Stahlkugel-Detektor - ob das wohl funktioniert?

ID: 544454
? Stahlkugel-Detektor - ob das wohl funktioniert? 
22.Sep.20 22:30
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Wolfgang Eckardt (D)
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Wolfgang Eckardt

In einer Zeitschrift "Werkstatt für alle", 1926, Nr. 48, eine Beilage der "Berliner Morgenpost" für die Radioamateure, fand ich eine Beschreibung für einen Detektor mit Stahlkugeln, der eine kleine Spannung zum Betrieb benötigt.

Gehört habe ich bisher noch nichts von diesem Prinzip, wohl schon von Detektorempfängern, die eine  zusätzliche Spannung benötigen, aber nicht mit Stahlkugeln.

Kennt jemand etwas von diesem Prinzip, oder hat vielleicht sogar schon damit experimentiert....

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Wolfgang Eckardt

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der Kohärer kommt aus der Versenkung 
23.Sep.20 08:35
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Nikolaus Löwe (D)
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Nikolaus Löwe

Sehr geehrter Herr Eckardt,

daß Metalloxyde und Sulfide elektrische Eigenschaften haben können, die vom Ohm'schen Gesetz abweichen, hatte schon Ferdinand Braun um 1874 erkannt. 

Das Kontakte zwischen unedlen und daher oberflächlich oxydierten Metallen normalerweise nichtleitend sind, aber bei Überschreiten einer Mindestspannung durchschlagen werden, und dann dauerhaft den Strom leiten, ist Grundlage des Kohärers (Fritters), des ersten praktischen Empfangselementes der drahtlosen Telegraphie. Der Kohärer wurde zuerst von Branly eingesetzt, dann von Popoff, Marconi, Slaby und weiteren.

Oft wurde der Kohärer mit Körnern von Eisen oder Neusilber gefüllt. Einen Kohärer mit polierten, also nur oberflächlich oxydierten Stahlkugeln, die sich in loser Berührung befinden, findet man allerdings auch schon um 1900. Hier als Beispiel der Kohärer von Orling und Braunerhjelm, abgebildet in Augusto Righi, Die Telegraphie ohne Draht (1903), S. 333.

Stahlkugelkohärer

Die Eigenschaften von losen Kontakten, namentlich auch solchen aus Stahl, hat Moritz Frucht in seiner Dissertation 1905 untersucht (Moritz Frucht, Änderung derLeitfähigkeit loser Contakte, Heidelberg 1905). Er stellt fest, daß die Reizschwelle zur Leitfähigkeit bei ca. 1V liegt, mit deutlicher Abhängigkeit von der Dicke der Oxydschicht und dem Druck zwischen den Kugeln. 

Einen einigermaßen stabilen Gleichgewichtszustand fand er nur bei sehr geringen Strömen, also wenn die Stahlkugeln noch nicht fest zusammengefrittet waren.

Jetzt fehlt aber einem solchen Kohärer eine wesentliche Eigenschaft des Gleichrichter-Detektors, wie er in Ihrem Artikel von 1926 für den Rundfunkempfang vorgeschlagen wird: Die einseitige Leitfähigkeit.

Kontakte zwischen gleichartigen Elektroden können sich verhalten wie zwei antiparallel geschaltete Dioden. Eine einseitige Gleichrichtung wird erst durch die Hilfsspannung ermöglicht, die die symmetrische Kennlinie der Anordnung ins unsymmetrische verschiebt.

Das hat man insbesondere beim Karborund-Detektor zu Zeit des 1. Weltkriegs so gemacht (z.B. beim E.D.98), der sonst auch nicht auf HF anspricht, zumindest nur sehr unempfindlich.

Daher ist nicht auszuschließen, daß mit der in "Werkstatt für Alle" beschriebenen Anordnung gelegentlich Rundfunkempfang möglich war. Vermutlich sind aber die Lobpreisungen deutlich übertrieben, vor allem dürfte es der Anordnung an Stabilität gemangelt haben, der größten Schwäche der Metallkontakt-Anordnungen.

Mit freundlichem Gruß,

Nikolaus Löwe

 

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Stahlkugel-Detektor - Kohärer 
23.Sep.20 10:02
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Wolfgang Eckardt (D)
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Wolfgang Eckardt

Vielen Dank Herr Löwe, das war ein wunderbares AHA-.Erlebnis für mich!
Wieder ein bisschen schlauer geworden. - Und sicher haben in den 1920er Jahren einige "Radioten" mit diesem Bauvorschlag gebastelt und mehr oder weniger Erfolg gehabt. Wenn man aber den mechanischen Aufwand betrachtet für das Gebilde, dann war das wohl nix für den "Bastler", der mal so einfach den Berliner Sender im Kopfhörer empfangen wollte.....

Nochmals danke

Wolfgang Eckardt

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