unbekannter Halbleiter WN820

ID: 586232
? unbekannter Halbleiter WN820 
04.Sep.22 16:49
194


Bei der Reparatur eines Neumann U87 (defekter Tantal-Elko) bin ich auf diesen Halbleiter gestoßen. Er wurde nicht in allen Ausführungen des Mikrofons verwendet; er scheint später durch einen ohmschen Widerstand ersetzt worden zu sein. Insbesondere im U87A / U87Ai kam er nicht mehr zum Einsatz.

Das Bauteil hat ein rundes keramisches Gehäuse mit einer abgeflachten Seite, wie ein früher Transistor, aber nur zwei Anschlüsse. Die Bezeichnung ist "WN820 7537".

Es könnte sich vielleicht um eine Konstantstromquelle handeln, weil darüber eine Spannungsstabilisierung mit Zener-Diode gespeist wird.

Weiß jemand Genaueres, wie Hersteller, Daten, Ersatzmöglichleiten? Warum wurde wohl später auf das Bauteil verzichtet?

Mit freundlichem Gruß,

Nikolaus Löwe

Anlagen:

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

 2
unbekannter Halbleiter WN820 
06.Sep.22 17:37
194 from 996

Andreas Steinmetz (D)
Redakteur
Beiträge: 730
Anzahl Danke: 2

Bei dem Modell U87 sind Schaltpläne aus unterschiedlichen Herstellungszeiträumen hinterlegt. Wenn man sich diese bzgl. der Speisung der Stabilisierungsdiode Gr1 in chronologischer Reihenfolge ansieht, dann kommt man schnell dahinter, worum es sich bei dem Bauelement mit der Bezeichnung "WN820 7537" handelt: Um einen als Konstantstromquelle geschalteten FET.

Besonders deutlich wird das am Schaltbild von 1973, wo die Konstantstromquelle T2 sogar noch in ihrem internen Aufbau diskret gezeichnet ist. Notwendig wurde die Ausgestaltung als Konstantstromquelle vmtl. mit der Änderung von 1971 auf 1973, weil ab da die interne stabilisierte Spannung nicht mehr 24 V war, sondern 33 V. Damit verringerte sich der verfügbare Spannungsabfall zwischen der Phantomspeisung und der internen stabilisierten Spannung. Wenn man weiterhin nur mit einem Vorwiderstand gearbeitet hätte, dann hätte man nur noch sehr geringe Toleranzen der Phantomspeisespannung zulassen dürfen. Außerdem hätte das vmtl. auch den Anzeigebereich des Anzeige-Messwerks Ms1 zu stark eingeschränkt.

Ersetzbar ist das Spezialbauteil problemlos durch einen FET, wie er im 1973er Schaltbild dargestellt ist. Der nicht vermaßte Gate-Schutz-Widerstand ist unkritisch und sollte vielleicht im Bereich um ca. 10 kOhm liegen. Als FET könnte ich mir den BF245 oder BF246 vorstellen. Beide gibt es in verschiedenen Stromklasse-Sortierungen, die entsprechend auch zu unterschiedlichen Konstantströmen führen. Da müsste man ein wenig experimentieren, um sicherzustellen, dass immer noch ein genügend hoher Querstrom durch die Z-Diode fließt, sonst gibt es keine Spannungsstabilisierung.

Nach Datenlage und im Gegensatz zur Darstellung von Herr Löwe wurde der Vorwiderstand im Laufe der Baujahre durch eine FET-Konstantstromquelle ersetzt, und nicht anders herum. Zum U87A und späteren Modellen kann ich nichts schreiben, da ich keine Schaltpläne habe. Möglicherweise ist man dann wieder zu einer niedrigeren internen stabilisierten Spannung übergegangen und konnte deshalb wieder auf den FET verzichten.

Als weiteres Indiz dafür, dass es sich beim Bauteil "WN820 7537" tatsächlich um eine FET-Konstantstromquelle handelt, könnte man die  Bauform heranziehen. Diese ähnelt stark der Form der damals üblichen FETs (und auch bipolarer Transistoren). Wenn ich Zeit habe, suche ich da noch etwas heraus...

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

 3
unbekannter Halbleiter WN820 
07.Sep.22 13:27
332 from 996

Andreas Steinmetz (D)
Redakteur
Beiträge: 730

Hallo, kurz zur Info:

Im Hintergrund laufen einige Untersuchungen und Schaltungs-Simulationen durch Kollegen, deren Ergebnisse dann hier gepostet werden. Die Bezeichnung "Gate-Schutzwiderstand" passt nicht gut: Durch diesen Widerstand, der ja in der Source-Leitung liegt, kann der fließende Strom eingestellt werden. Erste Simulationen zeigen, dass die Werte im niedrigen kOhm-Bereich liegen sollten.

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

 4
unbekannter Halbleiter WN820 
11.Sep.22 20:19
464 from 996

Andreas Steinmetz (D)
Redakteur
Beiträge: 730

Dankenswerterweise hat Herr Daniel Consales von sich aus einige Simulationen mit LTSpice durchgeführt. Das kam mir sehr entgegen, weil ich momentan weder Möglichkeit noch Zeit für praktische Experimente habe. Ich denke aber, dass die Simulationen die Wirklichkeit recht gut abbilden.

Als Basis für die Simulationen galt die 1973er Schaltung des Mikrofons U87. Leider ist dort nur die Grundschaltung der Konstantstromquelle (FET mit Sourcewiderstand) angegeben, ohne Angaben zum Widerstandswert selbst und zum FET. Für die Simulationen wurde der FET BF245A verwendet.

Um es vorweg zu nehmen: Je mehr man sich mit dieser doch recht einfachen Schaltung beschäftigt, desto mehr neue Unsicherheiten tauchen plötzlich auf. Es wäre sicher hilfreich, wenn man die Ziele der damaligen Schaltungsentwickler kennen würde...

Zumindest für einen BF245A ist die Differenz zwischen Phantom- und Z-Spannung zu klein, um in den Konstantstrombereich zu kommen, selbst wenn man das Schauzeichen-Messwerk (mit seinem unbekannten Innenwiderstand) überbrückt. Um mit einem BF245A bei Nennbedingungen den im Schaltplan angegebenen Betriebsstrom von 0,45 mA zu erreichen, ist lt. Simulation ein Rsource von 2,6 kOhm erforderlich. In der Praxis würde man wegen des Schauzeichens auf noch niedrigere Werte kommen und allein schon wegen der FET-Toleranzen hier ein Trimmpoti vorsehen, um den Strom einzustellen.

Der angegebene Strom von 0,45 mA erscheint sehr (zu?) niedrig, denn abzüglich des Laststroms durch den Vorverstärker mit T1 in Höhe von 0,4 mA (errechnet aus dem Spannungsabfall an R14), liegt der Z-Querstrom bei nur 0,05 mA! Bei niedrigerer Phantomspannung verschwindet der Z-Strom sogar vollständig, und erst bei deutlich höheren Phantomspannungen kommt der BF245A in den Konstantstrombereich und sorgt dann für stabile Verhältnisse. Es sieht ganz so aus, als hätten die Entwickler die Z-Diode seinerzeit doch nicht zur Spannungsstabilisierung vorgesehen, sonden um Überspannungen bei zu hoher Phantomspannung zu verhindern.

Ob der WN820 bessere Eigenschaften aufweist, können wir ohne ein intaktes Exemplar nicht testen. Ob es einen für die Konstanstromquelle besser geeigneten FET als den BF245A gibt, wurde nicht untersucht. Interessant wäre die Schaltungssimulation mit FETs mit höherer Stromklasse (z.B. C statt A oder ganz andere Typen). Allerdings wäre dann (zumindest unter der Annahme gleicher Steilheit) ein Rsource größer als 2,6 kOhm erforderlich, wodurch sich der Spannungsabfall an Rsource vergrößern und dadurch die Reserve bzgl. der Spannungsdifferenz zwischen Phantom- und Z-Spannung sogar noch verkleinern würde...

Zum Schluss noch ein weiterer, wichtiger Hinweis: Im Einschaltmoment kann - je nach Vor- und Innenwiderständen - (fast) die ganze Phantomspannung am FET plus Rsource anliegen. Der BF245A könnte mit seinen max. zulässigen 30 V zwischen Drain und Source bzw. Gate und Source dann schon überlastet werden! (Übrigens: Der BF245 ist symmetrisch aufgebaut. Drain und Source können auch vertauscht verwendet werden.)

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.