Frage zur Dimensionierung von Netztransformatoren

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ID: 416608
? Frage zur Dimensionierung von Netztransformatoren 
09.Apr.17 15:41
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Walter Schmidt (D)
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Viele Radionetzteile werden bei der Anodenspannungsversorgung mit den Röhren AZ..., EZ... bestückt, das setzt 2 Anodenspannungswicklungen beim Netztransformator voraus.

Wie sieht es jetzt bei der Dimensionierung dieser Trafowicklungen (Strombelastung pro Wicklung) aus? Ist jede der 2 Sekundärwicklungen für den vollen Anodenstrom dimensioniert? Immerhin fließt ja pro Halbewlle der volle Anodenstrom durch diese Trafowicklung.

Oder kann man davon ausgehen, da nur die Hälfte einer Periode beansprucht wird, die Strombelastung einer Trafowicklung deutlich geringer dimensioniert wird?

Das Problem tritt bei folgendem Fehler eines Netzteils auf: Eine Trafowicklung hat Unterbrechung, die korrespondierende Wicklung ist intakt, ansonsten zeigen sich keine Fehler des Netztrafos.

Ist es möglich, unter Beibehaltung der Gleichrichterröhre ( hier AZ1) und zwei zusätzlichen Dioden (zB. 2N4007) in Brückenschaltung die Anodenspannungsversorgung zu erzeugen, ohne daß die verbleibende Anodenspannungswicklung zu überlasten?

Das würde immerhin ein Neuwickeln des Netztransformators ersparen, auch wenn diese Lösung sicher nicht originalgetreu ist (was eingentlich anzustreben ist).

Dazu ist zu bemerken, daß das Radio nicht für Dauerbetrieb, eher für Demonstrationszwecke hergerichtet werden soll.

Danke für Tips!

Fr. Gruß,

Walter Schmidt

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Frage zur Dimensionierung von Netztransformatoren 
09.Apr.17 21:30
73 from 2393

Andreas Steinmetz (D)
Redakteur
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Wenn Sie nur eine Wicklungshälfte verwenden, dann wird diese stark überlastet. Also nicht empfehlenswert. Möglicherweise reicht es aber für Kurzzeitbetrieb (entstehende Wärme und Spannung am Ladeelko überprüfen!).

(Grundsätzliche Erläuterungen sind in Arbeit, folgen in Kürze.)

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Frage zur Dimensionierung von Netztransformatoren 
10.Apr.17 17:23
204 from 2393

Heinz Höger (D)
Redakteur
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Heinz Höger

Hallo Herr Schmidt,

Die mittig angezapfte Sek.Wickl. liefert 2 Spannungen die sich in Gegenphase befinden.Pro Zyklus

ergibt das 2 Halbwellen nach Gleichrichtung.Jede bringt die Hälte der Ladung im Lade C. Damit ent-

fällt auf jede Teilwicklung auch die Hälfte des benötigten Stromes. Danach ist die Trafowicklung be-

messen. Eine Vollbrücke kann hier also nicht angeschlossen werden, es sei denn die Last wird ent-

sprechend reduziert. Die beiden Rö.Dioden sind wie 2 um 180 Grad verschobene Einweggleich-

richter zu sehen von denen jeder pro Perjode einmal Strom liefert

mit den besten Grüßen

Heinz Höger

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Frage zur Dimensionierung von Netztransformatoren 
10.Apr.17 20:28
251 from 2393

Walter Schmidt (D)
Beiträge: 179
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Danke, Herr Steinmetz und Herr Höger,

ich hatte doch schon vermutet, daß das so ist. Die Anodenstromaufnahme des Gerätes beträgt 70mA, jede Teilwicklung hat einen Drahtdurchmesser von 0,16 mm. Nach einer gerade aufgefundenen Tabelle wären das 51mA pro Wicklung. Um ein Neuwickeln des Trafos komme ich wohl nicht herum.

Bleibt noch ein Problem: Dieser Drahtdurchmesser ist wohl nicht handelsüblich, 0,15mm finde ich, der nächstgrößere beschaffbare Wert wäre dann 0,2mm, dazu reicht der Platz wohl kaum.

Bei 0,15mm wird ein Höchststrom von 45mA angegeben (S=2,55A/mm²). Wenn man als Sicherheitszuschlag den Faktor 0,65 vom Gesamtstrom (empfohlen für Zweiweggleichrichter) berücksichtigt, komme ich auf 45,5mA je Trafowicklung. Das dürfte doch wohl reichen?

-Sorry, ich habe leider erst eben die entsprechende Literatur gefunden, das Radio-Praktiker-Heft hatte sich im hintersten Winkel versteckt- . Die Anfrage war etwas voreilig, ich hoffe aber, von allgemeinem Interesse.

Freundl. Gruß,

Walter Schmidt

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Frage zur Dimensionierung von Netztransformatoren 
12.Apr.17 00:16
356 from 2393
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Andreas Steinmetz (D)
Redakteur
Beiträge: 730
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1. Allgemeines:

Eine wirklich exakte theoretische Berechnung bzw. Beschreibung schon einer solch einfachen Schaltung wie der Gleichrichterschaltung für die Anodenspannungerzeugung ist nicht ganz trivial. (Der Grund dafür liegt u.a. in dem schwer zu berechnenden zeitlichen Verlauf von I~, der zudem noch mit fast allen Parametern der Schaltung in Wechselwirkung steht.) Deshalb verwendet der Praktiker gerne auf Experimenten basierende Nomogramme, Tabellen und andere Hilfsmittel, wie sie in diversen Literaturen zu finden sind.

2. Bemessungsstrom für Trafowicklung:

Relativ einfach gestaltet sich die Bestimmung des Bemessungsstroms für die Trafowicklung: Nehmen wir zunächst Zweiweggleichrichtung mit Graetz-Brücke und einen sehr großen Ladeelko an. Dann geht die Brummspannung am Ausgang gegen Null, und für die abgegebene Gleichstromleistung gilt:

P= = U= * I=

Für die vom Trafo zur Verfügung gestellte Wechselstromleistung ist in der Praxis mit guter Näherung ansetzbar:

P~ = U~ * I~

Dabei ist U~ der Effektivwert der sinusförmigen Spannung. Der Verlauf von I~ ist allerdings keineswegs sinusförmig, sondern besteht aus kurzen, relativ hohen Stromspitzen. (Da diese Stromspitzen i.Allg. ein wenig früher auftreten als die Spannungsmaxima, also leicht kapazitiv phasenverschoben sind, sollte jemand, der ganz sicher gehen will, für I~ einen Sicherheitsaufschlag von einigen Prozenten veranschlagen.)

Nimmt man erst einmal verlustfreie Gleichrichter an, dann ist P= = P~. Außerdem gilt: U= = √2 * U~. Durch Umformen erhält man daraus den Bemessungsstrom für die Trafowicklung zu:

I~ = √2 * I=

Wird abweichend von der Brückenschaltung die Mittelpunktschaltung angewendet, dann stellt jede Hälfte der Sekundärwicklung im Wechsel mit der anderen Hälfte ihre Leistung immer nur für eine Sinus-Halbwelle zur Verfügung, insgesamt also nur für die halbe Zeit. Im Mittel liefert jede Wicklungshälfte also nur die halbe Leistung, und das bedeutet bei gleicher Spannung, dass jede Wicklungshälfte auch nur für den halben Strom bemessen sein muss.

Bezogen auf das Beispiel von Herrn Schmidt gilt Folgendes:

I= = 70 mA => I~ = 99 mA = 2 x 44,5 mA (je Wicklungsteil)

Bei einem Drahtdurchmesser von 0,16 mm bedeutet das eine Strombelastung von 2,21 A/mm2, bei einem Durchmesser von 0,15 mm mit 2,52 A/mm2 nur unwesentlich mehr. Auch die letzte Belastung ist durchaus vertretbar! Außerdem sind die von Herrn Schmidt genannten 2,55 A/mm2 keineswegs ein Dogma: Die zulässige Strombelastbarkeit ist abhängig z.B. von der Trafogröße und von den Kühlungsbedingungen. Insbesondere darf sie an einer außen liegenden Wicklung größer sein als innen.


3. Bemessungsspannung für die Trafowicklung:

Zunächst könnte man annehmen, dass die Trafospannung einfach zu U~ = U= /√2 dimensionieren sei. In der Praxis wird sich dann aber nur mit verlustarmen Halbleiterdioden (am besten Schotty-Dioden) annähernd die gewünschte Gleichspannung einstellen. Zumindest unter Last erzeugt nämlich vor allem der hohe Ladespitzenstrom am Innenwiderstand der Trafowicklung(en) deutliche Spannungsabfälle, die an der Gleichspannung dann fehlen. Und bei Röhrengleichrichtern kommen noch ganz erhebliche Spannungsabfälle längs der Anode-Kathode-Strecke hinzu.

Beide Verluste kann man auffangen, indem man die Sekundärspannug des Trafos höher als U= /√2 wählt, bei Röhrengleichrichtung sogar deutlich höher. Dabei kann man auf Nomogramme der Röhrenhersteller zurückgreifen oder muss zur Not systematisch probieren. Weiter kann man zusätzlich den Trafo-Innenwiderstand auch noch erniedrigen, indem man größere Drahtquerschnitte verwendet. Nötig ist das aufgrund der Strombelastung aber nicht, denn die angegebenen Verluste entstehen alle in den Längszweigen; Parallelverluste gibt es praktisch nicht. (Letztere wären z.B. gegeben bei Aufheizung des Ladeelkos infolge von Innenwiderständen und/oder Leckströmen oder bei zu großen Sperrströmen von Selen-Gleichrichtern.)

Dazu wieder ein Beispiel:

Es sei U= = 270 V gefordert (wohlgemerkt am Ladekondensator). Dann müsste man mindestens U~ = U= /√2 = 191 V vorsehen (bei der Mittelpunktschaltung 2 x 191 V). Nimmt man sich ein Nomogramm der Gleichrichterröhre vor, dann wird man bei einer Gleichstrombelastung von I= = 70 mA vielleicht eine erforderliche Trafospannung von beispielsweise 300 V (bzw. 2 x 300 V bei Mittelpunktschaltung) ablesen. (Die Nomogramm.Angaben gelten bei typischen Ladekapazitäten und Trafoinnenwiderständen.)

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