Nostalgie 5TX-Luzern

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Nostalgie 5TX-Luzern 
08.Aug.14 18:30
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Wolfgang Holtmann (NL)
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Wolfgang Holtmann

Liebe Radiofreunde,
zunächst eine Erklärung zum etwas rätselhaften Titel:

Einen schon lang gehegten Wunschtraum habe ich –wenn auch nur teilweise- wahrgemacht nämlich, fünf Sender nach dem Luzerner Wellenplan hier zu Hause reaktiviert!

Nostalgie.
In meinen Jugenderinnerungen sitze ich vor dem Radio, wo in den Abend-und Nachtstunden Radiosendungen aus ganz Europa zu hören sind. Obwohl ich, außer der Muttersprache, keine Sprachkenntnisse besaß, fand ich das alles sehr aufregend und interessant. Heute noch klingt das Pausenzeichen (alte Spieluhr) von Radio Monte Carlo in meinem Gedächtniss...  

Moderne Technik.
Dazu sind fünf kleine Sender in einem Gehäuse untergebracht, jeder mit unterschiedlichen(!) Programmen moduliert. Diese Programme, Musik, Wortsendungen, Pausenzeichen usw. werden in fünf MP3-Player gespeichert. Wichtig hierbei ist, dass alle Darbietungen aus dem Zeitraum der 20er, 30er Jahre stammen sollten. Vorgesehen ist ein deutsches, britisches, französisches, italienisches und niederländisches Repertoire.  

Ausreichendes Material konnte ich in der Vergangenheit durch Aufnahmen von entsprechenden Radiosendungen, oder durch Überspielungen von alten Schellackplatten (Flohmärkte), sowie durch ein umfangreiches Angebot auf CD’s versammeln. Das alles muss ich noch auf die MP3-Player bringen. Es gibt also noch viel zu tun ...

INGELEN Geographic.
Vor ein paar Jahren konnte ich dieses Radio (mit der besonderen Skala) günstig erwerben. Allerdings in einem miserablen Zustand, jedoch nun wieder funktionsfähig gemacht.

Das Baujahr wird wohl 1937 sein, weil Österreich noch als selbstständiges Land auf der Karte dargestellt ist. Die Skaleneinteilung der Sender ist nach dem damalig gültigen Luzerner-Wellenplan gemacht, würde also heutzutage hinten und vorne nicht mehr stimmen. Viele Sender sind inzwischen stillgelegt, oder senden auf anderen Frequenzen...

Hier kommt nun der 5TX-Luzern zum Tragen!
Die besagten fünf Haussender werden auf die Sendefrequenzen von damals getrimmt, so dass plötzlich der Sender Köln (=Langenberg) mit deutschem Programm erscheint, oder in französisch, Radio-Paris zu hören ist. Selbiges gilt für die drei weiteren Sender.

Der Zahn der Zeit hat leider meinen „Geographic“ sehr zugesetzt. Gemeint ist, die Oszillatorfrequenzen sind nicht mehr in Übereinstimmung mit der Skaleneinteilung.
Zurückversetzt in jene Zeit und hört beispielsweise den Sender Berlin auf 841 kHz, jedoch auf der Landkarte leuchten die Sender Bergen und Sofia (weil beide auf 850 kHz) auf.

Dieser Fehler kommt gerade bei der patentierten Anzeige der Stationen als Lichtpunkte auf einer Landkarte irritant nach vorne.

Natürlich habe ich bei der Reparatur die beiden Padderkondensatoren wegen Kapazitätsabweichung durch neue ersetzt und deren Werte auf Genauigkeit mit der Messbrücke überprüft. Auch die ZF wurde exakt auf Sollfrequenz eingeregelt.

Nach Entfernung der drei Abschirmbecher wird die Ursache deutlich: Die gestapelten Spulen werden mit einer dünnen, schwarzen Stange aus Isoliermaterial zusammengehalten. Diese Stangen (alle drei) sind durch Alterung gebrochen! Dadurch sind die Spulen nicht mehr in ihrer Ausgangslage und müssen nun behelfsweise fixiert werden.

Normalerweise lässt sich durch Neuabgleich die Sache korrigieren, es fehlt jedoch bei diesem Gerät die Möglichkeit des L-Abgleichs von außen, für LW und MW. Das ist ebenso bei den beiden Vorkreisen der Fall! Auf KW ist überhaupt kein Abgleich vorgesehen.
Gut, man darf davon ausgehen, dass die Empfänger inviduell abgeglichen und im tadellosen Zustand ausgeliefert wurden. Inzwischen sind ja 77 Jahre vergangen...

Trotz dieser Widrigkeiten, ist die Verstimmung kein echtes Hindernis! Anstatt der nominalen Sendefrequenz für z.B. Langenberg = 658 kHz, ziehe ich einfach meinen Sender auf die Frequenz, auf welcher die Markierung „Köln“ auf der Europakarte hell aufleuchtet. Dass diese in Wirklichkeit um 6 kHz abweicht, ist jetzt nicht so tragisch!  
 

Noch ein Trick.
Wenn man die über 100 Lichtpunkte auf der Skala betrachtet, dann erscheinen nur 5 wiederbelebte Sender recht wenig. Wir sehen aber, dass die großen Länder mehrere Sender zur Versorgung ihres Gebietes betreiben mussten. Daher habe ich die Einstellmöglichkeit von drei Frequenzen per Sender vorgesehen.

Somit kann ich für das deutsche Programm die Frequenz von Köln, Berlin oder München wählen. Letztere aber dann mit Stubenmusik...

Gleiches gilt für die anderen vier Sender, so dass nicht nur 5 Lichtpunkte, sondern maximal 15 zur Auswahl stehen.

Die Schaltung.
Damit die fünf Sender, inklusiv den dazugehörigen MP3-Playern, nicht zu viel Platz beanspruchen, habe ich auf eine schon früher erprobte Sendeschaltung nach dem „Dynatron-Prinzip“ zurückgegriffen. Deren Arbeitsweise wurde hier eingehend erläutert.

Meine Wahl fiel auf die ECL80, weil davon 10 Stück NIB vorhanden. Der Triodenteil bleibt unbenutzt und wird an Masse gelegt. Es können –mit kleinen Anpassungen- auch andere Kleinleistungspentoden Verwendung finden, solange das Bremsgitter nach außen geführt ist. Die g2/g3 Spannung wird mit Hilfe des Power-MOS-FET moduliert.

Die Dynatron-Schaltung verlangt nach einer genauen Einregelung des Arbeitspunktes mit Hilfe der justierbaren Gatespannung. Daher sind alle Gleichspannungen geregelt, bzw. stabilisiert. Siehe untenstehende Schaltung.

Die Eingangsempfindlichkeit ist ausreichend hoch, um eine Modulationstiefe von ca. 70% (Spitze) mit einem CD- oder MP3-Player zu erreichen. Die Modulationseingänge der fünf Sender werden zur Überwachung (nach Verstärkung mit IC LM386) an den Monitor-Lautsprecher geleitet.  

Da alle fünf Sender gleichzeitig betrieben werden können, ist eine gute Entkopplung der Sender erforderlich. Eine Auskopplungskapazität von nur 4,7 pF ist per Sender vorgesehen. Das bedeutet allerdings auch, dass die abgegebenen HF-Spannungen recht klein sind. Aber doch noch genügend hoch zur Übertragung über eine kurze Distanz von etwa einem halben Meter zum Radio (Superhet), bei einer Antennenlänge von 1 m auf der TX und RX Seite! Unempfindlichere Geradeausempfänger kann man über einen Abschwächer direkt mit den Sendern verbinden.

Für eine größere Reichweite könnte man noch eine einzelne Booster-Stufe hinzufügen. Ich denke da an eine EL95 im Linearbetrieb, um ungewollte Mischungen der Frequenzen zu minimieren.

Nach meiner sehr persönlichen Ansicht ist das nicht vorrangig. Ich betreibe sowieso die Uraltradios nur ganz selten an einer Antenne. Alles was ich dann empfange, entspricht ganz und gar nicht meinen nostalgisch gefärbten Wunschvorstellungen! Ich sehe das so: mein Radio-Hobby dient hauptsächlich dazu -für ein paar Stunden- die oftmals schlimmen Sachen in der Welt vergessen zu lassen. Vogel Strauß lässt grüßen...

Noch nicht komplett.
Was dem 5TX-Luzern noch fehlt sind Störungen, welche mit dem Empfang von AM-Stationen zwangsläufig einhergehen! Nur mit Gewittergeprassel, oder mit Fading der Fernsender, wirkt der Eindruck noch echter! Dafür habe ich noch einige Schalter vorgesehen, die die beiden Komponenten nach Wunsch hinzufügen können.

Geplant, aber zur Zeit noch nicht eingebaut, ist an eine Zumischung (NF-seitig) von aufgenommenen Gewitterstörungen. Zur Simulation der Schwunderscheinungen soll dann ein automatisch geregelter Abschwächer dienen. Mit Hilfe eines sehr langsam drehenden Motors bewegt eine exzentrische Scheibe ein Schiebepotentiometer und lässt den HF-Pegel von zwei oder drei Sendern auf- und absteigen.

Zum Abschluss noch eine Bitte:
Schön wäre es, eventuell auch Sender aus Osteuropa zu simulieren. Hierzu wären Musik- und Wortdarbietungen in polnischer, tschechischer und/oder russischer Sprache erforderlich. Wie schon dargelegt, sollte das Material von vor 1945 sein. Leider habe ich sowas nicht und weiß auch keine Quelle dazu.

Wer irgendwie helfen kann, den bitte ich um Kontaktaufnahme per e-mail.

MfG

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Edit: Titel angepasst.

 

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.