankungen werden unten abgeschnitten.
Um das zu vermeiden gibt es meines Erachtens 2 Möglichkeiten.
1. Durch eine gute HF-regelung vermeidet man das Entstehen einer zu grossen neg. Richtspannung und erreicht bei geeigneter Dimensionierung ein Arbeiten im mehr oder weniger linearen Teil der Kennlinie.
2. und da bewege ich mich wegen mangelnder Kenntnisse der Konstruktion der Wunderlich-Röhre  etwas im spekulativen Gebiet, ist durch geeignete Anordnung der beiden Gitter (Steigung, Distanz zur Kathode, Dicke der Gitterdrähte) erreicht, dass die Ug/iA-Kennlinie einen Verlauf ähnlich einer Regelröhre enthält. Die ist dann zwar nicht besonders linear, aber grössere Verzerrungen durch ein Beschneiden grosser NF-Amplitudenwerte werden vermieden.
So oder so sehe ich mit Interesse einem Versuchsaufbau entgegen, wobei bei den vorgeschlagenen Röhren vermutlich von Möglichkeit 1.) Gebrauch zu machen wäre.

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24.Jan.06 21:43

Konrad Birkner † 12.08.2014 (D)
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Konrad Birkner † 12.08.2014

Hochinteressant!

Da die Schaltung eine recht gute Symmetrie der Systeme erfordert, scheint mir ein Aussuchen der Röhre auf gleiche Emission der beiden Kathode (bzw. -teile) unumgänglich. Bei Wunderlich ist die Symmetrie durch die absolut gemeinsame Kathode und Anode sowie die ineinamdergeschachtelten Gitter gewährleistet.

Das interessiert mich,
viel Erfolg!
KoBi

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24.Jan.06 22:26

Jacob Roschy (D)
Moderator
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Jacob Roschy

Auch meinen Dank für diesen interessanten Beitrag!

Genau so habe ich mir die Funktion der Wunderlich- Röhre vorgestellt, obwohl ich nie ein Schaltbild davon gesehen hatte !

Ich habe auch meine Bedenken, wie es bei größeren Signalen mit der Linearität aussieht.

Daraus, dass dieses Prinzip erfolglos blieb, lässt erahnen, dass es gravierende Nachteile gegenüber anderen Lösungen hatte. Ein Nachteil ist schon mal, dass sich die Lautsärke erst hinter dieser Röhre regeln lässt und diese Röhre immer mit vollem NF- Pegel ausgesteuert wird.

Eine Duodiode-Triode ala 6Q7 oder ABC1 war auch wohl kaum aufwändiger in der Herstellung.

Ob sich die Funktion dieser Röhre durch zwei parallel geschaltete, wie auch immer geartete Trioden simulieren lässt, bezweifele ich. Das jeweils leitende Gitter hat immer um 0 V und zieht demnach die entsprechende Anode nach unten.

MfG JR

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Wunderlichröhren in Radio-Serienproduktion 
27.Jan.06 07:19

Ernst Erb (CH)
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Ernst Erb

Gibt man im SEARCH den Begriff Wunderlich ein, kommt dieser Beitrag plus andere ohne viel Bedeutung - aber man findet auch Radiomodelle - z.B. Sparton 34, ein Autoradio mit der type 70.

Natürlich kann man für Modelle mit Wunderlichröhren geeigneter suchen:
Reiter Röhren, Suche "Röhre nach Kriterium" , einstellen "Typ", dann auf GO klicken, dann wieder wählen - bei TETRODE unterste Auswahl "Wunderlich". Da erhaltet man einen  guten Überblick über die 14 gelisteten Röhren (hier eine mit 5 Stiften und Obenanschluss), die eigentlich mehr aus Papiervarianten bestehen, denn aus echten verschiedenen Wunderlichröhren. Als Nachschlagewerk sind wir "verpflichtet", alle bekannten Wunderlich-Typen zu führen - aber auch aufzuzeigen, was das auf sich hat. Das hat nun Wolfgang Holtmann in seiner methodischen Art getan. Danke. 

Er wird möglicherweise noch etwas zur Wunderlichröhre zu schreiben haben oder bei den Wunderlich-Röhren noch nicht fertig sein. Hier will ich aber zeigen, dass die Wunderlichröhre auch in kommerziell gefertigten Radios vorkommen. So zumindest in den USA und in Frankreich. Wenn man die Trefferliste (Resultatliste) nach obiger Suche anschaut, dann ersieht man sofort, wo es bei den Wunderlichröhren Modelle hat. Man kann auf der Wunderlichröhre auch um die 40 Modelle klicken.

Da ist mir aufgefallen, dass Walter Wiesmüller auch einen Schaltplan mit Wunderlich-Röhre hochgeladen hat: Stewart-Warner hat zumindest den R104A, R104B und R104E mit dieser Röhre (als 7-Kreis Superhet) gebaut.

Zu dieser Zeit ist ein solcher Versuch eher Wunderlich ...

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27.Jan.06 12:01

Wolfgang Holtmann (NL)
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Wolfgang Holtmann

 

Meinen herzlichen Dank für das positive Echo auf meine bisherigen Ausführungen!

Nun muss ich gestehen, für mich war diese Röhrensorte bisher unbekannt. Das wird wohl darin begründet sein, im deutschsprachigen Raum wird/wurde so gut wie nichts darüber berichtet. Wie Herr Roschy schon schrieb, dem Schaltungsprinzip hafteten zu viele Nachteile an, was die rel. kurze Produktionsperiode erklärt. Trotzdem sind diese "Nischen", radiohistorisch gesehen, ein sehr interessantes Gebiet, wie Herr Schaffhauser bereits anführte.

Um mit Fakten über die Wunderlich-Röhren zu kommen, stehen mir zwei Informationsquellen zu Verfügung:

  1. Das Internet
  2. Röhrendatenbücher

Mit Hilfe der Suchmaschinen findet man hauptsächlich in den USA und Asien einige homepages, die Abhandlungen über die Fa. ARCTURUS mit seinen "Blue Tubes" schreiben. Diese Farbe scheint auf viele Sammler irgendwie besonders anziehend zu wirken!

Leider darf man sich nicht auf die Informationen nur einer Quelle verlassen. Wie so oft, Widersprüchliches muss man versuchen richtig zu werten.
Dazu habe ich die mir zur Verfügung stehenden Röhrendatenbücher durchgenommen. Hier kann man auch die für uns so wichtigen Sockelschaltungen finden, was mir im Internet nicht gelang.   

Ich drücke mich absichtlich vorsichtig aus, d.h. ich lasse mir bewusst ein "Hintertürchen" offen! Natürlich sind begründete Gegenargumente zum Thema willkommen und Korrekturen sind ja immer möglich.

MfG, Wolfgang Holtmann

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Besonderheiten b. d. Wunderlich-B  
27.Jan.06 17:27

Wolfgang Holtmann (NL)
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Wolfgang Holtmann

Hinweis:
Auf Grund zusätzlicher Informationen aus dem Kreis der Amerikanischen Röhrenspezialisten, habe ich am 31.03.06 den Text überarbeitet. 


Die Wunderlich-B
Diese Variante der Wunderlich-Detektoren hat noch eine seperate Diodenanode eingebaut, welche an die Kappe geführt wird.


       
     
           Wunderlich-B       Wunderlich-B Auto


Was sagen die Röhrendatenbücher über die verschiedenen
"Wunderlich" Typen ?

Taschenbuch zum Röhren-Codex 1948/49
Falsches Sockelbild zu Type-A, 5-Stift    
Richtiges Sockelbild zu Type-A, 6-Stift
Kein Sockelbild zu Type-B

Röhren-Taschenbuch Band II, W. Beier, 1957
Kein Sockelbild zu Type-A, 5-Stift
Richtiges Sockelbild zu Type-A, 6-Stift
Type-B nicht erwähnt

Prehled Elektronek, Brudna/Poustka, 1956
Richtiges Sockelbild zu Type-A, 5-Stift (3-401)  
Richtiges Sockelbild zu Type-A, 6-Stift (3-413)
Falsches Sockelbild zu Type-B (4-421) *)
(Trennung ga-gb nicht gezeichnet)

Vade-Mecum, P.H. Brans, 1950
Falsches Sockelbild zu Type-A, 5-Stift (4-12)  
Richtiges Sockelbild zu Type-A, 6-Stift (3-51)
Falsches Sockelbild zu Type-B, (4-15) *)

Radio Tube Encyclopedia, Babani
Richtige Sockelbeschaltung zu Type-A, 5-Stift
Richtige Sockelbeschaltung zu Type-A, 6-Stift
Falsche Sockelbeschaltung zu Type-B *)

*)
Diese Darstellungen geben den Eindruck, dass ein zusätzliches Gitter im Elektronenstrom des Hauptsystems liegt, ihn also beeinflussen kann. Das widerspricht jedoch der Theorie von einer seperaten Diodenstrecke. Für die Funktion derselben ist es dabei unwichtig, ob diese Diodenanode als ein Stück Blech oder als Gitterwendel (anode grid) gegenüber der Katode ausgebildet ist.
Letzte Sicherheit in dieser Sache erwarten wir uns von Untersuchungen an einem intakten Exemplar der Wunderlich-B. 

In den englischsprachigen Links wird unmissverständlich auf die Laksheit von ARCTURUS bei der Bezeichnung der unterschiedlichen Wunderlich-Typen hingewiesen.

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mögliche russische Röhre für Wunderlich Experiment ? 
30.Mar.06 08:53

Klaus Bayer (D)
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Klaus Bayer

Hallo Wolfgang,
habe beim Stöbern eine evtl. passende Röhre für Deinen Wunderlich Versuch gefunden,
es ist eine russische 1SCH37. Diese hat 2 x Gitter 1 eingebaut.
Hoffe nun noch, das Du diese auch erhalten kannst.

Viele Grüße
Klaus

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1SH37B (= 1j37b) ?? 
30.Mar.06 14:13

Wolfgang Holtmann (NL)
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Wolfgang Holtmann

Hallo Klaus,

vielen Dank für's Mitdenken!
Allerdings kenne ich den von Dir vorgeschlagenen Röhrentyp nicht. Könnte es sich vielleicht um einen Irrtum handeln, dass Du den mir schon bekannten Typ 1SH37B (= 1j37b) meinst?

Dieser hat -wie Du schon richtig erkanntest- zwei gleichwertige Steuergitter eingebaut. Genaugenommen sind keine Gitterdrähte, sondern Steuerstege eingebaut und zwar nebeneinander! Damit lässt sich der Anodenstrom bei einer Mischschaltung gleichmäßig doppelt steuern.

Für die noch vorzunehmenden Versuche einer "Wunderlich"-Detektorschaltung ist diese Eigenschaft von großer Wichtigkeit!

Hier die aufgenommenen Kennlinien, welche die geringen Unterschiede in der Steuerwirkung der beiden Stege verdeutlicht.



MfG

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genau diese meine ich 
31.Mar.06 08:29

Klaus Bayer (D)
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Klaus Bayer

Hallo Wolfgang,
diese Röhre meine ich.
Gruß Klaus

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Das Wunderlich-B Experiment 
26.Apr.06 13:39

Wolfgang Holtmann (NL)
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Wolfgang Holtmann

 

Note: For the translation in the English language, click here (post 4):


Wo beginnen ?

Mit Unterstützung von Röhrensammlern aus den USA (Mit Dank an Ludwell Sibley, Tube Collectors Association) bekam ich einen Artikel zugespielt, welcher vom Mid-Atlantic Antique Radio Club in der Januar 2000 Ausgabe der RADIO AGE abgedruckt wurde. Ed Lyon beschrieb darin die Wunderlich-B, bezugnehmend auf eine Veröffentlichung in der Radio Engineering vom März 1933.

Ausgangspunkt für meine Ausführungen ist die aussagekräftige Abbildung des Systemaufbaus (Fig.1) und eine Kopie einer originalen Schaltung mit der Wunderlich-B. Wahrscheinlich vom Erfinder selbst, weil keine industrielle Anwendung bekannt wurde.

Leicht zu erkennen (Fig.1) ist die völlig unabhängige Diode, einfach oberhalb hinzugefügt. Eine Abschirmblech soll die beiden Systeme trennen.

Normalerweise wird solch eine Diodenstrecke für AVC Zwecke benutzt. Das wurde auch im Arcturus(!) Katalog vom Mai 1932 (mit Dank an Jim Cross) mit der Bemerkung empfohlen: „Hilfsanode als Gleichrichterdiode zu gebrauchen, mit Kappe verbunden.“  In dem schon erwähnten Schaltungsvorschlag entdeckte ich jedoch eine andere Verwendung derselben!

Fig.2 zeigt nur den Teil, welcher für die Funktionsbeschreibung von Bedeutung ist.

Schaut man sich das Röhrensymbol der Wunderlich-B in der ursprünglichen Schaltung an, könnte man den (falschen) Eindruck bekommen, die zusätzliche Dioden-Anode -manchmal verwirrenderweise „anode-grid“ genannt- läge im(!) Elektronenstrom vor der Hauptanode.



Die Schaltung näher betrachtet
Dazu erstellte ich eine neue Zeichnung (Fig.3) und konzentrierte mich nur auf das eigentliche Prinzip der Wunderlich-B mit der sogenannten „verstärkten AVC“ Anwendung.


      Fig.3

Der springende Punkt ist die zusätzliche, negative Versorgungsspannung (-100 V) gegenüber Masse!
Hiermit erhält man die gewünschte negative AVC-Spannung, welche den Schwankungen des HF-Eingangssignals folgt. Die Wunderlich-B bildet zusammen mit den Katodenwiderständen R2 und R3 einen veränderlichen Spannungsteiler und liegt zwischen der +100 V und der -100 V Versorgung.

Angenommen, ein schwaches Signal wird durch die beiden Gitter gleichgerichtet, dann ensteht an R1 nur eine geringe Richtspannung (= Gittervorspannung). Das ergibt einen geringen inneren Widerstand zwischen Katode und Anode. R2 und R3 sind so gewählt, dass sich an der Katode (K) eine Spannung von z.B. -5 V -auf Masse bezogen- einstellt. Dem herausragenden Teil der Katode steht die zusätzlich eingebaute Dioden-Anode gegenüber, welche über R4 mit Masse (= 0 V) verbunden ist. Nur ein sehr geringer Strom fließt über diesen Widerstand. Das Widerstandsverhältnis zwischen der leitenden Diode und R4 (500k) erzeugt nur einen geringen Spannungsabfall über diese Diodenstrecke. Daher ist die AVC-Spannung beinahe gleich an die der Katodenspannung. Über R5 wird die AVC-Spannung an die Regelgitter der 58er Röhren weitergeleitet.   

Bei einem starken Eingangssignal ist auch die negative Richtspannung an R1 viel höher, wodurch der Anodenstrom im Triodenteil der Röhre reduziert wird. Damit ändert sich das Spannungsteilerverhältnis und die Katodenspannung ist jetzt z.B.auf -30 V gesunken. Diese negativere Spannung wird wiederum -über die Diodenstrecke und R5- als AVC-Spannung den Regelröhren angeboten.  



War die zusätzliche Diode überflüssig?
Man könnte sich abfragen: Warum nicht einfach die AVC-Spannung direkt an der Katode abnehmen? Ich kann mir zwei plausibele Erklärungen für eine sinnvolle Verwendung der Diode vorstellen.

1. Die Diode kann zur verzögerten AVC dienen. Dazu passt man die Widerstände R2-R3 an, so dass ohne Empfang, Punkt K auf  +5 V liegt und sich bei schwachem Signal auf 0 V ändert. In beiden Fällen ist die Diode noch gesperrt und somit bleibt die AVC-Spannung an Punkt C unverändert auf  0 V. Die vorgeschalteten Röhren werden also nicht herabgeregelt.
Nur ein stärkeres Eingangssignal lässt die Katode negative Spannungswerte annehmen, wodurch die Diode leitend wird und diese als AVC durchschleust.

2. Noch ein Vorteil der Diode ist zu erkennen. Dazu betrachten wir nochmals die originale Schaltung (Fig.2).
Die Erzeugung der -100 V Versorgungsspannung wird durch den Gesamtstrom, welcher durch die Drossel im negativen Zweig des Netzteils fließt, erreicht. Sollte z.B. die Emission der Endpentode 69 nachlassen, dann fällt auch weniger Spannung an dieser Drossel ab. Das wiederum bedeutet, dass die -100 V dann auf z.B. – 70 V zu liegen kommt. Als Reaktion davon wird die Katode (K) nun immer positive Spannungen führen. Bei direktem Abgriff der AVC-Spannung an der Katode, würden die 58er Röhren eine ungewollte positive(!) Gittervorspannung (Gitterstrom!) bekommen.
Wunderlichs extra Diode hat also eine zusätzliche Schutzfunktion, indem jedwede positive AVC-Spannungen unterbunden werden.      



Mein Wunderlich-B Experiment


     Fig.4

Zunächst mussten zwei Dinge geklärt werden:

1. Bei allen Wunderlich-Detektor Schaltungen ist eine symmetrische Ansteuerung der beiden Gitter in Gegenfase erforderlich.
Nach langem Suchen fand ich zwei elektrisch gleichwertige Spulen und eine dritte, zur induktiven Einkopplung in der Mitte eines Ferritstabes. Mit einem 820 pF Kondensator liegt die Resonanzfrequenz bei 550 kHz. Die Frequenz selbst ist für die Versuche unwichtig.

2. Welche Röhre ist für meine Untersuchungen geeignet?
Ich habe erfahren, die Hersteller Ken-Rad und Sylvania benutzten damals für ihre „Wunderlich“-Schaltungen Röhrenkonstruktionen mit getrennten Katoden, jede hat ihr eigenes Steuergitter. Beide Systeme werden von einem gemeinsamen Anodenkasten umgeben.

Meine ersten Versuche mit den Doppeltrioden 6J6 and 6SN7 GT waren erfolglos. Ich nehme an, die Anoden stehen zu dicht an den Gittern, die Rückwirkung ist zu stark.
Glücklicherweise besitze ich zwei 6SL7 GT. Dieser Typ ergab bessere Resultate. Um sicher zu sein, dass meine gebrauchten Exemplare noch gut sind, nahm ich mit einem X-Y Schreiber die Kennlinien auf. Die Röhre mit der besten Übereinstimmung der beiden Systeme wurde benutzt. Siehe Fig.5.



    Fig.5

Selbstverständlich, die Röhrendaten des Ersatztyps sind nicht mit der originalen Wunderlich-B zu vergleichen. Daher weichen die gemessenen Spannungen von der ursprünglichen Schaltung ab. Ich meine aber, das ist für das Experiment nur von untergeordneter Bedeutung.

Zur extra Diode: jede Diode ist brauchbar.



Die Testschaltung


     Fig.6

Mein Experiment beschränkt sich auf das Wunderlich Detektorprinzip mit der verstäkten und verzögerten AVC. Aus diesem Grund habe ich den Aufwand auf ein Minimum reduzieren können. Siehe Fig.6

Ein unmoduliertes HF-Signal wird an den IF-Eingang gelegt. Mit einem Oscilloskop an den Anoden wird die Einkoppelspule so verschoben, dass eine minimale HF-Restwelligkeit angezeigt wird, d.h. die Amplituden an ga und gb sind dann gleich hoch. Der 510 pF Kondensator sorgt für eine zusätzliche Reduzierung der HF Reste.
Das NF-Signal kann an der Anode für weitere Untersuchungen entnommen werden. Die originale NF-Drossel wurde durch einen 2,2 kOhm Widerstand ersetzt. R2 ist nun variabel, während R3 auf 39 kOhm festgelegt wurde.

Die Katode der getrennten Diode (6AL5 = EAA91, EB91, nur eine Hälfte benutzt) ist –wie auch in Wirklichkeit- mit den Katoden der Doppeltriode verbunden. An der Dioden-Anode finden wir die Widerstände R4 und R5.



Die Messwerte
(Alle Gleichspannungen wurden mit einem Röhrenvoltmeter (Ri 10 M) gegen 0 V gemessen.)

IF Eingang                                   kein Sign        schwach.          stark

U ~    (Volt)   ct - ga                        0                   0.25                  0.74                  

U       (Volt)   über  R1                   - 0.4                - 0.5                  - 1

U       (Volt)    an K                         + 5                    0                    - 16.6

U       (Volt)    an AVC                     0                      0                    - 16.0

Durch die größere Steilheit der 6SL7 GT, verursacht schon eine kleine Gitterspannungsänderung von 0,6 V einen Spannungssprung von 21,6 V an der Katode. Man erkennt auch den verzögerten Einsatz der AVC-Spannung. Unterhalb einer bestimmten Schwelle bleibt die AVC wirkungslos, was ja erwünscht ist.



Was sind die Detektor Eigenschaften einer Wunderlich-Schaltung?
Die saubere Umwandlung der modulierten ZF in eine (verstärkte) NF ist natürlich von großem Interesse. Leider steht mir keine echte Wunderlich-Röhre zur Verfügung. Die hier verwendete Röhre ist in ihren Daten zu weit vom Original entfernt! Daher kann ich im Moment auch keine sinnvolle Aussage dazu machen.

Alle Wunderlich-Detektoren haben die gleiche Eigenheit: Die Gittervorspannung (= Spannung über R1) für den Trioden NF-Verstärker ist abhängig von der HF-Eingangsspannung, kann also stark variieren. Andererseits sollte für eine verzerrungsarme Verstärkung, der Arbeitspunkt nicht allzuweit vom Mittelpunkt des geradlinigen Teils der Ia/Ug Kennlinie abweichen. Wurde das durch die (absichtliche?) Wahl eines Systemaufbaus mit nur geringer Steilheit (flache Kennlinie) erreicht? 

Ich hoffe, diese weiterhin offene Frage in der näheren Zukunft noch beantworten zu können...

Wolfgang Holtmann


Annex

Auszug aus dem Arcturus Datenblatt, Mai 1932

                                      Uf            If                                       

Wunderlich-A              2,5 V       1,0 A
 
             -A Auto          6,3 V       0,4 A

             -B                   2,5 V       1,0 A

             -B Auto          6,3 V       0,4 A

Wichtig: Alle vier(!) Ausführungen haben die gleichen, untenstehenden, Kenndaten.

Ua        250 V  

Ug     - 16,5 V (beide Gitter parallel)

Ia          6.5 mA

S          0,95 mA/V (gm = 950 µmhos)

µ            9,5

Ri        10 kOhm

Hinweis: Beide B-Typen wurden im September-Katalog des selben Jahres nicht mehr aufgeführt!

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

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Jetzt habe ich auch eine WUNDERLICH ! 
15.Nov.06 18:56
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Wolfgang Holtmann (NL)
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Wolfgang Holtmann

Glücklicherweise konnte ich hier in NL (F. Donkers, Helmond) eine gebrauchte Wunderlich-A erstehen. Damit kann ich mein Vorhaben, eine Untersuchung der Audioeigenschaften dieser speziellen Detektorschaltung, endlich ausführen.

 

Vorbereitungen

Zuerst musste geklärt werden, ob die Röhre überhaupt noch gut funktioniert? Dazu habe ich die statischen Kennlinien mit einem X-Y Schreiber aufgenommen. Als Referenz benutze ich die durch ARCTURUS propagierten Daten, welche als Annex im vorherigen Post zu sehen sind.

 

 

Bei einer Ua = 250V (rote Kennlinie) und einer Ug(a+b) von -16,5V, beträgt der Anodenstrom 5,8 anstatt 6,5 mA, also etwa 10% weniger. Das gilt auch für die ermittelte (statische) Steilheit. Das sind durchaus akzeptabele Werte und die Abweichungen könnten selbst in Fertigungsstreuungen begründet sein!

 

Ebenso ist bei einer Ua = 150V eine Kennlinie (in Grün) dargestellt, somit sind die Parameter Leerlaufverstärkungsfaktor µ (1:D) und Innenwiderstand Ri zu errechnen. Auch diese kommen mit den Fabriksangaben ziemlich genau überein.

 

Weiterhin wollte ich die beiden Steuergitter einzeln testen. Das jeweils nicht benutzte wurde dabei mit Katode verbunden. In Blau sieht man eine gewisse Ungleichheit in der Steuerwirkung, was wohl auf eine mechanische Unsymmetrie der ineinandergreifenden Gitterkonstruktion zurückzuführen ist. Eine negative Auswirkung auf die durchgeführten Versuche konnte ich allerdings nicht feststellen!

 

Der Versuchsaufbau

 

 

In der Praxis fand die Wunderlich-Schaltung ausschließlich Verwendung als ZF-Gleichrichter mit gleichzeitiger NF-Verstärkung, sowie Bereitstellung einer ausreichend hohen negativen Regelspannung (AVR). Das bedeutet, es sind rel. große ZF-Amplituden zu verarbeiten. Eine Anwendung als Gittergleichrichter für geringe Signalspannungen (Gegentakt-Audion) ist mir nicht bekannt und wird vom Erfinder nicht propagiert.

 

Ziel war es, dem Wunderlich-Detektor ein unterschiedlich großes, mit 400 Hz moduliertes, HF-Signal anzubieten. Der Modulationsgrad sollte einstellbar sein, um eine möglichst realistische Simulation der Empfangsverhältnisse zu erreichen.

Mein Testsender kann den zur Durchsteuerung des Wunderlich-Detektors erforderlichen HF-Pegel nicht aufbringen. Eine zusätzliche Verstärkerstufe mit einer EL95 im verzerrungsarmen A-Betrieb wurde eingefügt. Die optimale Anpassung habe ich mit einer Einspeisung in Serienresonanz verwirklicht.

In diversen Schaltungen mit dieser Röhre, ist ein optimaler Außenwiderstand (Ra) von 100 kOhm bei einer Ub von 250V gewählt.

Mit diesen Vorgaben habe ich eine Arbeitskennlinie erstellt. Nun lässt sich das dynamische Verhalten der Triodenfunktion ( = NF-Verstärkung) besser überblicken.

 

 

Der direkte Vergleich

Die an der Anode abgenommene NF wird mit der modulierten HF (der „Umhüllenden“) oszilloskopisch verglichen. Im Idealfall sollten keine Abweichungen sichtbar sein! Vorteil dieser Methode ist: Die leider nicht ganz verzerrungsfreie Modulation meines Testsenders hat somit keinen Einfluss auf die Bewertung. Mit anderen Worten ausgedrückt: Egal wie die Hüllkurve aussieht, die gewonnene NF sollte mit der modulierten HF deckungsgleich sein.

Weiterhin: Wenn keine nennenswerten Abweichungen sichtbar sind, werden diese auch nicht als Verzerrungen hörbar sein!  

 

Als „normale“ Modulation der Mehrheit der damaligen Sender habe ich 30 bis 40 % (Spitzenwert) angenommen. Es könnten durchaus einzelne Sender gegeben haben, die bis zu 70 % durchmodulierten. Ich komme später darauf zurück.

 

Die Messungen

In den Abbildungen habe ich den Modulationsgrad m und die Vorspannung der beiden Gitter a+b

(= Richtspannung über R1) angegeben. Darunter steht die oszillografisch ermittelte NF-Amplitude an der Anode. Es ist der Spitzen-Spitzen Wert (Vss), um eine Fehlbeurteilung -bei Abweichung von der Sinusform- auszuschließen.

 

1. Schwacher Empfang

 

                          Anode: 0,32 Vss

                          Anode: 0,55 Vss

 

Das linke Bild bei m 34% zeigt keine Abweichungen.

Der hohe Modulationsgrad in der rechten Darstellung lässt erkennen, dass in den Momenten der minimalen HF-Amplitude, die NF am Ausgang nicht mehr folgen kann!   

 

2. Mittelstarker Empfang

 

                      Anode: 18 Vss

                          Anode: 35 Vss

 

Mit einer Ug von – 4V und „normaler“ Modulation ist alles perfekt. Selbst bei m 70% folgt die NF-Schwingung sehr schön der „Umhüllenden“.

 

3. Starker Empfang

 

                          Anode: 43 Vss

                            Anode: 92 Vss

 

Bei einer Ug von –16,5V sind im linken Bild keine Verzerrungen zu erkennen. Das gilt jedoch nicht bei einem 70%igen Modulationsgrad. Obwohl wir uns im mittleren Teil der Kennlinie befinden, wird eine deutliche Abflachung in den Momenten der maximalen HF-Amplitude sichtbar! Das ergibt mit Sicherheit hörbare Verzerrungen!

 

 

Meine Beurteilung

Der hier vorgestellte „New High Quality Detector ...ideal geeignet für die modernen Überlagerungsempfänger“ (N.E. Wunderlich, USA,1931), liefert gute Ergebnisse bei kleinen bis mittleren (max. 40%) Modulationstiefen.

 

Allerdings sollte bei hoch modulierten Sendern auf den richtigen Ansteuerungspegel geachtet werden. Meine Untersuchungen haben ergeben, die optimale Richtspannung über R1 sollte im Bereich von -2 bis -7V = liegen. Anderenfalls treten hörbare Verzerrungen auf!   

 

Aus den verschiedenen Veröffentlichungen jener Zeit (mit Dank an Ludwell Sibley, TCA) wird klar, dass der Erfinder um diese Einschränkung wusste. Daher wird die Notwendigkeit einer automatischen Verstärkungsregelung betont. Er macht allerdings keine direkten Angaben über den maximal zulässigen Modulationsgrad, schreibt aber „... die Eingangsspannung wird immer auf den Pegel gehalten (durch die AVR), wo die beste Demodulation gewährleistet ist.“

 

Noch eine Bitte

Ich gebe zu, zuverlässige Erkenntnisse über die damals (in den 30er Jahren) allgemein üblichen Modulationsgrade sind schwer zu finden. Weder für Europa, noch für die USA. Natürlich sind Informationen gerade aus den USA besonders relevant. Ist es doch das Geburtsland dieses Wunderlich-Detektors!

Wer kann diese Wissenslücke schließen?

 

Wolfgang Holtmann

 

  

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16.Nov.06 14:06

Daniel Consales (D)
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Daniel Consales

Hallo Herr Holtmann,

vielen Dank für den lehrreichen und didaktisch perfekt ausgeführten Artikel!

Das sind Informationen, die man wo anders wohl nie erhalten würde ...

Da bekommt man doch gleich Lust, auch einmal zu experimentieren ;-)

Gruß Daniel Consales

 

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