nora: Nora S30W; Restaurationsbericht

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ID: 389476
Dieser Artikel betrifft das Modell: S30W Bakelitgehäuse (Nora, Aron, Heliowatt; Berlin)

nora: Nora S30W; Restaurationsbericht 
15.Dec.15 18:01
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Rüdiger Walz (D)
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Rüdiger Walz

Bakelit at it’s best.

Restauration Nora S30W

Das hier vorgestellte Gerät trägt die Produktionsnummer C 575488 und trägt innen einen Stempel 16.5.1932.

Die Nora-Geräte entwickelten ihr Design von Ende der 20er Jahre zum Beginn der 30er Jahre von einem technischen Gegenstand immer mehr in Richtung eines Schmuckstücks für die Wohnung. Nora hat für meinen Geschmack in dieser Zeit besonders schöne Bakelit-Geräte mit klaren Linien entworfen. Speziell der S30W zeigt keine Verschnörkelungen und beeindruckt durch seine Einfachheit.

Von der Schaltung her gleicht das Gerät vielen Anderen jener Zeit. Ein typischer Zweikreiser der (gehobenen) Mittelklasse – 2 Hf-Pentoden plus Endpentode. Damit ist das Gerät sehr leistungsfähig. Leider fehlte damals noch die Fadingregelung, was den Hörgenuß für unsere Ohren heute durch die dauernden Schwankungen etwas ungewohnt macht.

Ich bekam dieses Gerät zusammen mit dem dazugehörigen Lautsprecher L280 TZ geschenkt (ja, das gibt es wirklich!). Da mir seine Form gefällt, beschloss ich es zu behalten und zu restaurieren.

Beim Ausbau des Chassis aus dem Gehäuse fällt als erstes die für diese Zeit Nora-typische Konstruktion mit den horizontal in die Hf-Teile eingebauten Röhren. Die gleiche Anordnung findet man in vielen Nora-Geräten gegipfelt vom Spitzensuper W500L, wo die Zf-Röhren horizontal in den Zf-Kreisen sitzen.

Wenn man bedenkt, wieviel Aufwand bei Röhrengeräten getrieben wurde um durch die Wärmeentwicklung im Gerät Frequenzveränderungen zu vermeiden, wundert einen diese Anordnung schon sehr. Ob durch die Abschirmung der Röhren eine höhere Verstärkung und Schwingneigung vermieden wurde kann ich nicht beurteilen. Fakt ist, es geht eigentlich auch konventionell.

Das Gerät war sehr gut erhalten, keine Korrosion und keine Reparaturspuren. Eigentlich müsste man es unberührt lassen, wenn da nicht die aufgeplatzten Netzteilkondensatoren wären. Außerdem war es innen mit einem Schmutzfilm überzogen, der sich über 83 Jahre angesammelt hatte, auch wenn das Gerät offensichtlich insgesamt trocken aufbewahrt wurde.

Nach Herausziehen des Chassis aus dem Gehäuse kann man auch die Frontplatte demontieren und dann sehr gut nachpolieren. Sie wird durch Abstandstücke und Filzstreifen von Chassis getrennt, die Schrauben sind nun erreichbar. Die Filzstreifen sind immer wieder ideale Behausungen für Holzwürmer oder Motten, oft sah ich sie in anderen Geräten oder Lautsprechern komplett durchsiebt und aufgefressen. Hier waren sie makellos.

Der Schmutzfilm erwies sich als besonders hartnäckig. Hier musste meine Wunderwaffe ran. Für ganz hartnäckige Fälle verwende ich „Bref Schmutz und Eingebranntes“. (Man verzeihe mir die Schleichwerbung) Gibt es im Supermarkt. Aufsprühen, abwarten und gut nachspülen, am besten mit destilliertem Wasser. Das Bild zeigt den Reiniger bei der Arbeit und das Resultat. Wohlgemerkt, die Aluminiumabdeckung war vorher schon mehrfach mit einem normalen Reiniger und Lappen abgewischt worden. Einen ähnlichen Effekt habe ich bei der Bearbeitung des Philips 680A gezeigt.

Aber, Vorsicht !!!!. Der Reiniger kann auf empfindlichen Flächen Schäden verursachen. Daher bei lackierten Flächen vorher an einer unauffälligen Stelle testen. Beschriftungen und Decals  lösen sich sofort ! Obwohl ich mit Abklebeband das Abziehbild des VDFI-Zeichens gegen herabfließenden Reiniger und Spülwasser geschützt hatte, geriet ein Tropfen darauf. Das Ergebnis sieht man. Es gab mal eine Quelle für neue Zeichen, weiß jemand wo ?

Wie erwähnt waren die Netzteil-Blockkondensatoren aufgeplatzt. Auch hier wieder eine Besonderheit. Die beiden 0,1 µF Entstörkondensatoren, die die Anodenwicklung sekundär überbrücken, sind in einem Block mit den 4µF Kondensatoren vereint.  Meines Erachtens wenig praktisch, da Entstörkondensatoren durch die Wechselstrombelastung gerne defekt werden, und ich eigentlich erwarten würde, dass sie durch die Nähe zu den Netzteilkondensatoren Brummeinstreuung verursachen würden. Zumindest die zweite Vermutung wird durch das vorgefundene massive Abschirmblech zwischen den Kondensatoren bestätigt. Damit wird die Konstruktion noch aufwändiger. Kosteneffizienz stand damals wohl noch nicht auf dem Programm. Sie merken schon, ich habe die Kondensatoren innen durch neue ersetzt. Etwas, das ich sehr ungern tue, aber da die Kondensatoren hier aufgeplatzt waren, konnten sie durch Auskochen nicht mehr regeneriert werden. Durch meine Aktionen habe ich die Originalität (fast) nicht verschlechtert. Das Bild zeigt den Einbau der neuen Kondensatoren. Isolierpappen lasse ich gerne im Gehäuse, einmal um möglich Kurzschlüsse bei starken Erschütterungen zu vermeiden und zum anderen um dem hohlen Gehäuse mehr Masse zu geben und sie stützen auch den Deckel ab.

Nach dem Einbau sieht das Netzteil bis auf die blaue Ader des neuen stoffisolierten Netzkabels (das alte Kabel war total brüchig) wieder gut aus. Eine Besonderheit im Netzteil ist noch die Umstellungsmöglichkeit für die Verwendung eines elektrodynamischen Lautsprechers. Da der zusätzlich Stromverbrauch für das magnetische Feld zu einer zusätzlichen Belastung des Netzteils führt und beim Innenwiderstand der Gleichrichterröhre zu absinkenden Spannungen führt, wird durch Umstecken einer Brücke am Trafo die Anodenspannung einfach erhöht.

Als nächstes habe ich natürlich neugierig unter die Abschirmung des Hf-Teils geschaut. Hier findet man neben einem Sperrkreis die typischen Nora Wabenspulen und Luftspulen. Das erklärt auch das entspannte Verhalten des Konstrukteurs in Bezug auf Wärmeempfindlichkeit der Kreise.

 

Der sichtbare Blockkondensator sieht auf den ersten Blick nicht gut aus, Messungen zeigten aber einen Leckstrom von wenigen µA, was für ein Gerät, das nicht für den Dauerbetrieb gedacht ist völlig in Ordnung ist. Er wurde nur gereinigt. Die Schaltbilder der Blockkondensatoren habe ich zum Gerät hochgeladen.

Jetzt natürlich noch ein Blick auf das Chassis von unten.  Die beiden Blockkondensatoren sehen gut aus und ihre Leckströme von wenigen µA sind ebenfalls in meinem Toleranzbereich. Der einzige kritische Kondensator ist der Koppelkondensator zum Gitter der Endröhre. Hier sind einige µA nicht akzeptabel. Der kleine Rollkondensator wurde einseitig abgelötet und ein neuer Kondensator dahinter versteckt. Wie man sieht, sieht man nichts.

Gerne hätte ich noch die Skala abmontiert um sie besser reinigen zu können. Bei Celluloidskalen muss man immer sehr vorsichtig umgehen. Sie werden leicht spröde und bei Reinigungsversuchen wird die Schrift verwischt. Hier eine Warnung: Die Gegenmuttern der Halteschrauben sind nur in das Aluminium der Trägertrommel eingepresst. Da die Schauben festsaßen, habe ich bei der Gelegenheit eine Mutter losgedreht.  Die Halteschraube lässt sich dann nicht mehr eindrehen. Also Vorsicht !

Insgesamt sieht das Chassis abgesehen von dem Missgeschick mit dem VDFI-Zeichen nun wieder gut aus.

 

Die Frontplatte habe ich noch mit Zahnarzt-Polierpaste, wodurch sie wieder wie neu erstrahlt. Zusammen mit dem Lautsprecher L280TZ mit elektrodynamischen System für meinen Geschmack ein wunderschönes Ensemble.

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

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die Wunderwaffe 
15.Dec.15 20:23
56 from 2282

Mark Hippenstiel (D)
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Mark Hippenstiel

Ich verwende den genannten Reiniger schon seit etlichen Jahren und würde dieser Einschätzung voll zustimmen: es gibt nichts besseres! Die Produkte der Konkurrenz habe ich im Laufe der zeit durchprobiert und habe (bisher) noch keines gefunden, dass diesem das Wasser reichen könnte.

Zur Anwendung ist zu sagen, dass besondere Vorsicht geboten ist, auch bei robusteren Materialien. Hier ein paar Tips für die richtige Anwendung.

  • Wie schon von Herrn Walz erwähnt: Oberfläche an unauffälliger Stelle testen!
  • Lacke werden je nach Beschaffenheit leicht angelöst, und können nach der Reinigung matt und ausgeblichen erscheinen
  • Beachten Sie auch, dass sich Lacke durch UV-Einwirkung verändern und ggf. anfälliger sein können als die asugewählte "unauffällige Stelle"
  • Niemals grossflächig aufsprühen, es sein denn, die Oberfläche ist geeignet. Einzelne Tropfen und Flächen können so "extrem" reinigen und ein Muster hinterlassen, dass nicht mehr zu entfernen ist
  • Gleiches gilt für langfristiges Einwirken!
  • Empfindliche Oberflächen sind trotzdem gut zu reinigen: einen oder zwei feuchte Lappen nehmen, auf eine Seite etwas Bref aufsprühen, einreiben und nach kurzer Zeit oder direkt mit der anderen Seite (bzw. dem zweiten Lappen) nachwischen.

Freundliche Grüsse
Mark Hippenstiel

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