paillard: 55; NF-Verstärker

ID: 285959
Dieser Artikel betrifft das Modell: NF-Verstärker 55 (Paillard AG; St. Croix)

? paillard: 55; NF-Verstärker 
24.Apr.12 23:44
76

Ricco Schafer (CH)
Beiträge: 15
Anzahl Danke: 6
Ricco Schafer

Guten Tag liebe Kollegen

Ich hatte die Ehre dieses Gerät komplett zu restaurieren und da ich partout kein Elektroschema dazu finden konnte, zeichnete ich halt ein eigenes dazu.

Vieles dieser Technik konnte ich klären, aber konkret gerade zwei Sachen sind mir noch unklar:

Beim Gitter an der Endröhre 6L6G ist mir die Widerstandskombination nicht logisch. Wieso ist da ein 50kOhm-Widerstand vor dem Gitter, wo doch bei den NF-Frequenzen so zu sagen kein Strom fliesst? Was soll der 0,1 myFarad-Kondensator zwischen den zwei Widerständen 0,1 und 0,5 Mohm? Soll da etwa über den 0,5Mohm-Widerstand einen Teil der dem Gitter zugeführten Wechselspannung abgeleitet werden.

- Als zweites ist mir vor allem die Tonblende noch nicht klar. Warum ist da zur Blende noch ein zweites RC-Glied parallel geschaltet (300 kOhm und 465 pF)? Was mich sehr stört, ist, dass die Blende eher als „Dumpfschalter“ statt einer schönen Blende reagiert. Ich kenne das auch von anderen Geräten z.T. und es ist ja wohl bekannt, dass diese art von Tonblenden eher relativ „grobmotorisch“ sind, aber die reagiert schon sehr arg.

Sehr gerne würde ich die durch rechnen, ob das Gebilde überhaupt stimmen kann, denn das Poti wurde offensichtlich bei einer alten Reparatur mal ersetzt und original war da ev. ein ganz anderer Wert drin. Die beiden Kondensatoren waren noch original von Paillard.

Kann mir jemand sagen, wie man so eine RC-Blende durch rechnet? Ich kann zwar den Komplexen Widerstand berechnen, aber das alleine bringt ja noch nichts, da man den ja dann irgend etwas gegenüber stellen muss...

Ich muss noch erwähnen, dass wirklich alle Elemente nach Prüfung für gut befunden wurden, oder, wenn nötig, getauscht wurden (praktisch alle Kondensatoren). Zu sehen ist das nicht, weil ich die neuen Kondis in die alten einbaute.

-> Die Spannungsverhältnisse müssten also so ziemlich originalgetreu stimmen und tönen tut der Verstärker bei passender Impedanz eines Lautsprechers sehr gut.

Ps: was mich besonders an diesem Gerät belustigt ist der grauenhafte Anschluss bei einem 3500 Ohm-Lautsprecher. Die Buchsen sind völlig offen und man kann dort leicht hinfassen, was echt Laune macht, wenn man bedenkt, dass an diesen gegenüber dem Chassis die volle Anodenspannung anliegt!

Viele Grüsse und herzlichen Dank für allfällige Antworten im Voraus, Ricco Schafer

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

 2
NF-Verstärker 
25.Apr.12 17:01
76 from 1994

Dietrich Grötzer (A)
Redakteur
Beiträge: 459
Anzahl Danke: 4
Dietrich Grötzer

Hallo Herr Schafer.

1. Der 50k Widerstand beim g1 der 6L6G dient zur Unterdrückung wilder Schwingungen der Endröhre.

2. Der 0,1µF Kondensator zwischen den 0,1M und 0,5M Widerständen ist ein Glättungskondensator um eine Restwelligkeit der negativen Gittervorspannung zu unterdrücken.

3. Die Tonblende unterdrückt je nach Stellung des Potentiometers hohe Frequenzanteile des NF-Signals. Die dazu parallel liegende RC-Kombination ist eine Anpassung an die hohen Frequenzen.

Hier haben Sie die Möglichkeit unter Grundlagenberechnung (Excel) die Blindwiderstände der RC-Kombinationen nachzurechnen. Ob dadurch größere Erkenntnisse gewonnen werden entzieht sich meiner Beurteilung.

MfG D. Grötzer  

 

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

 3
NF-Verstärker 
25.Apr.12 23:39
151 from 1994

Ricco Schafer (CH)
Beiträge: 15
Anzahl Danke: 4
Ricco Schafer

Guten Abend Herr Grötzer

Vielen Dank für die Aufklärungen, die haben mir sehr geholfen.

Zu Punkt 1: Da werde ich mal den 50kOhm-Widerstand brücken und dann sollte ich doch die 6L6G zum Schwingen anregen können. - Nur so für mich aus Interesse.

Zu Punkt 2: Aha, ist ja eigentlich logisch, so wie man also die Anodenspannung z.T. kaskadenmässig bis zur Eingangsröhre glättet, wird hier eben die Gittervorspannung quasi "von unten her" geglättet. Mich hat erst erstaunt, dass denn dieser Wert (0,1 myF) so klein ist, aber im Verhältnis zum Koppelkondensator ist er ja doch doppelt so gross.

Wegen der Tonblende bin ich einen Schritt weiter: Ich habe eine alte Beschreibung gefunden, in der erklärt wird, wie man die untere und obere Grenzfrequenz einer Verstärkerstufe berechnet. Da muss z.B. bei der unteren Grenzfrequenz die Impedanz des Koppelkondensators den anderen Widerständen gegenüber gestellt werden. Ist, wenn alles fertig da steht einfach, aber die Herleitung ist nicht ganz trivial. Zur Berechnung der oberen Grenzfrequenz werden dann die schädlichen Querkapazitäten relevant. Nun, ich glaube, dass ich diese Herleitung dermassen abändern kann, dass man dann eben statt der Querkapazitäten die verstellbare Impedanz der Tonblende dort einfügen kann und dann hätte ich mein Berechnungsmodel. Wenn ich da schlauer bin, werde ich mein Ergebnis präsentieren.

Vielen Dank für den Link auf ihre tollen Excel-Tabellen. - Die sind ja echt praktisch.

Gruss, Ricco Schafer

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

 4
Lösung für die Tonblende 
13.May.12 13:13
343 from 1994

Ricco Schafer (CH)
Beiträge: 15
Anzahl Danke: 5
Ricco Schafer

Guten Tag

 

Nun konnte ich mir für die Tonblende eine Theorie zusammen basteln und sie als Excel-Datei anhängen. Wie schon vorher erwähnt, kann man davon ausgehen, dass die Tonblende, bestehend aus einem Poti und einem Kondensator, parallel zu dem Gitterwiderstand geschaltet ist. Ob sie vor, oder nach dem Koppelkondensator eingefügt ist, ist im Prinzip egal, da dieser ja bei den betrachteten Frequenzen einen verschwindend kleinen Widerstand aufweist.

Bei meinem Webster Wire Recorder funktioniert die Tonblende sehr gut und somit habe ich als System 2 im Excel quasi dieses System als Benchmark hergezogen. Die roten Zahlen fordern zur Eingabe auf und es bedeutet: Ri = Röhreninnenwiderstand im Arbeitspunkt, Ra = Anodenwiderstand, Rg = Gitterwiderstand, Rmax Poti = maximaler Widerstand des Potis, Poti-Kennl. = Kennlinie des Potis (bei log wurde eine typische Kennlinie eines sogenannten log-Potis hinterlegt), CT = Kapazität des Kondensators, der mit dem Poti die Tonblende bildet

Zuerst dachte ich, dass die Grenzfrequenz eine Aussage gibt, aber es ist einfach zu sehen, dass damit herzlich wenig angefangen werden kann. – Rein aus Interesse habe ich diese Darstellung aber noch drin gelassen. Wirklich genau sehen kann man im rechten Diagramm, was die Tonblende bewirkt und da ist auch zu sehen, warum bei meinem Paillard-Verstärker diese so grottenschlecht funktionierte.

-> Würde man ein Poti mit 320 kOhm maximalem Widerstand und einen Kondensator mit 7,7 nF einsetzen, würde die Tonblende genau gleich wie beim Webster-Gerät reagieren. Ich hatte ein altes Poti mit dem max-Wert von 400 kOhm und einen Kondensator mit 10 nF zur Hand und die Tonblende funktioniert nun entsprechend gut.

Entsprechende Messungen an den Geräten haben übrigens gezeigt, dass ich bei der Erstellung der Theorie wohl keinen Bock geschossen habe.

 

Ich hoffe, die Datei kann noch einigen helfen und grüsse euch liebe Sammler, Ricco Schafer

Anlagen:

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.