Insel VILM Westfernsehen über Richtfunk
Insel VILM Westfernsehen über Richtfunk

Zunächst eine Abschrift, da die Kopien sehr schlecht lesbar sind Es handelt sich um die Aktennummer 18271 des Bundesarchives, Aktenführende Stelle Abt. Richtfunkbetrieb 5450-2
Ministerium für Post-und Fernmeldewesen Berlin 13.03.1990
Hauptabteilung Betrieb
und Verkehr des Funkwesens
AKTENNOTIZ
zur Errichtung und zum Betrieb der Richtfunkstrecke Ahrenshoop – INSEL VILM ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Durch die frühere Partei- und Staatsführung wurde seit mehreren Jahren die Forderung
erhoben, Möglichkeiten für den ständigen Empfang der Fernsehprogramme der BRD
(insbesondere ARD, ZDF, NIII) für das Gästeheim des Ministerrates der DDR auf der Insel
VILM zu schaffen.
Diese Forderung konnte nicht realisiert werden, da die geforderte Empfangsqualität auf-
grund der physikalischen Bedingungen nur mit hohem finanziellen und materiellem Aufwand
realisierbar gewesen wäre.
Im Juni 1987 erhielt das Ministerium für Post und Fernmeldewesen vom damaligen
Wirtschaftssekretär des ZK der SED, Mittag, über den Bereich Kommerzielle Koordinierung
den Auftrag, den Empfang des BRD-Fernsehens auf der Insel VILM in guter Qualität kurzfristig
zu sichern. Begründet wurde das damit, daß sich Honecker während seines Urlaubes im
Juli 1987 auf der Insel VILM aktuell über die Reaktion der BRD-Medien auf seinen für September geplanten BRD-Besuch informieren müsse.
Durch die HA (Hauptabteilung) Betrieb und Verkehr des Funkwesens des Ministeriums
für Post- und Fernmeldewesen wurde in Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen der
Deutschen Post eine Lösungsvariante erarbeitet, die folgendes beinhaltete:
Der Empfang der BRD-Fernsehprogramme auf der Insel VILM kann nur durch die terristische Übertragung über Richtfunkstrecken realisiert werden. Dazu sind erforderlich:
-
Errichtung einer Empfangsantennenanlage für drei Programme in der Funkstelle der
Deutschen Post in Ahrenshoop.
-
Aufbau von Richtfunk-Verbindungen für drei Programme zur Übertragung zur Insel
VILM über die Richtfunkstrecke der deutschen Post in Stralsund als Relaisstelle.
-
Errichtung eines mindestens 25 m hohen Antennenmastes auf der Insel VILM.
-
Einspeisung der BRD-Programme in die Gemeinschaftsantennenanlage auf der Insel
Vilm.
Es wurde der Standpunkt erarbeitet, daß das die einzigste realisierbare Variante wäre, welche
jedoch mit hohem Aufwand verbunden sein würde. Der Deutschen Post standen dafür keine
Übertragungskapzitäten zur Verfügung. Der Einsatz mobiler Richtfunktechnik kam aufgrund
der zeitweiligen hohen Anforderungen an die Studiotechnik Fernsehen (Feierlichkeiten zur
750-Jahr-Feier Berlins, Festumzug, Wasserfest, u.a.) nicht in Betracht.
Am 17.Juni wurde das Ministerium für Post- und Fernmeldewesen von der Entscheidung Günter
Mittags informiert, daß eine Richtfunkstrecke Ahrenshoop zur Insel VILM in kürzester Frist zu
errichten sei. Die Beschaffung der dazu erforderlichen Ausrüstungen wird durch den Bereich
Kommerzielle Koordinierung durchgeführt.
Das Kombinat Funk und Fernmeldeanlagenbau Berlin wurde mit der Errichtung des Antennen-
trägers auf der Insel VILM beauftragt. Das Ministerium für Post- und Fernmeldewesen war für den Aufbau und die Inbetriebnahme der Richtfunktechnik und der Empfangsantennenanlage
verantwortlich.
Es wurde entschieden, daß die Richtfunkstrecke nach dem Import durch den Bereich
Kommerzielle Koordinierung durch die Deutsche Post in Mark der DDR bezahlt wird und in Rechtsträgerschaft der Funkdirektion der Deutschen Post übergehen würde. Diese sollte für eine Dauer von ca. 6 Wochen vermietet werden.
Am 18. und 19.Juni 1987 wurde die Empfangsanlage in der Funkstelle Ahrenshoop errichtet und die Empfangsbedingungen für die BRD-Programme positiv beurteilt.
Am 20.Juni 1987 wurde im VE ( Volks Eigenen) Kombinat Industrie und Hafenbau Stralsund
eine Beratung mit dem Ziel der kurzfristigsten Errichtung eines Antennenträgers auf der Insel VILM durchgeführt.
Als Antennenträger wurde ein in Greifswald zwischengelagerter 29m-Stahl-Gittermast vorgesehen.
Die Gründungsarbeiten für das Mastfundament und das Schütten des Betons erfolgten bis zum 24.Juni 1987. Am 26. und 27.Juni wurden die Antennenträger durch die Interflug montiert.
Am 26. Juni 1987 wurde die Richtfunktechnik,
Hersteller: Continental Microwave, Großbritannien
durch Herrn Hochholdt und Herrn Schwarz, MPF (Ministerium für Post und Fernmeldewesen),
auf dem Flughafen in Berlin-Schönefeld übernommen. Am 27. und 28.Juni wurde durch die
Studiotechnik Fernsehen (DDR Fernsehen Berlin Adlershof) die Richtfunktechnik in Ahrenshoop , Stralsund und auf der Insel VILM installiert und in Betrieb genommen.
Die Inbetriebnahme erfolgte planmäßig am 28.06.1987 um 17,00 Uhr. Die drei BRD-
Fernsehprogramme wurden in die Gemeinschaftsantennenanlage eingespeist.
Die Deutsche Post, Funkdirektion, wurde die gesamte Richtfunktechnik durch das Aussen-
Handelsunternehmen DELTA für 3.860647,40 Mark der DDR ( Valutagegenwert: 318.116 Pfd Sterling ) verkauft.
Erstmals Ende August 1987 wurde dem MPF durch den Leiter des Gästeheimes VILM,
Herrn Heine, die Forderung übermittelt, einen Abbau der Richtfunktechnik nicht vorzunehmen.
Trotz der Einwände, daß die Richtfunktechnik für einen ständigen Einsatz unter den dortigen
klimatischen Bedingungen ungeeignet wäre und in der Funkdirektion und der Studiotechnik
Fernsehen ständiger Bedarf bestünde, wurde das MPF durch das Sekretariat des Minister-
rates beauftragt, einen Nutzungsvertrag für die ständige Nutzung der Richtfunktechnik zur Versorgung der Insel VILM mit den Programmen des BRD-Fernsehens abzuschließen.
Begründet wurde das vor allem damit, daß der Urlaub von Honecker zwar vorüber sei, ein einmal eingerichteter Komfort bei der Gästebetreuung nicht abgebaut werden könne.
Obwohl diese Maßnahme von den Mitarbeitern der Deutschen Post heftig kritisiert wurde und für ständige Diskussionen Anlass gab, wurde der Abschluß des Vertrages durch das
Sekretariat des Ministerrates durchgesetzt.
Am 14.Januar 1988 wurde ein Nutzungsvertrag zwischen dem MPF und dem Sekretariat
des Ministerrates abgeschlossen.
Wesentliche Vertragspunkte waren:
-
ständiger Betrieb der Richtfunktechnik ausschließlich für die Versorgung der Insel VILM.
-
Bezahlung von 2.275.020,00 Mark der DDR entsprechend der Kalkulation durch das MPF.
Da Mitte 1988 durch den Aufbau einer Satelliten-Empfangsanlage auf der Insel VILM das
Programm NIII über einen Satelliten empfangen werden konnte, wurde am 27.09.1988 eine Änderung des Vertrages vorgenommen und eine Richtfunkstrecke vollständig demontiert.
Für den durch die Deutsche Post zu erbringenden Leistungsanteil wurde ein Preis von
1.367.366,00 Mark der DDR pro Jahr vereinbart.
Diese Richtfunkstrecke wurde von der Funkdirektion der Deutschen Post an die Studiotechnik Fern-
sehen nach Berlin-Adlershof umgesetzt und dort als Grundmittel aktiviert.
Am 06.12.1989 wurde der Vertrag mit dem Sekretariat des Ministerrates durch das MPF gekündigt,
alle Richtfunkstrecken wurden am 10.12.1989 abgeschaltet.
Am 11.Januar 1990 wurde die gesamte Richtfunktechnik demontiert und zur Studiotechnik Fernsehen
nach Berlin- Adlershof umgesetzt. Mit der Umsetzung konnten veraltete Anlagen ersetzt werden....
Die Richtfunkstrecke:
In Ahrenshoop steht ein ca 100 m hoher Sendemast. Er wurde Mitte der 80iger Jahre erneuert und hier war ein Übergabepunkt zur EUROVISION nach Gedser in Dänemark.
Foto 1+2 Arnt Löber. vielen Dank !
foto Michael Ihle, Ahrenshoop Mastdetail aus den 90iger Jahren
Es wurde die Möglichkeit des Ballempfanges geprüft . Alle drei Programme ARD, ZDF und N3 konnten in guter Qualität empfangen werden. Wie schon zuvor geschildert musste die Richtfunkstrecke für die drei Programme aufgebaut werden.
Der nächste Turm befindet sich bei Stralsund gute 40 km entfernt Hier ein Foto vom Richtfunkturm Galgenberg aus dem Jahre 1991.
Ursprünglich war der 4-eckige Turm für das Schmalbandnetz der SED errichtet worden.
Foto: Erwin Schult
Von hier wurde weiter zur Insel VILM übertragen.Vor 1990 stand der Betonturm noch nicht. Auf dem rechts im Bild befindlichen Massivturm war ein 30 m hoher Stahlmast aufgesetzt, wo die Spiegel montiert waren. Dieser wurde schon in den 90iger Jahren mit Errichtung des Betonturmes demontiert.
Zunächst war es notwendig, die Montagehöhe der Spiegel zu ermitteln.
Auch das wurde im Eiltempo ermittelt, selbst die Baugenehmigung für die Fundamente kam von einem Tag zum anderen... es war auch in der DDR kein Problem, wenn man die richtigen Auftraggeber hatte und mit harter Währung einkaufen konnte.
Herr Florian Herzig schreibt mir:
- Die beiden Antennenmasten im Jahr 1987. Der erste Fernsehempfangsmast stammt aus der Mitte der 1970er und wurde Ende der 1980er nach Errichtung des neuen Mastes zurückgebaut. Der neue Mast bzw. die einzelnen Segmente wurden von der Interflug mittels Hubschrauber eingeflogen und aufgestellt. Im Bereich des Mastfußes wurde ein Antennenhäuschen mit der entsprechenden Empfangstechnik errichtet und es wurden auf Vilm Kabel bzw. Leerrohre verlegt. Zusätzlich wurden später auch noch 2 oder 3 Satellitenspiegel errichtet.
- Konservierungsarbeiten am neuen Mast im Oktober 1987.
- Den neuen Mast als Hintergrund. 1988 erfolgte auf Vilm offenbar nochmals ein Einsatz der Interflug zu Transportzwecken. Dies könnte im Zusammenhang mit den ebenfalls neu errichteten Empfangsspiegeln stehen. Dazu waren wohl Betontransporte für die Fundamente notwendig.
Der Rückbau des zweiten Mastes muss Anfang der 1990er Jahre erfolgt sein (vermutlich vor 1993) und geschah sehr umfassend. Im Bereich des Mastfußes (Heute nicht allgemein zugängliche Kernzone des Biosphärenreservates Südost Rügen) erinnert praktisch nichts an die frühere Nutzung. Diese und andere Rückbaumaßnahmen auf Vilm zu Beginn der 1990er Jahre wurden wohl sehr sorgfältig und umfassend ausgeführt. Die drei Bilder wurden von früheren Mitarbeitern der Verwaltung des damaligen Regierungsgästeheimes aufgenommen. Der schlechte Fernsehempfang auf Vilm für die hohen Gäste des Gästeheimes war laut Aussagen früherer Mitarbeiter bereits ab Anfang/Mitte der 1980er Jahre ein intensiv mit dem Träger der Regierungsgästeheime diskutiertes Problem, dass dann erst ab 1987/88 eine Lösung fand.
Bild 1: alter und neuer Mast... siehe Text oben
Archiv des Vereins zur Pflege der Kultur- und Naturgeschichte der Insel Vilm e.V. (kurz "Archiv ViV"
Archiv des Vereins zur Pflege der Kultur- und Naturgeschichte der Insel Vilm e.V. (kurz "Archiv ViV"
Bild 2 : Mastkonservierung im Oktober 1987
Bild 3 : Einsatz der Interflug Quelle Archiv des Vereins zur Pflege der Kultur- und Naturgeschichte der Insel Vilm e.V. (kurz "Archiv ViV")
So konnte also unser damaliger Staatsratsvorsitzender Erich Honecker mit seiner Frau Margot zu einem 5-tägigem Urlaub im Gästeheim anreisen.
Er kam dann zumeist mit seinem Citroen CX allerdings mit DDR Standarden geschmückt. Das war übrigens seine letzte Limousine. Der Fahrzeugbesitzer sagte mir, die DDR-Standarden sind immer weg, deshalb diese.
Vom Hafen ging es mit dem Boot rüber zur Insel VILM. Herr Sven Overmann von der Weißen Flotte informiert uns wie folgt:
Ab 2025 steuert die "Weiße Flotte" mit dem Fahrgastschiff "Kleine Freiheit" von Lauterbach aus die Insel Vilm an.
Foto.@ Weiße Flotte GmbH
Die "kleine Freiheit" läuft in den Hafen der insel VILM ein. Im Hintergund der Ort Neuendorf , ein Ortsteil der Stadt Putbus, im eingekreisten Bereich sieht man Lauterbach. die "Weiße Flotte" hat die Route von der Rügener Fahrgastreederei Lenz übernommen.
Das erste, was die maximal 30 Inselgäste pro Tag, sehen können, ist eine Infotafel. Ausschnitt Foto privat
Auf der Insel befindet sich seit 6. Oktober 1990 eine Außenstelle des Bundesamtes für Naturschutz, es gibt drei Tagungsräume auf der Insel und neun Gästehäuser für die Teilnehmer an Tagungen.
Aber nochmal zurück in die DDR_
1962 wurde das "Gästeheim des Ministerrates " (der DDR) eröffnet. Damit gab es keine Möglichkeit mehr für Touristen und Feriengäste, diese insel zu besuchen. Mehrfach war Walter Ulbricht mit seiner Ehefrau Lotte hier zur Erholung.
2 xFoto.@ Weiße Flotte GmbH
Über die Geschichte der Insel finden Sie im Internet genügend Informationen. Mein Anliegen war es in erster Linie, die Geschichte, wie das Westfernsehen nach VILM kam, darzustellen.
Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.
Insel VILM Westfernsehen über Richtfunk

Ein herzliches Dankeschön an Herrn Gebler von Rügendruck Putbus für die Bereitstellung der Karte von der Insel . Unten nochmal ein Detail, wo die Insel Vilm besser zu sehen ist.
Mich haben einige weitere Zuschriften zur Richtfunktechnik erreicht.Leider noch keine Beweismittel. Ein Leser schreibt mir, daß vermutlich das VML70D eingesetzt wurde. Dieses hatte eine Sendeleistung von 1,5 Watt und arbeitete im 7 GHz- Bereich.
Inzwischen wissen wir auch, warum die Strandkörbe für die Mitarbeiter der Deutschen Post nicht in Ahrenshoop ankamen, die Adressdaten waren vertauscht worden, diese wurden in Adlershof beim Fernsehfunk angeliefert ...
Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.