Info zu unbekanntem Radio

ID: 690673
? Info zu unbekanntem Radio 
25.Apr.25 10:46
147

Marcel Kneip (L)
Beiträge: 19
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Wer kann Informationen (Marke/Modell, technische Unterlagen zu diesem Radio geben ? Es hat fünf Röhren: 6E8MG, 6H8MG, 6J7MG, Endstufenröhre (kein Typenschild), Gleichrichterröhre (kein Typenschild). Alle Röhren sind von der Marke Visseaux, das Gerät stammt demnach hoechstwahrscheinlich aus Frankreich. 

Es enthält keinen Lautsprecher, man sieht auch keinen Platz wo der Lautsprecher hätte sein können, ausser eventuell auf auf der Rückwand, diese ist jedoch nicht mehr original und ist eine durchgehende Holzplatte. Vielleicht musste das Gerät immer mit externem Lautsprecher betrieben werden, einen dementsprechenden Anschluss scheint es zu geben.

Drei Wellenbereiche (OC/BE,GO,PO) und Pickup-eingang. Untenstehend eine Vorder/Seitenansicht und zwei Innenansichten.

 

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Info zu unbekanntem Radio 
26.Apr.25 09:21
147 from 619

Rainer Jehl (D)
Beiträge: 29
Anzahl Danke: 1
Rainer Jehl

Hallo Herr Kneip,

leider ist die Liebe zu alten Radios etwas erkaltet.

Doch ich möchte mich Ihrem Fall annehmen, in dem ich Ihnen zeige, wie man vorgehen könnte, um Informationen über ein Exponat zu recherchieren.

 

Zunächst die Antwort auf Ihre implizierte Frage, die kann ich Ihnen bestimmt geben:

Wer hat dasselbe Radio wie ich?

Niemand !!

Es ist eine Sonderanfertigung aus Serienteilen.

 

Nun zu Ihrem Beschrieb:

Das Radio besitzt 5 Röhren, die noch drin sind, aber wenn Sie mal auf Ihr unteres Bild schauen, finden Sie ganz zuhinterst eine vereinsamte Fassung, in der mal ein Auge prangte, das durch das von hinten rechte Loch der Skala dem Hörer entgegenblickte. Die Befestigung scheint irgendwie verloren.

In der Oktalfassung dürfte eine 6AF7 gesteckt haben, die ist für diese Bauperiode in Frankreich typisch. Das können Sie aufgrund der Fassungsverdrahtung durchaus mal checken.

Weiters wurde eine 3E8MG noch nie gesehen. 3 Volt Heizspannung waren in den 40er Jahren für Netzempfänger passé. Es kann nur eine 6E8MG (Metall-Glas) sein.

Gleichrichter und Endrohr können Sie bestimmen, wenn Sie einfach mal vorsichtig saubermachen. Mit Sicherheit sind mindestens noch Reste von Ätzungen übrig. Suchen Sie unter der Lupe.

Typisch für französische Empfängerjahrgänge nach dem Krieg sind Kombinationen von 25L6G und 25Z6G auch für Wechselstromempfänger. Oder 6V6G / 6M6G Endverstärker und 5Y3G als Gleichrichter.

Ich besaß in früherer Zeit doch einige Franzosen.

Sucht man französische Empfänger mit dem Mischer 6E8MG, kommt man schon mal in die passende Zeit nach dem Krieg bis etwa 1950.

Ich habe folgendes Modell mit ähnlichem Gehäuse und ähnlichen Chassis-Details (Filterbecher, Röhren, Anordnung der Rückseitenbuchsen) gefunden:

Modell LRD Inconnu

Unzweifelhaft stammt Ihr Gehäuse vom gleichen Ebéniste, der die Firma REP aus Paris mit der Marke 'La Radio de Demain' (LRD) bedient hat.

Besonders typisch sind die seitlich eingelegten dreieckigen 'Hexenzungen', die dem Bediener entgegenzüngeln. Durchsucht man benachbarte Datenbanken alter Empfänger nach dieser Marke 'LRD', hier das für Ihren Fall ideale Grand Livre, werden einem Modelllisten ausgeworfen, die ausschließlich für den Jahrgang 1949/50 dieses Dekormotiv und auch die typische konkave Einwölbung der Seitenteile ausweisen.

La Radio de Demain war eine nur kurz existente Erzeugung preisgünstiger, aber nach französischem Gusto auffälliger Empfängerbausätze, auch als Fertiglieferung.

Allerdings ist Ihr Radio außen wahrscheinlich nicht mit der Marke LRD oder REP versehen, es besitzt einen markenneutralen Skalentrieb, in Frankreich in den 30er bis in die 50er Jahre absolut üblich für 'Noname'-Produkte kleinster Erzeugungen. 

Hier eine sehr ähnliche Skala ohne Markenbezug bei einem Empfänger der Firma Radio Perfecta um 1949:

Modell Radio Perfecta OC50

Warum nun diese Skala?

Bezeichnenderweise handelt es sich bei Ihrem Exemplar um ein lautsprecherloses Steuergerät mit mittig anzuordnender Skala und Bedienung. Das Gehäuse wurde genau auf diese Anforderung geschreinert, es sind keine nachträglichen Umbauten erkennbar. 

Standard waren aber zu dieser Zeit in Frankreich die 'Links / Rechts' - Tischgeräte, bei der die Skala außermittig sitzen muss. Kenner wissen, dass der komplette Skalentrieb mit Drehko zu dieser Zeit ein Zukaufteil war, mit dessen Hilfe sich das Design des Empfängers gestalten ließ. Er war in vielen verschiedenen Bauformen für die Kleinindustrie beziehbar, z.B. von der Spezialfirma 'Arena'.

Das Grundchassis, möglicherweise von REP / LRD hergestellt, wurde durch mittiges Aufsetzen einer solchen Zukaufskala für den Betrieb in einem lautsprecherlosen Steuergerät ertüchtigt. Wenn Sie in Ihrem Foto mal auf das Chassis blicken, könnte man die Skalen-/Drehkoeinheit auch nach links (von hinten) schieben und dann wäre rechts Platz für einen Haut Parleur, da wo er hingehört. Es sind auch schon Chassisöffnungen vorhanden.

Eine Anwendung, für die man ein 'Links- / Rechts-' Chassis nicht ohne weiteres verwenden kann, ist ein Tonmöbel, bei dem der Lautsprecher woanders im Gehäuse sitzt. Daher könnte es sich bei der Chassisvariante auch um eine Kleinstserie für einen Radioschrank gehandelt haben (nicht dokumentiert). Dort fährt man mit einer mittigen Bedienung besser.

Warum ein Steuergerät?

Ich halte es für eine Gastro-Sonderanfertigung, um eine im Interior eingebaute Lautsprecheranlage zu betreiben. Idee.

Machen Sie Ihr Radio mal vorsichtig sauber und schauen Sie, ob unter dem Dreck noch Hinweise auf einen Hersteller auftauchen. Ich mache das ohnehin immer als erstes (und nicht als letztes) und finde oft viel.

Fazit:

Das Modell ist originär zum Betrieb an außerhalb eingebauten Lautsprechern vorgesehen. Das Gehäuse und auch das Chassis mit Röhrenbestückung deuten auf eine Sonderanfertigung aus dem Umfeld des Herstellers REP, Paris oder LRD (gleicher Ursprung). Das Baujahr kann man wegen des auffälligen Dekors auf 1949/50 oder kurz danach (aus Restteilen) festlegen.

Für den ähnlichen 6-Röhrenempfänger 'Inconnu' gibt es keinen Schaltplan, aber je nach der von Ihnen festgestellten Endstufe finden Sie unter den Empfängern 'LRD' in unserer Datenbank oder auch zu Empfängern ähnlicher Bestückung mindestens ähnliche Schaltunterlagen. Die französischen Schaltungen dieser Zeit sind stark standadisiert, eine Wiederherstellung nach Analog-Schaltunterlagen sollte für einen Routinier kein Problem darstellen.

Modell:

Falls Sie noch einen Hinweis auf einen Hersteller finden, können Sie das Gerät z.B. unter LRD, Modellname Inconnu anlegen.

Falls Sie keinen Beleg auf einen Hersteller finden, bleibt nur die Anlage als Hersteller 'Inconnu' Modell 'Inconnu', doch mit Bezug / Verweis auf LRD.

Vielleicht können Sie in Frankreich mal anfragen nach ähnlichen Steuergeräten.

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Info zu unbekanntem Radio 
26.Apr.25 09:59
153 from 619

Marcel Kneip (L)
Beiträge: 19
Anzahl Danke: 1

Vielen Dank Herr Jehl. Das ist sehr hilfreiche Info, werde das jetzt mal alles im Detail durchgehen. Ich werde ebenfals auf die Suche nach LRD Geräten gehen, eine ähnliche Schaltung wird mit Sicherheit in anderen Geräten der Marke implementiert sein. Andernfalls leite ich den Schaltplan so weit wie möglich aus dem Gerät ab. 

Die Referenz zu 3E8MG war ein Fehler von mir, es handelt sich um 6E8MG. Bezüglich dem Lautsprecher werde ich zu gegebenem Zeitpunkt sehen wie ich den implementieren kann. Seitlich oder vorne im Holzrahmen sehe ich dafür keine Möglichkeit, bleibt also nur die Rückwand, die muss eh erneuert werden. Werde dann auch ein Modell anlegen. Nochmals vielen Dank für Ihre Hilfe. 

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26.Apr.25 13:07
196 from 619

Jacob Roschy (D)
Redakteur
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Jacob Roschy

Hallo Herr Kneip,

auf der Gehäusedecke kann man eine Wölbung erkennen, wovon ich sehr stark vermute, dass darunter der Lautsprecher gehört.

Diese Lösung findet man auch bei anderen französischen Geräten, z. B. beim Schneider Nocturne.

Wenn die End- und Gleichrichterröhre gereinigt wären, könnte man vielleicht schon direkt die Bezeichnungen ablesen, aber man könnte möglicherweise auch am Systemaufbau die Typen erkennen.

Hat die Gleichrichterröhre V-förmig frei aufgespannte Heizfäden, handelt es sich wohl um die 5Y3G, befinden sich jedoch Katodenrohre in den Anodenzylindern, ist es die 5Y3GB.

Die Endröhre kann man an bestimmten Merkmalen erkennen:

6V6G: Heizstrom 0,45 A @ 6,3 V, Katodenwiderstand 250...270 Ω an Pin 8,

6F6G: Heizstrom 0,7 A @ 6,3 V, Katodenwiderstand 400...450 Ω an Pin 8,

6M6G: Heizstrom 0,9 A @ 6,3 V, Katodenwiderstand 150...160 Ω an Pin 8,

MfG
J. Roschy

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