philips: Reparaturbericht Messbrücke Philips Typ GM4140

ID: 547023
Dieser Artikel betrifft das Modell: Philoscop GM4140 (Philips Radios - Deutschland)

philips: Reparaturbericht Messbrücke Philips Typ GM4140 
26.Nov.20 11:22
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Beat Sager (CH)
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Beat Sager

Im Nachlass von meinem verstorbenen Vater befanden sich vier Kisten gefüllt mit allen erdenklichen uralten und unbrauchbaren Drähten und Kabeln. Zum Glück habe ich vor dem Entsorgen noch in den Kisten herumgewühlt wobei ich dann dieses »Juwel« von einer Messbrücke zu Tage fördern konnte.

Wie es für die Philips Messgeräte dieser Generation üblich war besitzt das Gerät weder einen Netzschalter noch Sicherungen.

Als erstes wurde das Gerät geöffnet und alle Widerstände und Kondensatoren durchgemessen. Alle Kondensatoren haben sich als unbrauchbar erwiesen und die hochohmigen Widerstände > 100KOhm sind völlig ausserhalb der Toleranz. So hat zum Beispiel der Referenzwiderstand R9 für den 1MOhm Messbereich einen Wert von 1.25MOhm was natürlich zu massiv falschen Messwerten führt, besonders wenn man bedenkt das in der Anleitung eine Genauigkeit von 2% spezifiziert wird. Die VerdrahtungTrimmer ist mit gelben Gummi isolierten Drähten ausgeführt, welche zum Glück noch nicht ganz ausgetrocknet sind, sodass man die belassen kann. Ein interessantes Detail stellen die Trimmer C9 - C11 dar, welche aus einer schmalen Metallfolie, die um so ein gelbes Gummi Drahtstück gewickelt ist, bestehen. Zum Abgleich wird die Folie einfach auf oder abgewickelt. Eine billig Lösung die nicht gerade seriös wirkt. Messungen am Bereichsumschalter ergaben das erfreulicherweise alle Schaltkontakte in Ordnung sind, was nicht selbstverständlich ist für ein so altes Gerät. Das Netzkabel scheint immer noch original zu sein, es ist in einem schlechtem Zustand, kann aber belassen werden. Die Isolationswiderstände am Netztrafo sind unendlich, somit steht der Inbetriebnahme eigentlich nichts mehr im Wege.

Um Schäden an den Röhren zu vermeiden mussten zunächst jedoch noch die Kondnsatoren C4 - C8 und die Widerstände R13 - R15 im Messverstärker ersetzt werden. Das alles wurde so ausgeführt das die Wiederherstellung des original Zustandes jederzeit möglich ist. Ebenfalls sollten die Bauteile in der Messbrücke C1 - C4 und R8 - R9 ersetzt werden. Da die Zugänglichkeit zu diesen Bauteilen ohne die totale Zerlegung des Gerätes nicht möglich ist wurde davon abgesehen. Ausserdem kann im Messbereich »offene Brückenschaltung« einfach ein externes Referenzbauteil angeschlossen werden. Somit ist man nicht auf die internen Messbereiche angewiesen.

Die erste Inbetriebnahme erfolgt mittels einem Stelltransformator der langsam hochgedreht wird. Bei 210V Netzspannung, was der Mitte vom angegebenen Eingangsspannungsberich von 170 - 250V entspricht, erreicht die Heizspannung 6.0V. Die Anodenspannung = Schirmspannung am Abstimmkreuz EM1 steigt langsam auf 300V. Das Astimmkreuz leuchtet nicht sehr hell, kann aber problemlos abgelesenAbstimmkreuz EM1 kein Signal werden. Die Schirmspannung wird im Philips Datenblatt der EM1 mit 250V max. Grenzwert angegeben. Da haben die Konstrukteure im eigenen Hause wohl so richtig eins draufgehauen! Bei der max. Zulässigen Netzspannung von 250V steigt diese Spannung sogar auf satte 356V was für die Lebensdauer der EM1 sicherlich nicht förderlich ist. Die haben wohl damit gerechnet das in einem Labor oder einer Reparaturwerkstatt ohnehin einige EM1 als Ersatzteile herumliegen. Im Gegensatz zu einem Radio, wo das langsame erblinden des Magischen Auges keine Beeinträchtigung vom Empfang bedeutet, ist hier das FunktioniAbstimmkreuz EM1 Voll Ausgesteuerteren der EM1 unerlässlich. Auch die 6.3V Heizspannung der Röhren ist weit ausserhalb von der üblichen max. Abweichunvon +- 10%. Bei 170V Netzspannung beträgt diese 4.7V und bei 250V 7.2V was einer Abweichung von -25% und +14% entspricht. Die max. Sperrspannung der Gleichrichterröhre AB2 die als Anodenspannungsgleichrichter dient beträgt nach Datenblatt 420V, andere Datenblätter geben sogar einen Scheitelwert von max. 200V an. Bei der Vorliegenden gegentakt Gleichrichterschaltung erreicht die Sperrspannung jedoch max. 2 * 362V also ~= 724V. Ein Halbleiter würde eine solche Überschreitung der Grenzdaten wohl nicht überleben. Es ist eine interessante Tatsache das man die Grenzdaten von Röhren offensichtlich ohne Folgen problemlos überschreiten kann. Das Gitter der Pentode EF6 ist direkt mit der Messbrücke verbunden.

Bei Kapazitätsmessungen wird daher das Gitter ohne Ableitwiderstand betrieben, was nach Datenblatt eigentlich nicht erlaubt währe. Dem Umstand wird vermutlich durch den sehr geringen Anoden - und Schirmgitterstrom und dem grossen Katodenwiderstand von 16KOhm rechnung getragen, sodass die Röhre nicht überlastet werden kann. Vielleicht kann ein Röhrenspezialist hier noch eine umfassende Antwort geben. Die Triode in der EM1 wirkt als Gittergleichrichter für die von der EF6 verstärkten 50Hz Wechselspannung. Über die Anode gelangen die Halbwellen intern in der EM1 somit auf die Ablenkplatten vom Astimmkreuz. Dadurch werden die Ablenkplatten nur mit den Positiven Halbwellen Ausgesteuert. Der Ausschlag der Fächer wird dadurch etwas unscharf, trotzdem kann aber das Minimum gut eingestellt werden.

Nach dem die Messbrücke im Messbereich »Contr.« durch das festsetzten des Drehknopfes geeicht wurde funktioniert das Gerät recht gut. Werden im Messbereich »offene Brückenschaltung« zwei identische Widerstände angeschlossen steht der Drehknopf jedenfalls exakt auf null wenn die Brücke abgestimmt ist. Somit ist das Gerät zur Bestimmung von Widerständen immer noch brauchbar wenn man keine allzu grosse Genauigkeit erwartet. Messungen an verschiedenen Widerständen haben das bestätigt.

Etwas anders sieht die Sache bei kleinen Kapazitäten aus. Gemäss Anleitung sollten die zwei internen Kapazitäten zwischen zwischen K1 und K2 (C) sowie K2 und K3 (R) genau 10pf betragen. Im Messbereich »Offene Brücke« müsste der Nullabgleich ohne Beschaltung demzufolge bei der Zeigerstellung 0 liegen. Trotz geerdetem Gehäuse erfolgt der Nullabgleich je nach dem wo und wie man das Gehäuse berührt an verschiedenen Stellen. Erst ab der Messung von Kapazitäten von über 100pF kann vernünftig gemessen werden. Um die Scheinwiderstände zu verringern müsste für die Messung von kleinen Kapazitäten die Messbrücke vermutlich mit einem 1Khz Sinus Signal gespeist werden. Wie das bewerkstelligt werden kann findet man in der Anleitung, welche als PDF File im Internet unter »philips-gm-4140-handbuch« leicht zu finden ist.

Insgesamt ist die Messbrücke ein einfaches Gerät das zur damaligen Zeit sicherlich, auch trotz der Mängel, sehr hilfreich war. Nach dem Interessanten Abstecher in die Frühe Messtechnik verschwindet das Gerät nun in meiner Sammlung.


 

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