Spule mit Kern und Abschirmhaube: Induktivität

ID: 141096
Spule mit Kern und Abschirmhaube: Induktivität 
20.May.07 18:44
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Christian Bruckner (A)
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Hallo,

aus einem Industrierestposten habe ich etliche der abgebildeten,
abgleichbaren Spulen. Da ich gerade etwas am Basteln bin habe ich
diese Exemplare näher untersucht und die Induktivität gemessen:

Nur die (zerlegte) Spule ohne Kern und Haube: 0.21uH
Spule mit Haube aber ohne Kern: 0.21uH
Spule mit Kern aber ohne Haube: 0.41uH
Spule komplett mit Kern und Haube: 0.32uH

Mich irritiert der grobe Unterschied der beiden letzten Messungen.
Also die Tatsache daß die Haube keinen messbaren Einfluß hat wenn
kein Kern vorhanden ist aber die Induktivität sehr deutlich
reduziert wenn der Kern eingeschraubt ist.
Ich vermute jetzt einmal daß der Stabkern die magnetischen
Feldlinien weitaus särker nach außen fördert weil seine Stirnfläche
(selbst wenn es vollständig eingedreht ist) mit der Öffnung der
Haube auf der selben Höhe liegt.

Leider habe ich keine vernünftige Möglichkeit Güte und Verlust
zu messen, die experimentellen Methoden erscheinen mit bei derart
kleinen Induktivitäten zu ungenau. - Daher meine Frage hier im
Forum:
Wird / wurde so etwas absichtlich gebaut? Wird nicht die
Wirkung der Schirmhaube quasi ausgehebelt wenn das Feld zu einem
Wesentlichen Teil außen vorbei läuft.
Oder sind diese Spulen eher Industrieschrott der so nicht gut zu
gebrauchen ist. (Also besser die Haube weglassen wenn das
Schaltungstechnisch geht...)

Christian Bruckner Anlagen:

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

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Einfluß der relativen Permeabilität 
30.May.07 20:44

Rolf Nickel (D)
Beiträge: 240
Anzahl Danke: 8
Rolf Nickel

Lieber Herr Bruckner,

da ich Ihren Messaufbau und Ihre Messgeräte nicht kenne, ist mir nur eine allgemeine Antwort möglich:

Es handelt sich hier um eine so genannte "Spule mit geringem Außenfeld" mit Radius r, Windungszahl n und Länge l, deren Induktivität L sich berechnet zu

    L  =  µ0 µ π n2 r2 (1/l) .

Auch ein geringes äußeres Magnetfeld kann störend wirken. Außerdem kann durch fremde Magnetfelder in der Spule eine Störspannung induziert werden. Daher schirmt man sie ab.

Weil sich die Schirmwand nun relativ dicht an der Spule befindet, muss dies, je nachdem, welches µr der (überwiegende) Wand-Werkstoff besitzt, zu einer Induktivitätserhöhung (z. B. durch Eisen) oder, wie in Ihrem Fall, zu einer -Verringerung (z. B. durch Kupfer) führen, siehe Tabelle.


        Werkstoff                     relative Permeabilität (µr)      
        Luft                                                 1
        Kupfer                                            unter 1
        Aluminium                                      über 1
        Eisen                                        500 bis 10000
        Ferrit                                          10 bis 20000
        Mumetall                                    über 100000
   

Bei hoher Permeabilität erhält man einen zusätzlichen Verlustwiderstand und damit eine verringerte Güte.

Vielleicht kennen Sie die Abgleich-Prüfstifte aus Isolierstoff mit Messingprobe an dem einen und Eisenprobe am anderen Ende. Diese nähert man zu Abgleichzwecken, z. B. im UKW-Tuner, den dort verwendeten kernlosen Spulen aus Lackdraht, um vor dem eigentlichen mechanischen Abgleich durch Verbiegen festzustellen, in welcher Weise man dabei vorgehen muss, d. h., ob man die Windungen zusammendrücken (Induktivitätserhöhung) oder auseinanderziehen (Induktivitätsverringerung) muss.

Fazit : Kein "Industrieschrott", sondern mathematisch-logisch zu erklären.

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Wirbelströme in der Abschirmhaube 
29.Mar.13 21:12
1252 from 5839

Jochen Bauer (D)
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Jochen Bauer

Die relative magnetische Permeabilität von Kupfer ist zwar geringer als eins, allerdings nur sehr wenig. Sie beträgt µr = 0,9999936. Die Erniedrigung der Induktivität der Spule mit eingedrehtem Ferritkern von 0.41 µH auf 0.32 µH durch Aufstecken der Abschirmhaube lässt sich damit nicht erklären.

Es passiert hier folgendes: In der metallischen Abschirmhaube werden durch das magnetische Wechselfeld, welches aus der Spule heraustritt, elektrische Wirbelströme induziert. Dies führt zunächst einmal zu Verlusten und einer Erniedrigung des Gütefaktors. Das magnetische Wechselfeld der Spule bei eingedrehtem Ferritkern kommt aber nun zu einem großen Teil durch die Ausrichtung der Elementarmagnete im Ferritkern gemäß dem magnetischen Wechselfeld der Spule zustande. Nach der Lenz'schen Regel sind die Wirbelströme im Metall (Wirkung) so gerichtet, dass sie der Ausrichtung der Elementarmagnete im Ferritkern (Ursache) entgegenwirken. Die Ausrichtung der Elementarmagnete im Ferritkern gemäß dem magnetischen Wechselfeld der Spule wird also gehemmt, wodurch die magnetische Permeabilität des Ferritkerns absinkt und dadurch die Induktivität der Spule mit Kern verringert wird.

Dieser Effekt tritt natürlich nur auf, wenn die Spule einen Ferritkern enthält. Bei einer Luftspule werden durch die Wirbelströme in der Abschirmhaube lediglich die Verluste größer, die Induktivität selber bleibt aber unverändert. Dies erklärt das identische Ergebnis der ersten beiden Messungen.

Der "Wirbelstromeffekt" lässt sich auch mit einer Ferritantenne zeigen, an deren Stirnseite eine (nicht ferromagnetische) Metallplatte senkrecht angenähert wird. Die Verminderung der Induktivität durch den Wirbelstromeffekt ist dabei umso geringer, je mehr Hindernisse den Wirbelströmen in der Metallplatte (z.B. durch Schlitze) in den Weg gelegt werden.

Korrektur: Die Induktivität wird natürlich prinzipiell auch bei einer Luftspule durch Wirbelströme verringert. Dies ist folgendermassen einzusehen: Die Metallhaube, in der die Wirbelströme induziert werden stellt in diesem Fall eine, wenn auch sehr kleine, kurzgeschlossene Induktivität dar, vergleichbar mit einer nur aus einer Windung bestehenden kurzgeschlossenen "Spule". Diese ist induktiv mit der eigentlichen Spule gekoppelt und veringert dadurch die Induktivität dieser. Die Veringerung der Induktivität ist dabei wesentlich durch die Stärke des Kopplungsfaktors bestimmt. Näheres dazu ist hier zu lesen.

Im vorliegenden Fall scheint der Kopplungsfaktor zwischen der Spule und der Abschirmhaube aber relativ gering zu sein, da es keine im Rahmen der Messgenauigkeit erkennbare Veringerung der Induktivität der Spule gab.

Weiterhin kann man den weiter oben physikalisch beschriebenen Effekt der Veringerung der Induktivität bei eingedrehtem Ferritkern auch mehr "elektrotechnisch" beschreiben: Die Spule mit Ferritkern ist induktiv an die Metallhaube, die eine kurzgeschlossene "Spule" darstellt, angekoppelt, was wie bei der Luftspule auch zu einer Veringerung der Induktivität führt. Bei eingedrehtem Ferritkern ist dabei aber nun der Kopplungsfaktor wesentlich größer und es kommt zu einem deutlichen Induktivitätsverlust.

   

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Magnetische Abschirmung von Spulen 
30.Mar.13 10:44
1349 from 5839

Jochen Bauer (D)
Redakteur
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Jochen Bauer

Um Wirbelströme in der metallischen Abschirmhaube und die damit verbundenen negativen Effekte (Verminderung des Gütefaktors, Verminderung der Induktivität bei Spulen mit Ferritkern) möglichst weitgehend zu vermeiden, kann die Spule innerhalb der elektrisch leitenden Abschirmhaube nochmals magnetisch mit einem Ferrit-Topf abgeschirmt werden. Im folgenden Bild ist eine Spule dieser Bauart abgebildet.

Spule mit magnetischer Abschirmung

Durch den Ferrit-Topf mit Kern dringt nur ein geringer Teil des magnetischen Wechselfeldes der Spule nach außen und in die Abschirmhaube ein, daher sind die dort induzierten Wirbelströme wesentlich kleiner. Der Gütefaktor und die Induktivität einer derartig magnetisch gekapselten Spule werden daher durch die äußere (elektrische) Abschirmhaube nur noch sehr gering beeinflusst.

Der Vorteil ist nun, dass die Verluste in der magnetischen Abschirmung durch Ummagnetisierung mit der Frequenz des magnetischen Wechselfeldes wesentlich geringer sind als die Wirbelstromverluste in der Abschirmhaube sein würden. Auf diese Weise lässt sich eine sehr gute Abschirmung der Spule (elektrisch und magnetisch) bei geringer Auswirkung auf den Gütefaktor bewerkstelligen.

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