The thread rating is reflecting the best post rating. Have you rated this thread (best post)? | Zur "Lebensdauer" von Übertragungsverfahren im Rundfunk |
Dietmar Rudolph
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Schem.: 916 Pict.: 464 07.Sep.14 19:51 Count of Thanks: 38 |
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Anläßlich der Abschaltung der Langwellensender von Deutschlandradio zum 31. Dezember 2014 werden hier einige grundsätzliche Überlegungen ausgeführt.
Warum sind beim Rundfunk analoge Übertragungsverfahren so langlebig, während digitale Verfahren dagegen ziemlich kurzlebig sind, wie zahlreiche Beispiele gezeigt haben? Hierzu zunächst einige physikalische Überlegungen. Da man aufgrund des (sonst notwendigen) technischen Aufwandes weder Audiosignale noch Videosignale in deren eigenem Frequenzbereich übertragen kann, müssen zur Übertragung Audio- und Video-Signale einer hochfrequenten Trägerschwingung aufgeprägt (moduliert) werden. Die Art und Weise sowohl der Modulation, als auch der (ggf. notwendigen) Vor-Verarbeitung der (allgemein gesprochen) Nachrichtensignale (anläßlich der Modulation) begründet die Unterschiede, die sich schließlich in der Lebensdauer der Übertragungsverfahren bemerkbar machen. Grundsätzliches zur Modulation
Ein hochfrequentes Trägersignal ist grundsätzlich eine (einzelne) Cosinusschwingung. uT(t) = A cos(ωt + φ)
Bezüglich des Trägersignals gibt es keine weiteren Möglichkeiten der Einwirkung. Zudem zeigt eine genauere Analyse, daß Frequenz- und Phasen-Modulation sehr eng mit einander „verwandt“ sind. Analoge Audio-Übertragung (AM oder FM)
Bei der analogen Audio-Übertragung (AM Rundfunk im LMK Bereich oder FM Rundfunk im UKW Bereich) wurden stets die gleichen Prinzipien verwendet: Der HF-Träger wurde entweder in seiner Amplitude proportional zum (analogen) Audio-Signal beeinflußt (AM) oder er wurde in seiner (momentanen) Frequenz proportional zum (analogen) Audio-Signal beeinflußt (FM). Analoge Video-Übertragung
Während ein (analoges) Audio-Signal eine „eindimensionale“ Zeitfunktion darstellt, ist eine optische Information zunächst „zweidimensional“ (Breite * Höhe). Aus technischen Gründen (Aufwand) muß diese Information mit Hilfe eines „eindimensionalen“ Signals übertragen werden. Das geht natürlich nicht „verlustfrei“, was bedeutet, daß tatsächlich nur ein kleiner Teil der ursprünglichen Information übertragen wird. Digitale Audio-Übertragung
Sieht man ab von der ISDN Übertragung beim Telefon, so beginnt die digitale Audio-Übertragung mit der Einführung der CD. Rein formal ist eine solche CD tatsächlich auch ein „Übertragungs-Medium“ (auf welchem die Signale in „eingefrorenem“ Zustand „übertragen“ werden können).
Das erste digitale Übertragungsverfahren im Rundfunk (Digitaler Satelliten Rundfunk, DSR) verwendete tatsächlich ein Verfahren, das dem auf der CD sehr ähnlich war. Dieses wurde seinerzeit von der Telekom als Betreiber des Satelliten stark beworben. Praktisch jede Firma, die „etwas auf sich hielt“ produzierte einen DSR Empfänger. Und in der Tat, der Empfang, d.h. die Qualität des empfangenen Audio-Signals, war hervorragend. Viele Audio-Enthusiasten schafften sich eine (damals recht teure) DSR Empfangsanlage an. Grundsätzliches zur digitalen Modulation
Auch bei digitaler Modulation gibt es bezüglich des HF Trägers keine anderen Möglichkeiten, diesen zu modulieren, als bei analogen Modulationen, nämlich in seiner Amplitude und Phase (bzw. Frequenz). Bei digitaler Übertragung bestehen also große Freiheitsgrade bezüglich der Festlegung der Symbole. Die Auswahlkriterien werden i.a. durch technische Randbedingungen festgelegt. Das sind z.B. erforderliche Sendeleistung oder notwendige Übertragungsbandbreite. Übertragungsbandbreite ist ein knappes und teures Gut, wie aus den Versteigerungen der Mobilfunk-Frequenzen hinlänglich bekannt ist. Wenn also Bandbreite gespart werden kann, ist das ein meistens hinreichender Grund dafür, ein bislang vorhandenes Übertragungsverfahren zu verlassen. Genau das ist z.B. mit DSR passiert. Zur Quell-CodierungFür eine digitale Übertragung muß ein analoges Signal zunächst abgetastet und quantisiert werden. Das ist von der CD her bekannt. Aber nun kommt neu hinzu, daß man alles, was das Ohr nicht „hört“, erst gar nicht überträgt. Dieser Prozeß des definierten Weglassens von „irrelevanter“ Information wird mit Quell-Codierung bezeichnet. Hierzu war erforderlich, die Eigenschaften des Gehörs zu erforschen und dann geeignete (mathematische) Modelle zu entwickeln, mit deren Hilfe alles aus einem Audio-Datenstrom eliminiert werden kann, was „das Ohr“ nicht wahrnimmt.
Die zugehörigen Modelle werden (im Laufe der Zeit) immer besser (MP3, AAC,...) und der resultierende Datenstrom des Audiosignals dadurch immer geringer. In der Folge lassen sich bei gegebener Bandbreite des HF Signals immer mehr Programm-Kanäle gleichzeitig übertragen. Das hat aber dann zur Folge, daß (wieder einmal) der Standard für eine digitale Übertragung geändert wird und alle bisherigen Empfangsgeräte damit unbrauchbar werden. Digitale Audioübertragung terrestrisch
Als (eigentlich abschreckendes) Beispiel kann das DAB (Digital Audio Broadcast) System betrachtet werden. Der Start von DAB war in den '90er Jahren. Damals gab es noch nicht einmal einen geeigneten Frequenzbereich. Mit Mühe und Not wurde der Fernsehkanal 12 dafür frei gemacht und zusätzlich ein Frequenzband im L-Band (bei 2,7 GHz). Nach damaligem Standard hätte ein DAB Empfänger sowohl 213 MHz, als auch 2,7 GHz empfangen müssen. Als Audiocodierverfahren diente Musicam vom IRT. Die Telekom machte wieder große Werbung dafür und verlangte ca. 10 Jahre lang keine Gebühren von den Programmanbietern, so lange das Verfahren „im Probebetrieb“ war. Tatsächlich wurde aber anläßlich jeder IFA angekündigt, daß nun aber der Regelbetrieb aufgenommen würde. Jetzt wird darüber spekuliert, daß nach einer „Simulcastphase“ bis 2025, wo UKW FM und DAB+ parallel laufen sollen, das (analoge) UKW FM abgeschaltet werden soll. Schau'n wir mal, ob bis dahin nicht vielleicht ein DAB++ oder ein DAB+++ (mit noch effektiverer Audiocodierung) erfunden wurde und die heutigen DAB+ Geräte einen Platz im Museum finden werden. Oder garantiert jemand dafür, daß der DAB+ Standard nicht mehr verändert werden wird? Digitale Fernsehübertragung terrestrischAufgrund der Video-Codierung (MPEG) war es möglich, die digitalen Video-Signale so weit zu komprimieren, daß in das Frequenzband eines früheren analogen TV-Kanals nun (je nach Kompressionsgrad) 4 bis 6 digitale Fernsehkanäle passen. Das ist als DVB-T (Digital Video Broadcast Terrestrial) bekannt. Die (nicht kompatible) Umstellung von analoger zu digitaler TV Übertragung ging „ohne Aufschrei“ der Bevölkerung von statten. Das hatte einen ganz einfachen Grund.
Insgesamt war das für die Broadcaster und die Fernsehteilnehmer eine so genannte „win-win“ Situation. Während DVB-T sich durchaus einer größeren Anzahl von Zuschauern erfreut, ist bereits angekündigt, daß so ab 2017 DVB-T durch DVB-T2 ersetzt werden soll. DVB-T2 nutzt ein effektiveres Quell-Codierungsverfahren für Video-Signale und ist daher leider (wieder mal) nicht kompatibel mit DVB-T. Aber man sollte sich ja sowieso mindestens alle 2 Jahre einen neuen Flachbildfernseher anschaffen. Durch die Freiheit der Wahl der Parameter bei digitalen Verfahren führt der technische Fortschritt, speziell bei den Quell-Codierungs-Verfahren (für Audio und Video), in relativ kurzen Abständen zu inkompatiblen „Verbesserungen“ der Übertragungssysteme. So lange der Käufer das klaglos mit macht, geht das ja gut. Zur Simulcast-Periode
Die Simulcast-Periode, also der gleichzeitige Betrieb unterschiedlicher Netze für gleiche Programme, hier AM Sender und FM Sender ging von ca. 1950 bis ca. 2010, also über 60 Jahre lang. Und das, obwohl Mittel- und Langwelle hierzulande vom „normalen“ Rundfunkhörer mehr als stiefmütterlich behandelt wurden. Sicher hat hier der „Kalte Krieg“ verlängernd gewirkt. MfG DR |
Dietmar Rudolph
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Unter dem Titel "Digital und unbeliebt" wird im Berliner Tagesspiegel anläßlich der IFA über die Bestrebungen berichtet, insbesondere des Intendanten des Deutschlandradios, Willi Steul, den DAB+ Standard quasi "mit der Brechstange" einzuführen und selbsverständlich UKW 2025 abzuschalten. "Willi Steul, Intendant des Deutschlandradios und einer der größten Befürworter des Digitalradios, hofft auf die normative Kraft des Faktischen. Im Gegensatz zum ARD-Vorsitzenden Lutz Marmor setzt er sich für ein festes Abschaltdatum des UKW-Empfangs ein. Bis 2025 soll das analoge Radio durch DAB+ ersetzt werden." Nun stellt sich die Frage:
Bislang sieht das doch eher nach einer "loose -win" Situation aus: die Hörer verlieren und die Broadcaster gewinnen. Rein psychologisch kann man die Bestrebungen des Deutschlandradios vielleicht aus der Historie heraus noch verstehen. Der DLF begann mit einem LW Sender. Er bekam dann im Laufe der Zeit mehrere MW Sender dazu und einen weiteren LW Sender. UKW begann ganz spät mit einem (schwachen) Sender in Bonn. Die Bestrebung des DLF, weitere UKW Frequenzen zu erhalten, gestalteten sich recht schwierig. Nicht ganz unschuldig daran ist vermutlich das wenig diplomatische Geschick eines früheren technischen Direktors des DLF, das zur Folge hatte, daß die ARD Anstalten oftmals keine Möglichkeit sahen, dem DLF bezüglich UKW Frequenzen entgegen zu kommen. Daher hat das UKW Sendernetz des DLF (bis heute) einige "weiße Flecken", besonders in Süddeutschland. Diese "weißen Flecken" lassen sich nun durch DAB+ auffüllen (wobei DLF und Deutschlandradio Kultur nach wie vor den früheren Standard DAB nutzen, um keine Hörer zu verlieren, die nur DAB empfangen können). Der Wunsch, DAB+ zu puschen, ist aus Sicht des Deutschlandradio nachvollziebar. Aber, noch einmal die Frage: wo bleibt der "Mehrwert" für den Radiohörer, wenn dafür UKW abgeschaltet werden soll? MfG DR |
Dietmar Rudolph
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Im Jahr 1990 hatte der Deutschlandfunk nur "Frequenzen" entlang der Grenzen der (damaligen) Bundesrepublik, während im Inneren kein UKW-Empfang des DLF möglich war.
Bis 1999 hat sich die Versorgungs-Situation über UKW verbessert, jedoch gibt es immer noch große Gebiete ohne UKW-Versorgung mit den Programmen von Deutschlandradio. ("weiße Flecken")
Vergleicht man nun die bis 2013 erreichte Versorgung, so erkennt man, daß nur marginale versorgte Gebiete hinzu gekommen sind. Karte UKW Versorgung des DLF
Karte der UKW Versorgung von Deutschlandradio Kultur
DieFarben beider Karten aus 2013 sind sehr pastellartig gehalten.Man muß daher schon genau hinsehen, um zu erkennen, daß sich seit 1999 nicht mehr viel verbessert hat. Es ist deshalb unwahrscheinlich, daß Deutschlandradio im UKW Bereich eine komplette Flächendeckung der Bundesrepublik erreichen kann. Folglich ist der vom Intendanten Steul geäußerter Wunsch, alle UKW Sender bis 2025 ganz abzuschalten, aus seiner Sicht durchaus verständlich. Die Interessenlagen anderer Broadcaster dürften sich jedoch hiervon wesentlich unterscheiden. MfG DR Per Mail erhielt ich folgenden Kommentar, hier auszugsweise wiedergegeben: .....es ist zu bezweifeln dass DRadio mehr Hörer als bisher erreichen wird wenn auf digital umgestellt ist. ....Falls er denkt dass jedes "alte" Autoradio ersetzt werden muss, ist er reif für die "Zitrone" bezüglich Umweltschutz ..... Fazit (frei nach Guglielmus dem Buschigen):
Ist dann das Radio digital Ergänzung: In einem Aufsatz zur Technik in der Programmzeitschrift des DLF 1991 unter der Überschrift "Hi-Fi-Klang mit Wermutstropfen: Die Ultrakurzwelle" schreibt Detlef Reiermann u.a.: "Im übrigen bemüht sich der Deutschlandfunk nach wie vor um ein flächendeckendes UKW-Sendernetz innerhalb der Bundesrepublik." Bislang existiert jedoch kein "flächendeckendes UKW-Sendernetz", sondern nur ein "Flickenteppich". Die Verärgerung des Intendanten von DRadio darüber ist zwar begreiflich. Aber sollen deshalb alle anderen Broadcaster, die ihr Sendegebiet flächendeckend versorgen können, auch für die Abschaltung von UKW sein? Oder hat etwa jemand davon zu viel Geld? Den Ersatz von UKW-FM durch DAB/DAB+ kann man aus Sicht des Hörers nur als "Luxus-Sanierung" bezeichnen. Für den "normalen Hörer" ergibt sich keine Verbesserung. Es wird nurteurer, weil neue Geräte angeschafft werden müssen. This article was edited 30.Dec.14 14:35 by Dietmar Rudolph . |