ED705 Mischdetektor vor 1945 ?

ID: 245758
Dieser Artikel betrifft das Bauteil: Zur Röhre/Halbleiter

? ED705 Mischdetektor vor 1945 ? 
11.Feb.11 12:43
37

Wolfgang Eckardt (D)
Ratsmitglied
Beiträge: 1918
Anzahl Danke: 13
Wolfgang Eckardt

Bei verschiedenen Modellen von Messgeräten aus den 1950er Jahren vom Funkwerk Erfurt (z.B. UKW-Messgenerator Typ 2006) ist auf den mir vorliegenden Original-Kataloglättern bei der Bestückung angegeben eine

Kristall-Diode ED705. 

Da diese bisher im RM nur mit ihrer Bezeichnung eingetragen ist ohne weitere Hinweise, habe ich recherchiert. Erst dachte ich, es wäre eine besondere HF-Diode aus DDR-Produktion, die so etwa 1949/50 für spezielle Messtechnik hergestellt wurde. Aber in keinem meiner vorhandenen Datenbücher gab es  etwas. Dann fand ich im www einen Hinweis, dass es bereits vor 1945 einen so genannten Mischdetektor für militärische Geräte ("Berlin-Anlagen")  gab. Leider fand ich in dem Text nur diese kleine Bilddokumentation:

Bemerkenswert finde ich die - kaum lesbaren - Daten zur Stromstärke:
Flußrichtung: 1,5 mA;  Sperrichtung: 1,65 mA. - Sehr merkwürdig!!

Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass das Funkwerk Erfurt um 1950 Dioden aus militärischen Beständen von vor 1945 offiziell eingebaut hat.
Was ist diese "ED705" überhaupt für ein Produkt?  Ist diese Diode später noch gebaut worden in der frühen Spitzen-Dioden-Produktion um 1950? Dazu sind mir vom "Werk für Bauelemente der Nachrichtentechnik Teltow" (WBN) aus 1951 nur Mischdioden MD100, MD110, MD120 und Richtdioden RD120, ...RD160 bekannt, die aber andere Bauformen besitzen. 

Wer weiß etwas zu dieser ED705 ?

Wolfgang Eckardt 

 

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

 2
Berlin-Geräte 
11.Feb.11 14:35
37 from 5588

Bernhard Nagel (D)
Ratsmitglied
Beiträge: 1713
Anzahl Danke: 14
Bernhard Nagel

Hallo Herr Eckardt,

im Internet fand sich bei der Suche nach "Berlin-Geräte" ein Text mit Verweis:

Berichte Nr. 1 - Nr. 50
Entwicklungs-Besprechungen ST/GL
ab 17.07.1944 mit Bericht Nr. 1 beginnend,
Bl. 6571 bis 28.04.1944 mit Bericht Nr. 59 endend, Bl. 6104
hierin: [...]
"Überblick über den Stand der Erkenntnisse und die Planung auf dem Gebiet der Zentimeter-Funk-Technik". Vortrag des Dipl.Ing. Brandt vom 8.2.1944, Bl. 6149-6170
"Gegenüberstellung der Technik der Rotterdam- und Berlin-Geräte", vom 25.3.1944, Bl. 6171-6173

Im 5-bändigen Werk "Röhren-Historie" von Wolfgang Scharschmidt (2007) findet sich im Band 4 (als Leseprobe verfügbar):

Firma Sanitas: als wichtige Komponente der 9,15 cm Berlin-Geräte, Nachbau des englischen CV 76
Impuls-Magnetrons als LMS 10 mit verminderter Nutzleistung von ca. 15 kW. In einer Fortentwicklung
für λ=8,7 cm brachte Telefunken kurze Zeit später das LMS 10a.

Der Einsatz dieser Mischdiode ED705 war also in einer militärischen Funkpeilanlage bei ca. 3 GHz Arbeitsfrequenz. Anscheinend wurden Restbestände dieser Detektor-Dioden für "zivile" Nachkriegsprodukte der Messtechnik eingesetzt, ein nicht ungewöhnlicher Vorgang. Auch Rohde & Schwarz bediente sich bis Anfang der 1950er Jahre aus Restbeständen von z.B. Wehrmachtsröhren (Messempfänger ESD).

Nachtrag: Es handelt sich sehr wahrscheinlich um das Funkmessortungsgerät FuMO 81 (82, 83, 84) "Berlin", auch als FuG 224 bezeichnet. Hersteller: Telefunken.

Bernhard Nagel

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

 3
? ED705 in 'Berlin'-Geräten 
11.Feb.11 20:25
147 from 5588

Wolfgang Eckardt (D)
Ratsmitglied
Beiträge: 1918
Anzahl Danke: 18
Wolfgang Eckardt

Vielen Dank Herr Nagel für Ihre Informationen.

Es scheint also durchaus Realität gewesen zu sein, dass diese Mischdioden als "Kriegsprodukt" nach 1945 in "friedlichen" Messinstrumenten der gehobenen Art eingesetzt wurden.

Zur Entstehung dieser ED705 fand ich einen Beitrag zu dessen Erfinder:


Einer dieser damaligen Pioniere ist der deutsche Physiker Herbert F. Matarè. Er studierte in Aachen und anderen Universitäten verschiedene technische Disziplinen und trat 1939 in das Telefunken-Forschungslaboratorium in Berlin ein.
Dort befasste er sich mit der Verbesserungen der Empfindlichkeit von Zentimeterwellen-Empfängern.
Er entwickelte eine «Mischdetektor ED 705» genannte Spitzendiode [1944, W.E.] und fand heraus, dass man deren Rauscheigenschaften verbessern kann, wenn man ihr eine zweite Spitze in geringem Abstand aufsetzte.
Im Prinzip war damit der Spitzentransistor geboren. Zwischen 1945 und 1948 entwickelte Matarè bei F&S Westinghaus in Alnay-sous-Bois bei Paris den ersten funktionsfähigen französischen Transistor. Der wurde am 13.  August 1948 zum Patent angemeldet und ein dreiviertel Jahr später als «Le Transistron» der Öffentlichkeit vorgestellt. 1951 gründete Ma­taré in Düsseldorf die Firma Intermetall, die weltweit erste Firma, die serienmäßig Dioden und funktionsfähige Transistoren herstellte.

Quelle:  UIPRE.org; Bulletin   353, Dez. 2008


Eine E-Mail erhielt ich von Herrn Löwe zur Verwendung des Mischdetektors und das deckt sich mit der Info von Herrn Nagel:

Das "Berlin"-Gerät FuG224 war das Rundstrahl-Radargerät der Wehrmacht, das erst kurz vor Kriegsende fertig wurde. Nur eine handvoll wurden gebaut. Die entsprechende Magnetron-Röhre konnte erst entwickelt werden, nachdem bei Rotterdam ein alliierter Bomber mit dem sogenannten "H2S"-Gerät erbeutet wurde.
Der Mischdetektor ist eine Germaniumdiode für Höchstfrequenzen im Zentimeter-Bereich und für das Funktionieren der Anlage entscheidend. Es kann durchaus sein, daß wegen Kriegsende Bestände davon übrig blieben.
Auf dem angehängten Bild sehen Sie die Position des Mischdetektors im Mischkopf.

 

Vielen Dank auch an Herrn Löwe. Vielleicht finden sich noch Informationen zu dieser ED705 und ein Bild.

Hier noch eine Zeichnung vom Aufbau dieser Diode aus
Seiler, Karl, "Detektoren", S. 283; 1948:

Wolfgang Eckardt 

 

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

 4
Dissertation zu Halbleiterforschung 
13.Feb.11 21:18
251 from 5588

Wolfgang Eckardt (D)
Ratsmitglied
Beiträge: 1918
Anzahl Danke: 12
Wolfgang Eckardt

Eine hochinteressante Quelle, die ich bisher nicht kannte, hat mir noch weitere Auskünfte zu diesen Halbleiterdioden vor 1945 gebracht:

Anfänge der Halbleiterforschung und -entwicklung
Dissertation von Kai Christian Handel an der THS Aachen, 1999

Ich zitier hier einige Auszüge von den Seiten 72-74.
Die Quellenangaben (hochgestellte Zahlen) beziehen sich hauptsächlich auf Karl Seiler, Herbert Mataré, Heinrich Welker und Runge. 


Während Seiler gemeinsam mit Günther im Materiallabor der Universität Breslau die ersten Kleinserien der Siliziumschichten produzierte, untersuchte Mataré in Leubus unterschiedliche Detektortypen. Ihre Erkenntnisse führten dann Anfang 1944 zum grundsätzlichen Design der Telefunken-Detektorender Serie ED 700 bis 705, die ab Frühjahr 1944 produziert werden konnten.

Die Detektoren der Serie ED 700 bis ED 705 von Telefunken waren Mitte 1944 die einzigen Detektoren von gleichbleibender Qualität, mit denen Zentimeterwellen nachgewiesen werden konnten. Daher rüstete Telefunken die bei ihnen hergestellten „Naxos"- und „Berlin"-Geräte ausschließlich mit eigenen Detektoren aus.113

Anfangs war das keineswegs so gewesen. Die Detektoren der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt (PTR) und von anderen Institutionen erschienen durchaus konkurrenzfähig. Der Präsident der PTR, Abraham Esau, hatte sich im April 1943 noch bei Runge beschwert, daß Leo Brandt als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Rotterdam seine Machtposition ausnütze und in bezug auf Detektoren „die Leistungen anderer verschweige."114  Doch seit Anfang 1944 waren die nach dem Güntherschen Verfahren hergestellten synthetischen Siliziumschichten für den Zentimeterwellen-empfang allen anderen Materialien überlegen.

Deshalb richtete Seiler in Kooperation mit dem Röhrenwerk von Telefunken eine Serien-Fertigung ein. „So 20 bis 30 Öfen wurden da gemacht... und dann haben wir Dutzende von Frauen gehabt, die nichts anderes gemacht haben, als festzustellen ob die Gleichrichtung gleichmäßig ordentlich war."115
In diesen Öfen wurden kleine Graphitstäbchen von einigen Millimetern Länge mittels des Güntherschen Verfahrens mit einer Siliziumschicht überzogen. Diese Stäbchen wurden dann einfach durchgebrochen und an der Bruchstelle in das Detektorgehäuse gelötet. Für den gleichrichtenden Kontakt wurde eine Ringschleife aus Molybdän-Draht auf die silizierte Seite des Graphit-Stäbchens gedrückt und nach Einstellung fest verschraubt. Dieser Gesamtaufbau wurde während der Entwicklung der Serie nicht geändert. Lediglich die Abmessungen der Modelle ED 704 und ED 705 waren kleiner als diejenigen ihrer Vorgänger, so daß vor dem Einbau eine neue Halterung eingeschraubt werden mußte (Abb. 19).116  [siehe Zeichnung in vorher. Post. W.E.]
 
Wegen der guten Leitfähigkeit der hergestellten Siliziumschichten reichte eine Ringschleife mit ihrer im Vergleich zu einer dünnen Drahtspitze großen Berührungsfläche aus. Allein die Aufdruckkraft des Drahtes sorgte für die für den Einsatz in Flugzeugen, Schiffen und U-Rooten nötige Schüttel- und Stoßfestigkeit des Detektors. Der abgebildete Mischdetektor ED 705 stellte das Spitzenprodukt von Telefunken dar und kam ab Oktober 1944 in den „Berlin"-Geräten zum Einsatz. Doch trotz der speziellen Alterungsbehandlung, mit der eine gute Konstanz der Detektoren erreicht werden sollte, fielen sie offenbar so häufig aus, daß mit jeder Anlage ein Reservekästchen ausgeliefert wurde, das zwei weitere ED 705 Detektoren enthielt. Über die Gründe der teilweise geringen Lebensdauer lagen erst wenige Erkenntnisse vor.
Bis zum Ende des Krieges konnte dieses Problem allerdings nicht mehr gelöst werden.

 Weitere Forschungen im Telefunken Laboratorium:
Parallel zur Produktion dieser Detektoren liefen in Rothes Labor in Leubus weitere Forschungen, die auf eine Verbesserung der Detektoreigenschaften abzielten. Ein Schwachpurikt der Detektoren ED 700 bis ED 705 bestand in der Kontaktierung der Siliziumschicht durch die Ringschleife. Die Ringschleife ließ sich zwar stabiler als eine Nadel montieren, Erschütterungen konnten aber weiterhin die Gleichrichterwirkung beeinflussen. Auch führte der oft unsaubere Kontakt zu starkem Rauschen und trug zur unerwünschten Kapazität Co bei. Zusätzlich hatte die Ringschleife insbesondere bei sehr hohen Frequenzen eine störende Induktivität L.
Mataré und Seiler experimentierten daher gemeinsam damit, die Siliziumschicht zunächst mit einer isolierenden Schicht zu versehen und dann „mit Hilfe eines elektrischen Durchschlags oder dergleichen feine Löcher zu erzeugen".
In diesen Löchern konnte man danach elektrolytisch kleine Kupfer- oder Silberpilze wachsen lassen und diese kontaktieren. Dadurch waren die Kontakte zwar sehr stabil, zum Empfang von Zentimeterwellen ergaben sich aber zunächst zu große Kapazitäten, so daß dieses Verfahren nicht in die Produktion überführt werden  konnte.118
Parallel wurde weiter an der Verbesserung der existierenden Detektoren gearbeitet. Da diese Detektoren insbesondere in den „Berlin"-Geräten auch im Mischbetrieb als Überlagerungsempfänger eingesetzt werden sollten, ergaben sich ähnliche Probleme mit dem Empfänger-Oszillatorrauschen wie bei den Elektronenröhren-Dioden. Daher stellte Mataré nun auch Versuche zur Rauschkompensation mit Detektoren an. Rauschkompensation war mit Duodioden schon schwierig genug, aber noch schlechter gelang es mit den Kristall-Duodioden. Das besondere Problem war dabei wiederum, eine möglichst identische Charakteristik der beiden Detektoren zu erzeugen. Das gelang um so besser, je näher die beiden Spitzenkontakte beieinander lagen. Matare experimentierte mit zwei Nadeln auf dem Kristall als Anoden und dem Kristall selbst als Kathode. Mataré erinnert sich, daß er im Zusammenhang mit dieser Schaltung auch schon Versuche angestellt hatte, die Schottky- Sperrschicht der einen Spitze mit der anderen Spitze zu steuern, er also einen Drei-Elektroden-Verstärkungs-Kristall im Sinn hatte. [Spitzentransistor? W.E.] Er konnte auch vereinzelt Effekte messen, aber keine klaren Ergebnisse erzielen.119
Diese Experimente mußten abgebrochen werden, als die Sowjetarmee 1944 gegen Leubus vorrückte, so daß das Labor erneut geräumt und verlagert werden mußte.


Mit dieser "Quelle"  ist nun einiges zur Entstehung dieses "Mischdetektor ED705" beleuchtet, doch eine "vernünftige Abbildung" habe ich leider immer noch nicht.
 
W.E.


 


 

 
 
 
 
 
 
 

 

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

 5
Wie es weiter gegangen ist in Frankreich... 
14.Feb.11 22:28
368 from 5588

Christian ADAM (F)
Redakteur
Beiträge: 466
Anzahl Danke: 13
Christian ADAM

Sehr geehrte Kollegen,

Seit Gestern gibt es mehr im Rmorg über Mataré's Geschichte und die Erfindung des Transistron:

US Transistor & French Transistron

Alles hat mit der Duo Diode angefangen...

Viel Spass beim Lesen,

Christian ADAM

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

 6
ED704 bei OSW 1947 gebaut 
01.Jul.12 13:28
1236 from 5588

Wolfgang Eckardt (D)
Ratsmitglied
Beiträge: 1918
Anzahl Danke: 21
Wolfgang Eckardt

Ich erhielt interessante Unterlagen über die Produktion bei OSW um 1946...1949 von Herrn Pius Steiner (DANKE!).

Dort wird u.a. ausgeführt, dass 1947 vom Kristall-Detektor Typ ED704  5.000 Stück gebaut wurden als Reparationsleistung .

Wolfgang Eckardt 

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.