Röhren-Gitarren-Verstärker: Funktion & Selbstbau

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Röhren-Gitarren-Verstärker: Funktion & Selbstbau 
04.Aug.15 00:04
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Hans-Jürgen Neuhaus (D)
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Hans-Jürgen Neuhaus


Röhren-Gitarren-Verstärker:

Grundlagen, Funktion, Eigenbau, Modifikation

für Einsteiger und Fortgeschrittene
Teil 1

 

Vorwort:

Die historische Entwicklung der Elektrogitarre (E-Gitarre) und des damit verbundenen Gitarren-Verstärkers ist eine spannende Geschichte, soll hier aber nicht näher verfolgt werden. Der Schwerpunkt dieses Beitrags wird sich auf die technischen Aspekte des Gitarrenverstärkers beschränken.

Jeder engagierter E-Gitarren-Musiker – ob Anfänger oder Fortgeschrittener, ob jung oder alt – besitzt einen Verstärker, mit dem er mehr oder weniger zufrieden ist. Dies hat technische Gründe, ist aber natürlich auch immer eine Frage des Geldbeutels. Der Schwerpunkt dieses Beitrags sind Röhren-Gitarren-Verstärker.


Teil 1 bis 3

Der folgende Beitrag wird zur besseren Übersicht in 3 Teile unterteilt:


Teil 1 führt zu technischem Grundwissen über Gitarrenverstärker und zeigt den Stand der Technik auf.

Am Ende gibt es den ersten Praxisteil: Zusammenstellung einer Gitarrenverstärkeranlage mit einfachen Mitteln nach dem Motto:

Wie komme ich von Papas oder Muttis HiFi-Verstärker-Anlage oder einem alten Röhrenverstärker zu einer gut klingenden Gitarrenverstärker-Anlage.


Teil 2 beinhaltet die Fortsetzung der Beschreibung zum Stand der Technik mit einer Erweiterung des Praxisteils, wie man aus Einzelkomponenten eine Gitarren-Verstärker-Anlage zusammenstellen kann, ohne gravierende Eingriffe in einzelne Komponenten vorzunehmen.


Teil 3 befasst sich mit Sonderfällen, Beispiele:

  •    Class-A-Endstufen (mit Röhren)
  •    Massekonzept für Röhrenverstärker
  •    Parallel Loop = paralleler Einschleifweg
  •    Gegenkopplung (Presence-, Resonance-Regler)
  •    Röhren-Schutzschaltungen (TSC, …)
  •    Class-D-Endstufen (mit Halbleitern)
  •    Welcher Umbau lohnt sich?
  •    Umbautipps: Doppel-T-Filter, Send-/Return-Buchsen, Leistungsreduzierung, Übersteuerung, …

Einleitung

Obwohl die Transistortechnik auch in Gitarrenverstärkern weit vorangeschritten ist und zu wirklich guten Produkten geführt hat, ist die Röhrentechnik im Gitarrenverstärker heute immer noch die erste Wahl. Röhrenverstärker haben einen Kultstatus – insbesondere der sogenannte Vollröhre-Verstärker. Vollröhre heißt, dass im Signalweg ausschließlich Röhren und keine Halbleiter zum Einsatz kommen.

Der Schwerpunkt des folgenden Beitrags liegt daher auf Röhrenverstärkern ohne Transistorkomponenten bei Bedarf außer Acht zu lassen.


Inhaltsübersicht Teil 1

  •    Gitarrenverstärker als Teil des Instruments
  •    Terminologie der Gitarrenverstärker
  •    Eigenschaften moderner Gitarrenverstärker
  •    Die Schaltungstechnik
  •    Röhrenvorstufen
    Signalquelle: Gitarrentonabnehmer
    Klangregler
    Fenderstack
    Marshallstack
    Simulationsprogramm
    Einschleifweg: Send <> Return
  •    Röhrenendstufe
  •    1. Praxisteil: Zusammenstellung eines Gitarrenverstärkers
  •    Von der HiFi-Anlage zur Gitarrenverstärker-Anlage
  •    Graphic Equalizer Pedal
  •    Lautsprecherboxen
  •    Verzerrer Pedal
  •    Endverstärker
  •    Ausblick


Gitarrenverstärker als Teil des Instruments


Hauptgesichtspunkt ist, dass ein Gitarrenverstärker prinzipiell wesentlicher Teil des Instrumentes E-Gitarre ist. Daher sind übliche HiFi-Anforderungen an diesen Verstärker nicht erforderlich. Im Gegenteil, das E-Gitarrenspiel über einen HiFi-Verstärker klingt ziemlich fade – insbesondere im unverzerrten, dem sogenannten Clean Modus. Es zählt das Gesamtergebnis der Instrumentenkette, die aus Gitarre, Verstärker und Lautsprecherbox besteht. Der Klang ist entscheidend - oder wie man heute auch gerne sagt: Der Sound!

Hierbei spielt der Verstärker eine wesentliche Rolle. Verzerrungen sind nicht ein hinzunehmendes Übel, sondern auch in den verschiedensten Formen gewollt – sie sind bei heutiger Rock und Popmusik ein Muss!

Und da kommt dann schnell die gute, alte Röhre ins Spiel.

Ein wichtiger Unterschied zwischen Transistor- und Röhrenverstärker ist, dass der Transistorverstärker bei Übersteuerung unangenehm schnell und hart in die Begrenzung (Clipping) fährt, während dieser Übergang beim Röhrenverstärker wesentlich weicher verläuft. Dies lässt sich gut am Verlauf des Klirrfaktors in Abhängigkeit von der Ausgangsleistung erkennen.

 

Bild 1: Unterschied: Klirrfaktor bei Röhren- und Transistorverstärker


Dadurch erzeugen vor allem Transistorverstärkerstufen, die an ihre Aussteuergrenzen stoßen, insbesondere ungeradzahlige Oberwellen bzw. Oberschwingungen höherer Ordnung, die Klirrfaktoren hoher Ordnung ergeben. Zusätzlich entstehen entsprechende Schwingungen auf „Kombinationsfrequenzen“. Diese sind für das menschliche Gehörempfinden unangenehm, weil sie nicht mehr als „Klänge“ bzw. als harmonisch empfunden werden. Wesentlich angenehmer werden von unserem Ohr Oberwellen niedriger Ordnung empfunden – die sogenannten k2, k3, k4, … Klirrfaktoren, die bei Röhrenverstärkern entstehen.

Außer Oberschwingungen entstehen auch hierbei Schwingungen auf entsprechenden Kombinationsfrequenzen, die dann u.a. z.B. im Verhältnis 2:1 (Oktave), 3:2 (Quinte), 4:3 (Quarte), 5:3 (Sexte), 5:4 (große Terz), 6:5 (kleine Terz) zu einander stehen. Solche Kombinationsfrequenzen werden zusammen mit der Grundschwingung als Akkorde wahrgenommen. Wie stark diese ausgeprägt sind, hängt auch davon ab, ob die Verzerrungen in den Vorstufen oder in der Endstufe erzeugt werden.


Terminologie von Gitarrenverstärkern:

Gitarrenverstärker wurden und werden hauptsächlich in den USA und England entwickelt. Daher haben sich Bezeichnungen von Leistungsmerkmalen (Features) und Bedienelementen fast ausschließlich in englischer Sprache durchgesetzt. Hier eine alphabetische Aufstellung:

 

  •    Amp – Amplifier – Verstärker
  •    Amp-Modelling – Simulation verschiedener Verstärker- und somit Sound-Typen. Meist werden hier digitale Signalprozessoren (DSPs) eingesetzt – siehe unten
  •    Bass – Bassregler
  •    Bias – Vorspannung zur Arbeitspunkteinstellung von Röhrenstufen
  •    Boost – schaltbare Lautstärkeanhebung z.B. für Gitarrensoli; manchmal einstellbar und auch mit Klangveränderung gekoppelt.
  •    Bright – Höhenanhebung
  •    Cabinet - Lautsprecherbox
  •    Channel – Kanal
  •    Clean – Unverzerrter Klang
  •    Clipping – Übersteuerung durch Signalbegrenzung
  •    Clone – Nachbau
  •    Combo – Kofferverstärker: Verstärker und Lautsprecher in einem Gehäuse
  •    Compressor - Dynamik Reduzierer (Verdichter)
  •    Crunch channel – Leicht übersteuernder, verzerrender Klang-Kanal
  •    Delay – Verzögerung, Echo
  •    Dirty – siehe Drive
  •    Distortion channel - Stark übersteuerbarer Klang-Kanal, oft auch Lead-channel oder Drive-channel genannt.
  •    Drive channel – Stark übersteuerbarer Klang-Kanal, oft auch Lead-channel oder Distortion-channel genannt. Drive steht hier als Kurzform für Over-Drive (Übersteuerung). Dieser Begriff wird hier im Weiteren schwerpunktmäßig für einen stärker übersteuernden Kanal verwendet.
  •    DSP – Digitaler Signal Prozessor
  •    EQ - Equalizer – Klangregelnetzwerk
  •    Footswitch - Fußschalter
  •    Gain – Verstärkungsregler meist im übersteuernden Kanal (Overdrive); das Maß der Übersteuerung hängt maßgeblich vom Gesamt-Verstärkungsfaktor der Vorstufenkette ab und wird oft als Gain-Fähigkeit (oder ähnlich) bezeichnet.
  •    Ground – Masse
  •    GND – Ground, Masse
  •    Head – Verstärkeroberteil (Kopf) ohne Lautsprecher
  •    Humbucker Tonabnehmer – Spezieller Tonabnehmer (Doppelspule) zur Reduktion der Einwirkung von äußeren Störeinflüssen (vgl. Single Coil)
  •    HW - Hardware
  •    Hybrid-Verstärker – Verstärker bestückt mit Röhren und Halbleitern
  •    Input – Gitarren-Eingang
  •    Input High – Hochohmiger Gitarren-Eingang (für passive Tonabnehmer)
  •    Input Low – Niederohmiger Gitarren-Eingang (für aktive Tonabnehmer)
  •    ISF (Infinite Shape Feature) - Veränderliche Übergabefrequenzen des Klangregelnetzwerks
  •    Kanal - als Kanal wird eine Vor-Verstärkereinheit mit unterschiedlichen Frequenzgang- und Verstärkungsfaktor-Eigenschaften bezeichnet.
  •    Lead – siehe Drive-channel
  •    Level – Pegel
  •    Looper – Digitales Aufnahmegerät für die serielle Aufnahme von Gitarre- und/oder Mic-Signalen – früher: Multiplayback („Einmannorchester“)
  •    Mic – Englische Kurzform für Mikrofon
  •    Middle – Mittenregler
  •    Mains - Netz
  •    Master – Summenregler bei mehrkanaligen Verstärkern
  •    Noisegate – Stummschaltung (Mute) bei fehlendem oder geringem Eingangsnutzsignal
  •    Overdrive (OD) siehe Drive-channel
  •    Output – Ausgang, meist Lautsprecherbuchse mit Ausgangsimpedanz-Angabe
  •    Parallel Loop – Einschleifweg für Effektgeräte durch parallele Zumischung in den Vorverstärker
  •    Power soak – Leistungssenke: Balastschaltungen (meist Widerstände), die die am Lautsprecher verfügbare Ausgangsleistung der Endstufe ohne Soundverlust reduzieren sollen.
  •    Preamp - Vorverstärker
  •    Presence – Endstufen-Gegenkopplungsregler; wirkt wie zusätzlicher Höhenregler
  •    Resonance - Endstufen-Gegenkopplungsregler; wirkt wie zusätzlicher Bassregler
  •    Return – Verstärker-Eingang (physisch meist hinten am Verstärker angeordnet) zum Einschleifen des Ausgangssignals von Effektgeräten (Hall, Echo, Verzerrer, …). Siehe auch Send.
  •    Reverb – Hall
  •    Serial Loop – siehe Send und Return
  •    Send – Auskoppelpunkt des Vorverstärkersignals (physisch meist hinten am Verstärker angeordnet) zum Einspeisen in ein Effektgerät (Hall, Echo, Verzerrer, …). Siehe auch Return.
  •    Single Coil Tonabnehmer – Einspulen-Tonabnehmer (vgl. Humbucker)
  •    SLO – Super Lead Overdrive: extrem hohe Verstärkung in Vorverstärkern
  •    Sound – Klang
  •    Standby – Bereitschaft
  •    Stack – Spezielle „Stapelung“ der Klangregler in Gitarrenverstärkern (Fender-Klang-Stack, Marshall-Klang-Stack) - kein sonst üblicher „Kuhschwanzentzerrer“ wie in HiFi-Verstärkern
  •    Aber auch die Übereinanderstapelung von Lautsprecherbox(en) (Speaker cabinets) und Verstärkerkopf (Head) wird Stack genannt.
  •    SW – Software
  •    Ultra channel – Kanal mit sehr hohem (ultra) Verstärkungsfaktor und damit verbundener Übersteuerungsfähigkeit
  •    Tone Shift – Veränderliche Übergabefrequenzen des Klangregelnetzwerks
  •    Treble – Höhenregler
  •    TSC – Tube Safety Control (Elektronische Arbeitspunkt- und Fehler-Überwachung der Fa. Hughes und Kettner)
  •    Tube – Röhre
  •    Volume (auch Kurzform: Vol) – Lautstärkeregler
  •    WahWah - Effektgerät: Per Fußpedal steuerbarer Höhenregler

Tipp:

Diese obige Auflistung ist sicherlich nicht vollständig. Ergänzende Hilfe können E-Gitarre-Wörterbücher z.B. Gitarrenlexikon aus dem Internet bieten.


   Eigenschaften moderner Gitarrenverstärker

Grundsätzlich stellt sich bei der Auswahl eines Gitarrenverstärkers die Frage: Was brauche ich heute und was in Zukunft?

Hilfreich sind hier auch Beschreibungen zu diesem Thema im Internet bei:

wickiHow

Ein paar Grundannahmen:

Ein vielseitiger Gitarrenverstärker für Rock und Pop-Musik muss heute mindestens 2 Kanäle aufweisen: Einen Clean (also unverzerrten) – Kanal und mindestens einen (Over-) Drive-Kanal, also einen gewollt übersteuerbaren Kanal.

Besser sind 3 oder sogar 4 Kanäle (nur für Profis), die die oberen Klassen von Gitarrenverstärkern bieten. Das steigert die Flexibilität, da die oft gewünschten Betriebsarten Clean (unverzerrt), Crunch (leicht verzerrt), Drive (stark verzerrt) und Ultra (höchst verzerrt) unabhängig voneinander fest eingestellt und meist auch per Fußschalter abgerufen werden können.


Prinzipielle Eigenschaften eines Gitarrenverstärkers:


Unverzerrter Sound – der sogenannte Clean-Sound (Clean Kanal):

  •    Beispielsweise der von den meisten Gitarristen so empfundene exzellente Sound der Verstärker der amerikanischen Fa. Fender
  •    Bright-Schalter im Clean-Modus (Höhenanhebung)
  •    Klangregler-Einheit und Volume-Regler im Clean-Kanal

Leicht verzerrter Sound im weiteren Crunch genannt (Crunch-Kanal)

  •    Gain-Regler im Crunch-Kanal: Leicht verzerrter Sound – durch regelbare Verstärkung (Gain) beabsichtigte Übersteuerung der Vorstufen.
  •    Luxus: Eigener Klangregler und Volume-Regler im Crunch-Kanal

Verzerrter Sound im weiteren Drive genannt (auch: Overdrive, Lead, …):

  •    Gain-Regler im Drive-Kanal: Verzerrter Sound – durch regelbare Verstärkung (Gain) beabsichtigte starke Übersteuerung der Vorstufen; dies ist eher das Terrain der britischen Fa. Marschall.
  •    Luxus: Eigener Klangregler und Volume-Regler im Drive-Kanal


Höchst verzerrter Sound im weiteren Ultra genannt:

  •    Gain-Regler wie im Drive Kanal jedoch mit noch höherer Gesamt-Verstärkung
  •    Luxus: Eigener Klangregler und Volume-Regler im Ultra-Kanal

Master (wirksam auf allen Kanälen):

  •    Master-Volume-Regler (Summenregler); so kann die Gesamtlautstärke verändert werden, ohne das Lautstärke-Verhältnis der einzelnen Kanäle zueinander zu ändern. Details: siehe unten.
  •    Boostfunktion: Schaltbare Lautstärkeerhöhung z.B. für ein Gitarrensolo
  •    Klangregelung: Bässe, Mitten, Höhen – nur wenn die einzelnen Kanäle keinen eigenen Klangregler aufweisen.

Details: siehe unten


Zusatz-Features:

  •    Verzerrter Sound durch Endstufenübersteuerung (Bewertung siehe unten). Das bedeutet: Einstellbare Endstufenleistungen z.B.: 1W, 5W, 15W, 30W – oder stufenlos regelbar. So kann auch in kleineren Räumen die Endstufe in ihre Begrenzung gefahren werden.
  •    Umschaltung der Endstufe von Pentoden- auf Trioden-Betrieb. Dabei wird auch der Sound beeinflusst und die normale Endstufen-Leistung reduziert sich so um jeweils mehr als 50%.
  •    Frequenzabhängiger Gegenkopplungsregler (Presence) als Ergänzung zum Klangregler; führt oft zur Anhebung von Mitten und/oder Höhen.
  •    Send – Return: Einschleifweg für Zusatzgeräte beispielsweise Effektgeräte wie Echo, Equalizer, Compressor usw. Siehe Blockschaltbild unten.
  •    Hall-Effekte zumischbar
  •    Regelbarer Kleinsignal-Ausgang für Mischpult, PA-Anlage, Slave-Endstufe usw. nach Möglichkeit unter Einbeziehung des Ausgangstrafos oder Frequenzgangkorrektur mit Lautsprechernachbildung. Er sollte potentialfrei und/oder symmetrisch (gegen Brummstörungen) und mit schaltbarem Ground ausgeführt sein.

Achtung: Eine Röhrenendstufe darf nie ohne Last (Lautsprecher oder Lastwiderstand) betrieben werden. Bei Betrieb ohne Last entstehen Spannungs-Überschläge im Ausgangstrafo, was zu dessen Zerstörung führen kann.


Fußschalter-Funktionen:

  •    Kanalumschaltung: Clean, Crunch, Lead, Ultra
  •    Boostfunktion: Lautstärkeerhöhung z.B. für Gitarrensoli
  •    Schaltbarer Einschleifweg (Send – Return)
  •    Schaltbare Zusatzfunktionen wie z.B. Hall, Echo, Chorus, …

Mit diesen Eigenschaften werden die unterschiedlichen Anforderungen moderner Gitarristen bis zum Profi sehr gut abgedeckt.

Ein Anfänger sollte aber mit einem stark abgespeckten Verstärker einsteigen, da die Vielfalt der Leistungsmerkmale immer auch eine Vielfalt an Einstellmöglichkeiten anbietet, die den Anfänger schnell überfordern.

Verstärker für E-Bass-Gitarren werden nur ergänzend betrachtet. Siehe unten.


Die Schaltungstechnik

Röhrenvorstufen


Das Geheimnis aller Gitarrenverstärker liegt in den Vorstufen. Hier wird der Sound geboren.

Die Vorstufen-Röhren sind in aller Regel Trioden. Die Kunst besteht nun darin, durch Aufbaukonzept, Verstärkungsfaktor sowie Kopplung und Frequenzgang der einzelnen Vorstufen einen möglichst dem Geschmack von Gitarristen angemessenen Sound zu ermöglichen. Geschmäcker sind verschieden. Daher gibt es auch eine ungeheure Vielfalt an unterschiedlichen Vorstufenlösungen. Da die Grundschaltungen von Triodenstufen - Kathodenbasis, Gitterbasis, Anodenbasis (Kathodenfolger) - überschaubar sind, liegt der Unterschied oft nur in der Anzahl und Anordnung der Stufen sowie der Dimensionierung der frequenzbestimmenden (Koppel-) Glieder.


Dies soll der Übersicht halber am Beispiel eines typischen 2-Kanalverstärkers beschrieben werden:

Mit einem unverzerrten Clean-Kanal und einem Lead-Kanal, bei dem die Verzerrung (Übersteuerung) stufenlos mit dem Gainregler eingestellt werden kann.

Bild 2: Blockschaltbild 2-kanaliger Röhren-Gitarrenverstärker

 

Signalquelle: Der Gitarrentonabnehmer als Basis des Sounds

Magnetische Gitarrentonabnehmer sind induktiv und klingen mit ihren geringen Höhenanteilen im Frequenzgang an einem HiFi-Verstärker fade und uninspiriert. Sogenannte Humbucker-Tonabnehmer sind unempfindlicher gegen elektromagnetische Einstreuungen klingen aber meist dumpfer. Allein diese Tatsache erfordert für einen guten Sound prinzipiell eine Grund- Kompensation beispielsweise im Klangregelnetzwerk. Diese Kompensation leistet ein HiFi-Verstärker nicht.


Klangregler

Daher unterscheiden sich die meistens Klangregler in Gitarrenverstärkern grundsätzlich von Klangreglern in HiFi-Verstärkern. Erstere erheben keinen Anspruch auf Linearität. Sie sind – entgegen den üblichen „Kuhschwanzentzerrern“ in HiFi-Verstärkern – meist als übereinander gestapelte regelbare Frequenzglieder geschaltet, sogenannte Stapel oder Stacks. An dieser Stelle wird die Basis für den Sound gelegt.


Beliebt ist im Cleanbereich der Sound der Fa. Fender, der Marktführer in den 50er und 60er Jahren. Dieser Sound wird in erster Näherung durch eine deutliche Mittenabsenkung im Amplitudenfrequenzgang im Bereich um 400Hz erreicht. Und der Klangregler ist direkt hinter der Eingangstriode angeordnet. So erfährt das Eingangssignal eine Grunddämpfung, die natürlich in den folgenden Vorstufen wieder aufgeholt wird. Aber durch diese Anordnung werden Übersteuerungen im Cleansound vermieden.

Mit dem Bright-Schalter kann bei unteren Stellungen des Lautstärkepotis eine zusätzliche Höhenanhebung erzielt werden.


Anders im verzerrenden Drive-Kanal:

Die Verzerrungen werden durch eine Serienschaltung weiterer Triodenverstärker-Stufen erreicht. Mit dem Gainregler kann der Grad der Übersteuerung präzise eingestellt werden. Die Anzahl und der Aufbau (Verstärkungsfaktor, Filter, …) dieser Triodenstufen bestimmt die maximal mögliche Übersteuerung und ist je nach Philosophie des Herstellers unterschiedlich.

Auch der Klangregler unterscheidet sich von dem im Clean-Kanal. Bei der Fa. Marshall ist beispielsweise die Mittenabsenkung geringer und erfolgt in einem etwas höheren Frequenzbereich, bei ca. 700Hz. Auch ist der Hub der einzelnen Klangregler (Bass, Middle, Treble) geringer. Und der Klangregler ist am Ende der für die Übersteuerung zuständigen Vorverstärkerkette angeordnet.

Dieser Sound wird von Gitarristen gerne im Drive-Kanal genommen.

Je nach Verstärkungsfaktor einzelner Stufen sind hier meist 1 oder 2 Trioden angeordnet. Eine 3. Triode wird gerne als Kathodenfolger geschaltet, um das passive Klangregelnetzwerk niederohmig anzusteuern.

Die Klang-Stacks sind meist ähnlich aufgebaut. Die Unterschiede der Klangcharakteristika liegen auch in vorgeschalteten festen Filtern sowie in der Dimensionierung der Bauteile – und somit der Einsatzfrequenzen der einzelnen Klangfilter. Gegenseitige Beeinflussungen von Bass-, Mitten-, Höhen-Regelung sind hier die Regel und kein Mangel.
Durch Anpassungen (Tieferlegung) der Beeinflussungs-Frequenzen des Klangregel-Netzwerks wird auch die klangliche Grundlage für den Betrieb eines Gitarrenverstärkers als Bassverstärker gelegt.


Klangregler: Fenderstack

 

Bild 3: Fender Klang Stack


Bild 3 zeigt den typischen Fender-Stack mit seiner typischen 400Hz-Senke, der direkt hinter der ersten Vorverstärkertriode angeordnet ist (siehe Bild 2).

Achtung:

Es gibt eine Stellung der Potis, bei der das Ausgangssignal Null wird, der Verstärker also stumm geregelt werden kann! Dies ist lange bekannt, wurde aber von der Fa. Fender nie korrigiert. (Um dieses Problem zu beheben müsste nur das „Middle“ Potentiometer wie beim Marshallstack angeschlossen werden- siehe unten.)


Klangregler: Marshallstack


Im Drive-Kanal ist es aber ein wesentlicher Unterschied, ob der Klangregler vor oder hinter den verzerrenden Vorstufen angeordnet ist, ob er also das Spektrum des noch zu verzerrenden Sounds beeinflusst – also nach der Eingangsstufe - oder das Signal-Spektrum der bereits verzerrten Töne - am Ende der Vorverstärkerkette - beeinflusst.

Das Klangregelnetzwerk in Marshall-Verstärkern und vielen anderen ist am Ende der Vorverstärkerkette angeordnet. Und die Fa. Marshall und andere spendieren dem Klangregelnetzwerk eine eigene als (niederohmiger) Kathodenfolger geschaltete Triode.

Bild 4: Marshall Klang Stack


Die Ausgangsimpedanz eines Kathodenfolgers beträgt im wesentlichen 1/S mit S = Steilheit der Röhre. S beträgt bei der üblichen ECC83: 1,6mA/V. Daraus ergibt sich ein Ausgangswiderstand von 625 Ohm bei einem Spannungs-Verstärkungsfaktor von ca. 1 (0dB).


Da die Klang-Beeinflussung eines Clean-Signals eine andere sein sollte als die eines Drive-Signals, weisen Gitarrenverstärker der Mittelklasse meist für jeden Kanal ein eigenständiges Klangregelnetzwerk auf. Das Klangregelnetzwerk im Drivekanal sollte optional mit einem Mittenregler und unbedingt mit einem Höhenregler ausgestattet sein, da sich übersteuerte Höhen leicht spitz und unangenehm kratzig anhören.
Im Konzept der Vorverstärkerkette verschiedener Hersteller liegen die wesentlichen Soundunterschiede verschiedener Gitarrenverstärker. Diese sind natürlich auch Geschmackssache.

Zum einen bestimmt die Höhe der Anodenspannung die Aussteuerbarkeit der Röhren und somit den Einsatzpunkt der Übersteuerung.

Weiterhin werden zusätzlich zu den Klangreglern, vor allem im Drive-Kanal, verschiedenste feste Hoch-, Tief- und/oder Bandpässe eingefügt, die den Sound je nach Firmenphilosophie positiv beeinflussen sollen. Die amerikanische Fa. Mesa Boogie hat sogar einen (abschaltbaren) 5-Band-Equalizer eingebaut.


Klangregler: Simulationsprogramm

Ein Simulationsprogramm mit graphischer Darstellung des Amplituden-Frequenzgangs für die Klangregelnetzwerke verschiedener, bekannter Gitarrenverstärker gibt es im Internet unter dem Begriff:

Tone stack calculator - tsc

Achtung: Es ist ein Download mit kleiner Installation erforderlich.


Im Resultat ist der Vorverstärker eines Gitarrenverstärkers wesentlich komplexer als der Vorverstärker eines HiFi-Verstärkers. Es zählt nur das akustische Gesamtergebnis: der Sound! Egal wie „verbogen“ die Kurven der Amplituden-Frequenzgänge aussehen.


Einschleifweg: Send <---> Return


Meist auf der Rückseite vieler Verstärker sind zwei Klinkenbuchsen montiert, beschriftet mit: „Send“ und „Return“ (siehe Blockschaltbild oben). Die „Send“-Buchse ist als schaltbare Buchse ausgeführt. So ist der Signalweg ohne gestecktes Kabel gebrückt. Beim Stecken eines Kabels in die „Send“-Buchse wird die Brückung unterbrochen.
„Send“ ist der Auskoppelpunkt des Vorverstärkersignal, z.B. zum Einspeisen in ein Effektgerät (Hall, Echo, Verzerrer, …). Diese Buchse wird mit dem Eingang (Input) des Effektgerätes verbunden. Der Ausgang (Output) des Effektgerätes wird nun per Kabel mit der Buchse „Return“ verbunden.

So können in einfacher Weise ein oder mehrere in Serie geschaltete Effektgeräte in den Signalweg des Vorverstärkers eingeschleift werden.

In Luxus-Verstärkern kann die Brückung auch mittels Fußschalter ein- und ausgeschaltet werden.


Röhrenendstufe
 

Prinzipiell sind die Endstufenkonzepte von Röhren-Gitarrenverstärkern denen von (HiFi-) Röhrenverstärkern sehr ähnlich.

Eine gute Einführung in die Schaltungsprinzipien findet man hier im RMorg:

A-, B-, AB-, D-Verstärker mit Röhren


Zur Einstellung der Arbeitspunkte werden je nach Bedarf die üblichen Methoden der negativen Gittervorspannungserzeugung angewendet:

   Einstellbare negative Hilfsspannung als Gitter-Vorspannung

   Kathodenbeschaltung: Widerstand mit parallel geschaltetem Elko


Abweichend von Röhren-Endstufen in HiFi-Verstärkern ist in Röhren-Gitarrenverstärkern der höheren Preisklasse eine regelbare Gegenkopplung vorgesehen. Diese führt über RC-Glieder von der Sekundärwicklung des Ausgang-Übertragers zur Kathode der Phasenumkehrstufe (Katodyn- oder Differenzverstärker-Stufe), die direkt vor den Endstufenröhren positioniert ist.

Diese regelbare Gegenkopplung führt je nach Ausführung – Presence oder Resonance - zu einer Soundveränderung.

In der Praxis wirkt der Presence-Regler wie ein spezieller zusätzlicher Höhenregler und der Resonance-Regler wie ein zusätzlicher Bassregler.

Die Gesamt-Funktion ist aber komplexer, da eine Änderung der Gegenkopplung immer auch eine Änderung des Innenwiderstandes der Endstufe bewirkt. Das bedeutet wiederum eine Änderung der Dämpfung des Lautsprechers durch die Endstufe.

Beispielsweise können sich bei geringerer Gegenkopplung Resonanzen des Lautsprechers freier ausbilden. Und dies beeinflusst - wieder einmal - den Sound.


1. Praxisteil: Zusammenstellen eines Gitarrenverstärkers

Modularer Gitarrenverstärker


Der Weg vom HiFi-Verstärker zur Gitarrenverstärker-Anlage
 

Nun der oben angekündigte praktische Vorschlag, ohne Eingriffe in das Innenleben eines Stereo- oder eines Misch-Verstärkers zu einem guten Gitarrenverstärker zu gelangen.

Hierbei ist im ersten Schritt unwesentlich, ob es sich um einen Transistor- oder Röhrenverstärker handelt. Aber Röhrenverstärker sind bei vielen Gitarristen beliebter.

Es soll nicht verschwiegen werden, dass es mittlerweile ungeheurer preisgünstige Gitarrenverstärker mit und ohne Lautsprecher am Markt gibt – oft aus China (P.R.C.). Es geht jedoch nichts über eine selbst zusammengebaute oder auch nur selbst zusammengestellte Gitarren-Verstärker-Anlage. Eigenanteil macht einfach mehr Spaß und ist meist auch noch sehr lehrreich.


Grundsätzlich sollte sich jeder vor der Beschaffung einer Gitarren-Verstärker-Anlage überlegen, welche Ausstattung benötigt er eigentlich heute und/oder in näherer Zukunft. Daher werden hier einige Annahmen getroffen, die sowohl dem Anfänger als auch dem fortgeschrittenen Gitarristen gerecht werden. Als Musikrichtung wird Rock und Pop behandelt.

Wir starten mit dem Anfänger.


Wie erzeuge ich aus Papas/Mammas (oder Opas/Omas) ausgedienter Stereoanlage einen Gitarrenverstärker?


Als Jugendlicher sollte man verschiedene Instrumente ausprobieren, bevor man sich für ein Instrument entscheidet. Eine Gitarre hat den Vorteil, dass man mit relativ wenig Übung relativ schnell zu - wenn auch anfänglich bescheidenen – Erfolgserlebnissen kommt. Drei Griffe reichen schon zur Begleitung einer Vielzahl beliebter, bekannter Stücke. Das macht Spaß und fördert die Motivation. Besonders beliebt ist natürlich das Spielen auf einer elektrisch verstärkten Gitarre.

Die Gitarre wird hier nicht vertieft betrachtet. Aber auch für eine Akustikgitarre, die vielleicht schon (oder noch) vorhanden ist, gibt es anmontierbare Tonabnehmer für kleines Geld (ab 5 EURO). Interessanter ist natürlich meist eine richtige E-Gitarre. Hier gibt es eine Vielzahl von Nachbauten legendärer Gitarren (z.B. Fender Stratocaster oder Gibson Les Paul) zu wirklich erschwinglichen Preisen.


Nun fehlt aber der notwendige Gitarrenverstärker. Da kann vielleicht Papas, … alte ausgediente HiFi Stereo-Anlage wiederbelebt werden!? Hier ist Eigeninitiative gefragt.

Wie oben erwähnt klingt eine E-Gitarre, gespielt über eine HiFi-Anlage, matt und uninspiriert – also sehr bescheiden. Die Klangregelung ist auch nur bedingt wirksam, weil die Beeinflussungs-Frequenzen des Bass- und/oder des Höhenreglers eines HiFi-Verstärkers nicht zum Frequenzspektrum einer E-Gitarre passen.

Zusätzlich sind die „normalen“ Eingänge eines HiFi-Verstärkers meist zu unempfindlich und zu niederohmig für eine Anpassung an die hochohmige Impedanz eines Gitarren-Tonabnehmers. Der Phonoeingang für das Magnetsystem eines Plattenspielers weist zwar die gewünschte Empfindlichkeit auf; aber die Eingangsimpedanz ist ebenfalls zu niedrig. Dazu kommt, dass die sogenannte Entzerrung des Vorverstärkers für Magnetsysteme analoger Plattenspieler ausgelegt ist, die für ein Gitarrensignal ungeeignet sind.


Graphic Equalizer Pedal

Abhilfe schafft bei obigen Voraussetzungen ein kleines Vorschalt-Zusatzgerät, das den Sound einer E-Gitarre „erstrahlen“ lässt: Ein spezieller aktiver, sogenannter graphischer Equalizer für Gitarre löst alle oben genannten Probleme. Er besitzt einen hochohmigen Eingang für Gitarre (500k … 1M), einen recht niederohmigen Ausgang (Emitterfolger: 1k … 10k), eine regelbare Vorverstärkung (+/- 15dB) sowie einen (meist) 7-Band-Equalizer, der eine sehr wirksame, differenzierte Einstellung des Gitarrensounds erlaubt.


Mit diesem Equalizer können neben einer sehr individuellen Klangregelung speziell auch die mittleren Frequenzen der Gitarre abgesenkt werden. Entscheidend für den Basis-Sound ist eine gezielte Absenkung des Pegels im 400Hz-Bereich. Zusätzlich kann auch der Gesamt-Ausgangs-Pegel um bis zu +/-15dB angepasst werden.

Passende Equalizer gibt es als Vorschalt-Pedal (sogenannte „Bodentreter“). Diese Geräte gibt es ab ca. 20 EURO; sie benötigen allerdings noch eine 9V-Block-Batterie oder ein passendes 9V-Stecker-Netzteil.

Achtung:

Die Verwendung eines Analogsteckernetzteils (Netztrafo mit Längsregler – kein Schaltreglernetzteil) ist wegen der geringeren – auch hörbaren – Störungen eines Schaltnetzteils empfehlenswert. Andererseits können bei ganz einfachen (billigen) Analognetzteilen Brummstörungen auftreten, die wegen zu geringer Netz-Siebung entstehen.

Bild 5: 7-Band-Equalizer-Pedale für Gitarre und Bass-Gitarre

Bild 6: Einstellbare Frequenzbänder des „Graphic Equalizer EQ700“


Dieses Gerät wird mit 6,3mm-Klinkenkabeln - und gegebenenfalls ein Adapterkabel (6,3mm Klinke auf Cinch oder DIN) zum Verstärkereingang - zwischen Gitarre und Verstärkereingang geschaltet.


Fazit: Mit einem einzigen Zusatzgerät – einem aktiven Mehrband-Equalizer - lässt sich aus (fast) jeder Verstärkeranlage eine gut klingende Gitarrenverstärker-Anlage für den unverzerrten, den sogenannten Cleansound generieren.

Bild 7: Blockschaltbild Gitarrenanlage „Cleansound“ mit Stereo-Verstärker

Lautsprecherboxen

Doch es gibt noch eine Einschränkung: Die Lautsprecherboxen!

Da die Gitarre stark obertonhaltige Signale abgibt, können in HiFi-Lautsprecherboxen die Hochton-/Mittelton-Lautsprecher leistungsmäßig überlastet werden und werden u.U. zerstört. Dies ist insbesondere der Fall, wenn – wie weiter unten gezeigt wird – noch ein bei Gitarristen beliebter Verzerrer vorgeschaltet wird, der für eine weitere, massive Anhebung von Obertönen sorgt.

Daher sollte man in jedem Falle bei Zweiwegeboxen die Hochtonlautsprecher abklemmen. Bei Dreiwegeboxen ist es empfehlenswert, zusätzlich den Mitteltonlautsprecher abzuklemmen. Jedoch darf die Box dann nicht zu dumpf klingen!? Bleibt der Mitteltöner aktiv, sollte man sich in der Spiellautstärke beschränken. Alternativ kann man sich auch eine (gebrauchte) Gitarrenbox kaufen oder eine Box mit einem hart aufgehängten Breitbandlautsprecher selber bauen.


Der nächste Schritt:


Verzerrer Pedal

Wer mit dem Cleansound alleine nicht zufrieden ist und auch verzerrte Töne liebt, kann einfach vor den Equalizer ein zweites Pedal schalten, das auf (regelbare) Verzerrungen ausgelegt ist. So gelangt man schnell zu einem brauchbaren, verzerrten Drive-Sound. Auch diese Pedale gibt es ab ca. 20 EURO.

 

Bild 8: Blockschaltbild Gitarrenanlage „Clean & Drivesound“ mit Stereo-Verstärker

Bild 9: Beispiele für elektronische Verzerrer


Diese Pedale arbeiten auf Halbleiterbasis – Transistoren oder ICs. Da hart in die Begrenzung fahrende Halbleiterverstärkerstufen wegen der großen Anzahl dissonanter Oberschwingungen (siehe oben) grauenvoll klingen, wird dieses durch besondere Schaltungsmaßnahmen vermieden. Das Gitarrensignal wird gezielt durch spezielle Halbleiter, die eine weiches Begrenzungsverhalten zeigen, begrenzt. Oft werden dafür Germanium-Dioden oder Leuchtdioden als Basis verwendet.


Man kan sich also je nach Bedarf und Geldbeutel eine vielseitige Gitarren-Verstärkeranlage zusammenstellen.


Dies erinnert an die sogenannten D-Züge der Radioindustrie aus Mitte der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts. Hier konnte man sich eine Radioanlage nach technischen Ansprüchen und Bezahlbarkeit aus Komponenten zusammenstellen.


Die oben beschriebenen Pedale können durch Treten ein- und ausgeschaltet werden. Im ausgeschalteten Zustand wird das Signal unbeeinflusst durchgeleitet. Es lässt sich also bei Bedarf schnell zwischen Clean und Drive per Fuß umschalten.

Achtung: Die meisten Pedale benötigen auch im ausgeschalteten Zustand die 9V-Gleichstromversorgung!
 

Die Endverstärker, die als Basis für unsere Gitarrenverstärker-Anlage dienen, eignen sich entweder Stereoverstärker, Mischverstärker (stereo oder mono) oder bei Wunsch nach Luxussound auch durchaus Monoverstärker mit Röhren z.B. aus den 50er und 60er Jahren.

Bestimmte Röhrenverstärker und Gerätetypen aus jener Zeit gibt es immer wieder bei Ebay & Co zu bezahlbaren Preisen.

Eine kleine Preis-Recherche im RMorg zeigt, dass insbesondere alte, gebrauchte Röhrenverstärker der Fa. Philips günstig (20 … 100EURO) zu erstehen sind. Gemeint sind hier Geräte aus der Philips EL Serie, mit Ausgangsleistungen von 18W bis 40W und mehr.

Der oben im Blockschaltbild abgebildete Stereo-Verstärker wird einfach durch einen dieser Röhrenverstärker ersetzt:

Bild 10: Blockschaltbild Gitarrenanlage mit Röhren Mischverstärker


Als Eingang kann der Phono-Eingang verwendet werden. Die Empfindlichkeit reicht dank des Equalizers als Vorverstärker aus. In der Regel muss allerdings eine Adapterkabel für den Eingang des Röhrenverstärkers angefertigt werden. Dieses Kabel ist für den Phonoeingang recht einfach, da dieser Bananenbuchsen aufweist.


So gelangt man mit überschaubaren Mitteln zu einem Gitarrenverstärker mit einem ausgezeichneten Röhrensound. Und man hat ihn auch noch selbst zusammengestellt - und zum Spielen gebracht.

Bild 9: Philips Röhren Mischverstärker EL6401


Der Philips Röhrenverstärker EL6401 ist mit seiner Ausgangsleistung von 18W und nur einem Höhenregler (Bassregler ist nicht vorhanden) recht einfach ausgestattet. Dies ist aber für erste Erfolgserlebnisse völlig ausreichend, denn die grundlegende Klangregelung wird ohnehin in dem vorgeschalteten Equalizer-Pedal realisiert. Und 18W Röhrenpower können ganz schön laut sein. 18W reichen für den Probenraum sowie Auftritte in kleineren Räumen völlig aus.

Viel Spaß!

Anmerkung:

Der Lautsprecher-Ausgang des EL6401 ist nicht als Impedanz spezifiziert, sondern als Spannung (10V, 50V, 100V). Über die Formel P=U2/Z lässt sich z.B. am U=10V-Ausgang bei P=18W eine Impedanz von Z= 5,5Ohm errechnen. Fehlanpassungen z.B. an 8Ohm- oder 4Ohm-Lautsprecher sind bei Röhrenendstufen kein Problem.


Ausblick


Der Teil 2 führt die technische Beschreibung fort und mündet auch in einem Praxisteil, der Ideen für den fortgeschrittenen Gitarristen anbietet.

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.