UKW- Rundfunk in der Tschechoslowakei Teil 2

ID: 421416
UKW- Rundfunk in der Tschechoslowakei Teil 2 
30.Jul.17 17:13
4047

Wolfgang Lill (D)
Redakteur
Beiträge: 1178
Anzahl Danke: 22
Wolfgang Lill

 

siehe auch Teil 1 UKW- Rundfunk in der Tschechoslowakei 

Gastautor Michael Strassmann, München

Anfang 1967 sind in der ČSSR schon reichlich UKW-Sender in Betrieb:

Die Polarisation der Antennenfelder an den Sendern ist entweder horizontal oder vertikal (Ústí n./L., Košice, Poprad und Žilina) – je nachdem, ob der am selben Standort betriebene Fernsehsender mit horizontaler oder vertikaler Polarisation arbeitet. Damit will man es ermöglichen, zum UKW-Hörfunk-Empfang die vorhandene Fernsehantenne mit zu benützen. 

Die regionalen Fensterprogramme der sieben tschechischen Bezirksstudios werden in der Regel über den jeweiligen UKW-Sender des Programms „Československo 1“ ausgestrahlt, die drei slowakischen Bezirksstudios senden ihre Regionalprogramme im Rahmen des Programms „Bratislava“.

Wie aus dem Senderverzeichnis ersichtlich:

               

Im Jahre 1967 ist nur ein einziger UKW-Sender von „Československo 2“ auf Stereobetrieb umgerüstet, alle anderen Sender verbreiten das Programm nach wie vor in mono. Noch im Jahr 1968 sollten Planungen zufolge die UKW-Sender von „ČS 2“, die die bevölkerungsreichen Ballungszentren um Bratislava (Preßburg), Brno (Brünn), Ostrava (Ostrau) und Plzeň (Pilsen) bedienen, auf Stereo umgerüstet sein. Diese gut gemeinten Pläne können jedoch nicht realisiert werden...

Im August 1968 marschieren die „Bruderstaaten“ in die Tschechoslowakei ein. Die Hoffnungen auf einen „socialismus s lidskou tváří“ („Sozialismus mit menschlichem Antlitz“) sind dahin. Während des Einfalles der Sowjets und ihrer Verbündeten ist an den gewohnten Betrieb von Hörfunk und Fernsehen natürlich nicht zu denken.

Die sowjetischen Soldaten beschädigen bei ihrem Vorstoß in blinder Wut sogar viele Einrichtungen von Hörfunk und Fernsehen. So schießen sie am 25. August 1968 im Gebäude des westböhmischen Senders Plzeň-Krašov (Pilsen-Krasch) wild um sich. Die russischen Soldaten schießen unter anderem in die Kontrolleinrichtungen, die beiden UKW-Sender und den Fernsehsender. Außerdem legen sie drei Sprengsätze: zwei in der nagelneuen Energiezentrale, die vollständig zerstört wird, und einen am Fußpunkt des über 300 Meter hohen Trägermasten der UKW- und Fernseh-Antennen. Der Mast stürzt nicht ein, sondern neigt sich glücklicherweise nur zur Seite. Er kann stabilisiert und gerettet werden. Dank der Einsatzbereitschaft des technischen Personals gelingt es nach nur einem Tag, die UKW-Sender wieder in Gang zu setzen. Am 5.September 1968 läuft auch der Fernsehsender wieder.

Später heißt es im amtlichen Protokoll der Untersuchungskommission: „Am 25.August 1968 haben Forstarbeiter aus Tachov (Tachau) unter der Führung eines unbekannten Leutnants den Fernsehsender Krašov (Krasch) überfallen. Nach dem sie die Schäden angerichtet haben,      haben sie die Republik Richtung Westen verlassen“.

Dass sowjetische Soldaten für die Schäden verantwortlich sind, durfte nicht laut gesagt werden… Aber die Katastrophe soll noch kommen. In der Nacht vom 1. auf den 2.Januar 1979 stürzt der Mast in einer klirrenden Frostnacht ein. Eine Spätfolge der Horrornacht im August 1968! Stehen bleibt ein 50 Meter hoher Torso, der bis zum Bau eines neuen 348 Meter hohen Masten, als Träger der Antennenfelder dient. Gut zwei Jahre lang ist die Versorgung Westböhmens mit UKW-Hörfunk und Fernsehen höchst mangelhaft…      

Spätfolgen der Niederschlagung des „Prager Frühlings“ im August 1968: 

 

der Standort Krašov (Krasch) bei Plzeň (Pilsen) nach dem Einsturz Anfang Januar 1979.

Am 1.März 1969 sind die schon knapp drei Jahre lang quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit laufenden Stereo-Versuchssendungen abgeschlossen. In der ČSSR beginnt offiziell die Ära des UKW-Stereo-Hörfunks. Im April 1969 ist am Standort Bratislava-Kamzík (Preßburg-Gemsberg) nach diversen Versuchsausstrahlungen der zweite UKW-Sender der ČSSR definitiv auf Stereobetrieb umgerüstet, es folgt bald der dritte UKW-Stereo-Sender auf der Suchá hora bei Banská Bystrica (Neusohl) in der Slowakei. Ende 1968 liefert TESLA BRATISLAVA endlich den ersten serienmäßig für Hochfrequenzstereofonie geeigneten Radioempfänger aus, das Steuergerät 538 A-„Stereodirigent“ mit seinen zwei separaten Lautsprecherboxen. 

 

In der Zwischenzeit werden weitere UKW-Sender an neuen Standorten aufgeschaltet.

Im Jahr 1969 ein „TESLA FM 1“ auf dem Praděd (Altvater) bei Jeseník (Freiwaldau) in Nordmähren und je zwei „TESLA FM 2 S“ auf dem Ještěd (Jeschken) bei Liberec (Reichenberg) sowie auf der Krížava (Kreuzberg) bei Žilina (Sillein) in der Slowakei. 

Die zweite Etappe im Aufbau des FM/UKW-Hörfunks in Tschechien beginnt im Jahr 1971. Damals kauft die Radiokommunikationsverwaltung Prag (Správa rádiokomunikací Praha/SRP) aus Mitteln des Fonds für die Entwicklung von Wissenschaft und Technik bei der Warschauer Firma „ZARAT“ (ZARAT = Zakłady Radiowe i Telewizyjne – Radio- und Fernsehwerke) einen stereotauglichen FM/UKW-Sender der Baureihe „ZARAT NRU6“ (NRU = nadajnik radiofoniczne uniwersalny – universeller Radiosender) mit einer Ausgangsleistung von 6 kW. Dieser „ZARAT NRU6 B“ wird auf dem Cukrák  südlich von Prag installiert. Er geht nach vielen Testläufen am 6.März 1972 in Regelbetrieb. Auf Grundlage einer Bewertung des Forschungsinstituts des Fernmeldewesens („Výzkumný ústav spojů/VÚS“) vom 11.Mai 1973 wird bei einem Treffen der für das Fernmeldewesen zuständigen Minister Polens und der Tschechoslowakei über die Lieferung von weiteren polnischen stereotauglichen UKW-Sendern der dritten Generation verhandelt. Die erste Früchte dieser Verhandlungen waren zwei FM/UKW-Sender der zweiten Generation, also der Baureihe „ZARAT NRU6 B“. Diese werden in der ersten Hälfte des Jahres 1975 aufgeschaltet und zwar der eine am südböhmischen Grundnetzsender auf dem Kleť (Schöniger) bei České Budĕjovice (Budweis) und der andere am nordmährischen Grundnetzsender Hošťálkovice (Hoschialkowitz bzw. Gottschalksdorf) bei Ostrava (Ostrau). Der erste polnische FM/UKW-Sender der dritten Generation, also die erste Sendeanlage der Baureihe „ZARAT NRU10“ wird dann an den südmährischen Grundnetzsender auf dem Kojál nördlich von Brno (Brünn) geliefert. Zehn Jahre nach Einführung von Stereo-Sendungen im Hörfunk ist es also immer noch nicht gelungen, zumindest eine UKW-Senderkette vollständig auf Stereo-Betrieb umzurüsten.

 

Im Rahmen der Modernisierungen und des Ausbaues aller Standorte von UKW-und Fernsehsendern werden Ende der 1970er/Anfang der 1980er Jahren schrittweise die alten UKW-Senderanlagen der Baureihen „FM 1“, „FM 4“ und „FM 10“ gegen moderne stereotüchtige Sendeeinrichtungen der polnischen Firma ZARAT vom Typ „NRU 10“, „NRU 6“ oder „NRU 3“ ausgetauscht. Die von TESLA HLOUBĚTÍN entwickelten und im Jahre 1966 auf der VIII. Internationalen Messe in Brno erstmals präsentierten UKW-Stereo-Sender vom Typ „FM 2 S“ und „FM 8 S“ erweisen sich bedauerlicherweise als mangelhaft, es werden nur einige wenige Exemplare hergestellt und – vorübergehend - installiert (z.B. an den Standorten Liberec-Ještěd, Poprad-Kráľova hoľa, Žilina-Krížava, Bratislava-Kamzík oder Námestovo-Magurka. TESLA HLOUBĚTÍN stellt in Folge die Produktion von UKW-Sendern völlig ein, was eine weitere Verzögerung bei der flächendeckenden Versorgung der ČSSR mit Stereo-Hörfunk verschuldet. Die beiden für Bau, Betrieb und Unterhalt der Hörfunk- und Fernsehsender zuständigen Radiokommunikationsverwaltungen in Prag (SRP) und Bratislava (SRB) kommen damit in eine höchst prekäre Situation und müssen sich nach einem anderen Lieferanten von UKW-Stereo-Sendern umschauen. Sie werden – wie erwähnt – 1971 im „Bruderland“ Polen fündig. Der erste polnische UKW-Stereo-Sender („NRU6 B“) wird am Standort Praha-Cukrák nach mehreren Versuchsläufen am 6.März 1972 definitiv in Betrieb genommen. Nach dem neuen Konzept sollen bis spätestens 1987 von allen UKW-Senderstandorten drei Programme ausgestrahlt werden, zwei davon in stereo. Die Umrüstung aller für Stereobetrieb vorgesehenen UKW-Sender dauert gut ein Jahrzehnt, zuerst werden alle Sender von „Československo 2“ auf Stereo umgerüstet. Nach den Wirren um die gewaltsame Niederschlagung des „Prager Frühlings 1968“ im August 1968 wird „Československo 2“ am 1.September 1968 in „Třetí program“ (‚Drittes Programm‘) umbenannt. Das gesamtstaatliche (föderale) „Třetí program“ sendet von 7 bzw. 10 bis 24 Uhr und wird schließlich am 4.September 1972 in zwei nationale (regionale) Programme aufgetrennt: „Vltava“ (‚Moldau‘) kommt aus dem Funkhaus Prag für die Böhmischen Länder (Tschechien) und „Devín“ (‚Theben‘) aus dem Funkhaus Bratislava für die Slowakei. „Vltava“ und „Devín“ senden als Zuhör- und Auswahlprogramme zwischen Vormittag und Mitternacht überwiegend ernste Musik, Hörspiele, Bildungssendungen, Literatur und Kultur. Um den Stereo-Freunden wenigstens eine Stunde Popmusik in stereo anzubieten und junge Hörer zum Umschalten zu bewegen, wird auf „Vltava“ die tägliche Nachmittagssendung „Rytmus – pohledy do světa populární hudby“ (‚Rhythmus – Blicke in die Welt der populären Musik‘) und am Freitag die Sendung „Větrník – rozhlasová hudební diskotéka“(‚Windrad – die Hörfunk-Musik-Diskothek‘) eingeführt. 

Der Programmplan von „Hvězda“ in der Programmzeitschrift.

Die bis 1972 eingeführte neue Programmstruktur des Tschechoslowakischen Rundfunks (ČR) ist dann bis zur Wendezeit um 1989/90 gültig. Am 1.September 1970 nimmt als Nachfolger von „Československo 1“ (vom 1.September 1968 bis 31.August 1970 hieß das Programm „Československo“ – ohne begleitende Ziffer) das gesamtstaatliche (föderale) Programm „Hvězda“ (slowakisch „Hviezda“) seinen Betrieb auf.

                                           

„Hvězda“ (‚Stern‘) ist über Langwelle, Mittelwelle und UKW in der gesamten ČSSR zu empfangen bzw. sollte es sein. „Hvězda“ ist als Begleitprogramm zum Nebenbei-Hören gedacht und ähnelt sehr seinem sowjetischen Vorbild, dem 2.Allunionsprogramm aus Moskau „Маяк“(„Majak“ – ‚Leuchtturm‘): zu jeder vollen und halben Stunde nach Zeitzeichen und Stationskennung Nachrichten, aktuelle Berichte, Presseschauen, Kurzreportagen, politische Kommentare oder Spezialinformationen, dazwischen Musik aller Art oder Magazinsendungen. Als Sendesprache wechseln sich Tschechisch und Slowakisch zwanglos ab. 

Ab September 1972 gibt es also in der ČSSR neben der föderalen „Hvězda“/„Hviezda“ also je zwei nationale Hörfunkprogramme: in den Böhmischen Ländern (ČSR) das Familienprogramm „Praha“ (Mittelwelle und UKW) und das Auswahlprogramm „Vltava“ (nur UKW), parallel dazu in der Slowakei (SSR) „Bratislava“ (Mittelwelle und UKW) und „Devín“ (nur UKW). Eine strenge inhaltliche Differenzierung und Formatierung der einzelnen Programme wird lange Zeit dadurch verhindert, dass nicht jedes der drei Programme überall empfangen  werden kann. Am 1.Januar 1973 geht der Tschechoslowakische Rundfunk (ČR) endlich dazu über, ununterbrochen zu senden: „Hvězda“ ist seitdem rund um die Uhr zu hören. 

Mit Inbetriebnahme des dritten UKW-Senders am Standort Praha-Cukrák auf 70,85 MHz für das tschechische Nationalprogramm „Praha“ sowie die Regionalsendungen für Prag („Vysílání pro hlavní město Prahu“ – ‚Sendungen für die Hauptstadt Prag‘) und Mittelböhmen („Středočeské studio“ – „Mittelböhmisches Studio‘) am 1.Juli 1982 ist der Aufbau des OIRT-UKW-Sendernetzes weitgehend abgeschlossen. Am Standort Liberec-Ještěd (Reichenberg-Jeschken) fehlt der UKW-Sender für „Praha“ und die nordböhmischen Regionalsendungen aus dem Bezirksstudio in Ústí nad Labem (Aussig an der Elbe) freilich noch bis 1987. Die Regionalsendungen (jeden Werktag 90 Minuten, am Wochenende etwas länger) der tschechischen und slowakischen Bezirksstudios laufen seit Juli 1982 einheitlich über die UKW-Sender der beiden Nationalprogramme „Praha“ (ČSR) bzw. „Bratislava“ (SSR). „Praha“ und „Bratislava“ wurden weiterhin in mono ausgestrahlt, ein Übergang auf Stereobetrieb ist aber mittelfristig geplant. 

Der Prager UKW-Sender auf 66,83 MHz sendet in der Regel das Programm „Hvězda“ (‚Stern‘), freitags und sonntags aber klinkt er sich aus diesem Musik- und Serviceprogramm aus und überträgt unter dem Titel „Zelená vlna“ (‚Grüne Welle‘) einige Stunden lang populäre Musik, aktuelle Verkehrshinweise und Informationen für Autofahrer, Ausflügler und Datschen-Besitzer im Großraum Prag. Die unter den Hörern sehr beliebte „Zelená vlna“ wird im Jahr 1974 als Gemeinschaftsprojekt des Tschechoslowakischen Rundfunks (ČR) und des Korps der nationalen Sicherheit (SNB) – sprich: der Polizei (VB) – ins Leben gerufen. Sie wird nötig, um das am Freitag und Sonntag Nachmittag einsetzende Verkehrschaos in Prag und Umgebung einzugrenzen. Für die Beobachtung der Verkehrssituation setzt die Polizei (VB-Veřejná bezpečnost) sogar Hubschrauber ein. Später gibt’s eine regionale „Zelená vlna“ auch für die zweitgrößte tschechische Stadt, die Messemetropole Brno (Brno) und geplant sind weitere. 

Im Jahr 1981 drehen die Prager Filmstudios „Barrandov“ sogar einen populären Kinofilm rund um diese Radiosendung, er heißt: „Zelená vlna“ (die deutsche Fassung „Ein schönes Wochenende“).

Werbeplakat für den Film „Zelená vlna“ (Premiere: 1982)

Stereosendungen werden bis Ende der 1970er Jahre lediglich über die beiden Kulturprogramme „Vltava“ (ČSR) und „Devín“ (SSR) ausgestrahlt. Ein weiteres Programm, das gesamtstaatliche (föderale) – und wohl populärste – Radioprogramm der ČSSR „Hvězda“ ist ab 1.Januar 1980 in Stereo zu hören – zunächst allerdings nur über Bratislava-Kamzík (Preßburg-Gemsberg) 67,76 MHz. Die übrigen Sender folgten ungewöhnlich rasch: Zum 1.Juli 1982 sind alle UKW-Sender von „Hvězda“ auf Stereobetrieb umgestellt.

Von Juli 1978 bis Mai 1979 Jahre unternimmt die Radiokommunikationsverwaltung Prag (SRP) Versuche, von ihrem westböhmischen Senderstandort Krašov-Zámecký vrch (Krasch-Pernglauberg) – auf halber Strecke zwischen Plzeň (Pilsen) und Karlovy Vary (Karlsbad) gelegen – vier UKW-Programme zu verbreiten (66,56 - 67,34 - 69,56 - 70,34 MHz). Diese Versuche verlaufen allerdings höchst enttäuschend und ernüchternd. Vor allem dort, wo – der im Frequenzplan ja so vorgesehene! - Abstand von 0,78 MHz vorliegt (z.B. 66,56 und 67,34 MHz), kommt es zu problematischen Mischprodukten und Störstrahlungen. Die Versuche werden – ebenso enttäuschend – am südböhmischen UKW-Sender České Budějovice-Kleť (Böhmisch Budweis-Schöninger) und am westslowakischen UKW-Sender Bratislava-Kamzík (Preßburg-Gemsberg) wiederholt. Der Tschechoslowakische Rundfunk (ČR) muss seinen Plan, vier Programme auf UKW auszustrahlen, zunächst fallen lassen. 

Mitte/Ende der 1980er Jahre ist das Ausbau des OIRT-UKW-Netzes weitgehend abgeschlossen, das Frequenzkontingent ausgeschöpft. Hauptsächlich die dicht besiedelten Regionen der ČSSR um die jeweiligen Bezirkshauptstädte werden von den UKW-Sendern erreicht. Es bleiben immer noch großflächige und schmerzliche Versorgungslücken beim UKW- und besonders beim UKW-Stereo-Empfang, vor allem in den weitläufigen gebirgigen Gebieten des Landes. Für nicht wenige Tschechen und Slowaken gib es also kaum einen Grund, viel Geld für einen teueren UKW- bzw. Stereoempfänger auszugeben! Wie umfangsreiche Feldstärkemessungen ergeben, können Ende 1984 im tschechischen Landesteil (ČSR) 92,7% der Bevölkerung das nur in mono ausgestrahlte Nationalprogramm „Praha“ auf UKW in guter Qualität empfangen, das Kulturprogramm „Vltava“ erreicht in Stereo 80,1%, das gesamtstaatliche „Hvězda“ in Stereo 79%. In der Slowakei (SSR) sieht die Versorgungslage düsterer aus: Das nur in mono verbreitete Nationalprogramm „Bratislava“ erreicht auf UKW noch 94,6%, das Kulturprogramm „Devín“ in Stereo lediglich 74,3% und „Hviezda“ in Stereo magere 73,3% der Bevölkerung. Die Schließung der Versorgungslücken ist so gut wie unmöglich. Denn es fehlt an finanziellen Mitteln, geeignete Sender bzw. Umsetzer geringer Leistung stehen nicht zur Verfügung und einsetzbare Frequenzen gibt’s auch nicht mehr, denn das OIRT-UKW-Frequenzband wird z.B. in der benachbarten Bundesrepublik Deutschland und in Österreich von anderen Funkdiensten genutzt – somit ist eine internationale Koordinierung von weiteren Frequenzen für den OIRT-UKW-Hörfunk meist aussichtslos. 

Mit dem Mangel an geeigneten Frequenzen und Sendern sind dem Tschechoslowakischen Rundfunk (ČR) die Möglichkeiten verwehrt, sein Programmangebot zu erweitern oder die Regionalsendungen der Bezirksstudios von den UKW-Frequenzen der Nationalprogramme „Praha“ bzw. „Bratislava“ auf eigene UKW-Frequenzen zu verlegen. Dennoch setzt der Tschechoslowakische  Rundfunk (ČR) weiterhin darauf, in Zukunft vier Radioprogramme auf UKW zu verbreiten:

*das gesamtstaatliche (föderale) Programm „Hvĕzda“ (slowakisch: „Hviezda“ )

*das tschechische Nationalprogramm „Praha“ („Prag“) in den Böhmischen Ländern (Tschechien) und das slowakische Nationalprogramm „Bratislava“ („Preßburg“) in der Slowakei

*das tschechische UKW-Stereoprogramm „Vltava“ („Moldau“) in den Böhmischen Ländern (Tschechien) und das slowakische UKW-Stereoprogramm „Devín“ („Theben“) in der Slowakei

*die Regionalprogramme der acht tschechischen und der vier slowakischen Regionalstudios

Zudem rechnet der Tschechoslowakischen Rundfunk mit der Einführung eines neuen UKW-Radioprogrammes mit dem (Arbeits-) Titel „Zprávy a čas“ („Nachrichten und Zeit“), das vor allem in den größeren Städten des Landes zu hören sein soll. 

Im Zuge der Modernisierung des Fernsehsenders Jihlava (Iglau) Ende der 1980er Jahre sollten auf der Javořice (Jaborschützberg) in der Českomoravská vrchovnia (Böhmisch-Mährische Höhe) die letzten drei leistungsstarken OIRT-UKW-Sender installiert werden. Für sie sind die Frequenzen 66,68, 68,41 und 72,41 MHz vorgesehen – zwei dieser Frequenzen waren für diesen Standort schon 1960/61 international koordiniert worden. Die Generalüberholung der technischen Anlagen auf der Javořice südwestlich von Jihlava ist allerdings erst nach der politischen Wende 1989/1990 abgeschlossen und die dortigen UKW-Sender werden gleich auf Frequenzen im CCIR-UKW-Band aufgeschaltet. 

Die letzten OIRT-UKW-Sender, die auf tschechoslowakischem Boden in Betrieb gehen, sind am 1.März 1986 ein alter „TESLA FM 2 S“ am Standort Námestovo-Magurka auf 72,02 MHz für „Bratislava" (einschließlich der mittelslowakischen Regionalsendungen aus dem Bezirksstudio Banská Bystrica) und am 4.September 1989 ein weiterer „TESLA FM 2 S“ am Standort Košice-Dubník auf 67,16 MHz für das neue Jugendprogramm „EM".

Die Wahl des OIRT-Bandes für den UKW-Hörfunk hatte einen – von Partei- und Staatsführung freilich ungewollten – Nebeneffekt: Durch das völlige Fehlen heimischer Sender im CCIR-UKW-Band können deutsche und österreichische Sender nicht nur im Grenzgebiet, sondern bis weit im Landesinneren empfangen werden. Vor allem „Bayern 3 – die Servicewelle von Radio München“ („B3“) und „Österreich“ („Ö3“) ziehen tschechische und slowakische Radiohörer massenweise in ihren Bann und nötigten TESLA schließlich dazu, alle seine UKW-Empfänger für beide Normen auszurüsten. Der CCIR-UKW-Fernempfang entwickelt sich geradezu zum Volkssport, der Hersteller von UKW- und Fernsehantennen KOVOPLAST in Chlumec nad Cidlinou und die Produzenten von Antennenverstärkern (TESLA, ZAVT, KOVOPODNIK ČESKÉ BUDĚJOVICE etc.) kommen kaum mit der Produktion nach...

ARI in den Böhmischen Ländern.

ARI in der Slowakei.

Ab 1987 werden die OIRT-UKW-Sender des Programms „Hvězda“ (‚Stern‘), das seit 1974 unter der Bezeichnung „Zelená vlna Hvězdy“ (‚Grüne Welle des Sterns‘) regelmäßig Verkehrsdurchsagen bringt, mit Kodern für das in der Bundesrepublik Deutschland am 1.Juni 1974 und später auch in Österreich sowie der Schweiz eingeführte und bewährte Autofahrer-Rundfunk-Informationssystem (ARI) ausgerüstet. In der ČSSR wird die Abkürzung „ARI“ als „automatické rozhlasové informace“ (‚automatische Hörfunkinformationen‘) ausgelegt. Von den Annehmlichkeiten des ARI kann man ab 15.Januar 1987 zunächst nur im Empfangsbereich der OIRT-UKW-Sender Praha-Cukrák (66,83 MHz), Brno-Kojál (71,87 MHz) und Bratislava-Kamzík (67,76 MHz) profitieren und damit vor allem die Autofahrer auf der wichtigsten Autobahn der ČSSR, der „D1“ Praha-Brno-Bratislava. Die Ausstattung der in der ČSSR zugelassenen KFZ mit Autoradios ist bis Anfang der 1990er Jahre allerdings auffällig gering. Nicht selten sind Autoradios westlicher Billigmarken (mit CCIR-UKW-Band) eingebaut oder nur auf Lang- und Mittelwelle empfangende Geräte (z.B. der 2105 B-„Spider“ und seine immer noch UKW-losen Nachfolgertypen). In Fachzeitschriften erscheinen diverse Anleitungen zum Nachrüsten bestehender TESLA-Autoradios auf ARI in Eigenbau. Die Auslieferung der von TESLA BRATISLAVA anvisierten ARI-tauglichen Autoradios vom Typ 2116 B verzögert sich bis 1989/1990. 

 

„ARI ist da“ – die Programmzeitschrift „Rozhlas“ („Hörfunk“) vom 15. bis 21.Dezember 1986.

 

Werbetafel für die „Zelená vlna“.

 

BACK TO THE ROOTS: RÜCKKEHR ZU CCIR

Ein völlig neues Kapitel in der Geschichte des tschechoslowakischen UKW-Hörfunks wird am 1.Dezember 1984 eingeläutet: Der Übergang auf die CCIR-Norm beginnt. An jenem 1.Dezember 1984 kann die Radiokommunikationsverwaltung Prag (SRP) in Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut für Fernmeldewesen (VÚST A.S. POPOVA) auf dem Cukrák südlich von Prag einen CCIR-UKW-Sender einschalten, der am 1.März 1985 in Dauerbetrieb geht – 

zunächst für „Hvězda“. Zuvor war auf dem Cukrák ein auf Eis liegender Sender vom Typ „NRU6 B“ mit einem ARI-Koder ergänzt und auf die Frequenz 102,5 MHz umgestimmt worden: Man will in Feldversuchen die Funktionsweise des ARI testen. Am 15.Januar 1987 wird dann ja in der ČSSR das ARI offiziell eingeführt, allerdings über die OIRT-UKW-Sender von „Hvězda“. Der „NRU6 B“ auf dem Cukrák arbeitet auf 102,5 MHz zunächst mit einer Leistung von 2 kW, später mit der vollen Leistung von 6 kW. Die CCIR-UKW-Sendeantenne befindet sich zunächst allerdings nicht am rund 190 Meter hohen Hauptturm, sondern ist an einem etwa 60 Meter hohen Behelfsmasten montiert. Die Aufschaltung dieses CCIR-UKW-Senders führt bei vielen Radiohörern in Prag und Umgebung zu massiver Verärgerung: Zahlreiche für den Fernempfang schwach einfallender CCIR-UKW-Signale ausgelegte Antennenanlagen übersteuerten aufgrund der hohen Feldstärke des neuen Senders in unmittelbarer Nähe und machen den Empfang der deutschen bzw. österreichischen Sender zunichte. Und für den (Fern-) Empfang dieser Sender – vor allem wollte man „B3“ aus München und „Ö3“ aus Wien hören – haben nicht wenige Prager erhebliche Mittel in Richtantennen und Antennenverstärker investiert. Immerhin: Auf den Höhenzügen des Bayerischen Waldes war auf 102,5 MHz einmal „Hvězda“ zu hören. Erste Spuren der OIRT-UKW-Sender waren in Bayern z.B. in der Gegend von Dingolfing oder im Raum Regensburg zu beobachten.

 

Nach dem Cukrák folgte bald der zweite CCIR-UKW-Sender mit ARI-Koder auf dem Kamzík (Gemsberg) bei Bratislava (Preßburg) auf 101,8 MHz und der dritte in Hošťálkovice (Hoschialkowitz) westlich von Ostrava (Ostrau) auf 101,4 MHz. Diese drei CCIR-UKW-Sender strahlen alle zunächst „Hvězda“ und die zugehörigen ARI-Steuersignale aus. Am 1.Mai 1986 aber wird über diese vierte UKW-Senderkette und einen zusätzlichen schwachen Behelfssender auf Mittelwelle in Brno (Brünn) auf 1485 kHz das neue gesamtstaatliche (föderale) und im Funkhaus Bratislava abgewickelte Stereo-Programm „Melodie“ (slowakisch „Melódia“) gestartet. Zwischen 16:55 Uhr und Mitternacht sendet „Melodie“ sein ausschließlich aus leichter Instrumentalmusik bestehendes Programm, in der übrigen Zeit übernimmt man „Hvězda“. Ab 1.Januar 1987 wird dieses Sendeschema geändert. Das um einen schwachen Sender am Richtfunkturm Hradec Králové-Hoděšovice (102,7 MHz) erweiterte Sendernetz von „Melodie“ ist nun von 7 Uhr morgens bis Mitternacht in Betrieb: Von 7 bis 14 Uhr ist das für Touristen gedachte mehrsprachige „Interprogram Rádia Praha“ zu hören, von 14 bis 16:55 Uhr „Hvězda“ und zwischen 16:55 Uhr und Mitternacht „Melodie“. Das am 8.Mai 1972 eingeführte „Interprogram“ ist auch im Ausland recht gut bekannt, denn es ist über Kurzwelle (6055 und 9505 kHz) oder Mittelwelle (1071 und 1287 kHz) in fast ganz Europa zu hören.

 

Im Jahr 1987 taucht im äußersten Nordwesten Böhmens, in der Gegend um die Stadt Cheb (Eger), das Programm „Hvězda“ auf 97,6 MHz auf. Zwar nur in mono, aber immerhin. Die Gegend um Cheb (Eger) und der zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR „eingeklemmte“ Ašský výběžek (Ascher Ländchen) gehört zu den Landstrichen, in denen bis dahin ein Empfang einheimischer Radio-Programme auf UKW nur schwer oder gar nicht möglich ist. Denn die Signale des nächstgelegenen Senders Krašov (Krasch) kommen nur schlecht über die Berge des bis über 980 Meter hohen Slavkovský les (Kaiserwald). Der Bayerische Rundfunk, der RIAS Berlin oder der Rundfunk der DDR dagegen sind dort seit Jahrzehnten auf UKW präsent und problemlos zu empfangen. Wovon die Radiohörer jenseits der Grenzen auch fleißig Gebrauch machen. Immer vorausgesetzt man hat ein Radio mit CCIR-UKW-Empfang. Wohl wegen dieser unhaltbaren und peinlichen Zustände wird der einer der ersten CCIR-UKW-Sender der ČSSR am Fernsehsender Zelená hora (Grünberg) am westlichen Stadtrand von Cheb (Eger) aufgeschaltet. Kurz später taucht auf UKW das Programm „Praha“ in den westböhmischen Städten Domažlice (Taus) auf 103,8 MHz und Sušice (Schüttenhofen) auf 90,6 MHz auf.

 

Um den vielen Radiohörern, die ein Radio oder einen Radiorekorder nur mit UKW-Empfang der „West-Norm“ (CCIR) haben, entgegen zu kommen und das Publikum auf den vollständigen Übergang von der OIRT- auf die CCIR-UKW-Norm vorzubereiten, wird am 4.November 1987 in Prag-Žižkov, (Prag-Veitsberg), in der „Ústřední telekomunikační budova/ÚTB“ (‚Zentrales Fernmeldegebäude‘) an der Olšanská ulice, ein erster schwacher UKW-Sender (0,05 kW) aufgeschaltet. Er verbreitet auf 101,4 MHz „Hvězda“. Am 12.Februar 1988 kommen auf 88,2 MHz „Vltava“ und auf 96,6 „Praha“ hinzu. Zum ersten Mal ist das tschechische Nationalprogramm „Praha“ in Stereo zu hören! Geplant war eine Ausstrahlung von „Praha“ in Stereo schon länger, im Vorfeld wurde deswegen die Frequenz am Sender Brno-Kojál von 66,20 MHz auf 72,51 MHz geändert. Denn für einen Stereo-Betrieb liegt die 66,20 MHz viel zu nah an der 66,32 MHz vom benachbarten Sender Ostrava-Hošťálkovice. Später wird der Sender Praha-Cukrák von 102,5 MHz auf 100,7 MHz umgestimmt und die Frequenz 102,5 MHz eingesetzt am Standort Praha-ÚTB für „Melodie“. Am 29.April 1989 wird dort an der ÚTB der „Hvězda“-Sender von 101,4 MHz auf 98,4 MHz umgestimmt. Gleichzeitig wird die Leistung aller drei Sender auf 1 kW erhöht (88,2; 96,6; 102,5 MHz).  

 

Am 4.September 1989 beginnt der Tschechoslowakische Rundfunk (ČR) mit seinem lange angekündigten und mit Spannung erwarteten gesamtstaatlichen (föderalen) Jugendprogramm „EM“ – der Name leitet sich von den populären Jugendsendungen des slowakischen Nationalprogramms „Bratislava“ („Rádio Elán“) und des tschechischen Nationalprogramms „Praha“ („Mikrofórum“) ab. „EM“ ist von 15 bis 23 Uhr auf Sendung und wird u.a. über 17 neu errichtete, meist schwache, CCIR-UKW-Sender (Marke „Eigenbau“) ausgestrahlt. Mit seinen UKW-Sendern (OIRT und CCIR) erreicht „EM“ in Stereo etwa 40% der Bevölkerung der Böhmischen Länder (ČSR) sowie etwa 37% der Bevölkerung der Slowakei (SSR). Ursprünglich war in Ermangelung anderer Möglichkeiten vorgesehen, das Jugendprogramm über die UKW-Sender von „Hvězda“ zu verbreiten – „Hvězda“ wäre in diesem Falle zwischen Nachmittag und spätem Abend nur über Lang- und Mittelwelle zu empfangen gewesen, was wohl heftige Hörerproteste nach sich gezogen hätte. Der Start von „EM“ ist der Auftakt zu einer allgemeinen Programmreform des Tschechoslowakischen Rundfunks (ČR), der im Zeichen von „Glasnost“ und „Perestrojka“ sein doch sehr betulich daherkommendes Angebot besonders für jüngere Hörer attraktiver machen will. Über die Sender von „EM“ wird übrigens zwischen 8 und 15 Uhr das im Inland sehr populäre mehrsprachige „Interprogram Rádia Praha“ verbreitet – erstmals in Stereo.

 

Wie erwähnt, Anfang der 1980er Jahre nimmt die Radiokommunikationsverwaltung Prag (SRP) zur Schließung von Lücken in der UKW-Versorgung u.a. in Cheb (97,6 MHz, „Hvezda“), Domažlice (103,8, „Praha“) oder Sušice (90,6, „Praha“) schwache, provisorische CCIR-UKW-Sender in Betrieb. Diese schwachen (50 Watt) CCIR-UKW-Sender stammen wie die meisten CCIR-UKW-Sender von „EM“ aus dem Zentrum für betriebliche Forschung und Entwicklung („Středisko pro výzkum a vývoj/SPVV“) der Regionalen Fernmeldeverwaltung Prag („Oblastní správa telekomunikací Praha/OST Praha“). Dort nahm man sich eine Erregerstufe (UKW-Generator) vom Typ „GFM 1“ der polnischen Firma ZARAT als Vorlage und baute sich die benötigten Sender einfach selbst nach. Die neuen CCIR-UKW-Sender werden dabei stets neben bereits bestehenden Fernsehsendern installiert. Offenbar um den vielen Besitzern von Hörfunkempfängern und Radiorekordern ohne OIRT-UKW-Band zumindest in den beiden größten tschechischen Städten entgegen zu kommen und die Hörer auf den Übergang vom OIRT- ins CCIR-Band einzustimmen, werden zudem – wie erwähnt – in Prag und Brno schwache, provisorische CCIR-UKW-Sender für „Praha“, „Vltava“ und „Hvězda“ aufgeschaltet. Mit diesen provisorischen Sendern, deren Signal über ebenso provisorische Antennen abgestrahlt wurde, beginnt die vollständige Verlagerung des tschechoslowakischen UKW-Hörfunks vom OIRT- ins CCIR-Band, die – was die tschechischen Sender betrifft – mit der erfolgreichen Umstimmung der drei Sender am Standort Jeseník-Praděd (Freiwaldau-Altvater) am 28.Juli 1995 beendet ist. Die Umstimmung der slowakischen OIRT-UKW-Sender auf ihre neuen Frequenzen im CCIR-Band dauert länger und ist erst Ende 1998 abgeschlossen: Am 9.Dezember 1998, Punkt 15:00 Uhr, wird der letzte slowakische OIRT-UKW-Sender (Námestovo-Magurka/Orava 72,02 MHz) außer Betrieb genommen. Die tschechischen und slowakischen UKW-Sender sind nach einem jahrzehntelangem und unglücklichen Intermezzo wieder da angekommen, wo sie von Anfang an eigentlich hätten sein sollen: im CCIR-UKW-Frequenzband. 

 

Der neue UKW-Frequenzplan, der auf der Internationalen Funkverwaltungskonferenz in Genf 1984 ausgehandelt wurde, spricht der ČSSR für 45 Standorte je einen Satz von sechs Frequenzen zu, genug, um das Land mit fünf bzw. sechs UKW-Programmen in Stereo gut zu versorgen. Ursprünglich war vorgesehen, während einer mehrjährigen Übergangsphase die alten OIRT-UKW-Sender weiterlaufen zu lassen und parallel dazu neue CCIR-UKW-Sender aufzuschalten. Dieser Weg erweist sich aus wirtschaftlichen und technischen Gründen als nicht gangbar. So werden die bestehenden OIRT-UKW-Sender – beginnend mit den drei Anlagen vom Typ „NRU 10“ auf dem Kojál nordöstlich von Brno (Brünn) am 15.April 1993 - einer nach dem anderen abgeschaltet und auf neue Frequenzen im CCIR-Band umgestimmt. Die Umstimmung aller Sender an einem Standort dauert jeweils zwei Monate, denn auch die Antennenfelder an den bis zu 340 Meter hohen Trägermasten und Türmen müssen gegen neue ausgetauscht werden. Voraussetzung für den vollständigen Übergang des UKW-Hörfunks auf die CCIR-Norm war das Abschalten der im OIRT-Kanal 4 und 5 arbeitenden Fernsehsender (neben den weitreichenden Grundnetzsendern Jeseník-Praděd, Námestovo-Magurka/Orava, Bardejov-Magura und Poprad-Kráľova hoľa/Tatry zusätzliche 59 Frequenzumsetzer), denn das Frequenzspektrum der OIRT-Fernsehkanäle 4 und 5 liegt im Frequenzbereich des UKW-Hörfunks der CCIR-Norm (Kanal 4: 84-92 MHz, Kanal 5: 92-100 MHz)!

 

Anfang September 1989 – zwei Monate vor Beginn der „Samtenen Revolution“ – sind in der ČSSR UKW-Sender  noch in beiden Normen OIRT und CCIR in Betrieb.

Programme

H    Hvězda, slowakisch Hviezda (‚Stern‘) (0 – 24 Uhr)

M    Melodie, slowakisch Melódia (‚Melodie‘) (16:30 – 24 Uhr)

EM    Jugendprogramm (15 – 23 Uhr)

P    Praha (‚Prag‘) (4:30 bzw. 6:00 – 24 Uhr)

V    Vltava (‚Moldau‘) (7:55 – 24 Uhr)

B    Bratislava (‚Preßburg‘) (4 bzw. sonntags: 6:00 – 24 Uhr)

D    Devín (‚Theben‘) (8:55 – 24 Uhr)

OZV    oblastní Zelená vlna (regionale ‚Grüne Welle‘) (freitags 14 – 18:30 und 

sonntags 17 - 21 Uhr)

I    Interprogram Rádia Praha (‚Interprogramm Radio Prag‘ - das Interprogramm sendete für ausländische Touristen in beiden Landessprachen sowie in Deutsch, Englisch, Französisch und Russisch) (8 – 15 Uhr)

 

Regionalsendungen („krajove vysilani“) aus den Bezirksstudios („krajske studio“)

BA  Bratislava (getrennte Sendungen für die Westslowakei und die Hauptstadt Preßburg)

BB  Banská Bystrica (Mittelslowakei)

BO  Brno (Südmähren)

CB  České Budějovice (Südböhmen)

HK  Hradec Králové (Ostböhmen)

KO  Košice (Ostslowakei)

OS  Ostrava (Nordmähren)

PL  Plzeň (Westböhmen)

PA  Praha (getrennte Sendungen für Mittelböhmen und die Hauptstadt Prag)

UL  Ústí nad Labem (Nordböhmen)

 

Als Leistung wurde in der Tschechoslowakei die installierte Leistung des jeweiligen Senders angegeben - nicht die Strahlungsleistung (ERP)! Der Tschechoslowakische Rundfunk (CR) bezahlte für die Ausstrahlung seiner Programme je nach installierter Senderleistung und nicht nach maximaler äquivalenter Strahlungsleistung. Typen bzw. Hersteller der Sendeanlagen: 

10 kW – ZARAT NRU 10, 8 kW -TESLA FM 8 S, 6 kW - ZARAT NRU 6 B, 3 kW – ZARAT NRU 3, 

2 kW – TESLA FM 2 S, 1 kW - ZARAT NRU 1; bei den schwächeren Sendern handelt es sich meist um selbstgebaute Erregerstufen ohne Leistungsendstufe.

 

QSL-Karte von „Radio Praha“ mit dem UKW- und Fernsehsender auf dem Ještěd (Jeschken) bei Liberec (Reichenberg)

Radio mit UKW

Die ersten Radios mit Empfang im UKW-Bereich erscheinen Mitte der 1950er Jahre in den tschechoslowakischen Geschäften. Dabei handelt es sich um „luxusní přijímače“ (‚Luxus-Empfänger’) des VEB STERN RADIO ROCHLITZ vom Typ 11E91-3D „Stradivari“. Dieser „Stradivari“ hat allerdings einen UKW-Bereich der CCIR-Norm, also von 87,5 bis 100 MHz. 

In entsprechenden Empfangslagen kann man damit zumindest UKW-Sender aus der DDR, Bayern, Österreich oder Polen hören.

Foto; Wolfgang Lill "Stradivari" 11E91- 3D

Als am 7.Mai 1959 der erste tschechoslowakische UKW-Sender („VKV-vysílač Praha“) eingeschaltet wird, ist dieser „Stradivari“ mit seinem UKW-Bereich der CCIR-Norm wertlos. Immerhin liefert TESLA einen „adaptor VKV“, d.h. einen UKW-Vorsetzer zum Anschluss an bestehende Hörfunkempfänger. Solche Vorsatzgeräte für UKW sind damals in Deutschland schon fast zehn Jahre lang radiotechnisches Antiquariat.

Anmerkung; da bin ich nicht sicher, ob es über die Nullserie hinausging bei diesem Gerät W.lill

Das erste Radio mit UKW-Empfang (OIRT-Norm) liefert der heimische Hersteller TESLA BRATISLAVA in den Jahren 1958/59 aus: den Typ „TESLA 524A-Kvarteto“. 

Der „Kvarteto“ von TESLA BRATISLAVA. Foto aus RM Org ; Gabriel Toth

Neben den Hörfunkempfängern der heimischen Hersteller (vor allem TESLA BRATISLAVA) gibt es im Handel der ČSSR immer wieder mit OIRT-UKW-Empfang ausgestattete Exportgeräte ausländischer – auch westlicher – Produzenten. In den 1960er Jahren werden aus der DDR Geräte vom Typ „Stradivari 3“, „Juwel“, „Fidelio“, „Bernau“, „Nauen“ oder „Rossini Stereo 2“ in die ČSSR importiert, in den 1970er Jahren es beispielsweise Kofferradios vom Typ „Contura“, Mitte der 1980er Jahre u.a. Tischempfänger vom Typ „Saturn“ oder Stereo-Steuergeräte vom Typ „Proxima Nova“. 

Foto: Wolfgang Lill

Obwohl er bei RFT in der DDR zusammengeschraubt wird, erscheint er in der ČSSR mit dem Etikett von „TESLA“…

Foto; Wolfgang Lill

Werbesprospekt etwa 1973 Importgeräte aus Bulgarien und der DDR in Handel der Tschechoslowakei

 

Aus Japan z.B. kommen Kofferradios von KOYO (KTR-1024 oder KTR 1041-C), aus Polen Tischempfänger vom Typ „Atut 65-1“ (ZRK) und aus der Bundesrepublik Kofferradios vom Typ „Buggy NT“, die BLAUPUNKT in den Jahren 1973/74 produziert. Alle diese Geräte sind spezielle Exportversionen mit einem UKW-Bereich nach der OIRT-Norm. 

 

Nach RGW-internen Absprachen aus den 1950er Jahren sollen Hörfunkempfänger der Luxusklasse („luxusní přijímače“) – und das waren damals komfortablere Geräte mit UKW-Empfang nun mal – in der ČSSR selbst nicht hergestellt, sondern aus der DDR importiert werden. Diese Regelung durchbricht TESLA PŘELOUČ im Jahr 1958 mit seinem Luxusempfänger 805 A-„Filharmonie“.

Foto ; Felix Kritlow 

Sogenannte Zwei-Normen-Empfänger („dvounormové přijímače“) mit OIRT-  u n d  CCIR-UKW-Band sind bis Anfang der 1990er Jahre eine typische TESLA-Erscheinung und bei Geräten anderer Marken (wie des ungarischen Herstellers „Videoton“) seltener zu finden. Der Ende der 1980er Jahre in der DDR entwickelte und gebaute Stereo-Casseiver – also ein Stereo-Steuergerät mit eingebautem Kassettenlaufwerk – vom Typ RFT SC1800 wird auch in einer Exportversion geliefert, die zu diesen raren „Vorwende“-Geräten aus der DDR gehören, die den Empfang von UKW-Sendern in beiden Bändern ermöglichen – die Normumschaltung FM 1/FM 2 macht’s möglich. Mit beiden UKW-Bändern („FM high“/„FM low“) ausgestattete Radios bzw. Radiorekorder z.B. von SONY oder PHILIPS werden – für den russischen und weißrussischen Markt – bis heute gebaut. 

 

Oftmals werden in der ČSSR zum Empfang des jeweils fehlenden UKW-Frequenzbereiches Frequenz- oder Normwandler (Konverter) verwendet. Manche Konverter bestehen aus Modulen und sind zum festen Einbau in den Hörfunkempfänger bestimmt. Separate Konverter in Tischausführung werden mit Batterien betrieben und zwischen Antenne und Antenneneingang des Empfängers geschaltet. Ihr Vorteil: Sie lassen sich ein- und ausschalten und somit kann man mühelos zwischen dem heimischen OIRT- und dem „fremden“ CCIR-UKW-Band wählen. Bauanleitungen für derartige Konverter liefern bis heute diverse Fachzeitschriften immer wieder. Auch von TESLA oder der japanischen Firma SENCOR (z.B. das „FM frequency convert system“ vom Typ „S-801C“) industriell gefertigte Konverter in Tischausführung gibt es im Handel. Kurios und absurd mutet dabei an, dass Mitte der 1980er Jahre in der ČSSR nur mit dem CCIR-UKW-Bereich ausgestattete Hörfunkempfänger und Radiorekorder westlicher Produzenten (z.B. TOSHIBA) gegen inländische Währung (Kčs) verkauft wurden, während die vom inländischen Produzenten TESLA KOLÍN gelieferten UKW-Konverter vom Typ „VPK 5QN 80500“ mit Umsetzung des OIRT-Bandes ins CCIR-Band und Verstärkung des Antennensignals nur in den Geschäftsfilialen des staatlichen Außenhandelsunternehmens „PZO TUZEX“ (eine Art tschechoslowakische Version des „Intershops“) und das auch nur gegen westliche Devisen („valuty“) oder sog. „TUZEX-Kronen“ („TUZEXové koruny“) bzw. TUZEX-Gutscheine („TUZEXové poukázky“) zu bekommen sind. Für den Empfang heimischer OIRT-UKW-Sender, wozu man einen derartigen Konverter gebraucht hätte, hätte man in diesem Fall also westliche Devisen ausgeben müssen! Und ein Empfang der CCIR-UKW-Sender des westlichen Auslandes wiederum, und nur der war mit einem solchen für tschechoslowakische Kronen erworbenen Radiorekorder von TOSHIBA ja möglich, ist von der Staatsführung ja nicht gerne gesehen... Absurdistan lässt grüßen!

 

 

Probleme mit dem Umsetzen (Konvertieren) des OIRT-Bereiches ins CCIR-Band gibt es theoretisch kaum, abgesehen von in Konvertern oder Hörfunkempfängern selbst auftretenden Mischprodukten und Störstrahlungen. Beim Umsetzen des CCIR- ins OIRT-Band hingegen wird es gar hochproblematisch, denn das CCIR-Band ist mindestens 12,5 MHz breit (87,5-100 MHz), das OIRT-Band jedoch nur 7 MHz (66-73 MHz)! Der Empfang mittels Konvertern stellt also immer eine Behelfslösung dar.

 

Viele UKW-Radios werden zum Empfang des jeweils anderen Bandes entweder vom Fachhandel oder von Elektronikbastlern umgestimmt. Viele Versuche, einen „reinrassigen“ OIRT-UKW-Empfänger auf das CCIR-Band umzustimmen, enden vielfach erfolglos: Nicht selten weigerte sich der Oszillator, auf den wesentlich höheren CCIR-UKW-Frequenzen loszuschwingen. Dies trifft besonders auf die in den 1960er Jahren in der ČSSR gebauten Kofferradios zu, denn diese sind mit Germanium-Transistoren (OC170) bestückt, die bei einer Empfangsfrequenz von ca. 70 MHz schon an der Grenze ihrer Möglichkeiten angelangt waren... Bauanleitungen zum Umrüsten bzw. Erweitern bestehender UKW-Empfänger auf das jeweils fehlende UKW-Band erscheinen wie erwähnt in der Fachpresse häufig. Exportgeräte z.B. aus der DDR, die ja ursprünglich für das CCIR-UKW-Band ausgelegt sind, lassen sich meist problemlos umstimmen.

 

Ein ganz eigenes tschechoslowakisches Phänomen ist der indirekte Empfang von CCIR-UKW-Sendern mit einem OIRT-UKW-Empfänger mittels Spiegelfrequenzen. Der Oszillator von OIRT-UKW-Tunern schwingt bei der üblichen Zwischenfrequenz von 10,7 MHz u.a. zwischen ca. 76 und 84 MHz, was wiederum bedeutet, dass er auch Spiegelfrequenzen des unteren CCIR-Bandes zwischen ca. 87 und 95 MHz empfängt. Fällt am Empfangsort z.B. auf der CCIR-UKW-Frequenz 89,1 MHz ein Sender mit hoher Feldstärke ein, so erscheint er unter Umständen auf der Skala eines OIRT-UKW-Empfängers auf 67,7 MHz, d.h. auf einer um 21,4 MHz (das ist das Doppelte der Zwischenfrequenz von 10,7 MHz!) niedrigeren sog. „Spiegelfrequenz“. Und viele UKW-Empfänger von TESLA sind gegen Spiegelfrequenzen alles andere als „immun“. Vor allem in den Grenzgebieten zu Deutschland und Österreich, wo CCIR-UKW-Sender stark einfallen, hören Tschechen und Slowaken auf diese – indirekte – Weise z.B. „B3“ (Sender Brotjacklriegel 94,4 MHz, Hoher Bogen 94,7 MHz) oder „Ö3“ (Linz-Lichtenberg 88,8 MHz, St.Pölten-Jauerling 89,4 MHz). Durch hohe Feldstärken und Spiegelfrequenzen verursachte Phantom-Sender tauchen hauptsächlich im OIRT-UKW-Band auf. Heute, da kein einziger tschechischer oder slowakischer Sender mehr im OIRT-UKW-Band arbeitet, wundern sich viele Besitzer älterer Radios mit OIRT-UKW-Bereich nicht einmal, dass sie inländische CCIR-UKW-Sender empfangen. Nur ab und an werden sie sich wohl fragen, warum die Skala nicht stimmt... 

 

Ebenso kurios mutet an, dass im gesamten Nordwesten Böhmens (Egerland) mit einem OIRT-UKW-Empfänger auf der Frequenz 67,75 MHz der Ton des ersten bundesdeutschen Fernsehprogramms (ARD) zu hören war. Die Erklärung ist denkbar einfach: Der reichweitenstarke bayerische Fernsehsender auf dem Ochsenkopf im Fichtelgebirge, nahe der Grenze zur CSSR, sendete im Kanal E-4 und ein im Kanal E-4 arbeitender Fernsehsender überträgt das Bild auf 62,15 MHz und den Ton auf 67,75 MHz (Bild/Ton-Abstand von 5,5 MHz!), d.h. im unteren OIRT-UKW-Band.

 

Zu den Preisen, die Mitte der 1960er Jahre in der ČSSR für UKW-Rundfunkempfänger bezahlt werden müssen: Ein röhrenbestückter Netzempfänger der Mittelklasse kommt auf gut 1 500 Kčs, das erste Transistorgerät mit UKW-Empfang von TESLA (der Kofferempfänger 2812 B-„Akcent“) auf 1 400 Kčs. Zum Vergleich: Aus Japan importierte Taschenempfänger mit Mittelwelle kosten um 800 Kčs. Ein Arbeiter verdient damals im Schnitt monatlich zwischen 

1 200 und 1 400 Kčs, ein Beamter oder Techniker rund 1 600 Kčs, ein Betriebsdirektor etwa 3 000 Kčs.  An der Preis- und Einkommensstruktur ändert sich bis zur Wendezeit 1989/1990 nicht viel.

Unter www oldradio.cz findet der interessierte Leser das „Virtuální muzeum československé historické radiotechniky“, das ‚Virtuelle Museum historischer tschechoslowakischer Radiotechnik‘. Hier sind mit Bild und Beschreibung alle in der ČSSR industriell gefertigten Radios zu sehen. 

 

Anhang; Bericht über die erste Stereosendung Anfang 1964 in Amáterske Radio Heft 10/1964

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

 2
UKW- Rundfunk in der Tschechoslowakei Teil 2 
15.Mar.24 07:12
4047 from 4407

Wolfgang Lill (D)
Redakteur
Beiträge: 1178
Anzahl Danke: 1
Wolfgang Lill

und noch etwas zum Thema Fernsehen in CS  Bearbeitungs  Fehler, muss erst korrigiert werden

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.