Transistorparameter und Ersatzschaltungen
Transistorparameter und Ersatzschaltungen
Obwohl die physikalische Funktionsweise von Bipolartransistoren als Verstärker völlig unterschiedlich zur Funktionsweise von Vakuumröhren ist, ist die Behandlung der Kleinsignaleigenschaften mit Hilfe einer linearen Näherung sehr ähnlich. Die Grundlegende Vorgehensweise bei der Behandlung der Kleinsignaleigenschaften von Verstärkerbauteilen (in diesem Fall Röhren) wurde bereits im Artikel
"Röhrenparameter, Kennlinien und Ersatzschaltungen" dargestellt.
Wir wollen diese Methodik nun auf Bipolartransistoren (NPN oder PNP) anwenden, was einen tieferen Einblick in die Unterschiede zwischen den Eigenschaften von Röhren und Bipolartransistoren als Verstärker liefert.
Die Grundlegende Beschreibungsfunktion einer Röhre ist die Abhängigkeit des Anodenstromes von der Gitter- und Anodenspannung. Analog dazu kann beim Bipolartransistor im normalen Betrieb (forward active mode), also mit Basis-Emitter Diode in Durchlassrichtung und Basis-Kollektordiode in Sperrichtung der Kollektorstrom IC als eine Funktion der Basis-Emitter Spannung UBE und der Kollektor-Emitter Spannung UCE gemäß
beschrieben werden. Für die Kleinsignalansteuerung wird nun wiederum völlig analog zur Röhre eine lineare Näherung um einen vorgegebenen Arbeitspunkt q (engl. quiescent) vorgenommen:
Dabei ist
der Kollektorstrom,
die Steilheit und
der Kehrwert des Ausgangswiderstandes jeweils am Arbeitspunkt q. Die Bezeichnungen gm und ro sind dabei die in der internationalen Literatur üblichen Bezeichnungen.
Der signifikanteste Unterschied vom Bipolartransistor zur Röhre ist bekanntermaßen der endliche und relativ niedrige Eingangswiderstand zwischen Basis und Emitter. Der Bipolartransistor muss damit mit einer bestimmten Eingangsleistung angesteuert werden, wohingegen eine Röhre (zumindest in der Idealisierung) leistungslos angesteuert wird. Der Basis-Emitterstrom kann wieder als eine Funktion der Basis-Emitter Spannung UBE und der Kollektor-Emitter Spannung UCE beschreiben werden, also
wobei die Abhängigkeit von der Kollektor-Emitter Spannung UCE aber in den allermeisten Fällen vernachlässigt werden kann. Führt man nun wieder eine lineare Näherung um den Arbeitspunkt q durch, so ergibt sich
Dabei ist
der Kehrwert des Eingangswiderstandes zwischen Basis und Emitter. Die "Rückwirkungssteilheit" (engl. reverse transconductance)
ist, wie bereits erwähnt, in den allermeisten Fällen vernachlässigbar.
Damit ergibt sich natürlich analog zur Betrachtung einer Röhre die Norton-Ersatzschaltung des
Bipolartransistors als gesteuerte Stromquelle mit einem Ausgangswiderstand ro gemäß folgendem Schaltbild:
Im Unterschied zur Röhre hat der Steuereingang der Stromquelle allerdings einen relativ geringen
Eingangswiderstand rπ.
Bei höheren Frequenzen müssen natürlich noch die Kapazitäten CBE, CBC und CCE zwischen Basis, Emitter und Kollektor berücksichtigt werden. Insbesondere die im Vergleich zu einer Pentodenröhre relativ hohe Basis-Kollektor Kapazität CBC (je nach Transistormodell einige pF) führt zu einer Rückwirkung des Ausgangs auf den Eingang, die bei Hochfrequenzanwendungen typischerweise durch eine Neutralisationsschaltung eliminiert werden muss. Die Basis-Emitter Kapazität liegt bei modernen Universaltransistoren bei einigen pF. Bei den frühen Transistoren (z.B. OC45) mussten hier jedoch deutlich höhere Werte von z.B. 1000pF in Kauf genommen werden.
Für den Normalfall, in dem die Basis-Emitter Diode in Durchlassrichtung und die Basis-Kollektor Diode in Sperrichtung gepolt ist (forward active mode) ergibt sich aus dem Ebers-Moll Transistormodell unter
Berücksichtigung des Early Effektes für den Kollektorstrom IC in guter Näherung [1]
Dabei ist IS der Sättigungssperrstrom der typischerweise im Picoamperebereich oder darunter liegt, UT ist die Temperaturspannung (ca. 26mV bei Raumtemperatur) und UA ist die sogenannte Early Spannung, die je nach Transistortyp typischerweise zwischen 15V und 150V liegt. Der Basis-Emitter Strom IBE hängt mit dem Kollektorstrom IC über
zusammen. Der Stromverstärkungsfaktor β ist dabei allerdings keine echte Konstante, sondern hängt unter anderem von der Frequenz des Eingangssignals ab. Je nach Transistormodell sinkt β bei höheren Frequenzen mehr oder weniger schnell ab. In den Datenblättern wird β daher meistens für Gleichstrom angegeben. Ein weiteres Problem ist die Streuung von β zwischen einzelnen Exemplaren ein und desselben Transistormodells von bis zu +-50%.
Mit dem obigen Transistormodell ergeben sich nun die Parameter des Transistors am Arbeitspunkt q, der durch den Kollektorstrom ICq bestimmt wird zu:
Hier fallen nun sofort zwei Dinge auf: Erstens, eine hohe Steilheit gm (durch Wahl eines hohen
Kollektorgleichstromes IC am Arbeitspunkt) muss auf Kosten eines kleinen Eingangswiderstandes rπ erkauft werden. Zweitens, der Eingangswiderstand rπ ist direkt vom Stromverstärkungsfaktor β abhängig, der selbst innerhalb einer Fertigungsserie um bis zu +-50% schwanken kann. Damit ergibt sich natürlich ebenfalls eine Schwankung des Eingangswiderstandes rπ von +-50%, was z.B. eine exakte Anpassung einer Transistorstufe an einen Schwingkreis über eine ganze Bauserie hinweg schwierig macht.
Sehen wir uns nun zum Abschluss einige praktische Beispiele an um eine Vorstellung von den Größenordnungen der Parameter gm, ro und rπ zu bekommen. Wir betrachten dazu die frühen Germanium-Transistoren OC44 und OC45 aus dem Jahr 1957 sowie die moderne Universal- Transistorreihe BC546, BC547 und BC548 [2],[3].
Die Steilheit gm ist im Ebers-Moll Modell unabhängig vom Transistortyp und beträgt bei Raumtemperatur (T=300K -> UT=26mV) und einem einem typischen Kollektorstrom von IC=1mA näherungsweise
Im Datenblatt zu den Transistoren OC44/OC45 wird gm bei IC=1mA mit 39mS angegeben, was eine sehr gute Übereinstimmung mit dem Modell darstellt.
Sehen wir uns nun den Ausgangswiderstand ro an. Dieser wird für den OC44 bei einer Kollektor-Emitterspannung von 6V mit typischerweise 25kΩ angegeben, beim OC45 beträgt ro unter diesen Umständen typischerweise 67kΩ. Bei den Transistoren BC546X, BC547X und BC548X beträgt ro laut Datenblatt typischerweise 56kΩ für die A-Serie (X=A), bei der B_Serie (X=B) ist 33kΩ und bei der C-Serie (X=C) 17kΩ als typischer Wert für ro angegeben. Diese Werte liegen damit signifikant unter den Werten für Pentodenröhren, die problemlos 1MΩ erreichen können.
Sehen wir uns nun noch den Basis-Emitter Eingangswiderstand rπ an. Für IC=1mA und β=100 beträgt dieser bei Raumtemperatur nach dem Ebers-Moll Modell
was dem für den OC44 angegebenen Wert für β=100 und IC=1mA entspricht. Der OC45 hat aufgrund der halb so hohen Stromverstärkung von β=50 lediglich einen ungefähr halb so großen Eingangswiderstand. Bei den BC546X, BC547X und BC548X Transistoren liegt rπ für die A-Serie mit β=220 und IC=2mA bei 2.7kΩ, die B-Serie kommt mit β=330 auf 4.5kΩ und die C-Serie mit β=600 auf 8.7kΩ, was ebenfalls eine gute Übereinstimmung mit den Vorhersagen des Ebers-Moll Modells darstellt.
Für die Praxis sind hier natürlich die Schwankungen der Stromverstärkung zwischen einzelnen Exemplaren eines Transistormodells sowie die Frequenzabhängigkeit der Stromverstärkung zu beachten. Die oben angegeben Werte aus den Datenblättern beziehen sich bei allen Transistoren auf eine Eingangsfrequenz von lediglich 1kHz.
[1] de.wikipedia.org/wiki/Bipolartransistor (LInk Mathematische Beschreibung des Bipolartransistors)
[2] www radiomuseum.org/tubes/tube_oc44.html
[3] Vishay Semiconductors Document Number 88160 08-May-02
Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.
Der Emitterfolger
Eine unmittelbare Anwendung der im Post #1 vorgestellten Beschreibung des Kleinsignalverhaltens
eines Transistors mit Hilfe der linearen Approximation stellt die Berechnung des Emitterfolgers gemäß der folgenden Abbildung dar.
Ein Emitterfolger hat bekanntermaßen eine Spannungsverstärkung kleiner als Eins, einen relativ hohen Eingangswiderstand und einen niedrigen Ausgangswiderstand. Er eignet sich daher z.B. zur Anpassung eines hochohmigen Ausgangs einer Vorgängerstufe an einen niederohmigen Eingang einer Nachfolgestufe.
Zur Berechnung der Kleinsignaleigenschaften gehen wir von der linearen Approximation des Kollektorstroms aus Post #1 aus. Diese lautet
Da der Stromverstärkungsfaktor beta in den allermeisten Fällen wesentlich größer als Eins ist, ist der Emitterstrom in guter Näherung gleich dem Kollektorstrom und wir werden dies im Folgenden immer voraussetzen. Weiterhin summieren sich nach der Kirchhoffschen Maschenregel die Spannung UR
am Lastwiderstand R und die Spannung UBE an der Basis-Emitterstrecke des Transistors zur
Basisspannung UB auf, es ist also
Ebenso summieren sich die Spannung UR am Lastwiderstand R und die Spannung UCE an der
Kollektor-Emitterstrecke des Transistors zur Betriebsspannung U0 auf:
In einer zum Kathodenfolger völlig analogen Rechnung (siehe Röhrenparameter, Kennlinien und Ersatzschaltungen, Post #2) ergibt sich aus den Gleichungen (1) bis (3) der Zusammenhang zwischen Basisspannung UB und Ausgangsspannung UR zu
Dabei ist ΔUR=UR-URq die Abweichung der Ausgangsspannung von der Ausgangsspannung am Arbeitspunkt "q" (engl. quiescent) und ΔUB=UB-UBq die Abweichung der Basisspannung von der Basisspannung am Arbeitspunkt "q".
Da der Kehrwert des Ausgangswiderstandes 1/ro des Transistors in den allermeisten Fällen gegenüber dessen Steilheit gm vernachlässigt werden kann ergibt sich daraus näherungsweise
Wie erwartet ist die Spannungsverstärkung eines Emitterfolgers etwas kleiner als Eins und geht für
große Werte des Lastwiderstandes R und der Steilheit gm asymptotisch gegen Eins.
Ebenfalls völlig analog zur Berechnung des Kathodenfolgers ergeben sich aus Gleichung (4) die Norton Ersatzschaltung des Emitterfolgers mit einer Stromquelle I=gmΔUB und einem Parallelwiderstand von 1/gm gemäß der folgenden Abbildung
sowie die Thévenin Ersatzschaltung mit einer Spannungsquelle ΔUB mit einem Ausgangswiderstand von 1/gm gemäß der folgenden Abbildung
Aufgrund der im Vergleich zu einer Hochvakuumröhre hohen Steilheit des Bipolartransistors, die problemlos im Bereich von 100mS liegen kann (siehe Post #1) ist der Ausgangswiderstand eines Emitterfolgers deutlich geringer als der Ausgangswiderstand eines Kathodenfolgers und kann durchaus im einstelligen Ohm Bereich liegen.
Betrachten wir nun den Eingangswiderstand des Emitterfolgers. Der Eingangsstrom des Emitterfolgers
ist offensichtlich der Strom durch die Basis-Emitterstrecke des Transistors. Dieser ist in guter Näherung (siehe Post #1) gegeben durch:
Unter Verwendung von Gleichung (2) und (3) ergibt sich daraus
wobei die mit Δ bezeichneten Ströme und Spannungen wiederum die Abweichung von Arbeitspunkt "q"
angeben.
Durch Einsetzen von ΔUR aus Gleichung (4) erhält man nun den Zusammenhang zwischen Eingangsstrom (Basis-Emitterstrom) ΔIBE und Eingangsspannung (Basisspannung) ΔUB zu
womit sich der Eingangsleitwert 1/RIN zunächst zu
ergibt. Dabei ist rπ der in Post #1 beschriebene Widerstand der Basis-Emitter Strecke am Arbeitspunkt
"q". Nach einer kurzen Umformung erhält man daraus den Eingangswiderstand RIN zu
Im Falle eines hinreichend hohen Lastwiderstandes (R>>1/gm) ergibt sich damit näherungsweise
wobei der Zusammenhang zwischen dem Widerstand rπ der Basis-Emitter Strecke am Arbeitspunkt
"q" und dem Stromverstärkungsfaktor β aus Post #1 verwendet wurde.
Im Gegensatz zum Kathodenfolger mit einem (theoretisch) unendlich hohen Eingangswiderstand hängt
der Eingangswiderstand des Emitterfolgers vom Lastwiderstand R ab. Dabei ergibt sich R in der Praxis
aus der Parallelschaltung des Emitterwiderstandes zur Arbeitspunkteinstellung und dem
Eingangswiderstand der nachfolgenden Stufe.
Der anfangs verwendete Begriff des "relativ" hohen Eingangswiderstandes des Emitterfolgers wird
nun etwas klarer. Ist der Eingangswiderstand der nachfolgenden Stufe z.B. 50Ω, der Emitterwiderstand zur Arbeitspunkteinstellung 1kΩ, so ist R=48Ω. Bei Verwendung eines Hochfrequenztransistors mit β=100 ergibt sich der Eingangswiderstand des Emitterfolgers damit zu lediglich 4.8kΩ.
Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.