Seenotdienst und Rundfunk 1924

ID: 194850
Seenotdienst und Rundfunk 1924 
17.Jul.09 13:29
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Uwe Ronneberger (D)
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Uwe Ronneberger

Radio-Korrespondenz aus "Der Maschinenmarkt Asch" Wien-Neudorf 1.Okt.1924


Völkerbund und Sicherheit zur See.
Bekanntlich führten die Beratungen, die im Jahre 1912 auf der sogenannten Titanic-Konferenz über die Erhöhung des Schutzes des menschlichen Lebens zur See gepflogen wurden, zu dem Ergebnis, daß unter den Mitteln, die diesen Zielen dienen sollten, der Funktelegraphie ein wichtiger Platz eingeräumt wurde. Durch den Ausbruch des Krieges konnten bei einer Reihe der wichtigsten schiffahrttreibenden Länder indes die erforderlichen Vorarbeiten zur Inkraftsetzung der damaligen Vereinbarungen nicht mehr getroffen werden, so daß nur verhältnismäßig wenig Länder den Londoner Vertrag ratifiziert haben. Einzelne Länder sind nach dem Kriege für sich mit besonderen Vorschriften vorgegangen, die mehr oder weniger den Vertrag als Grundlage annehmen, aber je für sich ihre besonderen Vorschriften enthalten, so daß auf diesem Gebiete, das nur international und einheitlich geregelt werden sollte, ein gewisses Durcheinander zu verzeichnen ist. Nach dem Washingtoner Entwurf des kommenden Funk-Telegraphen Vertrages ist beabsichtigt, die wesentlichen Bestimmungen des früheren Titanicvertrages mit denjenigen Aenderungen, die durch die Entwicklung der letzten zehn Jahre geboten erscheinen, mit in den neuen Funkvertrag hineinzuarbeiten, so daß nicht zwei Verträge nebeneinander, sondern nur ein Vertrag maßgebend sein würde. Wie wir erfahren, hat sich neuerdings auch der Völkerbund mit diesen Fragen beschäftigt. In einem seiner Unterausschüsse ist eine Entschließung gefaßt worden, die diesem Stoff gewidmet ist. Die Entschließung gibt der Hoffnung Ausdruck, daß in kürzester Frist eine einheitliche Regelung getroffen werden möchte, so daß die zur See Fahrenden recht bald der Wohltat der neuen Vorschriften teilhaftig werden möchten.
Es erschien dem. Ausschuß zweckmäßig, hierfür eine diplomatische Konferenz der seefahrttreibenden Länder herbeizuführen. Bis zum Zustandekommen dieser Konferenz sollte nach den Wünschen des Ausschusses kein Land Vorschriften herausgeben, die mit den bisherigen Vereinbarungen früherer Verträge und mit den bisherigen Beschlüssen des Völkerbundausschusses in Widerspruch stehen. Für sehr wichtig hält der Ausschuß, daß jedes seefahrttreibende Land sich bereit erklärt, die von anderen Ländern ausgestellten Sicherheitsausweise der Schiffe auch dann anzuerkennen, wenn sie in Einzelheiten nicht genau mit der Fassung der Ausweise des eigenen Landes übereinstimmen.

Seenotdienst und Rundfunk.

Wie aus der ausländischen Presse bekannt geworden ist, hat sich die Schiffahrt schon mehrfach über Störungen des außerordentlich wichtigen Seenotmeldedienstes durch Rundfunksender zu beklagen gehabt. Es lag daher Anlaß vor, der Frage nachzugehen, ob derartige Störungen etwa auch für das deutsche Küstengebiet zu erwarten wären. Die Prüfung hat ergeben, daß nach der jetzigen Organisation, der gewählten Lage und der Wellenverteilung der deutschen Rundfunksender solche Störungen nicht sehr wahrscheinlich sind. Um aber doch Störungen des Seenotmeldedienstes an der deutschen Küste von vor herein nach Möglichkeit zu verhindern, sind die Küstenfunkstellen ermächtigt worden, einen Rundfunksender, der nach den wahrgenommenen Lautstärken die Uebermittlung des Seenotverkehres durch seine Darbietungen stören könnte, um vorübergehende Einstellung seines Sendebetriebes zu ersuchen. Die Rundfunk sender werden in solchen Fällen eine kurze Ankündigung geben, daß lebensnotwendiger Schiffahrtsverkehr zu kurzer Unterbrechung zwinge, und es dürfte keinem Zweifel unterliegen, daß die Zuhörer, die ja im wesentlichen der der Seefahrt nahestehenden Bevölkerung der Küstenstriche angehören - denn um diese kann es sich nur handeln -, einem solchen Zwang zur vorübergehenden Beeinträchtigung ihres Empfanges das nötige Verständnis entgegenbringen werden. Es kann sich ja auch nur um seltene Ausnahmefälle handeln, in denen eine Küstenfunkstelle sich genötigt sehen wird, ein solches Verlangen an den Rundfunksender zu stellen.

 

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