Eine Milliarde für New Yorks neue Radiostadt (1931)

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Eine Milliarde für New Yorks neue Radiostadt (1931) 
11.Dec.09 20:26
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Georg Richter (D)
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Georg Richter

In der deutschen Zeitschrift "Die Sendung - Das Rundfunkwesen", Heft 32/VIII vom 7. August 1931, erschien auf Seiten 627 und 628 dieser Bericht:


Eine Milliarde für New Yorks neue Radiostadt
Von Hans Ullendorf - New York

Am 1. Juli dieses Jahres wurde im Zentrum New Yorks mit dem Bau der Radiostadt begonnen die drei große Straßenblocks umfaßt, unter dem Protektorat des Ölkönigs John D. Rockefeller steht und Ausgaben in Höhe von 250 Millionen Dollars — mehr als eine Milliarde Reichsmark(!) vorsieht. Hier entsteht ein gigantisches Funkzentrum, das jahrzehntelang ohnegleichen dastehen dürfte.

Merlin H. Aylesworth, Präsident der National Broadcasting Company, gilt als der geistige Urheber dieses Projektes, das übrigens so gedacht ist, daß der Entwurf die voraussichtliche Entwicklung des Rundfunks in den nächsten zehn Jahren berücksichtigt. In erster Linie werden hier natürlich alle Betriebe der N. B. C. konzentriert sein. Anfangs werden nur siebenundzwanzig Senderäume in Dienst genommen werden, jedoch kann ihre Zahl später auf dreiundvierzig erhöht werden. Zu diesem Zweck sind dreißig Stockwerke in dem 68 Stockwerke hohen Hauptgebäude für die N. B. C.-Sender reserviert. Bei den Plänen berücksichtigt man auch das Fernsehen, weil man glaubt, daß 1934, wenn die gesamte Radiostadt offiziell eröffnet wird, auch das Fernsehen bereits praktische Bedeutung haben dürfte. Um mit der tatsächlichen Entwicklung Schritt zu halten, werden allwöchentlich Konferenzen zwischen den Architekten und Funkingenieuren stattfinden, so daß auch während der Bauzeit alle Neuerungen Berücksichtigung finden können.

Der erste Teil der Radiostadt wird bereits im Sommer nächsten Jahres eröffnet. Eines der Gebäude der Radiostadt wird ein großes Varieté-Theater aufnehmen, ein anderes ein Lichtspielhaus; beide werden nicht nur für den Sprechfilm eingerichtet sein, sondern können auch als Senderäume Verwendung finden, da sie durch direkte Drähte mit dem Sender verbunden sind. Voraussichtlich wird auch das berühmte Metropolitan Opernhaus innerhalb der Radiostadt neu erstehen. Dabei ist unterhalb der Oper nicht nur ein Lagerraum für sämtliche Dekorationen vorgesehen, sondern man will auch einen Parkplatz für die Autos der Besucher einbauen. Selbstverständlich wird bei dem Bau der Aufnahmeräume auch das zuschauende Publikum Berücksichtigung finden. Außerhalb der großen Sendesäle werden sich in theatermäßiger Anordnung Zuschauerräume befinden, die von den eigentlichen Senderäumen getrennt sind und z. B. eigene Fahrstühle haben, so daß jede Störung des Funkbetriebes ausgeschlossen wird. Man erhält einen Begriff von den Ausmaßen des Projektes, wenn man erfährt, daß mehrere der Senderäume 35m lang, 20m breit und 3 Stockwerke hoch sein werden. Für diese großen Räume soll auch das sogenannte Schweinwerfermikrofon stärker Verwendung finden, das gerade für Opern und Orchestermusik geschaffen wurde.

Die Ingenieure der N. B. C. führen zur Zeit Versuche durch, um festzustellen, ob es ratsam ist, den Gebäuden Türme zum Senden aufzusetzen. Man ist sich noch nicht klar darüber, ob es technisch empfehlenswert ist, direkt aus dem Häusermeer heraus zu senden oder ob es nicht vielleicht besser ist, wie bei den regulären Funksendern, die eigentliche Sendung außerhalb der Großstadt ausstrahlen zu lassen.

Einige Zahlen mögen weiterhin den Umfang der Radiostadt illustrieren. Das Hauptgebäude wird in seinen 68 Stockwerken eine Nutzfläche von 185 000 qm haben. 125 000 tons Baustahl werden für die Gebäude benötigt, die zusammen 28 000 Fenster aufweisen werden. Auf der Seite der Fifth Avenue wird die Radiostadt eine kleine alte Kirche haben, die einen interessanten Kontrast zu den supermodernen Wolkenkratzern der Radiostadt darstellt. Nahe dabei wird New York sein erstes ovales Gebäude erhalten. Drei ganze Straßenblocks werden rücksichtslos niedergelegt, um Platz für die Milliarden-Funkstadt zu machen, deren Chef übrigens der wohlbekannte Roxy werden wird, der Erbauer des Roxy-Theaters, und gleichzeitig ein Pionier der Rundfunkmusik seit ihren ersten Anfängen.


Anmerkung GR: Eine Milliarde Reichsmark (nicht Dollar)

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