tekade: Der „Telehor“ von 1930

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tekade: Der „Telehor“ von 1930 
15.Jul.21 17:47
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Gerald Gauert (D)
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Die Vorgeschichte

Das Nipkow-Patent von 1884

Die Übertragung von Bildern über eine Zweidrahtleitung ist nur möglich, indem das Bild in einzelne Punkte zerlegt wird und die Helligkeitswerte in Form von Stromimpulsen seriell übertragen werden.

Am 6. Januar 1884 reichte der junge Student Paul Nipkow das Patent für sein „Elektrisches Teleskop“ ein. Er löste die Aufgabe der Bildzerlegung durch Verwendung einer rotierenden, spiralförmig gelochten Scheibe.

           Patentskizze

Die vorgesehenen Komponenten

  • Antrieb der Sender- und Empfängerseitigen Spirallochscheiben über Federuhrwerke
  • Aufnahme der Helligkeitswerte und Umwandlung in Stromimpulse mittels Selenzelle und Batterie
  • Übertragung über die Telefonleitung
  • Helligkeitssteuerung einer nicht näher bezeichneten  Lichtquelle auf der Empfängerseite mittels elektrisch gesteuerter Brechung von polarisiertem Licht

           

 

Leider fehlte zur praktischen Realisierung ein wichtiges Element – der Verstärker!

  • Selenzelle zu unempfindlich und zu träge
  • Helligkeitssteuerung auf der Empfängerseite benötigte zu viel Energie.

So erlosch das Patent und erst 25 Jahre später, mit der Entwicklung der Elektronenröhre als verstärkendes Element um etwa 1910 konnte die Idee wieder aufgegriffen werden.

Der „Telehor“ (griechisch Fernseher) des Dénes Mihály

  • Der ungarische Physiker Dénes Mihály befasste sich ab 1914 mit der Idee der Fernsehübertragung.
  • Auf der 5. Deutschen Funkausstellung 1928 Vorstellung des Nipkowscheiben-Fernsehgerätes „Telehor“, mit einer Bildgröße von 4x4cm und 30 Zeilen
  • Ab 1928 Testaussendungen der „Berliner Fernseh-AG“
  • geringe Signal-Bandbreite, mit normalen Rundfunkgeräten zu empfangen
  • Fernsehbaukasten für Amateure von der Firma TeKaDe

  

         

    Quelle: "Schröter, F.: Handbuch der Bildtelegraphie und des Fernsehens, Springer, 1932"

          Quelle: "Günther,H.: Das große Fernsehbuch, Frankh, 1938" 

Die technischen Grenzen des „Mechanischen Fernsehens“

 

                    30 Zeilen Auflösung                                                      96 Zeilen Auflösung

  • Je mehr Zeilen, um so kleiner die Löcher und damit auch schwächere Signale
  • Bei Verwendung von Nipkow-Scheiben mit größerem Durchmesser treten mechanische Probleme auf und die Apparatur wird zu unhandlich
  • erste Übertragungen ohne Synchronisation, manuelle Regelung der Drehzahl
  • Später Synchronisation durch zusätzlichen Lochkreis und Synchron-Oszillator zur Motorregelung
  • Anfang bis Mitte der 30er Jahre schrittweise Ablösung der mechanischen Bildzerlegung mittels Nipkowscheibe durch die Elektronenstrahlröhre

 

Bericht über die Restaurierung eines Telehor Fernsehempfängers

GFGF-Mitglied Hans-Joachim Liesenfeld bat mich vor einiger Zeit, seinen Nipkowscheiben-Fernseher zum Spielen zu bringen.
Es handelt sich um den „Telehor“ Fernsehbausatz von der Firma TeKaDe Nürnberg, der ab 1929 bis Mitte der 30er Jahre zum Kauf angeboten wurde. Der Bausatz besteht aus allen mechanischen Teilen, dem Tonrad für die Synchronisation und einer Flächenglimmlampe. Entsprechend beigefügter Bauanleitung mit Stückliste und Schaltplan konnte der Bastler das komplette Gerät aufbauen.
Der Bildaufbau geschieht mit (nur!) 30 Zeilen und 12,5 Bildern pro Sekunde.

Im Internet gibt es von der „narrow-bandwidth television association“ Video2NBTV Software, mit der man aus einer beliebigen Videodatei ein 30 Zeilen Bild für die Nipkowscheibe erzeugen kann.

Der Versuchung konnte ich nicht widerstehen und sagte zu.

Leider musste ich feststellen, dass der Bausatz wohl in den 1980er Jahren von Jemandem zusammengebaut wurde, der die Funktion nicht recht verstanden hat.
Die Stromversorgung mit der Glimmstabilisierung war falsch dimensioniert und der Synchro-Oszillator für die 375Hz Zeilenfrequenz erzeugte kein Signal. Außerdem war die Motordrehzahl doppelt so hoch, wie gefordert. Zur Korrektur habe ich eine kleinere Riemenscheibe hergestellt, mit der die Nipkowscheibe geringfügig schneller läuft als im Synchronfall. Das Tonrad bremst dann den Motor auf Solldrehzahl, was zu hörbaren Erschütterungen führt. Entsprechend Handbuch sollte dort ein Motor mit einstellbarer Rutschkupplung verwendet werden, was den Antriebsriemen schonen würde.
 

Die schlimmste Erkenntnis kam dann noch. Das Tonrad, bestehend aus 30 in Zink eingegossenen Stahllamellen, war von der Zinkpest befallen. Für die exakte Funktion darf der Luftspalt zwischen den Stahllamellen und den gegenüberstehenden Magnetspulen nicht größer als 0,5mm sein. Das Rad hat aber bereits 1,5mm Rundlaufabweichungen.


Das neue Tonrad wurde mittels Drahterosion schwalbenschwanzförmig geschlitzt und die neuen Stahllamellen eingepresst.

Mit dem neu hergestellten Tonrad war dann auch der Abgleich der Synchronisation auf 375Hz möglich.

Die Bausätze wurden damals mit zwei unterschiedlichen Nipkowscheiben ausgeliefert. Einmal mit Löchern für das horizontale 4:3 TeKaDe-Format und zum anderen für das englische, vertikale 3:7 Baird-Format.
Im vorliegenden Gerät war leider die englische Version eingesetzt.
Die richtige Scheibe habe ich dann aus 1mm Alumiumblech hergestellt.
 

Zu guter Letzt habe ich einen authentischen Kabelbaum aus den damals verwendeten Materialien hergestellt.
Mein Dank an dieser Stelle geht an Dietmar Rudolph, der mit mehrfarbigen LSL (Lack-Seide-Lack) Draht ausgeholfen hat. Mein erster Kabelbaum nach 40 Jahren Pause!

 

Das 30 Zeilen Videosignal ist im niederfrequenten, hörbaren Bereich. Die Video2NBTV-Software erzeugt aus dem Film eine Stereo-Audiodatei. Der linke Kanal enthält das Videosignal und die Synchronimpulse, der rechte Kanal den Ton.

Zur Bereitstellung des Videosignals für den Telehor wurde ein Steuergerät hergestellt.

Das Kernstück des Steuergerätes ist ein DFPlayer mini, der auf Knopfdruck jeweils eine WAV-Datei von der SD-Speicherkarte abspielt. Ton- und Bildsignal gebe ich jeweils auf die niederohmige Wicklung eines Lautsprecherübertragers, die hochohmige Wicklung liegt an den Ausgangsbuchsen.
An die Lautsprecherbuchsen kann ein hochohmiger, historischer Lautsprecher angeschlossen werden.
Das Videosignal wir durch diesen „umgedrehten“ Übertrager auf den notwendigen Spannungshub von ca. 80V gebracht.
Für die Verstärkung des Tonsignals kommt ein Kanal des Class D Verstärkers PAM4803 zum Einsatz.
Das Videosignal wird mit einem TDA2050 analog verstärkt, eine digitale Signalverarbeitung ist an dieser Stelle ungeeignet.

Die Helligkeit der Flächenglimmlampe ist nicht sehr groß und durch die 1mm Löcher betrachtet ergibt sich ein sehr schwaches Bild. Dies hier ist Charlie Chaplin mit Tanz und Gesang „Titine“.


 

Historische Quellen schreiben, dass Paul Nipkow 1928 beim Betrachten, des nach seinem Patent gebauten Gerätes enttäuscht war. Das kann ich jetzt direkt nachvollziehen.
 
Auf den 30-Zeilen Bildern ist ein Überschwingen in Form von helleren Zeilen etwa in Bildmitte zu erkennen. Die Erzeugung des erforderlichen Videopegels mit Hilfe des umgekehrten Lautsprecherübertragers ist nicht die optimale Lösung. In der Telehor-Bedienungsanleitung wird empfohlen, zur Ansteuerung nur RC-gekoppelte Verstärker mit einer RE604 o.Ä. in der Endstufe zu verwenden.

Gerald Gauert

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