Selengleichrichter anschließen

ID: 53865
Selengleichrichter anschließen 
02.Jun.05 22:44
17220

Wolfgang Eckardt (D)
Ratsmitglied
Beiträge: 1916
Anzahl Danke: 31
Wolfgang Eckardt

Der Beitrag im Forum über falsch eingezeichnete Gleichrichter
http://www.radiomuseum.org/forum/eak_6450gws_gwps_zwergsuper_pr_fehler_im_scha.html

sowie Anfragen über Emails haben mich veranlasst, etwas zu Geräten mit Selengleichrichtern zu schreiben, obwohl im Forum schon etwas über den Ersatz durch Si-Dioden gesagt wurde.
Ich habe noch weitere Schaltbilder gefunden, in denen das Dioden-Symbol falsch herum eingezeichnet wurde! (In der Praxis sind sie natürlich alle richtig eingelötet.)

Meine Hinweise sollen für diejenigen sein, denen diese Gebilde aus einzelnen Metallscheiben nur vom Ansehen her bekannt sind - also "alte Hasen" bitte hier ausblenden!
Der Selengleichrichter ist auch ein Halbleiter-Bauteil, nur dass er nicht aus einem Monokristall (Si oder Ge z.B.) besteht.


Jede dieser einzelnen zu einer Säule aufgestapelten Zellen stellt jeweils einen pn-Übergang - also eine Diode - dar mit einer bestimmten Sperrspannung (je nach Baujahr und Stand der Technologie etwa 16 ... 50V). Die zulässige Stromstärke hängt von der Fläche der Scheiben ab und geht von "Pillengleichrichtern", meist für Hochspannungsgeräte, von wenigen mA bis zu vielen Ampere, wenn dm²-große Flächen z.B. in Ladegeräten genutzt wurden.
Die Metallscheiben - rund oder rechteckig - bestehen aus Stahl- oder Alublech. Darauf sitzt eine Selenschicht und diese wiederum ist typisch mit einer aufgespritzten Zinnlegierung versehen. Eine runde gefiederte Bronzefeder übernimmt die Kontaktierung. Der pn-Übergang besteht zwischen Selen und der Zinnlegierung.
Soviel etwas Theorie.
Für den praktischen Einsatz ist es eigentlich nur wichtig zu wissen, was die Katode ist, bei den Si-Dioden meist mit dem Strich oder Ring gekennzeichnet. Beim Selengleichrichter ist das die Bronzefeder, häufig die mit rotem Isolierschlauch gekennzeichnete Lötfahne. Dort ist nämlich der Pluspol bei einer entsprechenden Schaltung.



Und hier kommt nun das Problem, warum es manches Mal zu Verwechslungen kommt. Man ist geneigt, die Katode als den negativen Pol (- Pol) zu bezeichnen und die Anode als den positiven (+Pol)  - stimmt ja auch in einer Röhrenschaltung z.B.
Betrachtet man aber den Stromfluss in einem Gleichrichter, so ist der + Pol an der Katode. 
Schaut man sich eine Schaltung mit einer Röhrendiode an - z.B. UY11 oder RGN354 - so ist stets an der Katode der positive Pol, die Anodenspannung.

Man kann das mechanistisch sehen - die Diode lässt nur die positive Halbwelle in Richtung Katode durch - oder auch mit dem Elektronenstrom, der von der Katode ausgeht Richtung Anode, d.h. die Katode wird von den Elektronen verlassen, also herrscht Elektonenmangel was dem +Pol entspricht. (Theoretiker mögen mir diese mechanistische Betrachtung verzeihen...man könnte auch das elektrische Feld bemühen...)

Also Fazit: Wer einen Selengleichrichter durch eine Si-Diode ersetzen will: die Katode liegt am positiven Potential = Anodenspannung. Das ist beim Selengleichrichter die Seite mit der Ringfeder. (Der empfohlene Zusatzwiderstand wegen der Niederohmigkeit wurde schon an anderer Stelle besprochen.)
Noch eine Erfahrung bei solchen Netzteilen: Abgesehen davon, dass die meisten älteren Selengleichrichter sehr hochohmig werden und dadurch die Anodenspannung zu niedrig ist, liegt die niedrige Anodenspannung aber  häufiger an den eingetrockneten Elektrolytkondensatoren, die keine Kapazität mehr besitzen. Ohne Belastung, im Leerlauf, - also Röhren herausgezogen oder weiterführende Drähte der Anodenspannung abgelötet - zeigen die Selengleichrichter oft noch die volle Spannung von über 300V am ersten Elko (Ladekondensator, der muss angeschlossen bleiben!) an, bei Belastung, also mit arbeitenden Röhren, bricht die Spannung oft auf um die 100V zusammen, weil die Selensäule wie ein hochohmiger Widerstand im Stromkreis wirkt. Manches Mal arbeitet dann der Empfänger sogar noch bescheiden, aber bei Verwendung eines elektrodynamischen Lautsprechers ist natürlich dann die Felderregung auch wesentlich schwächer, was sich auf die Lautstärke auswirkt.

Übrigens merkt man bei stärkerer Überlastung des Selengleichrichters besonders deutlich, warum es ein Gleichrichter war: "gleich-riecht-er".

Würde mich freuen, wenn es den unerfahreren Praktikern etwas geholfen hat, wenn sie ein Allstromnetzteil restaurieren wollen.

Wolfgang Eckardt


 
 
   





 

  

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.