Röhrenprüfergebnisse - oft wirklich erschreckend daneben...

ID: 223398
Röhrenprüfergebnisse - oft wirklich erschreckend daneben... 
01.Jul.10 11:30
32

Manfred Kröll † 2.9.2013 (A)
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Manfred Kröll † 2.9.2013

Hallo Forum,

ich brauch wieder etwas Nachhilfeunterricht in Röhrenkunde :-)

ich habe heute 10 Stück 12AU7A ausgemessen, die ich vor 2 Jahren auf einem Funke W19 sowie auf einem Wetron W18N allesamt als "Gut" geprüft habe.

Das Ergebnis war erschreckend, denn ich musste heute 4 von diesen 10 Stück ausmustern, solche Röhren kann man echt niemandem anbieten.

Die auf den Funke als "Gut" geprüften Triodensysteme zeigten am Neuberger unter Betriebsdaten nur 3 - 5mA - anstatt der 10,5mA - die einer neuwertigen Röhre abverlangt werden.

Nun habe ich nach der Arbeitspunktmessung am Neuberger eine Vergleichsprüfung mit dem W19 gemacht und komme zu folgenden Fragen und Ergebnissen.

Meine Prüfdaten (Röhrenbetriebsdaten) am Neuberger: uA: 250V, G1: -8,5   Sollwert:10,5mA

Funke prüft diese Röhre mit völlig anderen Daten:

uA: 150V, G1: -2  "Gut" ab 9,5mA

Ich habe bei diesen 10 Stück 12AU7A nun einige Röhren, die ein ähnliches Ergebnis auf beiden Geräten liefern, somit kann man davon ausgehen, dass mein Funke W19 bei Röhren in einem bestimmten Zustand das anzeigt was man erwartet.

Aber dann wiederum gibt es Röhren desselben Typs, die bei der Vergleichsprüfung einen derart markanten Unterschied in der Brauchbarkeit anzeigen, dass sich dann automatisch die Frage stellt - nach dem "Warum".

In jedem Fall war es so, dass das W19 bei den lt. Arbeitspunktmessung "Unbrauchbaren" hier probeweise "nachgeprüften" Röhren ausnahmslos immer viel zu hohe Ergebnisse anzeigt.

Liegt das an der Wahl der Prüfspannungen beim Funke W19 - die liegen ja immerhin meilenweit von den Betriebsspannungen entfernt...

Bisher hatte ich die Illusion, dass dieses teure W19 mir wenigstens "Gut" oder "schlecht" zuverlässig anzeigen kann - mehr verlange ich dem Gerät ohnehin nicht ab, aber mit heutigem Tag ist diese Illusion wohl auch dahin.

Viele Grüsse,
der fred
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Kennlinenfeld 
01.Jul.10 12:43
32 from 7491

Dietrich Grötzer (A)
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Dietrich Grötzer

Laut Ia/Ua Kennlinienfeld der 12AU7A ~ ECC82 sollte die Röhre bei Ua= 250V und g= -8,5V etwa ein Ia von 10mA haben. Bei Ua=150V und g= -2,0V ist Ia etwa 12,5mA.

Grundsätzlich ist die Prüfung mit anderen Ua/Ug Spannungen für die Beurteilung GUT - SCHLECHT bedeutungslos wenn mit dem zugehörigen Ia verglichen wird.

Die zugehörigen Werte können aus dem Ia/Ua Kennlinienfeld entnommen werden.

Bei paarigen Röhren z.B. Endröhren ist Prüfung der Zusammengehörigkeit nur mit statischen Werten unzulässig, in diesem Fall sollte dynamisch gemessen werden da die Toleranzen der Steilheit berücksichtigt werden sollten. Auch wenn die statischen Werte im Arbeitspunkt übereinstimmen sagt das nichts aus ob auch die Verstärkung gleich ist und die Röhren zusammenpassen. Hier wären zumindest drei statische Messungen mit verschiedenen -Ug erforderlich.

MfG D. Grötzer

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 3
? ... 
01.Jul.10 13:02
42 from 7491

Manfred Kröll † 2.9.2013 (A)
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Manfred Kröll † 2.9.2013

Sg Herr Grötzer,

vielen Dank!

mir ist ein Fehler unterlaufen, Beim Funke W19 werden die -2V nur für die Prüfung auf Steuerwirkung verwendet. Alo nicht bei der Emissionsprüfung selbst.

Ich habe nun eine Vergleichsmessung gemacht um zu sehen ob die beiden Prüfgeräte identische Werte liefern können, indem ich eine neue ECC82 mit den Funke Prüfdaten am Neuberger gemessen habe.

Ich hatte bei uA: 150V und G1: 0V  einen Anodenstrom von 19mA

Das W19 zeigte bei dieser Röhre auch exakt 19mA.

Nur - bei Röhren die unter 70% liegen zeigt das Funke bereits bessere Werte, und bei Röhren die am Neuberger zwischen 30 und 50% anzeigen zeigt das Funke "Gut".

Das ist mein Problem. Ich bin mir völlig sicher dass es nicht am Gerät liegt.

Es ist aber eine planlose G´schicht, wenn das Gerät nur brauchbare Röhren richtig bewertet.

Viele Grüsse,

der fred

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brauchbar - unbrauchbar? 
01.Jul.10 14:25
78 from 7491

Konrad Birkner † 12.08.2014 (D)
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Konrad Birkner † 12.08.2014

solche Aussagen sind eigentlich wertlos!

Es kommt auf die Verwendung an. An eine Oszillatorröhre werden betr. Emission höhere Anforderungen gestellt als an eine NF-Stufe. Eine Endstufe geht zunächst meist nur in der Spitzenleistung zurück. Und das ist bei einem "normalen" Radio zunächst kaum zu bemerken außer es wird sehr laut aufgedreht. Ein Gleichrichter kann sich schon kritisch bemerkbar machen, wenn die Anodenspannung geringer wird (macht oft mehr Lautstärkeverlust als die Endröhre gleichen Emissionsverlustes!).

 sinnvoll ist die gut-schlecht -Aussage nur im Vergleich mit einer neuen Röhre, ermittelt am selben Gerät (nicht nur Typ!). ei der Reparatur interessiert doch nur die Wiederherstellung der Funktion. Kennlinienermittlung ist da trockene Theorie! Und die Kennlinienpaarung von Gegentaktröhren kann man auch übertreiben! Wie gleich muss gleich sein?? Lasst die Kirche beim Dorf.

In der Praxis ist bgei alten batterieröhren (z.B. RE074 usw.usw.) auf derartige Messergebnisse nichts zu geben: es gibt Röhren, die relativ gut zeigen, aber schlecht funktionieren und umgekehrt! Ausserde4m ist das verhalten total verschieden, ob in HF- oder Audion-(mit oder ohne Rückkopplung) oder NF-Stufe eingesetzt. Vakuum spielt eine entscheidende Rolle: "Sclechtes" Vakuum ergibt bessere Audioneigenschaften und weicheren Rückkopplungseinsatz. Die gleiche Röhre verzerrt bei NF und versagt in der HF-Stufe! Was ist gut? was schlecht?

Hier hilft nur Erfahrung aus der Praxis, um Prüfergebnisse sinnvoll zu bewerten.

Zu glauben, dass Röhrenprüfgeräte automatisch verlässliche Ergebnisse bringen können, ist eine Illusion. Auch Hintergrundwissen ist erforderlich. Sonst erlebt man Enttäuschungen...

Ich wünsche fröhliche Röhrenprüfung,
Kobi

Hallo Fred,
Lass Dich nicht entmutigen! Hast Du jemals die oben erwähnten "unbrauchbaren" Röhren mit "guten" praktisch in einem funktionierenden Gerät verglichen?
Was immer dabei herauskommt: das Ergebnis wird hilfreich sein, die Prüfaussagen zu bewerten und evtl. zu relativieren.
Ich wünsche Dir viel Erfolg,
Kobi

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Gut - Schlecht 
01.Jul.10 14:54
90 from 7491

Rüdiger Walz (D)
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Rüdiger Walz

Grundsätzlich kann ich hier auf das Buch von K.F. Müller, "Das Funke-Röhrenmessgerät W 19" verweisen. (Erhältlich bei Funk Verlag Bernhard Hein, info[at]funkverlag.de).

Funke prüft die Röhren nicht mit den Betriebsspannungen, sondern mit einer limitierten Anzahl von Standardspannungen im Gerät. W19 mit 0 und -2 V Gitterspannung, RPG 4/3 mit 0 und -4 V und variierenden Anodenspannungen je nach Röhre. Die dazu gehörenden Anodenströme wurden aus dem Kennlinienfeld oder neuen Röhren ermittelt. Es wird nur die Emissionsfähigkeit der Kathode gemessen.
Da selbst neue Röhren in ihren Werten stark schwanken können, werden Werte bis runter zu 60 % der Anodenströme als "gut" bezeichnet. 40 % - 60 % als "zweifelhaft" oder "?". Darunter als "unbrauchbar".

Das heißt, Ihre neue ECC82 wird bis zu einem Anodenstrom von 19 x 0,6 = 11,4 mA bei -2 V Gitterspannung auf dem Funke als "gut" bezeichnet. Welche Auswirkungen das am realen Arbeitspunkt hat, hängt von der Schaltung ab. In den meisten Fällen sollte das Gerät noch funktionieren. Hierzu gibt es in o.g. Buch eine Tabelle. Anfangsstufentrioden mit vollautomatischer Gittervorspannung oder fester Ug sollten real besser funktionieren als Funke anzeigt.
Ob Sie allerdings die hohen Ansprüche von Hi-End Freaks befriedigen können, möchte ich bezweifeln, vor allem, wenn diese das Meßergebnis kennen...

Bei der Prüfung mit größeren negativen Gitterspannung wie beim Neuberger befinden Sie sich gerade bei steilen Trioden im steilen Teil der Kennlinie. Geringste Fehlmessungen bei den Gitterspannungen können schon zu hohen Änderungen des Anodenstromes führen.

K.F. Müller hat übrigens eine ganze Reihe Fehler in den Berechnungen der Prüfkarten entdeckt.

Rüdiger Walz

 

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Kennlinienpaarung 
01.Jul.10 15:46
115 from 7491

Dietrich Grötzer (A)
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Dietrich Grötzer

Natürlich hat Herr Birkner recht, dass man die Kennlinienpaarung auch übertreiben kann.

Wie Herr Birkner auch schreibt kann die statische Prüfung in Ordnung sein, aber die Röhre ist im Gerät unbrauchbar. Ich habe zwei solcher VCL11 mit besten statischen Daten, sind aber im DKE38 unbrauchbar da sie zum Schwingen neigen.

Für Hi-End Freaks die sich nicht so genau auskennen wird eine statische Paarung sicher genügen. Für Hi-End Kenner oder solche die sich dafür ausgeben ist eine dynamische Kennlinienpaarung sicher ein Kauf- und Preisargument wobei die Größe der Abweichung der Kennlinien zu hinterfragen wäre. Ich persönlich bin der Meinung, dass beim Hi-End vieles Einbildung ist. Siehe auch die grotesken Dinge die es für "Hi-End" zu kaufen gibt. Der Glaube versetzt bekanntlich Berge.

MfG D. Grötzer

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Danke Euch allen! 
01.Jul.10 15:59
122 from 7491

Manfred Kröll † 2.9.2013 (A)
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Manfred Kröll † 2.9.2013

@KoBi:  Danke Konrad, ich lass mich nicht entmutigen, ich lass mich immer nur von meinen "Forschungsergebnissen"  verunsichern :-)

Das bringt die Materie für mich mit, weil mir ja doch noch immer so viel an grundlegendem Basiswissen fehlt. Man kann nicht alles so gut im Internet lernen, oft muss einem etwas wirklich vor Augen geführt werden.

Vor ein paar Jahren war HTS bei mir nur für ein paar Stunden daheim zu Besuch und in dieser kurzen Zeit brachte er mir mehr bei, als ich in einem halben Jahr via Internet lernen hätte können. Davon profitiere ich noch bis heute.

Ich beneide einen Herrn Grötzer wie so viele andere hier im RMorg um das Fachwissen. Aber ich trage auch Stein für Stein zusammen und irgendwann kann ich vielleicht jemandem helfen, vielleicht auch endlich einmal mir selbst :-)

@herrn grötzer - wir wohnen keine 30km auseinander - habe ich heute festgestellt. - viele grüsse aus krems!

Nun, nach all diesen Antworten werde ich in Zukunft mehr bei der Arbeitspunktmessung bleiben, dabei lerne ich auch besser mit den Röhren zu arbeiten. Es macht mir großen Spaß, einfach eine irgendeine Röhrentabelle herzunehmen und eine x-beliebige Röhre nur danach auszumessen.

Es ist noch nicht allzulang her, als mich das Fehlen einer Prüfkarte vor unlösbare Probleme gestellt hat. Diese Zeiten sind vorbei.

Viele Grüsse und nochmals Dank an alle die sich hier eingebracht haben.

der fred

 

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 8
danke! 
01.Jul.10 16:04
127 from 7491

Manfred Kröll † 2.9.2013 (A)
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Manfred Kröll † 2.9.2013

@Hrn. Walz,

ja, ich muss wohl akzeptieren, dass die beiden Messmethoden unterschiedlich sind - und so auch gewisse Ergebnisse. Ich werde mich nach diesem Buch umsehen, denn ich denke dass auch hier "Lernstoff" für mich drin sein wird.

Vielen Dank!

der fred

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? Fachbuch 
01.Jul.10 16:45
150 from 7491

Arpad Roth † 27.3.17 (A)
Beiträge: 1024
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Arpad Roth † 27.3.17

Hallo Fred,

das vermeintliche Buch ist lagernd, kostet 25 Euro plus 9 Euro Versand..

Mich würde interessieren wie das Buch innen aussieht. Vieleicht kann ein Mitleser eine Seite veröffentlichen.

MfG.
Arpad

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 10
s.o. 
03.Jul.10 02:55
328 from 7491

Hans-Thomas Schmidt (D)
Redakteur
Beiträge: 535
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Hans-Thomas Schmidt

Hallo Fred,

ich bin gerade aus Jena zurückgekommen, wo ich Frau Professor Dr. Renate Tobies besucht habe.

Danke Fred, für die lobenden Worte. Du machst mich ganz verlegen.

Zur Matchereimanie:

Die besten Erfahrungen habe ich gemacht, indem ich Röhren nach Anodenstrom und Steilheit gematcht habe. Einmal hatte ich EL34 auszumessen: Perfekt harmoniert haben eine nagelneue Telefunken und eine ausgelutschte Tesla. Die Telefunkenfans mögen es mir verzeihen. Diese beiden Röhren haben einen glasklaren Sound in einem Dynacord-Verstärker geliefert.

Wenn Dietrich Grötzer nur 30 km von Dir wohnt, solltet ihr euch mal treffen. Ich habe Herrn Grötzer als netten Sammlerkollegen kennenlernen dürfen.

Gruß,  Hans-Thomas

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