z2006-09-16 Graetz - Altenaer Industriegeschichte
z2006-09-16 Graetz - Altenaer Industriegeschichte
Hallo Radiofreunde,
in der „Graetz-Stadt“ Altena wird vom 16. bis 23. September die Erinnerung an den einst größten Arbeitgeber der Region als „Rückblick auf die Graetz – Geschichte“ mit einem „Museum auf Zeit“ gelebt. Dazu wird zu einem 2-tägigen Sommerfest am Wochenende 16./17. September eingeladen und eine Woche lang die "heimische Graetz-Geschichte von Erfindergeist, Arbeitsethos und Erfolg" erzählt.
Hier der Text aus dem „Altenaer Kreisblatt“ mit freundlicher Genehmigung des Herrn Bender:
Eine wahre Wundertüte“ sei der Graetz-Komplex gewesen, als die
Dahler Firma Möhling ihn in den 90er Jahren übernommen habe, erinnert
sich Dr. Rainer Hölper. Eine „Wundertüte“, die Corina Turner von
„Pfiffikus“ vor einem Jahr im Zusammenhang mit der Künstlerwerkstatt in
dem Hochhaus an der Graetzstraße zum ersten Mal bewusst zur Kenntnis
nahm - „wenn man hier durchgeht, stolpert man auf Schritt und Tritt über
die Firma Graetz“.
Weit über 2000 Menschen beschäftigte das Unternehmen in seiner Blütezeit
allein im Hauptsitz Altena, insgesamt waren es um die 5000. Und doch
erinnert in Altena nur wenig an diesen großen Arbeitgeber. Im September
soll sich das für eine Woche ändern: Im markanten Graetz-Hochhaus wird
dann für eine Woche ein Graetz-Museum installiert. Eröffnet wird es am
16. September um 18.30 Uhr, ab 20 Uhr wird an diesem Tag in der
Graetz-Werkstatt eine „After Work-Beat-Party“ mit der Gruppe Look gefeiert.
Platz ist reichlich in der Immobilie, viele Einrichtungsgegenstände und
Montageeinrichtungen sind noch vorhanden. Deshalb konnte „Pfiffikus “
bei der Konzeption des Interims-Museums aus dem Vollen schöpfen. Auf
zwei Etagen soll in erster Linie die „Altenaer Zeit" des Unternehmens
dargestellt werden. Es wird Erinnerungen an den großen Brand im Jahr
1952 geben und an die Petromax, ein 50er Jahre-Wohnzimmer mit Radios und
Fernsehgeräten, eine alte Bürostube, viele Bilder aus der
Firmengeschichte und Biographien sowohl der Familie Graetz als auch
einzelner Mitarbeiter. Kein Problem sei es, an das Material zu kommen,
berichtete Corina Turner gestern: 1,8 Mio. Fundstellen im Internet
präsentiert „Google“, wenn man Graetz in die Suchmaske eingibt. Das
Stadtarchiv ist gut bestückt, viele ehemalige Mitarbeiter haben aus
ihren Beständen Dokumente und Geräte zugesagt.
Gegründet wurde die Lampenfabrik Ehrich & Graetz 1866 in Berlin, nach
Altena kam die Firma 1948. Produziert wurden bei Graetz neben Radio- und
Fernsehgeräten auch die bekannten Petromax-Lampen. Und tausend Dinge
mehr, wie sich Wilhelm Senkbeil, der letzte Betriebsratsvorsitzende,
gestern erinnerte. Schaltschränke für die Post, Profi-Tonbänder mit über
100 Spuren, Strahlenmessgeräte und sogar ein Vorläufer des Beamers -
Graetz hat‘s gebaut. Bis 1961 erfolgte das in Eigenregie, dann unter dem
Dach von SEL. Nach einem „Umweg“ über Alcatel landete das Werk
schließlich bei Nokia - als die Finnen 1993 das „Aus“ des Werkes Altena
beschlossen, arbeiteten dort keine 200 Menschen mehr.
Trotzdem gibt es noch etliche „Graetzianer“ in Altena - seit der Plan
des Graetz-Museums auf Zeit publik wurde, erhalte sie laufend Anrufe von
ehemaligen Mitarbeitern des Unternehmens, berichtet Kulturring-Chefin
Barbara Langos.
Das Programm im Überblick:
Am 16. September um 18.30 Uhr Eröffnung. Ab 20 Uhr Party mit „Look“
(Eintritt im Vorverkauf 12 Euro)
17. September: Museum ganztägig geöffnet, nachmittags „Tanztee“ mit
Musik der 50er und 60er Jahre in der alten Werkskantine (Eintritt im
Vorverkauf fünf Euro)
23. September: Museum ganztägig geöffnet.
An den Werktagen (also vom 18. bis 22. September) können Gruppen ab 10
Personen das Museum nach Voranmeldung besichtigen, die Führungen
erfolgen durch alte Graetzianer. J ben.-
Anmeldungen und Vorverkauf beim Kulturring, Tel. 209 346. Mehr
Informationen unter www.kulturring-altena.de
Und noch ein Zeitungsausschnitt:
Viel Spaß wünscht
Jens Dehne
Anlagen:Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.
Kulturring Altena e.V. lädt ein
Weitere Informationen beim Kulturring Altena e.V. 02352 209346 oder bei mir per Mail oder Telefon.
Vielleicht sieht man sich ja?
Schöne Grüße!
Jens Dehne
Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.
Graetz-Fest in Altena im September 2006
Auf den Spuren von Graetz Radio und Fernsehen
Um es vorweg zu nehmen, der typische Radiosammler wäre nicht auf seine Kosten gekommen.
Mit einer Portion Idealismus und Neugierde war es für mich eine Reise wert, die etwa 400 km ins Sauerland zu fahren.
Da ich auch danach gefragt wurde, gebe ich hier gerne meine Eindrücke für die Interessierten zu lesen.
Ich fand die Idee schon recht pfiffig von der Werbeagentur „Pfiffikus“ und dem „Kulturring Altena“, einen Graetz- Museumstag im ehemaligen Verwaltungsgebäude der Graetz K.G. in Altena zu organisieren.
(Foto: Werk 1 mit Hauptverwaltung 1959 aus „Graetz-Nachrichten“)
Andererseits bot sich für mich die Gelegenheit, einige Bekannte dort zu treffen. So den letzten Werkdirektor und andere, welche bei Graetz beschäftigt waren und nette Personen, die mir Informationen, Bilder und Dokumente zur Graetz-Geschichte im Laufe der Zeit vom Ort des Geschehens besorgt hatten.
Überrascht war ich dann doch, als ich pünktlich zur Eröffnung in die Graetz-Straße in Richtung ehemaliges Verwaltungsgebäude, dem „Graetz-Hochhaus“, kam und sah, dass alles voller Autos stand und etliche Gäste auf dem Wege waren.
Auch das Eintrittsgeld schreckte niemanden ab, immerhin war die Abendveranstaltung mit der Band „LOOK“ inbegriffen.
Das Verwaltungsgebäude wird heute noch genutzt, in der obersten, ehemaligen Chefetage, hat sich ein Fitnesscenter eingerichtet. Andere Räumlichkeiten werden teilweise als Lager verwendet. Eine leerstehende Büroetage wurde kurzfristig als „Museum“ umgestaltet. Neben einigen Ausstellungsstücken waren viele Kopien aus Werkzeitschriften und anderen Schriften mit Bildern entsprechend platziert. Die Besucher schauten sich alle interessiert um und stöberten in den Zeitdokumenten.
Das waren noch Zeiten, Export in viele Länder und „Made in Western Germany“!
Natürlich war der Akku meiner guten „Sony DSC-F505V“ schon wieder leer und somit leider nur wenige Fotos...
Ich kam schnell mit einigen Besuchern ins Gespräch, gerade die Älteren sprachen gerne über die Zeit bei Graetz und über ihre Arbeit in dem seinerzeit größten Unternehmen der Region. Einige erkannten sich auf alten Fotos wieder – das waren Zeiten! Jemand, der die Lehrausbildung seinerzeit mitorganisierte und unterrichtete, konnte sich noch gut daran erinnern, wie stolz man war, wenn man bei Graetz seinen Beruf erlernen durfte.
Auch bei Graetz wurde ja traditionell „jedes Teil selbst hergestellt“, von der Metallverarbeitung über Trafowicklerei und Gehäusebau. Eine Frau erzählte mir, wie streng die Qualitätskontrolle bei der Herstellung der Skalenscheiben war. Nicht der kleinste Buchstabe durfte verwischt sein...
Besonders stolz war man seinerzeit auch auf die neue Telefonanlage mit dem "neuzeitlichen" Wählgerät.
Nicht nur Graetz Radio und Fernsehen, sondern auch einige alte und neu gefertigte Lampen und Leuchten waren neben der legendären „Petromax“ zu sehen. Auch die heute noch aktive Firma „Graetz Strahlungsmesstechnik“ stellte in einem Kabinett ihr modernes Produktspektrum aus.
Die Abendveranstaltung mit Band war bei bester Stimmung überdurchschnittlich gut besucht. Man hatte Mühe, das gute Iserlohner Bier in entsprechender Menge zu zapfen.
Am nächsten Tag war das Museum nochmals geöffnet, sogar die alte Werksfeuerwehr fuhr noch...
Ein „Tanztee“ mit Kaffe und Kuchen lockte nochmals einige Besucher.
Der Veranstalter war so zufrieden, dass man nun eine Räumlichkeit sucht, um ein kleines Graetz – Museum mit Zeitdokumenten dauerhaft einzurichten.
Andere, vor allem ehemalige Werksangehörige sagten mir, dass sie doch eher enttäuscht waren, weil kaum Ausstellungsstücke präsentiert wurden und die Übersicht zu wünschen übrig ließ.
Ich nutzte diesen zweiten sonnigen Tag auch dazu, um zu schauen, ob es den Graetz’schen Familienfriedhof wirklich gab und wollte sehen, wo der Chef mit Familie denn seinerzeit wohnte.
In den Gebäuden des Graetz- Werkes 1 wird heute noch produziert, eine metallverarbeitende Firma stellte Präzisionsteile u.a. für die Fahrzeugindustrie her.
Mein Eindruck war aber auch, als dass sich wohl in den letzten 50 Jahren kaum etwas änderte. Die Zeit schien irgendwie stehen geblieben...
Der Großparkplatz für Busse und Fahrzeuge war allerdings zugebaut oder zugewachsen... wird ja nicht mehr gebraucht.
Das Städtchen Altena im Tal der Lenne hat durch die sehenswerte Burg mit der weltweit ersten Jugendherberge, dem Deutschen Drahtmuseum und der schönen Landschaft ringsum durchaus seine Reize, obwohl die Spuren der jahrhunderte alten Metallindustrie nicht zu verbergen sind.
© Jens Dehne
Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.