gemeinsch: Warum im VE301B die RES174d als Endröhre statt der RES164 ?

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Dieser Artikel betrifft das Modell: VE301B (Gemeinschaftserzeugnisse Vorkrieg)

? gemeinsch: Warum im VE301B die RES174d als Endröhre statt der RES164 ? 
02.Jan.25 20:47
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Jacob Roschy (D)
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Jacob Roschy

Die RES164, einschließlich Äquivalenz-Typen wie L416D, PP416, etc., sind praktisch konkurrenzlose Standard- Endpentoden für einfache Empfänger geringer Sprechleistung und wurden daher auch für alle Wechselstrom- Modelle des VE301 ausgewählt.

Obwohl die direkt geheizte RES164 auch für Batteriebetrieb geeignet ist, wurde sie jedoch ausnahmsweise in der ersten VE- Batterie-Version VE301B nicht verwendet, stattdessen kam die RES174d zum Einsatz.

Die RES174d entspricht der Philips B443, der ersten serienmäßigen Endpentode der Welt.
Bei 12 mA Anodenstrom benötigt sie eine Schirmgitterspannung von 150V.

Die RES164 wurde von Telefunken als verbesserte Ausführung der B443 entwickelt, mit höherer Verstärkung und mit nur 80V Schirmgitterspannung bei ebenfalls 12 mA Anodenstrom.
Damit konnte Telefunken auf eine eigene Entwicklung verweisen und musste wohl weniger Lizensgebühren an Philips zahlen als bei einen direkten Nachbau der B443.

Bei Batteriebetrieb wird natürlich äußerste Sparsamkeit verlangt, daher beträgt der Anodenstrom der RES174d an der 90V Anodenbatterie hier nur 5,5 mA bei Schirmgitterspannung Ug2= 82,5V.

Die RES164 würde jedoch schon bei 80V Schirmgitterspannung 12 mA Anodenstrom liefern, was in diesem Fall zu viel wäre.

Normalerweise hätte man aber die Schirmgitterspannung soweit verringern können, bis der Anodenstrom auf die hier gewünschten 5,5 mA abgesenkt ist.

Nun ergibt sich die Frage, warum wurde das nicht gemacht ? Es wäre doch im Interesse der Einheitlichkeit unbedingt vorzuziehen gewesen, die RES164 auch im VE301B zu verwenden, statt der RES174d. Diese ist auch keine Telefunken- Entwicklung und Telefunken hätte natürlich auch hier viel lieber ihre eigene Entwicklung, die RES164 gesehen.

Kommt die RES164 durch Herabsenkung des Anodenstroms vielleicht in einen solch ungünstigen Arbeitsbereich, wobei die Sprechleistung im Vergleich zur RES174d übermäßig stark absinkt, so dass die Verwendung der RES164 nicht mehr in Frage kam ?

Leider geben die üblichen Datenangaben über die RES164 hierzu keine aussagefähigen Hinweise, so dass diese Frage unbeantwortet bleiben muss.

Nun war Telefunken wegen ihrem Einsatz im VE301B nun doch gezwungen, die RES174d herzustellen, die ja lediglich eine Kopie der Philips B443 ist, was man eigentlich durch die RES164 vermeiden wollte.

So wurden laut „Fertigung der Werke“ im Jahr 1933 nun 42 558 Stück RES174d hergestellt, wohl nur wegen dem VE301B.

JR

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02.Jan.25 21:47
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Wolfgang Holtmann (NL)
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Wolfgang Holtmann

Hallo Jacob

Bei dem VE301B kann man verschiedene Anodenbatterien anschließen.
So z.B. auch eine die 120V liefert. Diese Spannung liegt dann auch am Schirmgitter an!

Eine RES164 darf jedoch höchstens mit 80V Ug2 betrieben werden. Die RES174d ist dagegen so aufgebaut, dass bis zu 150V Ug2 maximal -ohne Vorwiderstand- verkraftet werden.

Hier ein Auszug von L. Ratheiser 1938:

L.G. Wolfgang 

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08.Jan.25 20:10
307 de 1140

Jacob Roschy (D)
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Jacob Roschy

Hallo Wolfgang,

ich glaube nicht, dass die 80V maximale Schirmgitterspannung die Ursache dafür ist, die RES164 nicht im VE301B zu verwenden.

So, wie bei 250V Anodenspannung die 80V Schirmgitterspannung über einen Vorwiderstand erzeugt werden, wäre dies auch bei jeder beliebigen anderen Spannung zwischen 90 und 150V möglich gewesen.

Wie schon erwähnt, wird der Anodenstrom der RES174d im VE301B duch die geringere Schirmgitterspannung von nur noch 82,5V (statt 150V) auf 5,5 mA herabgesenkt.

Bis auf Weiteres muss ich bei meiner Vermutung bleiben, dass die RES164 durch Absenkung des Anodenstroms auf ebenfalls 5,5 mA eine deutlich geringere Sprechleistung als die RES174d erreicht.

Trotz intensiver Suche fand ich keine brauchbare Betriebsdaten der RES164 außerhalb von
Ua= 250V und Ug2= 80V.

Eine messtechnische Untersuchung wird schon wegen den unüblichen Spannungen im Bereich 50 – 90V und kaum vorhandener Exemplare von neuwertigen RES164 schwierig sein.

Ich werde mich damit abfinden müssen, dass diese Frage ungekärt bleibt.
Auch bei der Einführung der VE301- Versionen ging die Fachpresse nicht auf diese Frage ein.

Viele Grüße,
Jacob

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08.Jan.25 21:10
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Wolfgang Holtmann (NL)
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Wolfgang Holtmann

Hallo Jacob

Wie bereits oben dargelegt wurde, sah man es als einen Vorteil, keine besonderen Schaltmittel (Widerstand und Kondensator) einbauen zu müssen. Man konnte somit Zweimarkfünzig sparen! Das war auch für andere Radiohersteller ein Argument und wurde in den Kalkulationsabteilungen herzlich umarmt.

Deshalb, so denke ich, hatte die Einführung einer RES174d sinn gemacht.

MfG

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10.Jan.25 16:51
471 de 1140

Jacob Roschy (D)
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Jacob Roschy

Hallo Wolfgang,

eine Röhre zu wählen, mit welcher man Bauteile einsparen kann, ist natürlich ein Argument.
Dann darf aber diese Röhre + deren Beschaffung und Vorhaltung nicht so teuer sein, dass die eingesparten Kosten wieder zunichte gemacht werden.

Industrieel hergestellte Güter lassen sich umso kostengünstigen herstellen, je größer die Stückzahlen sind, kleine Stückzahlen können dagegen sehr kostenteibend sein, wie auch technische Abweichungen vom Serienprodukt.

Das trifft auch auf die damals massengefertigte RES164 zu im Gegensatz zur eher exotischen RES174d.

In einem kleinen Röhrendatenheftchen von 1938 wurden freundlicherweise auch die damaligen Preise angegeben. Die RES164 kostete 6,30 RM, während für die RES174d hier 9,50 RM verlangt wurde, d. h. sie war 1½ mal so teuer wie die RES164.

Dazu kommt noch der logistische Mehraufwand zur Beschaffung der RES174d sowie auch der Verdrahtung der Schirmgitter- Seitenschraube mit „Röhrenkabelschuh“.

Ob sich hier noch ein Kostenvorteil durch eingesparte Bauteile ergibt, ist fraglich.

Viele Grüße,
Jacob

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19.Jan.25 18:48
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Thomas Lebeth (A)
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Thomas Lebeth

Hallo Jacob, hallo Wolfgang,

hier ist eine sehr interessante Fachdiskussion im Gange und es wurden wichtige Fakten und Argumente eingebracht. Ich denke, dass eine eindeutige Antwort nicht mehr zu finden sein wird.

Trotzdem möchte ich auf Basis eures Austausches kurz die angesprochenen Fakten und Argumente zusammenfassen, und meine Gedanken dazu einbringen. Im Wesentlichen wurden die Aspekte der Einheitlichkeit, der technischen Spezifikationen der beiden Röhren, der Kostenaspekt durch Ersparnisse bei der Schaltung, und zuletzt die Marktpreise (nicht Kosten) der beiden Röhren RES164 und RES 174d zur Verwendung im VE301B eingebracht.

Die Zahl unterschiedlicher Röhrentypen in der Verwendung für die Volksempfänger gering zu halten ist ein starkes Argument. Aus der Sicht des Jahres 1933 wurden zunächst drei unterschiedliche Ausführungen geplant und auf den Markt gebracht: VE301W, G und B. Dafür waren 7 verschiedene Röhrentypen notwendig: RGN354, RE034, REN904, REN1821, REN1823d, RES164 und RES174d. Die einzige Röhre, die bis zum Ende der VE-Produktion eingesetzt wurde war die RES164. Das konnte jedoch 1933 noch niemand wissen. Trotzdem hätte es grundlegend Sinn gemacht, bereits 1933 mit einer einheitlichen Endröhrentype für die Versionen B und W auszukommen. Dem steht jedoch gegenüber, Schaltmittel einzusparen, das ist ein sehr nachvollziehbares Argument, da auf Grund des niedrigen Verkaufspreises auch die Gesamtkosten möglichst niedrig sein mussten.

Aus Sicht der Röhrenproduktion möchte ich den Ball aus dem letzten Beitrag von Jacob kurz aufnehmen. Die Verkaufspreise für Röhren stehen nicht notwendigerweise in einem fixen Verhältnis zu Produktions- und Logistikkosten. Dafür gibt es viele Beispiele aus den 30-er Jahren (VCL11 vs. ECL11, Stahlröhren hatten höhere Produktionskosten als Glasröhren). Wir können also davon ausgehen, dass Preise für Röhren auch ein Instrument zur Marktsteuerung waren (Auslauftypen wurden z.T. auch teurer).

Wenn man nun den reinen Materialaufwand des Stückgutes RES164 mit der RES164d vergleicht, dann ist der sehr ähnlich - lediglich der Sockel ist unterschiedlich. Die Fertigungskosten des Röhrenkolbens sind hier komplett gleich (gleicher Werkzeugsatz, gleicher Produktionsprozess). Nach der Kolbenproduktion teilt sich der Produktionsprozess in zwei unterschiedliche Zweige auf: Röhrensockel, Bestempelung und getrennte Logistik wie Verpackung. Bis 1945 wurden 4,36 Mio. RES164 jedoch nur 393 Tsd. RES164d hergestellt. Dieses Verhältnis von ca. 11:1 war bis 1933 wahrscheinlich geringer (zu Gunsten der RES164d). Zusammengefasst waren Produktion und Logistik der RES164d von den Kosten her wahrscheinlich etwas höher als für die RES164. Die RES174d hatte nun, verglichen mit der RES164d, einen fast identischen Materialaufwand (die Unterschiede des Innenaufbaus der Röhrensysteme sind vernachlässigbar), die Produktion erforderte z.T. abweichende Werkzeuge und jedenfalls eine gesonderte Produktionssteuerung. Das gilt auch für den Logistikaufwand. Die RES174d fällt aus kostentechnischer Sicht in eine ähnliche Kategorie wie die RES164d. Durch die äußerst geringen Stückzahlen (ca. 1:100 im Vergleich mit der RES164 und 1:9 gegnüber RES164d bis 1945) und den dafür schlechter skalierenden Produktionsaufwand je Stückgut war die RES174d in der Produktion sicher etwas teurer als die RES164d.

Was wir nun nicht klären können sind die Produktionskosten der drei Röhren im Jahr 1933 und die Einkaufsbedingungen, die die Apparatefabrikanten von den beiden wesentlichen Röhrenherstellern Telefunken und Valvo damals erhielten. Ich bin jedoch der Ansicht, dass der Unterschied damals durchaus kleiner als jener für zusätzliche Schaltmittel war.

Zuletzt noch ein Ausschnitt aus der Telefunken Röhrenliste Dr.3017/A mit der Gültigkeit ab 01.08.1933. Hier sind alle drei Röhren mit einem Verkaufspreis von RM 10,- ausgewiesen. Das bedeutet, dass zum Zeitpunkt des Erscheinens der VE301 kein Preisunterschied bei der Beschaffung für Ersatzröhren für Radiobesitzer gegeben war.

Telefunken Preisliste 133-08-01

Herzliche Grüße

Thomas

 

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