Schickerling Tube TVT-200 – Topp oder Flop

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Dieser Artikel betrifft das Bauteil: Zur Röhre/Halbleiter

Schickerling Tube TVT-200 – Topp oder Flop 
21.Sep.25 12:33
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Gerhard Eisenbarth (D)
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Schickerling Tube TVT-200 – Topp oder Flop

Conrad Schickerling war ein privater, unabhängiger Hersteller von Elektronenröhren, der von 1923 bis nach 1930 auf dem US-Markt Röhren zur Ersatzbestückung und für den privaten Rundfunk-Hobby-Markt herstellte.

Als ich erstmalig in der Zeitschrift Radio World vom Mai 1923 eine Skizze der Schickerling TVT-Röhre sah, erkannte ich diese sofort als Röhrengleichrichter. Erst der Text zu dieser Werbung machte mich neugierig auf diese besondere Konstruktion, die auf den ersten Blick wie ein Röhrengleichrichter aussah aber laut Werbetext sollte sie eine Radioröhre ohne Gitter und mit guten Eigenschaften sein. Ihre generelle Bezeichnung: „Triangle Plate Tube“, siehe Bild 1.

Bei genauem Studium der Werbeaussagen und der Röhrenkonstruktion war mir klar, hier versuchte sich jemand im Röhrengeschäft durch eine neue Röhrenkonstruktion zu etablieren, der aber die Funktion einer Vakuum-Elektronenröhre nicht genau kennt und deshalb auch nicht in der Lage ist, herauszufinden bzw. zu Messen, ob sie funktioniert oder nicht.

Wahrscheinlich sollte auch so die damalige von RCA beherrschte Patentlage umgangen werden.

            Bild 1: Werbung in der Zeitschrift Radio World, Mai 1923, Seite 2 [1]

Über den in der Werbung genannten P. O’Brien konnte ich keine Informationen finden. Das Lerner Building ist ein Geschäftshaus und befindet sich an der „Bergen Avenues und Corner Sip“ in Jersey City. Als Conrad Schickerling mit seinem ersten Röhrenprojekt auf den Markt kam, ging es darum, Verkaufsmöglichkeiten für den Markteintritt zu schaffen. P. O’Brien war wahrscheinlich sein erster Vertriebspartner. Auch über die auf der Banderole angegebene T.V.T. Corporation, Newark, N. J., konnte ich keine Informationen finden. Conrad Schickerling war sehr wahrscheinlich der Hersteller der „Triangle Plate Tube“. Er war zuvor Lampenfabrikant und hatte u.a. Glühlampen für die Automobil-industrie hergestellt. Einige Lampenfabrikanten haben zur damaligen Zeit damit begonnen, mit dem wachsenden Bedarf von Röhren für Radioindustrie und für Radiobastler sich auf diesem neuen Geschäftsfeld zu etablieren. Als Hersteller von Glühlampen hatte man fachliche und technologische Vorteile für die Produktion dieser neuen Rundfunkröhren.

Conrad Schickerling wollte mit seiner Konstruktion ebenfalls eine Triode realisieren. Das von ihm gewählte Funktionsprinzip ist die Plattensteuerung. Bei der wird mit Hilfe eines elektrischen Feldes, das nicht unmittelbar im Stromkreis zwischen Kathode und Anode angeordnet ist, der Anodenstrom leistungslos gesteuert. Mit der von Conrad Schickerling ausgeführten Anordnung der Systemteile ist aber kaum eine elektrostatische Steuerung des Anodenstroms möglich.

Eine Markteinführung ist 1923 deshalb auch misslungen. Leider gibt es zu dieser TVT-Konstruktion kein Patent, um so herausfinden zu können, wie sich Conrad Schickerling die Funktion seiner TVT- Röhrenkonstruktion vorgestellt hat.

Von der TVT-Konstruktion gibt es drei Varianten.

Variante 1 – wahrscheinlich die erste Variante – hat fünf dreieckförmige Platten „Triangle Plate“, die jede einzeln elektrisch nach außen geführt sind. Dazu kommen noch zwei Anschlüsse für den Heizer. Diese Type hat einen 8 poligen Sockel, siehe dazu die folgenden drei Bilder. Zu dieser Type ist mir keine Typen-Bezeichnung bekannt.

     Bild 2: System der TVT200, seitlich [2]                Bild 3: System der TVT200, frontal [2]

      Bild 4: 8 poliger Röhrensockel [2]

Variante 2  hat ebenfalls fünf dreieckförmige Platten, die intern zu zwei verschiedenen Funktionen zusammengeschaltet sind. Drei Platten sind zur Steuerplatte zusammengeschaltet und zwei Platten sind zur Anode zusammengeschaltet. Mit den beiden Anschlüssen für den Heizer hat diese Variante vier Sockelanschlüsse. Diese Type wird als TVT 200 bezeichnet.

Variante 3  hat drei dreieckförmige Platten, die intern zu zwei verschiedenen Funktionen zusammengeschaltet sind. Zwei Platten sind zur Anode zusammengeschaltet und eine Platte ist die Steuerplatte. Damit hat diese Type auch vier Sockelanschlüsse. Diese Type wird als TVT 11 bezeichnet, siehe die beiden folgenden Bilder. Auffällig ist auch, dass die Bohrungen in den Dreieck-Platten deutlich größer sind als bei der TVT 200, durch denen der Heizer geführt ist.

        Bild 5: System der TVT 11 [2]                             Bild 6: Systemdetail der TVT 11 [2]

Die Anordnung der Dreieckplatten ist äußerst ungeeignet, um auf diese Weise eine elektro-statische Plattensteuerung zu erreichen, siehe dazu die folgenden Skizzen. In der Zone, wo der Anodenstrom seinen höchsten Wert hat, hat die Steuerplatte überhaupt keine Wirkung auf den Anodenstrom. Da wo die Steuerwirkung groß ist, fließt wenig Anodenstrom. Im folgenden Bild zeigen die Richtung der roten Pfeile die Wirkrichtung des elektrostatischen Feldes. Je länger der Pfeilschaft ist, je geringer ist die Wirkung. Die gestrichelten Linien zeigen den Anodenstrom, wie er ungefähr vom Heizer zur Anode fließt. Der dicke blaue Pfeil mittig in der Bohrung der Anode, zeigt den Ort des größten Anodenstroms. Zu dem Ort hat das elektrische Feld zwischen Steuerplatte und Heizer (Katode) die geringste Wirkung.

Bill Condon schreibt in seinem Beitrag [2] über die Größe der Steuerwirkung, die an einigen funktionierenden Röhren gemessen wurden, Gm ca. 30 – also Steilheit ca. 30 Mikro Ampere / Volt.

                          Bild 7: Skizze vom Aufbauprinzip der Schickerling Plattensteuerung

 

Diese von Conrad Schickerling 1923 herausgebrachte Röhrentype ist bezogen auf eine Verstärkung mit Vakuumröhren fast völlig wirkungslos.

Die folgende Darstellung einer Kennlinie mit einer Plattensteuerung nach Art der TVT-Röhre zeigt prinzipiell diesen Sachverhalt.

                                                Bild 8: prinzipielle Kennlinie der TVT 200

 

Bill Condon hat zu Conrad Schickerling folgende Bemerkung geschrieben [2]:

                                   englisch

                                   deutsch

If RCA was the King Kong of early tube manufacturers then Conrad Schickerling must be considered as the King of Con.

 

Wenn RCA der King Kong der frühen Röhrenhersteller war dann muss Conrad Schickerling als König der Schwindelei betrachtet werden.

Soweit würde ich nicht gehen. Conrad Schickerling hat vermutlich nach besten Wissen gehandelt aber war noch zu unerfahren und hat deshalb mit dieser Konstruktion versucht auf dem Markt zu starten aber damit einen Flop erreicht.

Im selben Jahr hat er dann mit den Erkenntnissen seines Mißerfolgs mit seiner ersten TVT-Röhrenkonstruktion eine neue Röhrenkonstruktion vorgelegt, die dann auch in Folge zu funktionierenden Röhren geführt hat.

Bild 9: Werbung aus der Zeitschrift „Radio World“ vom Oktober 1923

Auf dem obigen Werbebild sieht man deutlich eine dreieckförmige Platte, deren Funktion noch im Folgenden beschrieben wird. Auch die Röhrenkonstruktion ist nicht im Detail zu erkennen aber wird in folgender Darstellung dann näher erläutert.

Diese Konstruktion wurde unter der Nummer US1687897 im Febr. 1925 als Patent angemeldet.

  Bild 10: Fig. 4 aus Patent US1687897 [1]

Der Röhrenaufbau ist eine direkt geheizte Rohrkonstruktion mit einer im Inneren der Anode angeordneten Gitterwendel. Ein damals üblicher konstruktiver Röhrenaufbau.

Die Funktion der 3 fach aufgefächerten abschirmenden „Triangle Plate“, die in allen seinen später hergestellten Röhren als ein sogenanntes „Viertes Element“ bezeichnet wird, ist Conrad Schickerling nicht klar. In der Patentbeschreibung wird diese Plattenanordnung als „Stabiliser“ bezeichnet. Zu Funktion dieser Plattenanordnung hat er folgendes angegeben, Patent US1687897:

englisch

deutsch

“As a result of extensive experiments and practice of this invention in various designs and forms I have established the fact that because of the fourth element or stabilizer it is possible to secure remarkable freedom from tube noises so commonly experienced with other tubes, but the scientific reason for the effect I am not at this time able to ex­plain.”

 

„Als Ergebnis umfangreicher Experimente und der praktischen Anwendung dieser Erfindung in verschiedenen Ausführungen und Formen habe ich die Tatsache festgestellt, dass es aufgrund des vierten Elements oder Stabilisators möglich ist, eine bemerkenswerte Freiheit von Röhren-geräuschen zu erreichen, die bei anderen Röhren so häufig auftreten. Den wissenschaftlichen Grund für diesen Effekt kann ich derzeit jedoch nicht erklären.“

Die folgende Werbung enthält als Beispiel eine Textpassage zum „vierten Element“, die als eine zentrale Werbeaussage zu allen späteren Schickerling Verstärkerröhren in verschiedenen Variationen verwendet wurde.

                          Bild 11: Zeitschrift „Talking Machine“, April 1925, , S. 73

 

Werbetext als Beispiel mit einer Textstelle zum “4th element”, übersetzt:

„Schickerling-Röhren haben den Röhrenmarkt einfach geprägt. Dies sind die EINZIGEN Röhren mit dem vierten Element – ​​den dreieckigen Platten, die Verzerrungen und Röhrengeräusche eliminieren, sodass D.X. Sender deutlicher zu hören sind.“

 

Literaturhinweise:

[1]   US1687897, Radiotube, Conrad Schickerling, Lillie E. Schickerling and Hortense Schickerling, 

        East Orange, New Jersey, 6. Febr. 1925.

[2]   Schickerling and the Triangle Plate Tubes, Bill Condon, TCA Vol. 4, No. 4, August 2002.

[3]   More on Schickerling, Ludwell Sibley, TCA Vol. 1, No. 1, Febr. 1999.

[4]   T.V.T. Detector Tubes, Radio World, Mai 1923, p. 2.

 

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