Funk, Heft 17/1938, Weidmannsche Verlagsbuchhandlung, pp. 471 – 472
Eine gitterlose Röhre mit Stromverteilungssteuerung
Das in neuerer Zeit von den Röhrenkonstrukteuren viel angewandte Steuerungsprinzip durch Stromverteilung hat in Amerika [USA] zur Entwicklung einer Röhre geführt, bei der das eigentliche Steuergitter ganz fehlt. Die zur Stromverteilungssteuerung dienenden Elektroden haben auch keine Gitterform mehr, sondern sie sind stabförmig ausgebildet; die Röhre weist überhaupt keinerlei gitterförmig gebildete Elektroden auf.
Die räumliche Anordnung der Elektroden ergibt sich aus der schematischen Darstellung der Abb. 1. Anode , Hilfsanode und Steuerelektroden bestehen aus zwei symmetrisch zueinander angeordneten Teilelektroden, die elektrisch innerhalb der Röhre miteinander verbunden sind. Die Anoden sind als halbkreisförmig gebogene Platten ausgebildet, welche die Kathode in sich einschließen. An sich könnte die Anode auch aus einem einzigen Rohrstück bestehen, jedoch würde dann die kapazitive Kopplung mit den Hilfsanoden zu groß sein. Diese haben Plattenform und stehen der Kathode etwas näher als die Anoden.
Die Steuerelektroden, die in der Mitteilung als Stromverdichter bezeichnet werden, verteilen den Kathodenstrom je nach Höhe der negativen Steuerspannung mehr zugunsten der Hilfsanoden oder der Anoden. Zur Erläuterung der Stromsteuerung dient Abb. 2.
In Abb. 2a ist die Steuerspannung sehr negativ; infolgedessen geht praktisch der gesamte Kathodenstrom zu den Hilfsnoden. Bei 2b ist nur eine geringe negative Steuerspannung vorhanden, so daß der Strom sich in einen zur Anode und einen zur Hilfsanode fließenden Strornanteil teilt. In der letzten Abbildung (2c) schließlich ist die Steuerspannung sehr gering negativ oder schon positiv, so daß die höhere Anodenspannung den überwiegenden Anteil des Kathodenstroms zu sich hinüberzuziehen vermag.
Abb. 3 zeigt ein Schaltbild für die Anwendung der neuen Röhre in einer Zwischenfrequenzverstärkerstufe.
Es findet hier auch eine Schwundregelung statt, die sich nicht nur auf Beeinflussung der Steuerelektroden beschränkt, sondern auch in gewissem Umfang die Hilfsanoden dazu heranzieht. Bei kurzzeitiger starker Herabsetzung der Schwundregelspannung - wie sie während des Übergangs von einem Sender zum anderen auftritt - wird die Spannung der Hilfsanoden durch Vermittlung des Kondensators C erhöht, was eine Herabsetzung des Anodenstroms und damit eine Empfindlichkeitsverringerung ergibt, die sich als "Krachtötung" wohltuend bemerkbar machen soll.
Der neuen Röhre werden von seiten ihres Konstrukteurs in ausführlichen Erörterungen sehr viele wertvolle Eigenschaften zugeschrieben, so daß man um so mehr das Vorhandensein von Kurven, von präzisen Angaben über Verstärkungsgrad, Verzerrungsgrad, innere Kapazitäten usw. vermißt. Bei der Aufzählung der Vorteile vermag man zuzustimmen, wenn der einfachere Aufbau, das Fehlen der sonst üblichen vielen ineinander geschachtelten Gitter genannt wird. Dies ermöglicht eine einfachere und daher billigere Herstellungsweise. Auch läßt der einfache Aufbau und die Ausführung der Elektroden größere Übereinstimmung in der elektrischen Beschaffenheit bei Serienfabrikation zu, was für die Verwendung der Röhren in Gegentakt- und Parallelschaltung wertvoll ist. Weshalb aber dieser Röhre beispielsweise eine bessere Eignung für Kurzwellen zugeschrieben wird, ist fraglich, denn die Kapazität zwischen den Steuerelektroden einerseits und der Kathode bzw. Hilfsanoden oder Anoden andererseits scheint eher größer als kleiner im Vergleich zu gittergesteuerten Röhren zu sein. Ferner unterliegen die Steuerelektroden hier offenbar einer beträchtlichen Rückbeeinflussung durch die Anodenspannungsänderungen, die man bei den üblichen Röhren durch ein Schirmgitter praktisch beseitigt hat. Auch kann man nicht ohne weiteres der Auffassung zustimmen, als könnten bei der neuen Röhre keinerlei Sekundäremissionseffekte mit ihren bekannten nachteiligen Folgen auftreten. Es scheint durchaus möglich, daß aus den Hilfsanoden Sekundärelektronen austreten, die der höheren Anodenspannung Folge leisten oder sonstwie die Charakteristik beeinflussen.
Schließlich wird noch auf die größere Aussteuerbarkeit der Röhre hingewiesen, wozu die Tatsache der in Abb. 3 angewandten Schwundregelung - die auf eine gekrümmte Kennlinie hindeutet - im Widerspruch steht.
Zweifellos stehen dem Prinzip der Stromverteilungssteuerung noch große Möglichkeiten offen. Es ist aber noch abzuwarten, welche Konstruktionen sich hierbei durchsetzen und im Vergleich zu den normalen Steuerungsverfahren Vorteile zu bieten vermögen. Daß man zu diesem Zweck nicht von der Verwendung gitterförniger Elektroden abzugehen braucht, zeigen die Beispiele der Sechspolregelröhren. Übrigens wurde unlängst von einem deutschen Röhrenfachmann darauf hingewiesen, daß auch die normale Intensitätssteuerung mittels eines um die Kathode angeordneten Steuergitters letzten Endes auch auf eine Stromverteilungssteuerung hinausläuft. Dieser Theorie zufolge wird in der Elektronenwolke der Kathode durch die Gitterspannung eine Aufteilung der Elektronen in zwei Gruppen vorgenommen. Die eine Gruppe überwindet die hemmende Gegenwirkung der Gitterspannung und gelangt zu den positiv vorgespannten Elektroden, die andere Gruppe wird zurückgestoßen und fließt zur Kathode zurück. Danach wäre die übliche Steuerung nichts anderes als eine Stromverteilungssteuerung zwischen den positiven Elektroden der Röhre einerseits und der Kathode andererseits. H. Bouche; Zeichnungen vom Verfasser
Bislang sind keine weitern Daten dieser Röhre bekannt. Auch ist nicht berichtet, ob es sich um eine experimentelle Röhre oder um eine in Serie gefertigte handelt. Vielleicht hat ein Röhrenspezialist dazu weitere Informationen.
MfG DR
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