Großsenderanlage Ismaning

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Großsenderanlage Ismaning 
18.Jan.18 16:53
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Wolfgang Lill (D)
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Wolfgang Lill

Bereits seit 1924 existierten an verschiedenen Stellen Münchens kleine Mittelwellensender, die von der Reichspost betrieben wurden. 

Die Entscheidung für einen Großsender mit 60 KW Leistung und seine Antennenanlage fiel auf das Erdinger Moos nahe Ismaning, Dort hat vor allem der Boden eine hohe elektrische Leitfähigkeit durch anstehendes Grundwassser.

Im Frühjahr 1931 kamen viele Handwerker , die Baustelle wurde eingerichtet und die ersten Gebäude, die Sender- und Maschinenhallen  sowie Werkstätten, Lager und Verwaltungsräume wurden im Eiltempo gebaut.  

Auch die Sendeantennen, Verwendung fand Holz der Amerikanischen Pechkiefer*, wurden errichtet.

*amerikanische Pechkiefer: nicht leitendes Material, was besonders wiederstandsfähig gegen Witterung und Fäulnis war

Zunächst handelte es sich um eine T- Antenne, die an zwei je 115 m hohen freistehenden Holzfachwerktürmen befestigt war,

Am 3.Dezember 1932 erfolgte die Inbetriebnahme der ersten Senderanlage in Ismaning bei München.

Man musste jedoch nach kurzer Zeit des Betriebes erkennen, das diese technische Lösung ungünstig war. 1934 wurde beide Türme wieder abgebaut. 

Ein Holzturm wurde 1934 neu errichtet. Dazu wurde zuvor ein 34 m hoher Holzsockel gebaut und darauf setzte man den dem  Eiffelturm ähnlichen Holzfachwerkturm.  Hier kam eine Vertikaldipolantenne zum Einsatz. 

Nach der Fertigstellung des Neuen Holzturmes erreicht dieser 156 m, mit den Antennenauslegern später dann sogar 163 m.

Auf Welle 740 KHz, für die die Anlage auch optimiert wurde, wird nun fortan gesendet.

Die von der Lorenz AG entwickelte Höhendipolantenne, deren Einspeisepunkt sich bei 120 m Höhe befand, hatte auch eine schwundmindernde Wirkung.

Aber schauen wir doch mal rein in so ein Tagesprogramm : 

Hier haben wir mal das Rundfunkprogramm vom 25.April 1934 . Um 6,30 Uhr ging es los und       24 Uhr war Sendeschluß. Das ist nicht mehr das Programm der Bayerischen Rundfunk GmbH sondern vom Reichssender München, der nun schon Teil des Nationalsozialistischen Einheitsrundfunks ist.

Einer der Höhepunkte in der Geschichte des Senders sind sicher die Übertragungen der Olympischen Winterspiele aus Garmisch Partenkirchen. München wurde als Zentralsender dafür eingesetzt.

Einen weiteren Höhepunkt gab es am  1. April 1938. An diesem Tag wurde der 100 KW- Sender, geliefert von Firma Lorenz aus Berlin, in Betrieb genommen.

Nicht unerwähnt lassen will ich, das auch Anfang der 40- iger Jahre auf diesem Standort eine zweite Kurzwellensendestelle mit 4 leistungsstarken Kurzwellensendern  der Deutschen Reichspost ihren Betrieb aufnahm.

Ab 09.Juni 1940 übernahm der Reichssender München das Einheitsprogramm des Großdeutschen Rundfunks, für Regionalsendungen blieb nur ein tägliches Zeitfenster von 08,00  bis 12,00 Uhr.

Ab 07.Juli 1943 wurde 24 Stunden gesendet, sicher auch wegen zahlreicher Luftangriffe, die hauptsächlich nachts erfolgten.

Im Juli 1944 wird das Münchner Funkhaus durch Bombentreffer stark zerstört, aber der gut organisierte Reichsrundfunk sendet weiter. Eigenartigerweise erfolgen keine Tieffliegerangriffe auf Ismaning.

In der Nacht zum 28.April 1945 besetzte die Widerstandsgruppe "Freiheitsaktion Bayern" die Sendeanlagen und forderte über den Sender zur Kapitulation auf.  

Aber die SS war noch gut organisiert und so kam es zur Rückeroberung der Sendeanlagen, erstaunlich, ohne größere Zerstörungen.

Am 30. April 1945 besetzte die US- Armee die nahezu unzerstörten Sendeanlagen.

Am 12.Mai 1945 ging er wieder in Betrieb als Sender der amerikanischen Militärregierung, unter dem Namen Sender München. 

Der "Bayerische Eiffelturm" versah weiter seinen Dienst bis zum Jahre 1969 und wurde dann ausser Dienst gestellt. 

Die Mittelwelle  war inzwischen auf 801 KHz umgezogen und die Ausstrahlung mit einer Sendeleistung von 2 x 300 KW erfolgte ab nun über einen 171,5 m hohen Rohrmast.

Statische Probleme zwangen zum Abriss. Der bayerische Rundfunk hatte bereits seit Mitte der 70iger Jahre ein Institut der Technischen Universität München mit der Beobachtung und Begutachtung des Holzbauwerkes beauftragt.

Schon 1976 waren bleibende Verformungen zu erkennen . Obwohl diese gefährdeten Stellen sofort mit Stahlprofilen gestützt wurden, zeigten sich in der darauffolgenden Zeit bereits erste Bruchstellen. Alle Ausbesserungen konnten den Holzturm nicht erhalten.

Eine Standsicherheitsuntersuchung ergab, das der Holzturm nach den gesetzlichen Bauvorschriften als einsturzgefährdet einzustufen ist. Auch im Falle einer aufwendigen Sanierung wäre eine wesentliche Verlängerung der Lebensdauer nicht mehr erreicht worden.

So musste schweren Herzens der Entschluß gefaßt werden, den Holzturm, einer der schönsten und interessantesten Zeugen der 50 jährigen Rundfunkgeschichte Ismanings, abzureisen.

Am 15.März 1983 , einem Dienstag, war es dann soweit:

Nun wurde kontrolliert gesprengt und es dauert keine Minute, bis der Turm in sich versank.

Eine zweite Sprengladung im Fußbereich beseitigt den unteren Teil des Turmes, rund 300 m3 Pechkiefernholz (PITCH PINE)  aus Südamerika über die Weltmeere zu Flößen zusammengebunden bis Rotterdam gezogen, dann auf dem Rhein aufwärts geflößt bis Mannheim und dort wurde es auf die Schiene umgeladen und bis zum Bestimmungsort transportiert.

So stirbt die letzte europäische Holzkonstruktion, die als Sender genutzt wurde. Es war eine Sehenswürdigkeit allerersten Ranges.


Deshalb bin ich sehr froh, das wir diesen Sendeturm auch im Radiomuseum.org in Erinnerung behalten können. Er und seine fleissigen Erbauer und Betreiber haben es verdient !

Ich bedanke mich bei den Kollegen des Bayerischen Rundfunks für die Bereitstellung der Fotos und der Pressedienst- Informationen Nr. 1/83 und 16/83 sehr herzlich.

 

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.