Mittelwellensender Brno Komarov Teil2

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Mittelwellensender Brno Komarov Teil2 
10.May.14 14:26
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Wolfgang Lill (D)
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Wolfgang Lill

Teil 1 siehe hier

Am 19. April 1945 frühmorgens um 5,40 Uhr erschüttern Explosionen den Ortsteil Komarov. Der Sendemast des Senders Brünn wird von der Wehrmacht gesprengt.

Zuvor erfolgte die Demontage wichtiger Baugruppen. Die Gebäude bleiben jedoch im Wesentlichen unversehrt erhalten.

Am 23.April 1945 beginnt die Sowjetarmee den Generalangriff auf Brünn. Die Stadt war zur Festung erklärt worden. Bis zum 26 April abends toben die Kämpfe, am 27. April ist auch der Flugplatz und Komarov in sowjetischer Hand.

Bereits am 10.Mai 12,00 Uhr Mittags können die Brünner wieder einen Mittelwellensender auf Welle 410 m empfangen. Es war vermutlich der 500 Watt Luftsschutzsender, der seit 1944 sporadisch in Betrieb genommen wurde.

Übernommen wird das Programm aus Prag. Aber es gibt bereits einige regionale Meldungen und Musik von Grammofonschallplatten.

Am 26.Juni 1945 wird als Direktor des Rundfunkstudios Brno Ing Frantisek Konecny berufen. Programmchef ist Dr.  Ladislav Pulkrabek. Als Studios werden genutzt die bereits vor der Besetzung vorhandenen am Husov- Station und und im Zemsky dum ( National Haus).

National Haus Brno

In den Jahren 1945 bis 1950 haben die Berichterstattungen aus den Brünner Studios regionalen Charakter, die Hauptsendezeit füllen Sendungen welche von Prag I und Prag II übernommen werden.

Bereits Ende Mai 1945 beginnt der provisorische Aufbau eines 25 KW- Senders in Komarov, Er wird zu Weihnachten 1945 in Betrieb genommen und sendet auf Mittelwelle 922 Khz bis zum 28.10.1947, dann übernimmt der Sender Dobrochov diese Frequenz.

In Brünn gibt es ab 21.September 1947 zwei Programme, Brno 2 von Komarov mit 25 KW und Brno 1 vom Sender Mähren ( Dobrochov) mit 100 KW Leistung.

Der neue Sendemast im Jahre 1952, der provisorische Sender mit 25 KW Leistung wurde 1952 durch eine Endstufe mit 13 KW ersetzt, die neue Sendefrequenz ist 719 KHz

Weiterhin gehen in den Einsatz ein Sender Typ Lorenz mit 1,5 KW, dieser kann im Bereich von 100 KHz bis 600 KHz arbeiten sowie ein TESLA DV200W (ein älterer Typ Mikrofona 800W) welcher auf 337 KHz sendet.

Die Sendestation wird im Laufe der Jahre ausgebaut, Auch ein Notstromaggregat wird eingebaut vielmals wird die Technik umgebaut, die Frequenzen geändert. Es würde sicher zu weit führen, wenn ich jetzt alle Frequenzänderungen aufführe und die wechselnde Technik beschreibe....

Neben dem Tesla  SRV3  werden auch auf dem Standort zur Telegrafieübertragung 3 Sender vom TypKUV 3/5 aufgebaut im Übertragungssystem F1 ( 400Hz) . Dazu kommen noch Sender, welche spezielle Aufgaben hatten, z.B die Störung von Radio Freies Europa

Vielleicht ist es auch mal interessant zu sehen, wie der Senderstandort damals aufgebaut ist:

Die Einfriedung des Standortes ist heute teilweise noch erhalten

 

Das findet man nicht nur in Brno Komarov, der Chef des Senders hatte immer ein Wohnhaus für sich und Familie im Grundstück.

Die Wachmannschaften mussten in dieser Baracke wohnen.
 

Die Stromversorgung erfolgte von mehreren Seiten und lief im Trafohaus zusammen.

Im Keller des Sendergebäudes befindet sich das Notstromaggregat sowie Dieselvorratsbehälter .

Bei der Besichtigung stoße ich  auf einen fast noch original eingerichteten Raum; es ist ein Bunkerraum, der atombombensicher sein soll.

Im 2. Weltkrieg erging immer die Weisung bei Fliegerangriffen den Sender ausser Betrieb zu setzen. Anders hier: ab drohendem (Atom)angriff ist der Sendebetrieb aufrechtzuerhalten, der Bunker ist aufzusuchen und wenn alles vorbei ist, darf ihn der Techniker wieder verlassen !!!

Es ist wirklich kein Witz, man muss sich dazu in die Zeit des kalten Krieges hineinversetzen, der AM- Rundfunk war in Ernstfällen der wichtigste Informationsträger für die Bevölkerung.

Umfangreiche Dokumente lagen im Bunker bereit, auch die obligatorische Gasmaske.

Geplant war dieser Schutzraum für eine Person. Die Luftversorgung funktioniert übrigens noch.

Die Kiste für die Notversorgung stammt aus dem Jahre 1967, also kurz vor Dubcek ! Insgesamt waren 60Kg drin, daraus kann man schlußfolgern, das doch für etwa 14 Tage das Durchhalten konzipiert war.

Ab 13.06.1986 wird ein spezielles Programm MOT (vysílání pro motoristy) für Kraftfahrer eingerichtet am 30.06.1986 endet die Arbeit des Telegrafiesenders KOM10.

Im Jahre 1993 sendet REGINA auf 1233 KHz mit 25 KW, das Radiojournal hat die Frequenz 900 KHz , Sendeleistung 50/25 KW. Im  Jahre 1994 kommt noch die Mittelwellenübertragung von Radio ECHO dazu.

Ständig kommt es zur Änderung oder zum Tausch der Frequenzen, ein Privatsender kommt, verschwindet wieder, die Zeit, wo der Skalenhersteller die Sender für lange Zeit positionieren konnte, ist vorbei.

Auch Contry Radio Prag auf Mittelwelle 1584 KHz war auf diesem Standort vertreten.

2003 beginnt das Sendersterben auf diesem Standort. .Am 31.10.2003 stellt der staatliche Sender  CRo2 auf 900 KHZ seinen Betrieb ein, es folgt  am 31.01.2004 der Sender CR06 auf 1233 KHz, am 29.02.2004 werden externe Serviceleistugne auf dem Standort beendet, als letzter Sender geht am 30.04.2004 Contry Radio auf 1584 KHz vom Netz.

Damit ist mit diesem Tage der AM Rundfunkstandort in Brno Komarov Geschichte.

 

Die Cesky Radiokomunikace verkauft das Gelände insgesamt und schnell. Neuer Eigentümer wird die Farma Rájecek. Herr Ing Sklenár (rechts im Bild)

hat mir freundlicherweise einen Besuch der Anlagen ermöglicht und was ich sehr toll finde, er beschäftigt sich sehr mit der Geschichte des Senderstandortes.

Die nachfolgenden Fotos hat er mir zur Verfügung gestellt:

Nochmal ein Blick zum Sender im Sommer 2004

Winter 2005

und die Demontage bei kaltem Winterwetter

 

und was ist uns geblieben ?

noch ein  Blick über die Stadt Brno vom Dach der Radiokomunikace Barvicova70. Gleichzeitig eine Dankschön an Herrn Jiri Valka, der mich bei meinen Recherchen gut unterstützte,

ein Dankeschön an Herrn Petrzelka aus Brno  für die Begleitung und Beratung vor Ort

und an die Besitzer des Grundstückes, Familie Sklenar, viel Erfolg bei der Rekonstruktion und Bewirtschaftung des Grundstückes, vielleicht wird es irgendwann mal ein Museum für Radiofans...?

Teil 1 siehe hier

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.