IBOC / HD Radio

ID: 125033
IBOC / HD Radio 
06.Nov.06 14:08
0

Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
Beiträge: 2492
Anzahl Danke: 10
Dietmar Rudolph † 6.1.22

Seit mehreren Jahren wird in den USA (Region 2) ein kombiniertes analoges / digitales Übertragungsverfahren im Rundfunk angewendet. Ursprünglich hatte dieses einen rein technischen Namen: IBOC (In Band on Channel). Dieser Name suggeriert, daß innerhalb des analogen Kanals zusätzlich eine digitale Übertragung stattfindet. Dies ist leider nicht richtig. Vielmehr werden die digitalen Signale rechts und links vom analogen Kanal übertragen -- und damit in den Nachbarkanälen.

Der Name wurde mittlerweile von IBOC zu HD Radio geändert. 

In den USA klappt dies Verfahren einigermaßen, weil die Sender schwächere Sendeleistungen haben und Bandbelegung nicht so dicht ist wie z.B. in Europa.

IBOC / HD Radio führt in Europa (Region 1) zu erheblichen Störungen in den Nachbarkanälen. Dies wird in den angehängten PDF Dokumenten anhand der Spektralbelegungen dargestellt.

Im Beitrag IBOC_HD.PDF wird das System erklärt und theoretische und gemessene Spektren gezeigt.

Der Beitrag Commentary_1.PDF stammt von der Zeitschrift "Radio World". Hierin wird insbesondere auf die bei AM IBOC zu erwartenden Störungen eingegangen.

Es gibt grundsätzliche Bestrebungen, den Rundfunk komplett zu digitalisieren. Da das nicht "per Knopfdruck" von einem Tag zum anderen geht, werden digitale Verfahren gesucht, die zunächst in kompatibler Weise und ohne Störung des analogen Rundfunks parallel ausgesendet werden können. Die digitale Übertragung ist dabei sozusagen "in Untermiete" bei der analogen.

IBOC entspricht in diesem Bild einem randalierenden Untermieter. Was wird dann wohl die Konsequenz sein?

Siehe auch die Diskussion unter: www.radiomuseum.org/dsp_forum_post.cfm

Anlagen:

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

 2
Digitale Rundfunkverfahren 
07.Nov.06 13:14

Martin Bösch (CH)
Redakteur
Beiträge: 621
Anzahl Danke: 10
Martin Bösch

Hallo Herr Rudolph
entgegen Ihren Vermutungen gegen Ende des Beitrags wird in Europa leider digitaler Rundfunk betrieben, ohne auf Kompatibilität mit den bisher eingesetzten AM-Empfängern Wert zu legen.
Mehrere Kurzwellenfrequenzen und zunehmend auch MW - Frequenzen werden im digitalen DRM (Digital Radio Mondiale) Verfahren betrieben, im analogen Empfänger hört man lediglich ein Rauschen. Das Spektrum ist oftmals noch breiter, da das gesamte Kanalsegment ausgenutzt wird, im Gegensatz zum AM-Empfang, in dem die Hülkurve oft nicht ganz so breit ist.

Die Anbieter in Europa achten wohl nicht so auf Kompatibilität wie die Kollegen in den USA, mit dem Wechsel in die DRM Technik sollen die Hörer mit Druck zum Systemwechsel gezwungen werden, wer's hören will, soll sich einen entsprechenden (neuen) Empfänger kaufen. In USA hat die Mittelwelle wohl noch einen grösseren Stellenwert, die Anbieter haben weniger Monopolstellung, so dass man sich eine Zwangsumstellung nicht leisten kann.

Die DRM Empfänger sind weiterhin nicht netzunabhängig, teuer und trotz aller Versprechungen seit IFA und Weihnachtsgeschäft 200x nicht in grossen Stückzahlen lieferbar.

Einige unverbesserliche AM-Liebhaber hoffen inständig, dass sich die DRM-Technologie aus Hörermangel totläuft, bisher werden die Sendungen beispielsweise von R. Luxemburg wohl kaum mehr als eine Handvoll regelmässige Hörer erreichen.
lieber Gruss Martin Bösch

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

 3
Kompatibilität 
07.Nov.06 19:35

Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
Beiträge: 2492
Anzahl Danke: 11
Dietmar Rudolph † 6.1.22

Hallo Herr Bösch,

die Kompatibilität sollte noch genauer definiert werden. Denn es gibt hierbei verschiedene Arten bzw. Stufen.

1. Beispiel: UKW Stereo

Hierbei wurde ein Differenzsignal (DSB Signal auf 38 KHz) oberhalb von dem ursprünglichen Summensignal hinzugefügt, ebenso ein (für die Demodulation notwendiger) frequenz- und phasenrichtiger Hilfsträger (als Pilot auf 19 KHz).

Der ursprüngliche UKW Monoempfänger wertet nur das Summensignal aus. Das ist volle Abwärtskompatibilität.

2. Beispiel: TV Farbe

Hierbei wurden zwei Farbartsignale (QDSB auf 4,43 MHz [Farbhilfsträger]) dem Helligkeitsignal hinzugefügt. Ohne Vergrößerung der Bandbreite war dies deshalb möglich, weil das Helligkeitsignal spektral um die Vielfachen der Zeilenfrequenz konzentriert ist und dazwischen Platz für das Chrominanzsignal ist.

Der SW TV Empfänger nutzt die Orthogonalität zwischen Luminanz- und Chrominanzsignalen dazu aus, das Luminanzsignal alleine darzustellen. Auch hier hat man in den meisten Fällen volle Kompatibilität. Auch SW Sendungen  können im Farb TV fast immer korrekt wiedergegeben werden; bloß machmal gibt es ein Farb-Flirren, z.B. bei einem Nadelstreifenanzug.

3. Beispiel DRM

Die AM Kanäle sind 9 KHz breit (LW, MW in Region 1). Das bedeutet, daß das analoge NF Signal maximal 4,5 KHz breit sein kann. Wenn die Kanalbandbreite sehr gering ist, muß die Kanaldynamik entsprechend groß sein, damit eine qualitativ hochwertige Übertragung (bezüglich Störgeräusche) stattfinden kann. Leider ist gerade die unzureichende Kanaldynamik typisch für die AM Kanäle. Man kann daher nicht auch noch zusätzliche Daten in einem solchen Kanal übertragen, ohne daß es zu Störungen der analgen Übertragung kommt.

Der Ansatz für DRM ist daher: Im 9KHz breiten Kanal werden statt eines analogen Signals jetzt nur noch digitale Signale übertragen. Es ist korrekt, daß der Kanal vom DRM Signal spektral voll ausgenutzt wird. Dies sollte zunächst nicht zu Störungen führen, wenn der Empfänger auf einen anderen Sender eingestellt ist.

Hier besteht also nur noch Kompatibilität zum Kanalraster.  Eine gewisse Kompatibilität zum AM Empfänger besteht jedoch beim DRM Simulcast Mode. Hier wird dem DRM Signal eine Trägerlinie hinzugefügt und ein Seitenband mit "Pseudodaten" so aufgefüllt, daß die Hüllkurve der HF Schwingung exakt der einer AM Schwingung entspricht. Bei einem AM Empfänger mit symmetrischen Bandfiltern empfängt man damit ein (fast rauschfreies) analoges Signal. Im Berlier Raum verwendet "Die Stimme Rußlands" auf 693 KHz eine solche Modulation.

Die meßbaren und festgestellten Störungen (in angrenzenden Kanälen) rühren von nicht optimal geeigneten und/oder abgeglichenen Sendern her. Hier muß DRM und insbesondere gewisse Senderbauer (speziell diejenigen, die bei DRM diese Problematik klein geredet haben) noch ihre Hausaufgaben machen.

Die Freunde historischer Radios, zu denen ich mich auch zähle, sollten aber bitte nicht übersehen, daß nach dem Fall des Eisernen Vorhangs die LW, MW und KW Sender praktisch obsolet wurden. Die auch auf Profit ausgerichteten Senderbetreiber waren schon fleissig dabei, alle Masten abzuhacken und die AM Sender zu verschrotten (siehe z.B. Österreich und Schweiz). Hier konnte nur noch die Aussicht auf die Digitalisierung und die dadurch zu gewinnenden weitreichenden und qualitativ mit UKW FM vergleichbaren neuen Kanäle bewirken, daß nicht sofort Tabula rasa gemacht wurde.

Wenn DRM sich nicht durchsetzen sollte, wird es sehr schnell keine AM Sender mehr geben, dafür aber stehen schon viele andere Anwender bereit, z.B. für RFID und andere schöne Sachen, mit denen Geld verdient werden kann. Ob damit den Freunden des AM Rundfunks gedient ist?

4. Beispiel IBOC HD-Radio

Die IBOC Verfahren übertragen  ihre digitalen Daten (ohne Rücksicht) in den angrenzenden Kanälen ober- und unterhalb des analogen Kanals.

Hier ist noch nicht einmal die Kompatibilität zum Kanalraster erfüllt.

"Die Anbieter in Europa achten wohl nicht so auf Kompatibilität wie die Kollegen in den USA."

Diese Aussage in Ihrem Beitrag ist mir unverständlich. Aber vielleicht geht das aus IBOC_HD.PDF bzw. Commentary_1.PDF nicht klar genug hervor?

Viele Grüße aus Berlin

Dietmar Rudolph

Technische Details finden sich auch auf meiner Homepage.

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.